Zusammenfassung
Immer mehr Menschen in der Schweiz sagen von sich selbst, dass sie keiner Konfession oder Religion angehören. Aktuell bilden sie zusammen mit reformiert zugehörigen und katholisch zugehörigen Personen eine der drei größten Gruppen – je nach Datensatz und Erhebungsmethode seit Kurzem sogar die größte von allen. In diesem Beitrag stehen religionslose Personen und damit das Phänomen der individuellen Religionslosigkeit im Mittelpunkt. Vertieft untersucht werden die beiden folgenden Aspekte: Einerseits schlägt der Beitrag eine Brücke zum allgemeinen Forschungsdiskurs über Religionslosigkeit. Er fragt danach, wie sich in der Schweiz wohnhafte religionslose Personen aktuell beschreiben lassen in Bezug auf Soziodemografie, Spiritualität, Religiosität und Sozialisation. Dabei wird deutlich, was sich bereits an anderer Stelle zeigte: Religionslose sind vergleichsweise jung und überdurchschnittlich gut gebildet. Ebenfalls tritt dabei ein Phänomen in Erscheinung, das bislang erst ansatzweise untersucht wurde: Religionslose weisen überproportional häufig einen Migrationshintergrund auf. Andererseits vertieft dieser Beitrag den für die Säkularisierungsforschung zentralen Aspekt der Sozialisation. Er stellt ein Modell vor, das Aufschluss über typische Sozialisationserfahrungen religionsloser Personen gibt. Als wichtigstes Resultat aus der Modellbildung geht hervor, dass Religionslosigkeit typischerweise dort ihren Anfang nimmt, wo auch Sozialisation beginnt: Bei den Eltern der befragten Personen und deren Verhältnis zum Religiösen. Alle ausgeführten Analysen basieren auf den Daten der MOSAiCH-Befragung von 2018 und wurden mit den Werkzeugen der quantitativen Sozialforschung erarbeitet.
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4.1 Religionslosigkeit als Forschungsgegenstand
Seit mehreren Jahrzehnten lässt sich für westlich-moderne Gesellschaften beobachten, dass immer mehr Menschen religionslos sind. Einige unter ihnen sind es im Laufe ihres Lebens geworden, andere waren nie religiös zugehörig. Zugleich lässt sich ein Zerfall von religiösen Institutionen konstatieren. Während diese Aspekte eines gesamtgesellschaftlichen Wandels seit jeher wichtige Bezugspunkte der religionssoziologischen Forschung bilden, ist das Phänomen der individuellen Religionslosigkeit erst in den letzten gut zehn Jahren zu einem eigenständigen Forschungsfeld avanciert.Footnote 1 Insbesondere mit Blick auf die gesellschaftliche Individualebene sind seither diverse Studien und Diskurse entstanden, welche die Gruppe der Religionslosen sowie das Phänomen der individuellen Religionslosigkeit analytisch fassen, beschreiben und Erklärungen für dessen Ausweitung entwerfen.
Innerhalb dieses neuerdings entstandenen Forschungsgebietes werden insbesondere zwei Themen verhandelt:
Erstens sind viele der Beiträge darauf ausgerichtet, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verschiedenen Formen von Religiosität oder Zugehörigkeit auszuarbeiten. Dabei zeigt sich, dass religionslose Personen ein typisches soziodemografisches Profil aufweisen. Sie sind typischerweise jung,Footnote 2 gut gebildet und im urbanen Raum wohnhaft.Footnote 3 Ebenfalls typisch (und aus naheliegenden Gründen auch wenig überraschend) ist, dass sie keine religiöse Praxis pflegen und keine Glaubensüberzeugungen haben.Footnote 4
Zweitens liegt ein anderer Fokus auf der Frage, welche Varianten und Nuancen sich innerhalb des Phänomenbereichs der Religionslosigkeit beschreiben lassen. Diesbezüglich zeigt sich, dass Religionslosigkeit sehr unterschiedliche Formen annehmen kann:Footnote 5 Das Spektrum reicht von alternativer Spiritualität im Sinne von individuell gelebten PraktikenFootnote 6 oder Formen des säkularen GlaubensFootnote 7, über religiöse IndifferenzFootnote 8 bis hin zum organisierten AntiklerikalismusFootnote 9.
Bezogen auf die Schweiz lässt sich festhalten, dass das Phänomen der Religionslosigkeit erst neuerdings Beachtung findet.Footnote 10 Obwohl entsprechende Daten bereits seit den 1960er-Jahren zu Verfügung stehen (die Kategorien «ohne religiöse Zugehörigkeit» und «keine Angabe» werden vom BfS seither erhoben),Footnote 11 wurden sie lange Zeit nicht ausgewertet.Footnote 12 Dies mag vor allem daran liegen, dass die Anzahl religionsloser Personen über lange Zeit zu niedrig war, als dass man diese Bevölkerungsgruppe einer statistisch aussagekräftigen Analyse hätte zuführen können.
