Zusammenfassung
Sichere roboterbasierte Systeme gewinnen in einer alternden Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Damit alle Mitglieder der Gesellschaft weiterhin am sozialen Leben, privat und auch beruflich, teilhaben können, müssen Roboter die Absichten von Menschen aus deren Verhalten ableiten können, und Roboter müssen in die Lage versetzt werden, ihre Absichten den Menschen, die mit ihnen interagieren, zu vermitteln. In diesem Beitrag wird ein Informationsmodell für die Mensch-Roboter-Interaktion vorgestellt. Das Informationsmodell ermöglicht ein Mapping zwischen den atomaren Fähigkeiten eines Roboters und komplexen Funktionen. Unter den atomaren Fähigkeiten sind Rotations- und Translationsbewegung oder das Setzen eines I/O-Signals zum Schließen eines Greifers zu verstehen. Eine komplexe Funktion, die sich daraus ergibt, kann das Greifen eines Objektes sein. Um dem Roboter ein „Bewusstsein“ dafür zu geben, dass er durch Setzen eines I/Os und Gelenkbewegungen zielgerichtet seine Umwelt manipulieren kann, müssen Fähigkeiten mit einem Anwendungskontext in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus muss die Abbildung der Fähigkeiten des Roboters für den menschlichen Benutzer transparent und nachvollziehbar sein, sodass aus einem realen Handhabungsvorgang tatsächlich Absichten abgeleitet werden können. Das Informationsmodell basiert auf den folgenden Schritten: 1) Systemdesign, 2) Erfassen, 3) Erkennen und Auswerten und 4) Agieren/Reagieren.
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2.1 Herausforderungen der Mensch-Roboter-Interaktion
Im Jahr 2011 wurde das Gutachten „Herausforderungen des demografischen Wandels“ vom Deutschen Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen herausgegeben (Bofinger et al. 2011). Ziel des Gutachtens war es, die demografische Entwicklung und das Wachstumspotenzial einer alternden Gesellschaft aus der Sicht der Arbeits-, Güter- und Finanzmärkte zu betrachten. Parallel zur Entwicklung der Altersstruktur gibt es technologische Fortschritte auf dem Gebiet der Informationstechnologie, die erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben werden. Um das daraus resultierende soziale Potenzial zu erschließen, müssen wir uns auf zwei Anforderungen konzentrieren. Einerseits müssen die Disziplinen der Mechatronik noch weiter zusammenwachsen, andererseits müssen auch andere, meist nichttechnische Disziplinen wie Medizin oder Sozialwissenschaften integriert werden. In Deutschland wird diese Entwicklung in einem produktionsnahen Kontext mit „Industrie 4.0“ (Kagermann et al. 2012) und in den USA mit „Cyber-Physical Systems“ (Lee und Seshia 2011) zusammengefasst.
Basierend auf den Leistungsgewinnen autonomer und teilautonomer technischer Systeme in den letzten 10 Jahren wird das Anwendungsspektrum technischer Systeme im Allgemeinen und der Robotik im Besonderen stark erweitert. Die Dokumente „The German Standardization Roadmap“ (The German Standardization Roadmap – Industrie 4.0 2014) und „A Roadmap for US Robotics – From Internet to Robot“ (A Roadmap for U.S. Robotics – From Internet to Robotics 2013) zeigen, wie das zukünftige Berufs- und Privatleben von Robotersystemen, die mit internetbasierten Informationsverarbeitungssystemen arbeiten, beeinflusst wird.
