1 Einleitung

Anfang 2020 verbreitete sich der Covid-19-Virus weltweit. Fast niemand hat mit einer Einschränkung des täglichen Lebens in diesem Ausmaß gerechnet. Obwohl einige wenige Experten bereits zuvor auf das Risiko einer Pandemie hingewiesen haben, führte dies nicht dazu, dass Deutschland oder die Welt auf Covid-19 vorbereitet waren. Auch die Versicherungswirtschaft musste sich an die neue Situation erst einmal anpassen. Dadurch waren die Versicherer immer wieder in den Schlagzeilen, insbesondere aufgrund von nicht ausgezahlten Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung. Generell stellt sich die Frage, wieviel die Versicherer tatsächlich zur Tragung des wirtschaftlichen Schadens durch die Pandemie beigetragen haben.

Das Großrisiko Pandemie ist nun allerdings bekannt, und auch wenn wir uns zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kapitels noch in der Covid-19-Pandemie befinden, sollte überlegt werden, wie Deutschland, aber auch vor allem die Versicherungswirtschaft, mit einer nächsten Pandemie und anderen vergleichbare Großrisiken umgehen kann und sollte.

Hierfür wird zuerst das Verhalten der Versicherer während der ersten Phase der Pandemie beleuchtet und dann die generelle Versicherbarkeit von Pandemien geprüft. Im zweiten Schritt werden dann andere vergleichbare Großrisiken betrachtet und deren Versicherungslösungen analysiert. Anhand dieser bestehenden Modelle werden abschließend Möglichkeiten aufgezeigt, um die Schäden einer Pandemie und andere vergleichbarer Ereignisse abzusichern.

2 Situation der Versicherer

Covid-19 hat im Jahr 2020 einen hohen wirtschaftlichen Schaden verursacht (vgl. dazu auch Kap. 4 in diesem Band). Dies sieht man allein am Verlauf des Bruttoinlandprodukts (BIP), welches im 2. Quartal von 2020 um rund zehn Prozent gefallen ist. Eine Kernaufgabe der Versicherungswirtschaft ist es, die Volkswirtschaft durch das Beziffern und Tragen von Risiken zu stärken. In Deutschland ist die Versicherungswirtschaft aufgrund dessen für einen wahrzunehmenden Teil des Wirtschaftswachstums verantwortlich (vgl. GDV 2013).

Wenn durch ein Ereignis also ein großer wirtschaftlicher Schaden verursacht wird, sollte besonders die Versicherungswirtschaft einen großen Teil dieses Schadens übernehmen. Wie in Abb. 8.1 allerdings am Beispiel der versicherungstechnischen Ergebnisse zu erkennen ist, ist dies zumindest für die Erstversicherung in Deutschland nicht unbedingt der Fall.

Abb. 8.1
figure 1

BIP nach Quartal (in Milliarden Euro) und VT-Ergebnis (in %) in DE. (Quelle: eigene Darstellung; vgl. Statistisches Bundesamt 2021 sowie GDV 2021b, Statistik 60)

Das deutsche BIP ist in 2020 im zweiten Quartal stark eingebrochen und hat sich danach wieder langsam erholt. Im Vergleich dazu hat sich das versicherungstechnische Ergebnis der Erstversicherer im Jahr 2020 relativ zum Vorjahr sogar verbessert. Nur die Ergebnisse der Rückversicherer lassen u. U. einen Einfluss der Pandemie erkennen; das versicherungstechnische Ergebnis hat sich hier im Vergleich zum Vorjahr leicht verschlechtert, was aber auch an der angespannten Lage des Rückversicherungsmarkt zum damaligen Zeitpunkt liegen könnte (vgl. Surminski 2021).

In 2020 wurde der Schaden durch die Pandemie zumindest versicherungstechnisch nicht von den (Erst)Versicherern in dem zu erwartenden Umfang getragen. Dies lässt sich durch verschiedene Umstände erklären: Wenige durch die Pandemie verursachte Schäden waren tatsächlich versichert. Selbst in der Betriebsschließungsversicherung wurden nur wenige Schäden gezahlt, da eine Schließung durch eine großflächige Pandemie in den meisten Versicherungsbedingungen nicht versichert ist. Dazu kamen noch durch die Pandemie bedingte günstige Verläufe anderer Sparten, wie bei der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung, wo sich die Combined Ratio − also das Verhältnis der eingenommenen Prämie zu allen gezahlten Leistungen und Kosten − um acht Prozentpunkte verbessert hat (vgl. GDV 2021b, Statistik 63).

Auch wenn sich erklären lässt, warum die Versicherungswirtschaft den Schaden durch die Pandemie kaum getragen hat, haben sich die Versicherer hier letztendlich bei einem Großrisiko nicht beteiligt: Die Versicherungswirtschaft sollte also überlegen, wie sie sich in Zukunft hier aufstellen möchte.

  • Sollen Großrisiken wie eine Pandemie vollständig vom Staat getragen werden und die Versicherer damit einen Teil ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung verlieren,

  • oder wollen die Versicherer sich zumindest teilweise an den extremen Risiken beteiligen?

Sollten die Versicherer sich in Zukunft signifikant an Großrisiken beteiligen wollen, so muss geprüft werden, ob bzw. in welchem Maß solche Risiken überhaupt versicherbar sind.

3 Versicherbarkeit

Um zu beurteilen, ob und wie die Folgen der Corona-Pandemie konventionell versicherbar gewesen wären, lohnt sich zuerst ein Blick auf die grundlegenden Prinzipien von Versicherung. Nachfolgend werden daher die Funktionsweisen der konventionellen Versicherung kurz erläutert und Kriterien für die Versicherbarkeit eines Risikos eingeführt, mit denen die Versicherbarkeit der Pandemie diskutiert werden kann.

3.1 Versicherung als Risikotransfer

Das Management von Risiken kann man grob in die beiden Schritte Risikoanalyse und Risikosteuerung unterteilen. Die Risikoanalyse besteht aus den Prozessschritten Identifizierung, Beurteilung und Bewertung sowie der Aggregation der Risiken. Zur Risikosteuerung zählen die Risikovermeidung, die Risikominderung und der Risikotransfer. Versicherungen bieten die Möglichkeit zu Letzterem und sind damit ein Risikomanagement-Tool (vgl. Rohlfs 2018, S. 252).