Mit zunehmender Säkularisierung und dem Erscheinen der Studie von Stolz et al. (2014) ändert sich dies schließlich. In dieser Studie beschreiben die Autor:innen vier Typen des «(Un)Glaubens», wobei eine davon die der «Säkularen» ist. Einige wichtige Resultate zum Typus der Religionslosen sind: Sie sind vergleichsweise jung, gut gebildet und leben im urbanen Raum. Sie lassen sich in zwei Subgruppen einteilen. Die Subgruppe der «Indifferenten» ist gegenüber Religion und Religionsthemen gleichgültig. Ihr gehört die überwiegende Mehrheit aller religionslosen Personen an. Für die kleinere Gruppe der «Religionsgegner» wiederum ist bezeichnend, dass sie sich kritisch über Kirche und Glaube äußern und sich in dieser Sache zuweilen gar engagieren.Footnote 13
Ebenfalls aufgegriffen wird das Phänomen der Religionslosigkeit in diversen statistischen Berichten des Bundesamtes für Statistik.Footnote 14 Diese Berichte bestätigen oder verfeinern, was in der Studie von Stolz et al. bereits beschrieben und modelliert wurde: Religionslosigkeit ist ein Phänomen, das sich immer weiter ausbreitet, wobei Sozialisationsprozesse dabei eine zentrale Rolle spielen.Footnote 15 Der auf die Schweiz bezogene Forschungsdiskurs ist damit primär auf Beschreibung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zu anderen Gruppen ausgerichtet. In der Studie von Stolz et al. wird zwar auch auf Varianten und Nuancen von Religionslosigkeit eingegangen, dies allerdings nur am Rande.
4.1.1 Fragestellung
Das Ziel dieses Beitrags ist es zunächst, das bisherige Vorwissen zu individueller Religionslosigkeit weiter zu vertiefen. Deshalb wird einerseits untersucht, ob sich Unterschiede zu Beschreibungen finden lassen, die in anderen westlich-modernen Ländern entstanden sind, und ob sich bereits bestehende Beschreibungen weiter differenzieren lassen. In einem zweiten Schritt vertieft dieser Beitrag den Aspekt der Sozialisation. Dazu schlägt er ein Modell der typischen Sozialisation vor, basierend auf einer logistischen Regressionsanalyse. Bearbeitet werden diese beiden Aspekte von Religionslosigkeit in drei aufeinanderfolgenden Schritten:
-
1.
Deskriptive Annäherung: Wie unterscheiden sich religionslose Personen von religiös zugehörigen Personen hinsichtlich Soziodemografie, Religiosität/Spiritualität und Sozialisation?
-
2.
Sozialisation religionsloser Personen im Vergleich: Inwiefern unterscheiden sich religionslose Personen untereinander hinsichtlich ihrer Sozialisation? Welchen Unterschied macht es, ob eine heute religionslose Person bereits religionslos aufgewachsen ist oder nicht?
-
3.
Modellbildung Sozialisation religionsloser Personen: Welche Sozialisationseinflüsse sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass jemand heute religionslos ist bzw. schon immer war?
Ausgearbeitet werden Beschreibungen und Modell anhand von Kontingenztabellen und logistischen Regressionen. Dazu verwendet wird die Analysesoftware «R.» (Version 4.1.1). Gezeigte und in Beschreibungen übertragene Visualisierungen wurden mithilfe des Paketes «ggplot 2» (Version 3.3.5) erstellt. Die Regressionen wurden mithilfe der Funktion «glm()» gerechnet. Wie in der Dokumentation zum Datensatz vorgeschlagen,Footnote 16 werden die Daten ohne Verwendung einer Gewichtungsvariable ausgewertet.
4.1.2 Analysezugang und Datengrundlage
Religionslosigkeit ist ein vielschichtiges Phänomen,Footnote 17 das, je nach Forschungsstil und methodischer Vorgehensweise, auf andere Art und Weise empirisch greifbar gemacht wird. Quantitativ ausgerichtete Forschungsbeiträge orientieren sich typischerweise an den Dimensionen Zugehörigkeit (beziehungsweise Identifikation), Glaube, Praxis (insbesondere Beten und Kirchgang beziehungsweise Gottesdienstbesuch) sowie Sozialisation, um Religionslosigkeit zu messen.Footnote 18 Im Kontext einer so gewählten Herangehensweise hat sich bereits mehrfach gezeigt, dass die Dimension der Zugehörigkeit am deutlichsten anzeigt, wie religionsfern jemand ist.Footnote 19 So gibt es zwar Personen, die sich als zugehörig identifizieren, obwohl sie wenig oder gar nicht beten und religiöse Sinnvorstellungen ablehnen. Umgekehrt kommt es jedoch deutlich seltener vor, dass eine nicht zugehörige Person betet und an Gott glaubt. Deshalb lässt sich die Dimension der Zugehörigkeit als letzte und vermutlich wichtigste Grenzziehung zwischen «religiös» und «religionslos» bezeichnen.