Grundlegende Forschung zur Mensch-Maschine-Interaktion ist notwendig, wenn wir Robotersysteme schaffen wollen, die ältere Menschen zu Hause und am Arbeitsplatz unterstützen, damit diese unabhängig und produktiv bleiben und am sozialen Leben weiterhin partizipieren. In 20 Jahren wird ein Roboter, ähnlich dem heutigen Handy, unser ständiger Begleiter sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich nicht nur die Bereiche Mechanik und Energie weiterentwickeln. Ein solches Robotersystem muss auch die Absichten der Menschen erkennen, die es unterstützen soll. Die Robotersysteme müssen aber auch ihre eigenen Verhaltensabsichten explizieren, um eine sichere Interaktion zu ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischenmenschliche Kommunikation zu einem großen Teil aus nonverbaler Kommunikation besteht. Dazu muss ein Informationsmodell für die Robotik entwickelt werden. Die atomaren Fähigkeiten des Roboters wie rotatorische, translatorische Bewegung oder das Greifen müssen zu komplexeren Fähigkeiten aggregiert und mit einem Anwendungskontext verknüpft werden. Darüber hinaus muss der Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten des Roboters und welche Funktionen das System daher erfüllen kann für den Benutzer so abgebildet werden, dass der Nutzer die Handlungen des Systems zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen kann. Zur Erreichung dieses Zieles muss ein Roboter sich über seine eigene Funktionalität und die Umgebung, in der er agiert, bewusst sein sowie über die Interaktion mit der Umwelt neue Kenntnisse gewinnen können. Der Ansatz zur Erreichung dieses Ziels ist in vier Schritte unterteilt:
1. Systemdesign
Das Systemdesign basiert auf Methoden, die Mensch-Maschine-Interaktionen (HMI) beschreiben können. Die Beschreibung der HMI ist der Ausgangspunkt für die Ableitung kontextsensitiver Roboterkonfigurationen, die die Erfüllung aggregierter Funktionen und damit abstrakterer Operationen wie bspw. das Aufnehmen eines Glases ermöglichen. Ein wesentlicher Punkt für die Akzeptanz des Systems durch den Anwender ist das transparente und nachvollziehbare Verhalten des Roboters.
2. Erfassen
Der Roboter muss seine Umgebung, einschließlich der handelnden Personen, erfassen. Die Erfassung der Umgebung, in der der Roboter arbeitet, erfolgt über Sensordaten. Diese Sensordaten müssen fusioniert und miteinander korreliert werden, um umfassende und verifizierte Informationen bzgl. eines aussagekräftigen Lagebilds zu liefern.
3. Erkennen und Auswerten
Nachdem die Umgebung des Roboters erfasst wurde, müssen diese Daten zu Informationen ausgewertet werden. Es muss erkannt werden, was erfasst wurde, und es muss eine Bewertung des Erkannten stattfinden. Hierzu muss das Robotersystem Objekte und Hindernisse identifizieren. Dies bildet die Grundlage für die Ableitung eines Szenarios. Anschließend wird eine Analyse der Szenarien durchgeführt, indem ein Abgleich des Ist-Zustandes mit dem Soll-Zustand vorgenommen wird.
4. Agieren/Reagieren
Abhängig von den Ergebnissen der Auswertung des Ist-Zustandes muss eine Aktion durchgeführt werden, um den Soll-Zustand zu erreichen. Die Erreichung des Soll-Zustands ist hierbei mit der Erfüllung einer Funktion zu verstehen. Es können unterschiedliche Aktionen genutzt werden, um eine Funktion zu erfüllen, bspw. kann sowohl das Kleben wie das Löten zum Fügen von Bauteilen verwendet werden.
Im Folgenden wird ein Informationsmodell eines geplanten Robotersystems vorgestellt. Ausgangspunkt ist die Formulierung eines Informationsmodells für ein generisches Robotersystem, das Informationen über die vier genannten Schritte mit dem dazugehörigen Entstehungskontext speichert und eine weitere Datenverarbeitung durch Korrelation, Aggregation und Analyse ermöglicht.
Die Anforderungen an das System müssen mit besonderem Fokus auf die Menschzentrierung aufgenommen und in die entsprechenden Spezifikationen übernommen werden. Gemäß den Spezifikationen wird ein Robotersystem aufgebaut und in mehreren Iterationsschritten benutzerzentriert entwickelt. Softwareseitig werden die Struktur der Systemarchitektur und die Integration des Informationsmodells sowie die modulare Integration der Sensorik untersucht. Das hinter der Informationsintegration liegende Modell liefert die Möglichkeit, Aufgaben, Funktionen und Fähigkeiten des Roboters formal darzustellen, und dient damit der Selbstbeschreibung dieser Aspekte. Die atomaren Funktionen des Roboters werden damit zu höheren Fertigkeiten aggregiert. Diese aggregierten Fähigkeiten werden dann zur Interaktion mit der Umwelt auf Grundlage des Informationsmodells genutzt.