Ein Versicherungsnehmer kann durch eine Versicherung ein finanzielles Risiko gegen Zahlung einer Prämie auf den Versicherer transferieren. Der Versicherer bildet dabei aus einer großen Anzahl ähnlicher Risiken ein Kollektiv. Innerhalb dieses Kollektivs sollen sich die Volatilitäten der Schadenzahlungen ausgleichen, sodass diese im Normalfall durch die Prämieneinnahmen bezahlt werden können. Der Grundgedanke hierbei ist, dass bei n identischen und paarweise zueinander unabhängigen Risiken sich die Schwankung des Mittelwertes um den Faktor \( 1/\sqrt{n} \) im Vergleich zum einzelnen Risiko verringert; bei einer relativ großen Anzahl n nähert sich dann auch aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen die Verteilung einer Normalverteilung an. Je größer das Kollektiv in einem solchen Fall ist, desto stabiler können also die Schadenaufwände eingeschätzt werden (vgl. Wagner 2018).

Die Annahmen identischer und paarweise unabhängiger Risiken sind aber in der Praxis häufig nicht oder nur teilweise erfüllt. Typischerweise ist bei Naturkatastrophen die Unabhängigkeit der Schadeneintritte nicht gegeben; hier werden viele Einzelschäden von einem einzigen Ereignis verursacht – man spricht daher von Kumulschäden.

Zusätzlich zu einem Ausgleich im Kollektiv versuchen Versicherer daher, Schadenzahlungen in der Zeit auszugleichen. Nachfolgend werden weitere Aspekte der Versicherbarkeit systematisch diskutiert.

3.2 Kriterien der Versicherbarkeit

Grundsätzlich ist ein Risiko dann versicherbar, wenn ein Versicherer bereit ist, dieses zu versichern. Die Entscheidung ob und unter welchen Bedingungen ein Versicherer ein Risiko übernimmt, ist von verschiedenen Kriterien abhängig. Diese können die Geschäftspolitik, die vorhandene Bestandsstruktur (Ausgleich im Kollektiv) oder die erzielbare Prämie sein. Man kann in diesem Zusammenhang sechs technische Kriterien unterscheiden (vgl. Farny 2011, S. 36 ff.).

3.2.1 Legalität

Hierunter fallen verschiedene rechtliche, politische und gesellschaftliche Aspekte. Es dürfen beispielsweise keine Gesetzesverstöße, insbesondere strafbare Handlungen, durch Versicherungsverträge abgedeckt werden. Es kommt auch in Betracht, dass die Versicherung bestimmter Risiken gesellschaftlich unerwünscht ist wie zum Beispiel bei Lösegeldversicherungen.

Die Legalität ist für die Versicherbarkeit der Pandemie sicherlich kein Hindernis. Ganz im Gegenteil sollte aufgrund der massiven Auswirkungen großes öffentliches Interesse an Versicherbarkeit bestehen.

3.2.2 Eindeutigkeit

Die Eindeutigkeit bezieht sich hier auf den Versicherungsvertrag. Aus einem Versicherungsvertrag muss für beide Seiten klar hervorgehen können, welche Gefahren bzw. Schadenarten versichert sind. Der Versicherungsfall muss klar definiert und beweisbar sein. Außerdem müssen Höhe und Art der Versicherungsleistung festgelegt sein.

Bei einer Pandemieversicherung verlangt das Kriterium der Eindeutigkeit, dass klar ist, wann genau eine Pandemie vorliegt oder nicht. Idealerweise würde das Vorliegen einer Pandemie vom Staat oder einer anderen Institution (WHO, RKI etc.) formal festgestellt. Soweit erkennbar gibt es jedoch bisher keine einheitlichen und allgemein akzeptierten Kriterien. Die Festlegung auf eine bestimmte Meinung wäre also mit einer gewissen Willkür verbunden. Die Pandemie hat auch gezeigt, dass vermeintlich objektive Kriterien wie zum Beispiel Inzidenzwerte oder die Übersterblichkeit nur bedingt verlässlich erhoben werden können.

Da die Folgeschäden einer Pandemie bzw. die Schäden durch die Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie schwer vorhersehbar sind, müssen die Versicherungsbedingungen klar formuliert sein. Hier steht der Versicherer jedoch vor einem Dilemma: Formuliert er die Bedingungen zu genau, so wird das Produkt für den Versicherungsnehmer im Zweifel nutzlos, da der konkrete Schaden nicht in das vorgegebene Raster fällt. Formuliert er sie hingegen zu allgemein, muss der Versicherer möglicherweise Schäden regulieren, deren Absicherung gar nicht beabsichtigt war.

3.2.3 Zufälligkeit

Die Zufälligkeit besteht aus zwei Aspekten, die für Versicherer von zentraler Bedeutung sind. Zum einen muss der Versicherungsfall ungewiss bezüglich des Eintretens, der Höhe des Schadens oder dem Zeitpunkt des Eintritts sein. Ohne Zufall wäre der Versicherungsvertrag nur ein Kreditgeschäft. Zum anderen muss der Eintritt für beide Vertragsparteien unvorhersehbar und vor allem unbeeinflussbar sein. Versicherer versuchen diese beiden Bedingungen durch aufwändige Vertragswerke herzustellen.

Die Zufälligkeit ist für eine Pandemieversicherung als gegeben zu betrachten. Eine Pandemie tritt zufällig in Zeitpunkt und Ausmaß auf und ist auch vom Versicherungsnehmer nicht beeinflussbar geschweige denn vorhersehbar.

3.2.4 Schätzbarkeit

Trotz aller Zufälligkeit müssen die Wahrscheinlichkeiten schätzbar sein. Die Möglichkeit einer Schätzung der Schadenwahrscheinlichkeit und der Schadenhöhe bilden die Grundlage für die Prämienkalkulation. Je besser die Schätzung ist, desto besser kann der Versicherer sein Kollektiv aufbauen und desto risikoadäquater ist die Prämie für den Versicherungsnehmer.