Dieser quantitativ ausgerichtete Beitrag wählt seinen Zugang über die Dimension der Zugehörigkeit. Als empirische Grundlage dient die 2018 erhobene Welle zu Religion des Datensatzes «Measurement and Observation of Social Attitudes in Switzerland» (MOSAiCH). Dieser Datensatz besteht aus Querschnittsdaten mit insgesamt 2′350 Fällen (siehe Tab. 4.1). Er wurde auf Deutsch, Französisch und Italienisch unter Personen erhoben, die in einem Schweizer Privathaushalt leben und mindestens 18 Jahre alt sind.Footnote 20 Gebildet wird die im Folgenden untersuchte Gruppe der Religionslosen aus all jenen Personen im Datensatz, die von sich selbst sagen, dass sie «keiner Konfession oder Religionsgemeinschaft» angehören (800 Fälle). Dieser Gruppe der Religionslosen gegenübergestellt werden jene Personen, die von sich selbst sagen, dass sie sich einer Religionsgemeinschaft oder Konfession zugehörig fühlen (1′502 Fälle).
Die drei größten Gruppen im eben vorgestellten Datensatz bilden reformiert zugehörige Personen, katholisch zugehörige Personen sowie religionslose Personen. Die Religionslosen sind mit einem Anteilswert von 34,8 % vertreten, die katholisch Zugehörigen mit 30,8 % und die reformiert Zugehörigen mit 24,1 %. Damit zeigt sich: Eine sich über Jahrzehnte hinziehende Entwicklung hat schließlich dazu geführt, dass die Gruppe der Religionslosen die grösste von allen ist – zumindest im hier ausgewerteten Datensatz. Denn: Vergleicht man diese Anteilswerte mit Zahlen aus anderen Datensätzen, relativiert sich dieser Befund wieder. Aus den Daten der Strukturerhebung (Volkszählung) von 2018 geht eine leicht andere Verteilung hervor: Darin ist die Gruppe der Religionslosen mit 27,9 % vergleichsweise kleiner, die der Katholik:innen ist mit 35, 1 % größer und die der Reformierten mit 23,1 % beinahe gleich groß.Footnote 22
Zurückzuführen sind diese Unterschiede vor allem darauf, dass der Volkszählung eine andere Erhebungsstrategie zugrunde liegt (Messung sowie Auswahl der befragten Personen). Welches nun die «besseren» Daten sind, ist eine Frage, die situativ geklärt werden muss. Mit Blick auf die nun folgenden Analysen bieten sich die MOSAiCH-Daten aus zwei Gründen an. Einerseits ist die Befragung von 2018 mit vielen gut auswertbaren und bewährten Items zu Religion und Religiosität bestückt. Und andererseits wurde das Item für Zugehörigkeit so formuliert, dass es zur hier bearbeiteten Fragestellung passt. So wurden die teilnehmenden Personen gefragt: «Fühlen Sie sich einer bestimmten Religion oder Konfession zugehörig? Wenn ja, welcher?» Gemessen wird damit die Identifikation mit einer Religionsgemeinschaft oder Konfession, während andere Aspekte von Zugehörigkeit – wie beispielsweise die je nach Kanton anders geregelte Frage der formalen Zugehörigkeit – wegfallen.
4.2 Religionslose und religiös zugehörige Personen im Vergleich
Vergleicht man die Gruppe von religionslosen Personen mit der Gruppe aller religiös zugehörigen Personen, zeigen sich hinsichtlich der drei Dimensionen Soziodemografie, Religiosität und religiöser Sozialisation verschieden stark ausgeprägte Unterschiede. In Bezug auf die soziodemografischen Merkmale (siehe Tab. 4.2) wird deutlich, dass religionslose Personen vergleichsweise jung sind. Mit durchschnittlich 44,6 Jahren sind sie signifikant jünger als die Angehörigen der Vergleichsgruppe (51,0 Jahre). In Bezug auf die Verteilung der Geschlechteranteile besteht nur ein schwach ausgeprägter Unterschied, der statistisch nicht signifikant ist. Fast genau die Hälfte aller Religionslosen sind männlich (50,1 %), während es bei den religiös zugehörigen Personen 47,5 % sind.
Viele religionslose Personen haben einen Migrationshintergrund. 18,4 % von ihnen sind selbst migriert (erste Generation)Footnote 24 und haben keine Staatsangehörigkeit in der Schweiz. Unter den religiös zugehörigen Personen ist dieser Anteil signifikant tiefer, er liegt bei 12,9 %. Schwächer ausgeprägt sind diese Werte in Bezug auf die Migration der Eltern der befragten Personen (zweite Generation). Bezüglich Partnerschaft und Wohnhaftigkeit im städtischen Raum zeigen sich zwar signifikante, aber schwach ausgeprägte Unterschiede: Religionslose Personen leben etwas seltener in einer festen Partnerschaft (72,4 % zu 76,7 %), sind dafür etwas urbaner (64,8 % zu 60,7 %).