2.2 Grundlagen der intentionsbasierten Interaktion
In den letzten zehn Jahren hat das Forschungsgebiet Robotik einen großen Sprung nach vorn gemacht. Ziel vieler Projekte ist es, die Leistungsfähigkeit von Robotersystemen zu erhöhen. Es gibt eine große Bandbreite an unterschiedlichen Ansätzen, um das Ziel zu erreichen, Roboter intelligent zu machen. Die unterschiedlichen Ansätze können verschiedenen Hauptzielen zugeordnet werden. Die Ziele beziehen sich auf das Verhalten des Roboters und auf die Modelle, die verwendet werden, um das Verhalten an eine bestimmte Situation anzupassen. Um das oben genannte Informationsmodell aufzubauen, müssen einige bestehende Technologien kombiniert und weiterentwickelt werden. In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Technologien für das Informationsmodell genauer betrachtet.
2.2.1 Informationsmodellierung
Im Zentrum dieser Forschungsarbeit steht die Frage, wie die Bewegungen von Armteilen, die über Gelenke verknüpft sind, mit komplexen Operationen, wie dem Greifen eines Glases, verknüpft werden können und wie Intentionen, die hinter einer Bewegung stecken, durch die Form der Bewegungen expliziert werden können. Diese notwendigen Verknüpfungen werden durch den Einsatz eines Informationsmodells geleistet. Zum Aufbau dieses Informationsmodells werden Methoden aus dem Information Retrieval und dem Semantic Web verwendet. Des Weiteren werden Informationsmodelle aus Anwendungsbereichen, die nicht zur Informatik gehören, berücksichtigt.
Information Retrieval (IR) ist gekennzeichnet durch vage Anfragen und unsicheres Wissen. Oddy et al. (1982) beschreiben die Retrieval-Strategie folgendermaßen: „The goal of information retrieval is to resolve those anomalies in a person’s state of knowledge, which induced him or her to seek information from literature. Our approach is to select search strategies with explicit reference to characteristics of the enquirer’s ASK structure.“ (Oddy et al. 1982). Die Herausforderung von Intentionen besteht darin, dass der Wissensstand über die Intention einer Person unsicher und es daher kompliziert ist, eine Entscheidung abzuleiten. (Manning et al. 2009) gibt eine umfassende Einführung in die IR. Für diese Arbeit beschreibt Abb. 2.1, wie das System für unseren Ansatz funktionieren muss.
IR ist aber „nur“ die Art und Weise, wie die Informationen verarbeitet werden. Damit diese überhaupt erst verarbeitet werden können, wird eine Darstellung der Fähigkeiten des Roboters, der Aufgaben des Roboters sowie der Absichten und ihrer Beziehungen untereinander benötigt. Die Methode muss daher die Möglichkeit bieten, domänenspezifische Erkenntnisse zu gewinnen und zu nutzen. Das Konzept basiert daher auf Ontologien und Planungsalgorithmen aus der Künstlichen Intelligenz. Laut (Gruber 1993) ist eine Ontologie eine explizite Spezifizierung einer Konzeptualisierung (Gruber 1993). Die verwendeten Ontologien werden in OWL ausgedrückt, der vom W3C empfohlenen Ontologiesprache (W3C OWL Working Group 2009). Die Verknüpfung zwischen Fähigkeiten und Intuition steht im Zusammenhang mit der Semantik von Konzepten. Wesentliche Grundlagen für die Umsetzung sind im Exzellenzcluster „Integrative Produktionstechnologien für Hochlohnländer“ erarbeitet worden. Im Rahmen des Exzellenzclusters wurde ein Framework entwickelt, das die semantische Integration und Analyse von Mess- und Unternehmensdaten nach Echtzeitanforderungen ermöglicht. Semantische Technologien werden eingesetzt, um die Bedeutung der Daten aus dem Entstehungskontext herauszuarbeiten. Hierbei werden die Daten automatisch mit Begriffen und Konzepten aus der Anwendungsdomäne annotiert. Darüber hinaus wird ein semantischer Integrations- und Transformationsprozess ermöglicht. So können nachfolgende Integrations- und vor allem Analyseprozesse diese Begriffe und Konzepte mithilfe spezialisierter Analysealgorithmen nutzen (Meisen et al. 2011a, b, 2013).