Die Genauigkeit der Schätzung ist maßgeblich beeinflusst von Qualität und Quantität der vorhandenen Daten. Für neuartige oder sehr seltene Ereignisse wie die Pandemie ist die Datenlage allerdings sehr dünn. Die Schadenhöhe ließe sich (unter den genannten Schwierigkeiten der Eindeutigkeit) eventuell noch schätzen. Fast noch wichtiger für die Versicherbarkeit eines Kumulschadens infolge einer Pandemie ist jedoch die Schätzbarkeit der Schadenwahrscheinlichkeit, um den Ausgleich in der Zeit herzustellen. Dazu ist die Datengrundlage jedoch zu dürftig. Die fehlende Schätzbarkeit ist eines der stärksten Argumente gegen die Versicherbarkeit von Pandemiefolgen.

3.2.5 Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit oder zumindest eine schwache Korrelation der Schadenereignisse untereinander ist eine Voraussetzung für die Gültigkeit des Gesetzes der großen Zahlen. Ein Versicherer wird daher stets versuchen, unkorrelierte (bzw. nur schwach korrelierte) Risiken in einem Versicherungskollektiv zusammen zu fassen.

In der Praxis ist dies häufig nicht oder nur schwer möglich. Vor allem bei einer Pandemie, welche im Zweifel weltweite Kollektive gleichzeitig trifft, ist ein Risikoausgleich im Kollektiv kaum zu gewährleisten. Ein Versicherer könnte versuchen, das Kollektiv für Pandemierisiken mit Kollektiven anderer Risiken auszugleichen. Selbst wenn dies ohne die Verletzung der Spartentrennung möglich wäre, müsste der Versicherer betriebswirtschaftlich begründen, ein defizitäres Portfolio zu halten. Die letzte Stufe des Ausgleichs im Kollektiv wäre die global agierende Rückversicherungswirtschaft, doch bei einer globalen Pandemie könnte auch diese ggf. keinen Ausgleich mehr herstellen.

3.2.6 Kapazität

Die möglichen Schadenzahlungen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit den Reserven eines Versicherers beglichen werden können. Im Sinne eines Ausgleichs in der Zeit muss dies nicht ausschließlich aus dem laufenden Ergebnis finanziert werden. Das Sicherheitserfordernis gilt nicht nur für Einzelpolicen mit sehr hohen Versicherungssummen, sondern besonders auch für Kumulrisiken, die viele Schadenzahlungen gleichzeitig auslösen können.

Obwohl Versicherer mit dem Kauf von Rückversicherungsschutz ihre Kapazität erweitern könnten, sind die Folgeschäden einer Pandemie sehr massiv. Die Corona-Pandemie hat bis Ende Juni 2021 allein in Deutschland 300 Milliarden Euro an volkswirtschaftlichen Schaden verursacht (vgl. Beznoska et al. 2021).

Weltweit versichert (durch die für die Pandemie zur Verfügung gestellte Kapazität) waren nur 44 Milliarden Euro (vgl. WirtschaftsWoche 2021). Um einen einzigen Versicherungsfall einer Pandemieschadenversicherung nur in Deutschland tragen zu können, bräuchte es das Siebenfache der heute global zur Verfügung stehenden Kapazität für Pandemieschäden. Alternativ könnte man über Obergrenzen für die Schadenszahlung nachdenken. Mit der aktuell weltweit zur Verfügung stehenden Kapazität würde dies heißen, dass im Schnitt jeweils nur knapp 15 Prozent der Schäden in Deutschland beglichen werden könnten, vgl. dazu auch Tab. 8.1.

Tab. 8.1 Kriterien der Versicherbarkeit bei Pandemierisiken. (Quelle: eigene Darstellung)

Die Bewertung zeigt, dass vier von sechs technischen Versicherbarkeitskriterien gegen eine Versicherung von Pandemierisiken sprechen. Weitere Kriterien wie zum Beispiel betriebswirtschaftliche Faktoren (Nachfrage, bezahlbare Prämie etc.), welche im Hinblick auf eine Versicherbarkeit kritisch sein könnten, sind hierbei noch nicht betrachtet.

4 Risikotransfer für Großrisiken

Die Pandemie ist nicht das einzige Großrisiko, bei dem traditionelle Versicherungsmodelle an ihre Grenzen stoßen. Um Alternativen aufzuzeigen, wie die Versicherbarkeit einer Pandemie ermöglicht werden kann, werden Risikotransfermechanismen für weitere Großrisiken untersucht. Aus diesen Versicherungsmodellen sollen Ansatzpunkte für die Schaffung einer Pandemieabsicherung abgeleitet werden. Zunächst müssen Großrisiken, bei denen solche Modelle unter Umständen zum Einsatz kommen, dargestellt werden. Die für diese Risiken geschaffenen Modelle werden nach einer Verdichtung anschließend erläutert. Die Darstellung der Risikomodelle dient als Grundlage für eine kritische Prüfung in Hinblick auf eine Pandemieversicherung.

4.1 Großrisiken

Auf Grundlage des Global Risks Reports vom World Economic Forum wurden Risiken identifiziert, bei denen klassische Versicherungsprodukte aufgrund der Höhe des Schadens an ihre Grenze stoßen, vgl. dazu auch Abb. 8.2.

Abb. 8.2
figure 2

Globale Großrisiken. (Quelle: eigene Darstellung; vgl. World Economic Forum 2021, S. 12)

Die globalen Großrisiken ähneln somit im weiteren Sinne den Risiken aus einer Pandemie.