Bezüglich der wichtigsten Dimensionen von Religiosität (Zugehörigkeit, Selbstbeschreibung, Glaube und Praxis) unterscheiden sich die Religionslosen durchgehend, deutlich und signifikant von der Vergleichsgruppe (siehe Tab. 4.3). Abgesehen von der religiösen Zugehörigkeit – diese Variable wurde als Gruppenvariable verwendet und lässt sich deshalb nicht weiter auswerten – ist der Unterschied hinsichtlich der Selbstbeschreibung als «religiös» besonders stark ausgeprägt. Lediglich 4,7 % aller religiös nicht zugehörigen Personen würden sich trotzdem als «religiös» beschreiben, 10,6 % beschreiben sich als «weder/noch» und eine große Mehrheit von 84,6 % als «nicht religiös». In der Vergleichsgruppe beträgt der Anteil religiöser Personen 44,7 %.Footnote 25
Bezüglich des Gottesglaubens zeigt sich ein ähnliches und ebenfalls deutlich signifikantes Resultat. 84,0 % der Religionslosen sagen, dass sie nicht an Gott glauben, in der Vergleichsgruppe liegt dieser Anteil bei 27,0 % und ist damit deutlich tiefer. Ebenfalls pflegen die meisten Religionslosen keine religiöse Praxis: 78,9 % von ihnen besuchen nie einen Gottesdienst und 70,7 % sagen, dass sie nie beten. In der Vergleichsgruppe der religiös zugehörigen Personen sind diese beiden Werte deutlich tiefer (22,1 % beziehungsweise 19,4 %). Eine Ausnahme von diesen deutlich hervortretenden Unterschieden bildet die Selbstbeschreibung «spirituell». Sie wird von Religionslosen gleich häufig verwendet (38,2 %) wie von religiös zugehörigen Personen (38,3 %).Footnote 26
In Bezug auf die religiöse Sozialisation der verglichenen Gruppen werden wiederum verschieden stark ausgeprägte Differenzen sichtbar (siehe Tab. 4.4). Das wohl markanteste Merkmal ist hier die Bildung: Vergleichsweise sehr viele Religionslose geben an, ihren höchsten Abschluss auf der tertiären Bildungsstufe erworben zu haben. 40,6 % haben eine Fachhochschule, eine pädagogische Hochschule, eine Universität oder eine Eidgenössisch-Technische Hochschule (ETH) besucht. Bei den religiös Zugehörigen ist dieser Anteilswert signifikant tiefer, er liegt bei 27,2 %.
Mit Blick auf die eigene Kindheit berichten 15,0 % aller heute religionslosen Personen, dass einst zumindest ein Elternteil religionslos gewesen sei. Obwohl dieser Anteil nicht besonders hoch ist, unterscheiden sich die Religionslosen diesbezüglich ebenfalls markant von den religiös Zugehörigen. Hier sagen nur 2,0 %, dass ein Elternteil oder beide Elternteile religionslos gewesen seien. Ebenfalls vergleichsweise hoch ist der Anteil religionsloser Personen, die sagen, sie seien in keiner Glaubensrichtung erzogen worden und also religionslos aufgewachsen (27,3 %). Bei heute religiös zugehörigen Personen ist dieser Wert mit 4,5 % auch deutlich tiefer. Und schließlich sagen 39,4 % der Religionslosen, dass sie als Kind nie oder weniger als einmal pro Jahr an einem Gottesdienst teilgenommen hätten. In der Gruppe der religiös zugehörigen Personen kommt es deutlich weniger oft vor, dass jemand den Gottesdienst nicht oder nur selten besuchte. Der entsprechende Prozentwert liegt bei 13,4 %.
Zusammenfassen und interpretieren lassen sich die Ergebnisse dieses ersten und beschreibend ausgerichteten Teils wie folgt: Religionslose Personen sind typischerweise jung. Im Anschluss an die Theorie der Kohorten-SäkularisierungFootnote 28 scheint dies ein naheliegender Befund zu sein. Zudem erscheint dann die individuelle Religionslosigkeit – und mit ihr der Prozess einer sich ausbreitenden Säkularisierung – als Resultat einer Dynamik, die ihren Ausgangspunkt beim Zerfall der Institution der religiösen Sozialisation nimmt.Footnote 29 Demnach verliert diese Institution aufgrund von verschiedenen Entwicklungen immer mehr an Einfluss, weshalb jüngere Generationen weniger stark religiös sozialisiert werden als ältere (Kohorteneffekt). Dies hat zur Folge, dass Gesellschaften Schritt für Schritt säkularer werden.
Wie sich weiter gezeigt hat, ist Religionslosigkeit kein dezidiert urbanes Phänomen. In diesem Punkt decken sich die Resultate nur bedingt mit dem vorangehenden Wissensstand. Aufgrund der vorhandenen Daten lassen sich diese räumlichen Aspekte von Religionslosigkeit jedoch leider nicht weiter auswerten. Ein weiterer Befund ist, dass viele Religionslose über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen. In diesem Befund spiegelt sich einerseits, dass säkulare Bildungsinstitutionen wie Hochschulen und Universitäten an der Verbreitung sowie der Reproduktion von Religionslosigkeit beteiligt sind. Andererseits wird deutlich, dass eine bildungsintensive Sozialisation eher in die Richtung von Religionslosigkeit als in die entgegengesetzte Richtung führt.