2.2.2 Verhalten und Absicht
„Verhalten“ und „Intention“ sind psychologische Begriffe, die berücksichtigt werden müssen, um ein Informationsmodell zu entwickeln, das es einem Robotersystem ermöglicht, seine Intention zu explizieren und die Intention eines Menschen aus dem Verhalten des Menschen abzuleiten. Es gibt viele empirische Studien zu den Konzepten Verhalten und Intention. Diese Studien bilden die theoretische Grundlage für den Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten und menschlichen Absichten, die in der Ontologie abgebildet werden.
Die Grundannahme ist hierbei, dass die Mensch-Maschine-Interaktion zielgerichtet sein wird, sodass ungeplantes Verhalten ignoriert werden kann und daher auf die folgenden Theorien fokussiert wird. Die Theorie des logischen Handelns (theory of reasoned action TRA) (Fishbein und Ajzen 1975) und die Theorie des geplanten Verhaltens (theory of planned behavior TPB) (Ajzen 1991) sind der psychologische Hintergrund für die Ableitung der Absicht, ein bestimmtes Ziel durch das Verhalten zu erreichen. Die psychologischen Studien werden auch helfen, das Verhalten vorherzusagen. Das Ziel der Studie (Bagozzi et al. 1989) ist es, zu zeigen, „that discovery of the role of intentions depends on the statistical power of test procedures, the reliability of measures of intentions, and the nature of the processes intervening between intentions and behavior“ (Bagozzi et al. 1989). Eine weitere berücksichtigte Studie betrachtet bei der Umsetzung von Intentionen den Einfluss von Randbedingungen wie Stress (Budden und Sagarin 2007).
Many individuals intend to exercise, but fail to link this intention to behavior. The present study examined the impact of an implementation intention intervention (i.e., instructions to form specific if–then plans) on an exercise intention–behavior relationship among working adults who varied in reported occupational stress levels. Results indicated that implementation intentions backfired, such that participants who did not form an implementation intention exercised significantly more than participants who formed an implementation intention (Budden und Sagarin 2007).
Nebenwirkungen menschlichen Verhaltens, die mit den „schlechten Gewohnheiten“ der interagierenden Menschen zusammenhängen, sollen herausgefiltert werden. Es wird eine Achtsamkeit vorausgesetzt, wenn es um die Beziehung zwischen Verhalten und Intention geht, wie sie von Chatzisarantis und Hagger (2007) untersucht wird: „These findings suggest that mindfulness is a useful construct that helps understand the intention-behavior relationship within the theory of planned behavior.“ (Chatzisarantis et al. 2007).
2.2.3 Robotik
Das Informationsmodell ist das „Gehirn“ des Interaktionssystems, das in der Lage ist, aus dem Verhalten auf der Grundlage des zuvor erwähnten psychologischen Wissens Absichten abzuleiten. Der nächste Schritt ist ein Blick auf das Verhalten des Roboters. Ein menschlicher Mitarbeiter sollte in der Lage sein, das Ziel jeder Operation aus den Aktionen des Roboters abzuleiten. Deshalb muss der Roboter so handeln, wie es der Mensch erwartet. Die Bewegungen eines Industrieroboters sind sehr effizient, aber für den Menschen nicht immer nachvollziehbar. Um zu erreichen, dass sich der Roboter genau so bewegt, wie der Benutzer es erwartet, müssen kinematische Einschränkungen in das Informationsmodell eingefügt werden. Die Forschungen von Dragan et al. werfen einen Blick auf irreführende Roboterbewegungen. Der Roboter sollte seine Absicht verbergen (Dragan et al. 2014). Die Ergebnisse dieser Studie sind sehr interessant für die Definition der Bandbreite akzeptabler Bewegungen aus der menschlichen Perspektive, die im Informationsmodell implementiert sind. In einer anderen Arbeit der Autoren prognostiziert man aufgrund von Vorerfahrungen einen Ausgangszustand und nutzt ihn zur Optimierung der Trajektorie (Dragan et al. 2011). Die Abbildung von Maschinenbewegungen auf menschliche Bewegungen und umgekehrt ist eine Grundfunktion des Informationsmodells mit dem Ziel, dem Menschen eine Vorhersage darüber zu ermöglichen, was der Roboter tun wird und umgekehrt (Dragan und Srinivasa 2012). Die Publikationen (Ewert et al. 2012a, b; Mayer et al. 2012) beziehen sich auf einen Planungsalgorithmus, mit dem sich die Problemlösungsstrategie eines Robotersystems selbst optimieren lässt. Dieser Algorithmus wird verwendet, um das Robotersystem an eine bekannte Situation anzupassen, die sich direkt aus einer unbekannten Situation ableitet. (Vieritz et al. 2011) zeigt einen humanzentrierten Designansatz für die Entwicklung von Automatisierungssystemen, der in dieser Arbeit zum Einsatz kommt.