4.2 Modelle zum Risikotransfer von Großrisiken

Zu einer Vielzahl der in Abb. 8.2 aufgeführten Risiken gibt es nationale oder internationale Versicherungslösungen. Es wurden nur Modelle betrachtet, die in der Praxis bereits Anwendung finden und Großrisiken absichern. Teilweise handelt es sich um privatwirtschaftliche Modelle, teilweise arbeiten Staat und Privatwirtschaft zusammen und teilweise wird der Risikotransfer allein durch den Staat durchgeführt. Bei den einzelnen Versicherungslösungen gibt es viele Gemeinsamkeiten. Versicherungslösungen, die ein sehr hohes Maß an Ähnlichkeit aufweisen, wurden in einem Modell zusammengefasst. Aus der Analyse ergeben sich somit sieben Versicherungsmodelle. Diese Versicherungsmodelle wurden abstrahiert und anhand grundlegender Kriterien voneinander abgegrenzt mit dem Ziel, den Risikotransfermechanismus für jedes Modell zu skizzieren.

Abb. 8.3 illustriert als Ergebnis dieser Analyse die sieben Versicherungsmodelle zur Absicherung von Großrisiken − sortiert nach der Intensität des staatlichen Eingriffs.

Abb. 8.3
figure 3

Modelle zum Risikotransfer für Großschadenereignisse. (Quelle: eigene Darstellung)

Die Modelle können dabei in drei Schichten eingeteilt werden. Die erste Schicht (am unteren Rand der Abbildung) beinhaltet Modelle, die keinem besonderen staatlichen Eingriff unterliegen, d. h. diese Modelle werden rein privatwirtschaftlich organisiert. In der mittleren Schicht befinden sich Modelle, bei denen eine Zusammenarbeit von Staat und privater Wirtschaft besteht. Diese Kooperationen werden als Public-Private-Partnership (PPP) bezeichnet. In der dritten Schicht befinden sich rein staatliche Modelle. Die Versicherungswirtschaft ist in dieser Schicht nicht beteiligt, der Staat übernimmt hier die Absicherung allein.

Ein Modell, bei dem eine privatwirtschaftliche Versicherungslösung von Großrisiken angestrebt wird, ist das private Risikopooling. Der Kerngedanke hierbei ist die Vergrößerung des Kollektivs, um Versicherbarkeit zu schaffen. Dafür wird durch die Initiative aller betreffenden Versicherer ein separates Versicherungsunternehmen gegründet, in dem alle Verträge eines speziellen Risikos zusammengeführt werden. Ein Beispiel für dieses Modell ist die South African Special Risks Insurance Association (Sasria). Sasria versichert politisch motivierte Schäden wie innere Unruhen, Bürgerkrieg oder Terror. Kein weiterer Versicherer bietet diesen Schutz in Südafrika (vgl. Sasria 2021a), allerdings kann der Versicherungsschutz nur über national tätige Versicherer gekauft werden. Möchte ein Versicherungsnehmer zum Beispiel eine Gebäudeversicherung abschließen, so kann er die Gefahren innerer Unruhen, Bürgerkrieg und Terror einschließen. Folglich wird der Teil der Prämie, der Sasria zusteht, von den Versicherern an Sasria weitergegeben (vgl. Sasria 2021b).

Außerdem nutzen auch die California Earthquake Authority (CEA) (vgl. AXA XL 2018, S. 11) und der Elementarschadenpool in der Schweiz diesen Risikotransfermechanismus. Beim Schweizer Elementarschadenpool gibt es jedoch einen Unterschied: Alle Versicherungsnehmer zahlen die gleiche Prämie (vgl. Schweizerischer Versicherungsverband 2021); es wird also nicht individuell tarifiert, wie es bei Sasria und CEA der Fall ist.

Die zweite rein privatwirtschaftliche Lösung, um Großrisiken abzusichern, sind die Pandemic Bonds. Dabei handelt es sich um Versicherungsverbriefungen. Bei diesem Modell gibt es kein Ausgleich im Kollektiv, vielmehr handelt es sich um einen alternativen Risikotransfer. Das Risiko wird verbrieft, sodass die vereinbarte Versicherungssumme vollständig mit Geldmitteln besichert wird. Großinvestoren wie Pensionsfonds oder Hedgefonds stellen das Kapital zur Verfügung und erhalten dafür einen Zins. Entscheidend ist der Trigger, also das Ereignis, das eintreten muss, damit es zu einer Schadenzahlung kommt. Ob es zu einer Schadenzahlung kommt, entscheidet zum Beispiel eine zentrale unabhängige Institution. Dies können beispielsweise Risikomodellierer sein (vgl. GOV.UK 2021).

Risikomodellierer sind Firmen, die die Modellierung von einzelnen Risiken sowie ganzer Portfolios für Versicherer und Rückversicherer durchführen, um die Risiken besser verständlich und quantifizierbar zu machen (vgl. Jewson et al. 2007, S. 1).

Pandemic Bonds können Anwendung in zweiter oder dritter Instanz finden, d. h. sie werden als Rückversicherung oder Retrozession (Rückversicherung eines Rückversicherers) eingekauft (vgl. Liebwein 2018, S. 265).

Das sogenannte PPP-3-Layer-Modell zeichnet sich durch die Kombination aus staatlichem und privatwirtschaftlichem Risikotransfer aus. Versicherungswirtschaft und Staat arbeiten in dem Maße zusammen, dass der Teil des Schadens, der einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, vom Staat getragen wird. Der Risikotransfer erfolgt bei diesem Modell über drei Risikoträger (das heißt drei Layer). Bevor der Staat in dritter Instanz Teile des Schadens übernimmt, wird das Risiko zunächst von einem privatwirtschaftlich agierendem Erstversicherer gezeichnet. Dieser zeichnet das gesamte Risiko mit dem Wissen, dass er dieses nur bis zu einem im Vorhinein definierten Schwellenwert selbst tragen wird. Der Anteil, der den Schwellenwert bzw. die Höchsthaftung des Erstversicherers übersteigt, wird an eine zweite Instanz weitergegeben. Dies kann ein Fonds oder ein Rückversicherer sein. Diese Instanz ist dadurch charakterisiert, dass sie für ein spezifisches Risiko geschaffen wurde, d. h. alle Risiken, die das Haftungslimit überschreiten, werden hier zusammengeführt. Ein bekanntes deutsches Beispiel für die Funktion des zweiten Layers ist die Extremus Versicherungs AG. Auch der zweite Risikoträger leistet nur eine begrenzte Entschädigungssumme. Sollte diese durch den Schaden überschritten werden, unterstützt der Staat (vgl. Extremus 2021).