Ebenfalls deutlich wurde, dass sich die beiden verglichenen Gruppen hinsichtlich Religiosität sehr stark unterscheiden, während bezüglich Spiritualität keine Unterschiede sichtbar werden. Die Selbstbezeichnung «spirituell» liegt quer zur Selbstbezeichnung «religiös» sowie zu allen ebenfalls untersuchten Dimensionen von Religiosität. Sie tritt damit als vielschichtige Identitätskategorie in Erscheinung, welche zwischen individualisiertem Glauben, esoterischem Wissen und allgemeiner Sinnsuche oszilliert.Footnote 30
Schliesslich fällt auf, dass die Gruppe der Religionslosen zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil aus Personen besteht, die einen Migrationshintergrund aufweisen (erste Generation). Während bereits hinlänglich bekannt ist, dass Migration in vielfältiger Art und Weise auf die Religionslandschaft der Schweiz einwirkt,Footnote 31 wurde dieser spezifische Zusammenhang zwischen Migration und Religionslosigkeit gemäß aktuellem Wissensstand noch nicht systematisch untersucht. In einer ersten Annäherung lassen sich die oben freigelegten Befunde so interpretieren, dass Migration einen Bruch mit Zugehörigkeit nach sich zieht. Demnach ist anzunehmen, dass der Anteil migrierter Personen deshalb überdurchschnittlich hoch ist, weil diese in ihrem neuen Umfeld keinen Anschluss mehr finden (oder suchen) an ihnen vertraute Zugehörigkeiten oder religiöse Sinnwelten. Wie sich nun migrationsbezogene Religionslosigkeit von anderen Formen der Religionslosigkeit unterscheidet, wäre in weiterführenden Analysen zu klären. Ebenfalls zu untersuchen wäre dabei, warum sich dieses Phänomen nur für Migration in erster Generation beobachten lässt.
4.3 Sozialisation im Vergleich
Der folgende Abschnitt vertieft zunächst, wie religiöse Sozialisation und Religionslosigkeit zusammenhängen (Deskription innerhalb der Gruppe der Religionslosen). Anschließend setzt er unterschiedliche Sozialisationseinflüsse miteinander in Beziehung und vergleicht deren Einflussstärke (Regressionsmodell). Diese vertiefende Analyse beschränkt sich auf die Gruppe der religionslosen Personen (800 Fälle) und interessiert sich für Unterschiede in der Art und Weise, wie jemand sozialisiert wurde. Aus den verfügbaren Daten ergeben sich die vier folgenden Subgruppen: heute religionslose Personen, die eine katholische (erstens) oder eine reformierte Sozialisation (zweitens) erfahren haben, Religionslose, die eine religionsferne Sozialisation (drittens) erlebt haben und religionslose Personen, die eine andere religiöse Sozialisation (viertens) erfahren haben.
Bezieht man diese Unterscheidung nach Sozialisation ein und wertet die bereits untersuchten Variablen noch einmal aus, so zeigen sich vor allem zwei markante Resultate: Mit 41,2 % wurden die meisten der heute konfessionslosen Personen katholisch sozialisiert. Deutlich weniger Religionslose sagen entweder, sie seien religionsfern (27,3 %) oder reformiert erzogen worden (26,0 %). Mit 5,4 % ist der Anteil von in einer anderen Religion erzogenen Personen sehr klein (siehe Abb. 4.1). Vergleicht man das durchschnittliche Alter dieser vier Gruppen, so fällt zudem auf, dass religionsfern sozialisierte Personen deutlich jünger sind als Personen, die religiös erzogen worden sind. Erstere sind im Schnitt 38,2 Jahre alt, während katholisch und reformiert sozialisierte Religionslose (47,9 Jahre bzw. 46,6 Jahre) signifikant älter sind (siehe ebenfalls Abb. 4.1).Footnote 32 Alle weiteren Auswertungen nach Soziodemografie, Religiosität oder Sozialisation fördern höchstens Tendenzen, aber keine signifikanten Unterschiede mehr zutage. Ansatzweise sichtbar wird, dass religionsfern sozialisierte Religionslose etwas urbaner sind. Hinsichtlich Geschlechterverteilung und in Bezug auf Partnerschaft lässt sich kein Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen feststellen. Bezüglich Religiosität zeigt sich, dicht zusammengefasst, dass konfessionell sozialisierte Religionslose in ihrer Religionslosigkeit etwas religiöser sind als religionsferne.Footnote 33
Sowohl das Ausbleiben von weiteren Unterschieden als auch die deutlich hervortretende Altersdifferenz zwischen religionsfern sozialisierten und konfessionell sozialisierten Religionslosen stützen die Interpretation der Kohorten-Säkularisierung. Ebenfalls zeigt sich, dass die Gruppe der Religionslosen größtenteils aus Personen besteht, die katholisch sozialisiert sind – genauso wie die Gruppe der religiös zugehörigen Personen. Der Katholizismus ist damit auf beiden Seiten der eingangs untersuchten abhängigen Variablen überproportional stark vertreten. Dies lässt sich nicht für die Zugehörigkeitskategorie des Protestantismus feststellen. Sowohl unter religionslosen Personen als auch unter religiös zugehörigen ist der Protestantismus deutlich schwächer. Dies war jedoch nicht immer so. Eine plausible Interpretation für den aktuell feststellbaren Unterschied zwischen diesen beiden Konfessionen lässt sich aus der Theorie der multiplen SäkularitätenFootnote 34 herleiten. Eine Pointe dieses Theoriemodells besteht darin, dass sich Säkularität auf unterschiedlichen Pfaden und in zeitlicher Verschiebung entwickelt.Footnote 35 Demnach sind der Katholizismus und der Protestantismus als zwei voneinander zu unterscheidende Kultursphären zu verstehen, die sich hinsichtlich des Tempos und der Mechanismen des Wandels jeweils anders verhalten. Dies zeigt sich dann unter anderem darin, dass der Prozess der Säkularisierung auf reformierter Seite schon wesentlich weiter fortgeschritten ist.Footnote 36