2.3 Methode
2.3.1 Systemaufbau
Für das Systemdesign werden sowohl die Roboterkonfiguration als auch die Sicherheitsbewertung von Robotern und Applikationen berücksichtigt. Es müssen Methoden für eine sichere Mensch-Maschine-Interaktion entwickelt und die Art und Weise der Beschreibung der Interaktion festgelegt werden. Basierend auf diesen Beschreibungen und Konfigurationen muss eine sichere Roboterkonfiguration abgeleitet werden, um zuverlässige Risiken und unerwünschte Interaktionen richtig zu erkennen.
2.3.2 Erfassen
Für eine sichere Mensch-Roboter-Interaktion ist es notwendig, dass der Roboter Mensch und Umwelt erkennen kann. Die Erfassung der Umgebung des Roboters erfolgt über Sensoren und deren Datenaufzeichnung. Sensorwerte müssen miteinander korreliert werden, um umfassende und verifizierte Informationen zu liefern. Die Detektion sollte so gut und effizient wie möglich sein, auch unter ungünstigen Bedingungen (bzgl. Lichtverhältnissen, Oberflächen, Verschmutzung), um die Sicherheit des Menschen zu gewährleisten. Seit einigen Jahren stehen auch optische Sensorsysteme zur Verfügung, die helfen, den gemeinsamen Arbeitsraum von Mensch und Roboter zu überwachen und Kollisionen zu vermeiden. Die Arbeitsbereichsüberwachung aus einer festen Perspektive ist jedoch mit allgemeinen Einschränkungen verbunden, wie z. B. der Verdeckung des sichtbaren Bereichs durch Hindernisse. Es ist nicht auszuschließen, dass sich ein Mensch hinter einem Sensor verbirgt. Der Roboter kann dieses Grundproblem lösen, indem er Hindernisse in seinem Bewegungsbereich selbstständig erkennt, sodass die „Gefahrenquelle“ mit Sensorik ausgestattet ist. In diesem Fall stellen die räumliche Auflösung und die Echtzeitfähigkeit des Sensors besondere Herausforderungen an die technische Integration dar.
2.3.3 Erkennen und Auswerten
Basierend auf den Sensordaten erfolgt eine Erfassung und Bewertung der Umgebung, in der sich der Roboter und der Mensch befinden. Dazu braucht man eine verlässliche Unterscheidung des Menschen von anderen Objekten. Ausgehend von der Erkennung eines Szenarios muss jede Situation dahin gehend bewertet werden, ob es sich um eine absichtliche Interaktion oder um ein Risiko für den Menschen handelt. Es muss sichergestellt sein, dass die verwendeten Algorithmen Situationen richtig erkennen und bewerten. In diesem Projekt wird ein Modell implementiert, das automatisch eine von einer Person gezeigte Bewegung auf einen Arm und eine Hand eines Industrieroboters überträgt. Bei der Zusammenarbeit mit Robotern steht die Sicherheit der Menschen im Vordergrund. Sicherheitsaspekte der generierten Roboterprogramme basieren auf dem individuellen Arbeitsraum verschiedener Roboterkinematiken. Die Konfiguration der Roboterbewegungsbefehle muss Singularitäten und Diskontinuitäten vermeiden. Die menschlichen Bewegungen werden in Bewegungsmuster unterteilt. Die Bewegungsanalyse berechnet alle Parameter der Roboterbefehle, um gefährliche Situationen zu vermeiden. Der Roboter lernt Bewegungen und kann diese auf jedes Objekt anwenden. Die Bewegungen werden nicht kopiert, sondern an die jeweilige Aufgabe angepasst. Die jeweilige benötigte Trajektorie wird in Abhängigkeit von der Objektposition angepasst. Die allgemeine Objektmanipulation erfordert haptisches Verständnis, um schnell eine Trajektorie und Handhabungsbewegungen für komplexe Bauteile an der gewünschten Stelle zu erzeugen.