Folglich hat der Versicherungsnehmer nur Kontakt zur ersten Instanz, denn die Prämie gibt der Erstversicherer ähnlich wie bei der traditionellen Rückversicherung weiter. Neben der Extremus Versicherungs AG ist ein weiteres Beispiel für dieses Modell die Pool RE (vgl. GOV.UK 2020).

Neben dem PPP-3-Layer-Modell gibt es ein zweites Modell, bei dem Staat und Versicherungswirtschaft zusammenarbeiten, das PPP-2-Layer-Modell. Hier wird ein Risikoträger geschaffen, der in Hinblick auf die Struktur einem Erstversicherer nahekommt. Dieser Risikoträger erfüllt die Funktion, Spezialrisiken wie beispielsweise Kernkraftrisiken in ein größtmögliches Kollektiv zusammenzuführen (vgl. Wagner et al. 2021).

Das gelingt dadurch, dass die Risiken nicht bei den jeweiligen Erst- respektive Rückversicherungen bleiben und im Zweifel somit weniger Kapazität ermöglicht werden kann, sondern es wird versucht, durch die Bündelung in einem Gesamtkollektiv die Kapazität für den Gesamtmarkt für Spezialrisiken zu erhöhen wie auch im Modell des zuvor erläuterten privaten Risikopooling. Im Vorfeld wird durch Versicherungsbedingungen und Limite festgelegt, wann der Risikoträger leisten muss bzw. welche Schäden gedeckt sind. Für die Deckungskonzepte ist eine Prämie an den Risikoträger zu entrichten. Falls die eingenommenen Prämien nicht ausreichen, um einen möglichen Schaden zu begleichen, erfüllt der Staat die Rolle des zweiten Layers. Beispiele aus der Praxis für dieses Modell wären zum einen die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft (vgl. GDV 2011, S. 6 f.) und zum anderen Flood RE aus Großbritannien (vgl. floodre 2021; vgl. AXA XL 2018, S. 22; vgl. OECD 2019, S. 76 ff.).

In einem weiteren Modell gründet der Staat einen Versicherer. Dieser ist vom Aufbau vergleichbar mit einem Erstversicherer. Ähnlich wie beim privaten Risikopooling wird auch hier versucht, ein größtmögliches Kollektiv zu erschaffen − mit besonderem Fokus auf Bereiche, in denen die Privatwirtschaft keinen Risikoschutz anbietet. Die Besonderheit dieses Modells ist, dass der Staat diesen Schutz lediglich für die Haushalte zur Verfügung stellt, die gewisse präventive Maßnahmen im Vorhinein nachweisen können, sodass bei Schadeneintritt die Schadenhöhe möglichst klein gehalten werden kann. Einen Teilaspekt der Finanzierung stellen die Prämien der Versicherungsnehmer dar. Die Prämienhöhe kann durch zusätzliche private Präventionen der Versicherten reduziert werden. Damit die privaten Haushalte den Versicherungsschutz erhalten können, müssen gewisse Präventionsmaßnahmen und Standards von der Gesamtkommune erfüllt werden. Somit sind diese die Grundlage dafür, dass die Haushalte an dem jeweiligen Programm teilnehmen können. In erster Instanz werden die Schäden aus den Prämien beglichen und nur dann, wenn die Schadenkosten die Prämieneinnahmen plus Rückstellungen übersteigen, wird der Rest durch den Staat beglichen. Ein Beispiel, das gegenwärtig Anwendung findet, ist der USA FAIR Plan. Dieser bietet privaten Haushalten in Regionen, in denen der allgemeine Versicherungsmarkt aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit keine Produkte anbietet, Feuerversicherungen an (vgl. FAIR Plan 2021). Das National Flood Insurance Programm (NFIP) beruht auf einem ähnlichen Konstrukt, allerdings wird hier Schutz gegen Überflutung zur Verfügung gestellt (vgl. FEMA 2021).

Außerdem gibt es das vollständig staatlich organisierte Versicherungsmodell des Solidaritätsfonds. Dieser kann auf unterschiedlichen Ebenen organisiert werden − beispielsweise auf Länderebene wie in Israel, wo der Solidaritätsfonds das Terrorrisiko in Form der Israel Terrorism Risk Insurance absichert (vgl. OECD o. J., S. 5).

Das Fondsvolumen wird durch prozentuale Steuereinnahmen der Bevölkerung finanziert. Die Gelder des Fonds dürfen unter bestimmten Rahmenbedingungen frei verwendet werden, um Schäden zu begleichen. Der Ermessenspielraum für Schadenzahlungen wird dabei typischerweise durch die Politik bestimmt, weshalb es je nach Ereignis zu einer großen Varianz hinsichtlich des Ausschüttungsvolumens kommen kann. Damit führt der Staat die Schadenregulierung durch und die Haftung ist situationsabhängig, da die Politik je nach Ereignis frei entscheiden kann, wer wieviel Geld als Entschädigung aus dem Solidaritätsfonds erhält. Ein weiteres Beispiel für dieses Versicherungsmodell ist der EU-Solidaritätsfonds, der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 aufgesetzt wurde. Dieser EU-Solidaritätsfonds erfüllt die Aufgabe, einen finanziellen Puffer für jegliche Art von Risiken darzustellen; er unterliegt keiner Limitierung auf Naturkatastrophen.

Das Modell des Solidaritätsfonds mit Risikobezug zeichnet sich dadurch aus, dass nur diejenigen zur Einzahlung verpflichtet sind, die entweder das Risiko verursachen oder dem Risiko ausgesetzt sind. Ansonsten funktioniert das Modell wie das des Solidaritätsfonds. Auch hier wird das Modell vom Staat initiiert und es wird prozentual eine Art Steuer erhoben. Die Festlegung des Einzahlungsbeitrags erfolgt durch den Staat, genauso wie dieser sich um den Auszahlungsmechanismus kümmert. Die Einzahlung bei diesem Modell ist verpflichtend. Als zwei Beispiele in diesem Kontext können der Katastrophenfonds in Österreich (vgl. BMF 2012, S. 2 ff.) und der Comprehensive Environmental Response, Compensation, and Liability Act nach Chapter 103 Title 42 of the United States Code genannt werden (vgl. EPA 2021).