Will man den Zusammenhang zwischen Zugehörigkeit und Sozialisation multivariat modellieren, so empfiehlt sich aufgrund der nicht ausreichenden Anzahl von Fällen im verwendeten Datensatz eine Rückkehr zur dichotomen Unterscheidung zwischen den Ausprägungen religionslos und zugehörig (abhängige Variable). Mithilfe einer logistischen Regression lässt sich dann berechnen, wie stark jeder zuvor bereits untersuchte Aspekt von Sozialisation zur Wahrscheinlichkeit beiträgt, dass jemand in die Gruppe der Religionslosen fällt (siehe Tab. 4.5). Berechnet werden die entsprechenden Wahrscheinlichkeits-Koeffizienten für die Gruppe der Religionslosen und in Abgrenzung zur Referenzgruppe der religiös zugehörigen Personen. Auf der Seite der unabhängigen Variablen werden alle oben untersuchten Aspekte von Sozialisation ins Modell aufgenommen: höchster erworbener Bildungsabschluss, religionsferne Erziehung, Religionslosigkeit der Eltern und die Häufigkeit des Gottesdienstbesuches als Kind. Die jeweils zu wählenden Referenzkategorien werden so gesetzt, dass alle Koeffizienten in die gleiche Richtung zeigen. So lässt sich das Ergebnis einfacher lesen. Als Kontrollvariablen werden zusätzlich die wichtigsten soziodemografischen Merkmale ins Modell aufgenommen. Es sind dies: Alter, Geschlecht und die bereits verwendete Raumtypologie.
In einer Begutachtung des Modells fällt auf, dass alle untersuchten Einflussgrößen signifikant sind (beziehungsweise: geblieben sind). Dies bedeutet einerseits, dass alle berechneten Koeffizienten aussagekräftig sind und miteinander verglichen werden können. Zugleich heißt dies, dass die ins Modell einbezogenen Variablen eine jeweils andere Dimension von Sozialisation messen und also nebeneinanderstehen können. Ebenfalls zeigen die Koeffizienten alle in dieselbe Richtung: Jede der berechneten Ausprägungen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person der Gruppe der Religionslosen angehört. Nur tut sie dies in unterschiedlich starkem Maße. Sinnvoll interpretieren lassen sich die berechneten Koeffizienten auch deshalb, weil die dazugehörigen Konfidenzintervalle alle über 1 liegen. Es ist damit auch unter Einbezug von zufallsbedingten Schwankungen nicht möglich, dass sich eine berechnete Wahrscheinlichkeit umgekehrt manifestiert als vom Modell vorausgesagt.
Aus dem Modell gehen folgende Befunde hervor: Bezogen auf eine bildungsintensive Sozialisation wird deutlich, dass Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss mit einer 2,65 Mal höheren Wahrscheinlichkeit der Gruppe der Religionslosen angehören. Eine religionsferne Erziehung erhöht die gleiche Wahrscheinlichkeit um das 3,39-fache. Falls ein oder beide Elternteile während des Heranwachsens der befragten Person religionslos wahren, so ist die Möglichkeit, dass diese Person der Gruppe der Religionslosen angehört, 3,68 Mal höher. Und jene Personen, die als Kind nie oder nur selten einen Gottesdienst besucht haben, sind mit einer 2,23-fach höheren Wahrscheinlichkeit religionslos.
Vergleicht man diese Koeffizienten miteinander, so zeigt sich, dass der weiter oben beschriebene Einfluss einer bildungsintensiven Sozialisation nach wie vor zu beobachten ist. Im direkten Vergleich mit anderen Einflussfaktoren verliert er jedoch an Bedeutung. Wenn es darum geht, die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zur Gruppe der Religionslosen vorauszusagen, sticht vor allem ein Koeffizient besonders deutlich ins Auge: die religiöse Zugehörigkeit der Eltern der befragten Personen. Dieser Wahrscheinlichkeits-Koeffizient ist der höchste unter allen berechneten. Daraus lässt sich schließen: Ob jemand heute religionslos ist oder nicht, hat sich primär in der Familie und über die Eltern-Kind-Beziehung entschieden. Dabei genügt es bereits, wenn ein Elternteil religiös nicht zugehörig ist. Auch dieses Resultat lässt sich gut mit der Theorie einer Kohorten-Säkularisierung verbinden. Demnach kommt es, so lautet eine entsprechende Interpretation, durch fehlende Zugehörigkeit im Elternhaus zu einer markanten Abschwächung der religiösen Sozialisation. Und dies wiederum führt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass sich im weiteren Verlauf einer Biografie früher oder später Religionslosigkeit einstellt. Und hat sich Religionslosigkeit erst einmal eingestellt, so wird auch die Sozialisation der nächsten Generation mit großer Wahrscheinlichkeit erneut unter diesen Vorzeichen erfolgen.Footnote 38
4.4 Zusammenfassung und Ausblick
Das Ziel dieses Beitrages war es, in Anschluss an den bereits bestehenden Wissensstand zu Religionslosigkeit in der Schweiz an verschiedenen Stellen Vertiefungsarbeit zu leisten. Dies geschah auf Basis einer Auswertung quantitativer Individualdaten. Gearbeitet wurde mit dem Datensatz MOSAiCH von 2018. In einem ersten Schritt haben sich die Analysen darauf konzentriert, die Dimensionen Soziodemografie, Religiosität und Sozialisation näher zu untersuchen. Dabei wurde die Gruppe der Religionslosen entlang dieser drei Dimensionen systematisch verglichen mit der Gruppe aller religiös zugehörigen Personen. Anschließend erfolgte eine Fokussierung auf die Dimension der Sozialisation. Dabei wurde zunächst genauer unterschieden zwischen verschiedenen Formen der religiösen oder einer religionslosen Sozialisation (Aufteilen der zuvor untersuchten abhängigen Variablen). Anschließend wurde die Stärke von verschiedenen Sozialisationsaspekten mit den Mitteln einer logistischen Regression statistisch modelliert.