2.3.4 Agieren/Reagieren
Eine Reaktion des Roboters ist die Antwort auf eine bestimmte Situation. Wie der Roboter reagiert, hängt vom Ergebnis der Situationsbewertung ab. Die Reaktion muss immer so ablaufen, dass keine Gefahr für den Menschen entsteht. Der Roboter muss auch auf Fehlverhalten der Menschen reagieren, sodass keine Gefahr für ihn besteht oder zumindest negative Folgen minimiert werden. Die Reaktion bezieht sich auf die Aktoren, die sicherstellen müssen, dass die Steuersignale fehlerfrei sind, d. h., wenn die notwendigen Anforderungen erfüllt sind, wird eine Reaktion gestartet. Während der Bewegung bestimmt eine adaptive Bahnplanung, welche Reaktion stattfindet, um Kollisionen zu vermeiden. Hierfür müssen jedoch die Fähigkeiten der Antriebe bekannt sein und berücksichtigt werden.
Im Gegensatz zu Robotersystemen in der Produktion ist bei Servicerobotern die direkte Interaktion zwischen Mensch und Roboter ein wesentlicher Bestandteil. Gerade beim Einsatz von mobilen Servicerobotern, wie z. B. Assistenzrobotern im industriellen oder häuslichen Umfeld, muss der Mensch sicher sein, wenn er sich in ihrer Nähe bewegt. Dabei ist das Einsetzen von trennenden Schutzeinrichtungen in der Regel nicht möglich. Mobile Serviceroboter mit Manipulatoren müssen die Umgebung von Menschen sicher befahren. Der Arbeitsraum des Roboters muss dreidimensional überwacht und seine Bewegungen müssen an bestehende statische und dynamische Hindernisse angepasst werden. Das Informationsmodell bietet eine Methode, um aus den dreidimensionalen Sensordaten ein Hindernismodell zu generieren. Dieses Modell wird für die Trajektorienplanung des Manipulators und der mobilen Plattform des Roboters verwendet. Das Modell umfasst alle Freiheitsgrade des Robotersystems, das aus der Plattform und dem Manipulator besteht, um gleichzeitige Bewegungen von Manipulator und Plattform zu ermöglichen und Kollisionen zu vermeiden.
2.4 Informationsmodell
Die Architektur des Frameworks basiert auf einem serviceorientierten Ansatz. Im Framework werden Sensordaten durch Anwendung des Service-Bus-Prinzips übertragen. Zusätzlich werden Anwendungsinformationen über den Bus verteilt. Daher wird ein ressourcenorientierter Ansatz nach dem Muster des Enterprise Service Bus implementiert. Abb. 2.2 veranschaulicht die architektonischen Grundlagen des Gerüstes und seiner Hauptkomponenten (Meisen et al. 2013).
Sensorknoten werden über Gateways verbunden. Die Anbindung der Messsysteme erfolgt über dezidierte Schnittstellen, die den Zugriff über Application Programming Interfaces (API), Datenbanken und Screen Scraping ermöglichen. Darüber hinaus können die Daten entweder vom Messsystem propagiert oder vom Gateway per Scheduling abgerufen werden. Die Daten werden semantisch durch Annotationsdienste bearbeitet und an weitere Dienste weitergeleitet, entweder durch einen ereignisbasierten Publish-/Subscribe-Mechanismus oder durch das Auslösen konfigurierbarer Prozesse. Das Framework implementiert eine semantisch unterstützte Datenkonsolidierung für weitere Analyse-, Simulations- oder Reportingzwecke. Der Query-Prozessor realisiert den Zugriff auf die zugrunde liegende Datenhaltung. Die Bereitstellung der benötigten Daten erfolgt automatisch mithilfe der bereits erwähnten adaptiven Informationsintegrationstechnik (Meisen et al. 2013).
Die semantisch annotierten Daten werden als Information in der Systemontologie gespeichert. Die Ontologie enthält Informationen über die konkreten Transformationen, Merkmale und Anwendungen, die im Kontext einer bestimmten Domäne verwendet werden. Außerdem werden Informationen über das domänenspezifische Datenschema gespeichert (Meisen et al. 2011).
Die Ontologie der jeweiligen Domäne muss die Konzepte der Framework-Ontologie spezialisieren, um die Konzeptualisierung der Domäne zu spezifizieren. Diese Hauptkonzepte sind Daten, Feature, Applikation und Transformation, die kurz vorgestellt werden.