5 Bewertung der Modelle

Anschließend an die Erläuterung der Funktionsweise der einzelnen Modelle zum Risikotransfer von Großschadensereignissen werden im Folgenden drei der sieben Modelle nach unterschiedlichen Kriterien bezüglich deren Eignung zur Absicherung des Risikos einer Pandemie bewertet. Die ausgewählten Modelle stehen jeweils stellvertretend für eine Schicht (hoher, mittlerer und niedriger staatlicher Eingriff). Die zur Bewertung herangezogenen Kriterien setzen sich zusammen aus

  • den anfallenden Kapitalkosten,

  • der Transparenz des Triggers,

  • dem Bezug zum jeweiligen Risiko,

  • der Schadenabwicklung sowie

  • der vorhandenen Kapazität.

Der Eintritt des Pandemierisikos ruft ein sehr hohes Schadenausmaß hervor, da bei einem Ausbruch das gesamte Kollektiv betroffen ist. Es müssen enorme Summen an Geldmitteln bereitgestellt werden, um auch nur im Ansatz einen Pandemieschaden abzusichern (vgl. dazu auch Abschn. 8.3). Dementsprechend hat das Kriterium der Kapazität eine übergeordnete Bedeutung im Vergleich zu den anderen Bewertungskriterien.

5.1 Pandemic Bonds

Einleitend wird das Modell des Pandemic Bonds im Hinblick auf die Pandemie bewertet. Im Rahmen der Bewertung der Kapitalkosten werden die Kosten betrachtet, die durch die Verwendung bzw. Nutzung des Kapitals anfallen (vgl. Gründl o. J.). Im Vergleich zu einem traditionellen Rückversicherungsvertrag besteht dabei kein nennenswerter Unterschied (vgl. Liebwein 2018, S. 527 ff.).

Sowohl Pandemic Bonds als auch die traditionelle Rückversicherung erzeugen Kapitalkosten, welche die Zeichnungskapazität beeinflussen. Mithin werden die Kapitalkosten eines Pandemic Bonds als durchschnittlich bewertet.

Um die Transparenz des Triggers eines Pandemic Bonds zu bewerten, bietet sich ein Vergleich zu einer Naturkatastrophenanleihe an. So werden im Rahmen der Naturkatastrophen größtenteils Trigger mit objektiv feststellbaren Kriterien verwendet, wie beispielsweise im Falle eines Erdbebens das Überschreiten einer vorher festgelegten Magnitude in einem vordefinierten geografischen Gebiet. In Bezug auf die Pandemie ließe sich ein objektiver Trigger über eine Übersterblichkeit in einem vordefinierten geografischen Gebiet definieren. Allerdings könnte es bei der Ermittlung der Übersterblichkeit zu einer zeitlichen Verzerrung kommen. So ist die Übersterblichkeit im Gegensatz zum zuvor beschriebenen Erdbeben-Trigger nicht ausschließlich über das Ablesen eines Messwertes zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen. Das Pendant zum objektiven Trigger ist der subjektive Trigger. Dabei ist das auslösende Ereignis nicht primär an objektiv messbare Kriterien, sondern an Entscheidungen einzelner Personen gebunden. Diese Entscheidungen können zwar nach Hinzuziehen objektiver Kriterien getroffen werden, unterliegen allerdings zwangsläufig subjektiven Ermessensspielräumen einzelner verantwortlicher Personen. Bezogen auf die Pandemie könnte die Erklärung als Pandemie durch die WHO in Betracht kommen. Dieses Ergebnis kann wiederum durch Hinzuziehen objektiver Kriterien, allerdings nie ganz ohne subjektive beeinflusste Entscheidungen, ermittelt werden. Dementsprechend ist die Transparenz des Triggers eines Pandemic Bonds ebenfalls durchschnittlich zu bewerten.

Ein Bonds zum Transfer von Risiken wird grundsätzlich nur für ein einziges Risiko aufgelegt. So bestehen beispielsweise Bonds zur Absicherung von Schäden aus Erdbeben, Waldbränden oder Vulkanausbrüchen (vgl. Swiss Re Capital Markets 2021, S. 7).

Der Pandemic Bonds würden damit nur eine Schadenzahlung für ein vordefiniertes Pandemieereignis und nicht für andersartige Ereignisse leisten. Der unmittelbare Risikobezug eines Pandemic Bonds kann damit als positiv bewertet werden.

Es liegt in der Natur eines Bonds, dass bei Auslösen des definierten Triggers eine Schadenzahlung geleistet wird. Die Schadenabwicklung kann schnell vorgenommen werden, da Akteure mit Schadenregulierungsexpertise und Erfahrung (zum Beispiel Makler und Rückversicherer) beteiligt sind. Damit kann dieses Kriterium positiv bewertet werden.

Abschließend stellt sich die Frage, ob ein Pandemic Bonds über genügend Kapazität zur Absicherung von Pandemien verfügt. Nach einer Analyse von Swiss Re Capital Markets wird für den gesamten CAT-Bonds-Markt, unter den die Pandemic Bonds fallen, eine Kapazität von 50 Milliarden US-Dollar bis 2025 prognostiziert (vgl. Swiss Re Capital Markets 2021, S. 7).

Wird allein der deutsche Schadenbedarf bis Juni 2021 zur vollständigen Absicherung der Corona-Pandemie in Höhe von 300 Milliarden Euro (vgl. Hüther und Grömling 2021) damit verglichen, so wird deutlich, dass nur ein Bruchteil der Pandemierisiken in den Kapitalmarkt transferiert werden kann. Ferner ist anzumerken, dass die Investoren insbesondere gegenüber dem Risiko einer Pandemie zunächst zurückhaltend agieren könnten, da das Risiko momentan noch sehr präsent ist. Tägliche Berichterstattungen über die Pandemie und zunehmende Infektionen im Bekanntenkreis im Laufe der 4. Infektionswelle sorgen dafür, dass sich alltäglich mit dem Thema der Pandemie beschäftigt wird bzw. die Menschen damit konfrontiert werden.