Dicht zusammengefasst zeigen die Ergebnisse aus den einzelnen Analyseschritten Folgendes: Religionslose Personen sind typischerweise jung, gut gebildet und nicht im Geringsten religiös. Die meisten von ihnen sind katholisch sozialisiert worden. Jene, die religionsfern aufgewachsen sind, sind deutlich jünger als alle anderen. Bei der multivariaten Analyse hat sich herausgestellt, dass die religiöse Zugehörigkeit der Eltern als wichtigster aller Sozialisationseinflüsse darauf hinwirkt, dass jemand später religionslos ist. Wenn nur schon ein Elternteil nicht religiös zugehörig ist, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die befragte Person selbst auch nicht religiös zugehörig werden wird. Die Institution der religiösen Sozialisation zerfällt vor allem dort, wo ein neues Leben seinen Anfang nimmt: in der Familie und in der Eltern-Kind-Beziehung. Wird jemand durch seine Eltern nicht religiös sozialisiert, so ist sie oder er später mit großer Wahrscheinlichkeit auch selbst nicht religiös zugehörig. Dies wiederum führt dazu, dass auch die Kinder dieser Person ziemlich sicher keine religiöse Zugehörigkeit haben werden (Kohorten-Säkularisierung).
Zusätzlich zu diesem Hauptresultat sind weitere Nebenergebnisse in Erscheinung getreten. Vertieft untersucht wurden diese allerdings (noch) nicht. Sie alle drängen in die Richtung eines Ausbaus des Forschungsstandes zu Varianten und Nuancen von Religionslosigkeit. Im Sinne eines Ausblickes werden diese Nebenergebnisse nun noch einmal abschließend zusammengefasst: Religionslosigkeit scheint ein Phänomen zu sein, das stark beeinflusst wird durch Migration. Während bereits hinlänglich untersucht wurde, wie Migration und religiöse Zugehörigkeit miteinander verzahnt sind, ist der Zusammenhang zwischen Migration und religiöser Nicht-Zugehörigkeit nach aktuellem Wissensstand noch nicht systematisch untersucht worden.Footnote 39 So ist insbesondere für die Gruppe der katholisch zugehörigen Personen bekannt, dass diese durch Zuwanderung gestärkt wird. In der aktuellen Debatte zur Säkularisierung der Religionslandschaft der Schweiz ist es denn auch diese Beobachtung, die herangezogen wird, um das vergleichsweise langsamere Schrumpfen des Bevölkerungsanteils der Katholik:innen zu erklären. Welche Rolle spielt nun aber Migration auf der gegenüberliegenden Seite? Und um was für eine Form von Religionslosigkeit handelt es sich dabei? Antworten auf diese Fragen wären im Rahmen weiterer Datenerhebungen und Analysen zu erarbeiten.
Ebenfalls genauer zu untersuchen wären Unterschiede zwischen einer vom Katholischen ausgehenden Hinwendung zu Religionslosigkeit und einer, die vom Reformierten herkommt. Denn in den hier untersuchten Daten wurde immer wieder deutlich, dass sich diese beiden Zugehörigkeitskategorien bezüglich Säkularisierung anders verhalten und entwickeln. Der allgemeine Forschungsdiskurs nimmt diese Unterschiede zwar immer wieder wahr, beschränkt sich dabei jedoch auf die Feststellung einer zeitlichen Verschiebung.Footnote 40 Damit ist aber noch nicht die Frage geklärt, welche anderen Dynamiken zwischen diesen beiden Größen wirken und wie sich diese Dynamiken im Phänomenbereich der Religionslosigkeit bemerkbar machen.
Notes
- 1.
- 2.
Woodhead (2017).
- 3.
Voas und McAndrew (2012).
- 4.
Stolz et al. (2014, S. 77 ff.).
- 5.
- 6.
Mercadante (2014).
- 7.
Ledewitz (2009).
- 8.
Quack und Schuh (2017).
- 9.
- 10.
S. dazu in diesem Band den Beitrag von Antonius Liedhegener mit Blick auf Auswirkungen der Religionslosigkeit auf die politische Landschaft der Schweiz.