Die Konzeptdaten sind die Verallgemeinerung aller in der Domäne verwendeten Datenkonzepte. Genauer gesagt, jedes Konzept in der Domänenontologie, das zur Beschreibung des Datenschemas der Domäne verwendet wird, muss eine Spezialisierung der Konzeptdaten sein.
Um domänenspezifische Merkmale zu definieren, wird das Konzeptmerkmal verwendet. Eine Spezialisierung des Konzeptmerkmals ist die Auflistung der Anforderungen, die durch einen Datensatz erfüllt werden müssen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird das Merkmal durch die angegebenen Daten erfüllt.
Für jede Definition von Anwendungen und deren Anforderungen müssen Instanzen der Konzeptanwendung in der Domänenontologie ausgedrückt werden. Neben den Anforderungen, die über Features ausgedrückt werden, kann eine Instanz der Konzeptanwendung zusätzliche Objekteigenschaften haben, um domänenspezifische Informationen einer Anwendung auszudrücken. Ähnlich wie bei einer Anwendung hat eine Transformation Anforderungen, die erfüllt werden müssen. Andernfalls kann die Transformation nicht verwendet werden. Daher muss jede Instanz der Konzepttransformation die Anforderungen durch die Definition von Instanzen von Merkmalskonzepten skizzieren. Darüber hinaus verändert eine Transformation die Eigenschaften der Daten. Realisiert wird dies, indem die Effekte der Transformation in der Ontologie zum Ausdruck gebracht werden. Die Begriffsumwandlung und ihre wesentlichen Zusammenhänge sind in Abb. 2.3 (Meisen et al. 2011) dargestellt.
2.5 Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurde ein Ansatz eines Informationsmodells als integratives Konzept für eine sichere Mensch-Roboter-Interaktion unter Berücksichtigung nonverbaler kommunizierter Intentionen vorgestellt. Das Informationsmodell ist in Abschn. 2.4 dargestellt und basiert auf den bisherigen Arbeiten, die in Abschn. 2.2 zusammengefasst sind. Abschn. 2.3 beschreibt die Schritte, die unternommen werden müssen, um ein entsprechendes Robotersystem aufzubauen, das das Informationsmodell mit Sensordaten füllt, sodass das System intentionsbasierte Informationen aus den Daten ableiten kann, die auf den Beziehungen basieren, die in der Ontologie dargestellt werden. Der nächste Schritt wird die Implementierung des Informationsmodells auf einem Robotersystem in einer industrialisierten Umgebung sein.
Ziel ist es, die Grundlagen für Assistenzsysteme zu schaffen, die eine sichere und effiziente Interaktion zwischen Mensch und Roboter im gleichen Arbeitsraum ermöglichen. Das Informationsmodell kann die Effizienz steigern. Neben der Produktion wird sich der Einsatz der Robotik in anderen Bereichen wie Medizin, Werkstatt und Haushalt immer mehr durchsetzen. Nachhaltigkeit spielt bei der Entsorgung von Gütern eine immer wichtigere Rolle. Die Güter sind so kostengünstig wie möglich zu entsorgen. Um die Entsorgung in Hochlohnländern wirtschaftlich durchführen zu können, ist auch eine sichere Mensch-Maschine-Interaktion notwendig, um die Stärken von Mensch und Roboter optimal zu nutzen. Ein Beispiel für die optimale Zusammenführung der jeweiligen Stärken von Mensch und Maschine wäre bspw. eine gemeinsame Montageaufgabe, bei der die Kombination aus der menschlichen Flexibilität beim Erkennen und der menschlichen Erfahrung hinsichtlich der Reihenfolge von Aktionen, kombiniert mit der Kraft eines Roboters beim Halten schwerer Komponenten, zu einer optimalen Lösung führt. Solche sicher gestalteten Interaktionen sind auch bei der Akzeptanzbetrachtung von Assistenzsystemen ein wichtiger Untersuchungsgegenstand. Der demografische Wandel führt zu einem immer höheren Renteneintrittsalter. Sichere Assistenzsysteme können vor allem älteren, aber sehr erfahrenen Menschen helfen.
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Schilberg, D., Schmitz, S. (2018). Informationsmodell für intentionsbasierte Roboter-Mensch-Interaktion. In: Bendel, O. (eds) Pflegeroboter. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22698-5_2
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