Wird die von Daniel Kahneman beobachtete kognitive Verzerrung „What you see is all there is“ (Kahneman 2011, S. 113; vgl. auch Kap. 2 und Kap. 3 in diesem Band) auf den Sachverhalt übertragen, könnte folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Solange das Risiko derart präsent ist, könnte nur eine geringe Anzahl an Investoren gewillt sein, in einen Pandemic Bonds zu investieren. Mithin wäre die Kapazität als äußerst gering einzuschätzen. Erst wenn das Risiko der Pandemie von anderen Risiken überlagert wird, könnte es zu einem verstärkten Investment kommen.

Dieser Überlagerungseffekt ist drauf zurückzuführen, dass die Informationen über die Pandemie im Laufe der Zeit immer schwerer aus unserem Gedächtnis abzurufen sind (vgl. Kahneman 2011, S. 112) und Informationen über andere Risiken wie zum Beispiel das Terrorrisiko nach einem Terroranschlag präsenter erscheinen. In diesem Moment könnte der Anreiz für ein Investment in einen Pandemic Bonds steigen.

Momentan sowie in absehbarer Zukunft können Pandemic Bonds demnach lediglich als eine Kapazitätserweiterung neben der traditionellen Rückversicherung fungieren. Sie sind nicht geeignet, genügend Kapital für die Absicherung der Pandemie bereitzustellen. Aus diesem Grund ist die Kapazität von Pandemic Bonds negativ zu bewerten.

5.2 Solidaritätsfonds

Zur Beurteilung der Solidaritätsfonds wird dieses Modell nun im Hinblick auf die Absicherung einer Pandemie untersucht. Aufgrund der Tatsache, dass der Staat als Kapitalgeber fungiert, fallen deutlich geringere Kosten für die Verwendung oder Nutzung von Kapital an. Mithin sind die Kapitalkosten positiv zu bewerten.

Es ist fraglich, inwieweit Solidaritätsfonds über einen transparenten Trigger verfügen. Wird beispielsweise der EU-Solidaritätsfonds herangezogen, so prüft die EU-Kommission zwar gemäß der in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union vordefinierten Kriterien die Förderungsfähigkeit des Mitgliedsstaates. Allerdings sind diese Kriterien nur unzureichend quantifiziert. Daraus ergibt sich ein Ermessenspielraum, welcher die verantwortlichen Personen zu einer Auslegung und subjektiven Subsumption auf den jeweiligen Sachverhalt zwingt. Es ist nicht gewährleistet, dass jedes Schadenereignis in einer proportionalen Art und Weise zu anderen Schadenereignissen berücksichtigt wird. Somit ist die Transparenz des Triggers als negativ zu bewerten.

Zum Kriterium des unmittelbaren Risikobezuges ist grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Szenarien zu unterscheiden. Im ersten Szenario wird ein Solidaritätsfonds nach einer (Natur-) Katastrophe aufgelegt, um eine staatliche ad-hoc Hilfe für die Betroffenen zu leisten. Ein Beispiel ist die „Aufbauhilfe 2021“ für die Betroffenen des Juli-Hochwassers. Es ist davon auszugehen, dass dieser Solidaritätsfonds für den langfristigen Wiederaufbau in den betroffenen Regionen verwendet wird. Im zweiten Szenario wird ein Solidaritätsfonds vor Eintritt eines Schadensereignisses aufgelegt. Hier kann beispielsweise der EU-Solidaritätsfonds oder der Pflegevorsorgefonds der Deutschen Bundesregierung genannt werden. In diesem Kontext wäre es denkbar, dass aufgelegte Solidaritätsfonds zur Behebung anderer Problematiken genutzt werden. Dieses Phänomen könnte beispielsweise bei einer neuen Regierungsbildung beobachtet werden. So wurde vor der Bundestagswahl 2021 diskutiert, den Pflegevorsorgefonds aufzulösen, um Angestellte in der Pflege besser zu entlohnen und den Personalschlüssel aufzustocken (vgl. Schäfer 2021). Mithin ist der unmittelbare Risikobezug eines Solidaritätsfonds nur als durchschnittlich zu bewerten.

In Nordrhein-Westfalen wurden bis Ende Oktober 2021 und damit knapp 90 Tage nach dem Juli-Hochwasser 200 Millionen Euro Flutopfer-Soforthilfe ausgezahlt. Für den aufgelegten Solidaritätsfonds der Bundesregierung in Höhe von 30 Milliarden Euro sind bis Ende Oktober 2021 ca. 5600 Anträge eingegangen, von denen 500 Anträge bewilligt wurden. Insgesamt wird der Schaden in Nordrhein-Westfalen auf 13 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Die Zeit 2021).

Damit werden zwar Gelder aus dem Solidaritätsfonds ausgeschüttet und Schäden abgewickelt, allerdings erfolgt die Abwicklung im Vergleich zu einem Versicherungsunternehmen langsamer und ineffizient. Ein Großteil der Betroffenen wartet noch auf die versprochenen Hilfszahlungen. Ähnliches gilt für die staatliche Schadenabwicklung im Rahmen der Corona-Pandemie, welche mit vielen bürokratischen Hürden für die geschädigten Betriebe verbunden war (vgl. Greive et al. 2021). Folglich ist die Schadenabwicklung als negativ zu bewerten.

In der Pandemie wächst der Schuldenstand des deutschen Staates voraussichtlich auf 2,7 Billionen Euro im Jahr 2022 (Stand: Oktober 2021). Dabei wird der Höhepunkt der Schuldenstandquote bereits am Ende des Jahres 2021 mit 75 Prozent erreicht werden. 480 Milliarden von den 650 Milliarden zusätzlichen Staatsschulden während der Pandemie können als Corona-bedingt eingestuft werden (vgl. Beznoska et al. 2021, S. 3).