- 11.
Zur Entwicklung der Kategorie «religiöse Zugehörigkeit» in der statistischen Datenerhebung für die Schweiz siehe Bovay (1997).
- 12.
- 13.
Siehe dazu auch Stolz und Tanner (2019).
- 14.
- 15.
Flaugergues und Csonka (2018).
- 16.
Stähli et al. (2018).
- 17.
Stolz und Tanner (2017).
- 18.
- 19.
- 20.
Ausgewählt wurden die Fälle anhand einer einfachen und randomisierten Stichprobenziehung auf nationaler Ebene durch das Bundesamt für Statistik (Bevölkerungsregister: Stichprobenrahmen für Personen- und Haushaltserhebungen).
- 21.
Ebenfalls Teil dieser Gruppe sind jene 149 Personen, die in der Befragung geantwortet haben, dass sie sich dem Christkatholizismus zugehörig fühlten. Diese Personen wurden zur Gruppe der katholisch Zugehörigen hinzugeschlagen, weil die methodischen Erläuterungen der MOSAiCH-Erhebung dies nahelegen (Validität der Messung).
- 22.
Roth und Müller (2020).
- 23.
Die hier verwendete Raumtypologie des Bundesamtes für Statistik umfasst die drei Ausprägungen städtisch, intermediär und ländlich (siehe Goebel und Kohler (2014)).
- 24.
Zur Unterscheidung zwischen Migration in erster und zweiter Generation, wie sie auch in anderen religionssoziologischen Studien verwendet wird, siehe Lindemann und Stolz 2018 sowie Müller 2013. Mit Blick auf die hier gezeigten Zahlen ist auch anzumerken, dass andere Studien zu ganz anderen Resultaten gelangen. Siehe dazu weiterführend Bünker et al. 2018, 89 ff. sowie Roth und Müller 2020, S. 8.
- 25.
Die im Grunde genommen ebenfalls schwach ausgeprägte Religiosität von religiös zugehörigen Personen lässt sich insbesondere damit erklären, dass dieser Vergleichsgruppe viele Personen angehören, die sich zwar als Zugehörig identifizieren, die aber religionsfern leben. Für eine weiterführende Beschreibung dieser «Distanzierten» siehe Stolz et al. (2014, S. 75 ff.).
- 26.
Dieses Resultat ist jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da es auf einer ungeformten Variable basiert, welche die Selbstbeschreibung «spirituell» in Kombination bzw. in Abgrenzung zu religiöser Zugehörigkeit erfasst. Dennoch deckt es sich mit Befunden aus anderen Studien.
- 27.
Unter der dritten von drei Kategorien zum höchsten erworbenen Bildungsabschluss sind alle Abschlüsse von Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen, Universitäten und Technischen Hochschulen zusammengefasst.
- 28.
Crockett und Voas (2006).
- 29.
Siehe dazu den Beitrag von Jörg Stolz und Jeremy Senn in diesem Band.
- 30.
- 31.
Eines der markantesten Resultate aus dieser Forschung ist, dass die Großgruppe der katholisch Zugehörigen dank Zuwanderung vergleichsweise langsamer schrumpft in der Schweiz (Flaugergues 2016, S. 6 f.). Ebenfalls hat Migration in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, dass die Religionslandschaft der Schweiz heterogener wurde (Bochinger 2012).
- 32.
Für die Gruppe der heute religionslosen Personen, die in die Kategorie der «anderen religiösen Sozialisation» fallen, lassen sich aufgrund der sehr tiefen Fallzahlen leider keine sinnvoll interpretierbaren Aussagen machen. Deshalb wurden sie aus dieser Auswertung entfernt.
- 33.
In der Forschungsliteratur wird in diesem Zusammenhang gelegentlich von «Restreligiosität» gesprochen.
- 34.
Wohlrab-Sahr (2016).
- 35.
Burchardt et al. (2015).
- 36.
Während der Datenanalyse wurden diese Unterschiede auch an anderen Stellen sichtbar: Der Altersunterschied zwischen zugehörigen Reformierten und religionslosen Personen ist besonders groß (erstere sind im Schnitt 54,1 Jahre alt). Und reformiert sozialisierte Personen gehen oder gingen in ihrer Kindheit viel seltener in die Kirche als katholisch sozialisierte.
- 37.
Die hier in Anschlag gebrachte Variante der Regressionsanalyse ist in Anschluss an den Beitrag von Lehmann et al. (2015) entstanden.
- 38.
Dieser Befund zeigt, dass nicht nur Religionszugehörigkeit in hohem Maße familiär tradiert wird, sondern auch Religionslosigkeit. Siehe dazu ebenfalls den Beitrag von Oliver Wäckerlig, Eva Baumann-Neuhaus und Arnd Bünker in diesem Band.
- 39.
Freigelegt wurde er jedoch auch schon an anderer Stelle. So zum Beispiel durch Rosin und Meier (2019) im statistischen Bericht zur Stadtzürcher Religionslandschaft.
- 40.
Literatur
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Tanner, P. (2022). Religionslose Personen in der Schweiz . In: Religionstrends in der Schweiz . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36568-4_4
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