Damit hat sich zwar der Finanzierungssaldo im Vergleich zum Zeitpunkt vor der Pandemie drastisch verändert, allerdings veranschaulichen die Zahlen ebenfalls die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates in einer solchen Krise (vgl. Beznoska et al. 2021, S. 4). Unter der Begründung eines wirtschaftlichen Wachstumskurses bleiben auch der Anstieg der Schuldenstandquote auf 75 Prozent und damit die aus der Pandemie resultierenden Schulden tragfähig (vgl. Beznoska et al. 2021, S. 3).

Mithin wird deutlich, dass der deutsche Staat ein gewisses Maß an Resilienz gegenüber Krisensituationen eines solchen Ausmaßes aufweist. Aufgrund dessen wird die vorhandene Kapazität zur Absicherung von Pandemien als positiv eingestuft.

5.3 PPP-3- Layer-Modell

Abschließend wird das Modell der PPP-3-Layer im Hinblick auf eine mögliche Absicherung einer Pandemie bewertet. Da der Staat Kapazität nachschießt, wenn die Haftung des Risikoträgers in zweiter Instanz nicht ausreicht, werden in diesem Modell die kapitalkostenintensivere privatwirtschaftliche Versicherung und die moderaten Kapitalkosten des Staates kombiniert. Daraus folgt, dass die Kapitalkosten als durchschnittlich bewertet werden können.

Auf Grundlage des PPP-3-Layer-Modells werden Schadenzahlungen grundsätzlich gemäß der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) geleistet, die ein Versicherungsnehmer mit einem Erstversicherungsversicherunternehmen bei Vertragsschluss vereinbart hat. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) niedergeschriebenen Vorschriften für die Gültigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gelten sinngemäß auch für die AVB. Mithin können AVB nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam sein, wenn der Versicherungsnehmer unangemessen dahingehend benachteiligt wird, dass die Bestimmungen nicht klar und verständlich sind. Ausschlaggebend für die Auslegung ist dabei das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (BGH, Urt. v. 06. Juli 2016 – Az. IV ZR 44/15).

Daraus folgt, dass die AVB klar und verständlich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer formuliert sein müssen. Mithin muss auch der Auslöser für die Schadenzahlung klar und verständlich für den einzelnen Versicherungsnehmer formuliert werden. Damit ist die Transparenz des Triggers im Rahmen des PPP-3-Layer-Modells als positiv zu bewerten.

Im Rahmen des Kriteriums des unmittelbaren Risikobezuges kann auf die vorherige Argumentation abgestellt werden. So ist neben dem auslösenden Ereignis für die Schadenzahlung ebenfalls klar und verständlich zu definieren, für welches Risiko Versicherungsschutz geleistet wird. Dementsprechend ist auch der unmittelbare Risikobezug positiv zu bewerten.

Die Schadenabwicklung bzw. Schadenbearbeitung zählt zu den produktbezogenen innerbetrieblichen Leistungen (vgl. Farny 2011, S. 462) und gehört damit zu den Kernprozessen eines Versicherungsunternehmens. Somit ist diese substanziell für den Betrieb eines Versicherungsunternehmen. Der Schadenabwicklung wird daher ein besonderes betriebswirtschaftliches Interesse entgegengebracht. Neben standardisierten Formen der Schadenabwicklung wurden für einzelne Schadentypen spezielle Leistungsprozesse gestaltet (vgl. Farny 2011, S. 678), sodass die Versicherungsunternehmen auf eine Großzahl von Spezialwerkzeugen zurückgreifen können. In diesem Rahmen werden auch unberechtigte Ansprüche erkannt und auf ein berechtigtes Maß reduziert. (vgl. Farny 2011, S. 447).

Auf Grundlage der etablierten Prozesse und gesammelten Erfahrungen liefern Versicherungsunternehmen durch einen sicheren, schnellen und berechtigten Ersatz des Primärschadens einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung von Wirtschaftsprozessen (vgl. Farny 2011, S. 93).

Der Staat hingegen ist in der Schadenabwicklung nicht derart spezialisiert und verfügt hier nicht über ein vertieftes Know-how. Somit bietet die Zusammenarbeit der Versicherungswirtschaft und des Staates im Rahmen eines PPP die Möglichkeit, das Defizit des Staates im Rahmen der Schadenabwicklung zu kompensieren. Folglich ist die Schadenabwicklung als positiv zu bewerten.

Abschließend ist die Kapazität der PPP´s im Hinblick auf die Absicherung einer Pandemie zu bewerten. Wie bereits erläutert, erfordert die Absicherung einer Pandemie ein sehr hohes Maß an Kapazität. Bei der Bewertung des Solidaritätsfonds wurde die Kapazität als positiv bewertet, da der deutsche Staat in den Monaten der Pandemie eine Resilienz gegenüber einer Krise mit hohen Schadenausmaß gezeigt hat. Dabei wird die Schuldenstandsquote wohl nicht über einen Höchststand von 75 Prozent steigen und somit tragfähig bleiben (vgl. Beznoska et al. 2021, S. 3).

Da im PPP-3-Layer-Modell der Staat Kapazität nachschießt, sobald die Haftungsstrecke der ersten beiden Instanzen überschritten ist, wird die Kapazität ebenfalls als positiv bewertet.

5.4 Wahl eines geeigneten Modells zur Absicherung einer Pandemie

Aufbauend auf der Bewertung der verschiedenen in Betracht gezogenen Modelle lässt sich anhand von Abb. 8.4 das am besten geeignete Modell zur Absicherung einer Pandemie bestimmen. So ist festzuhalten, dass die Pandemic Bonds allein nicht geeignet sind, um eine Pandemie abzusichern. Am Kapitalmarkt steht nicht genügend Kapazität zur Verfügung. Dies kann unter anderem auf den Mangel an einem transparenten Trigger und an einem risikoaversen Verhalten der Investoren im Hinblick auf das Pandemierisiko zurückgeführt werden. Pandemic Bonds kommen allerdings als Kapazitätserweiterung zur traditionellen Rückversicherung des Risikos einer Pandemie in Betracht.

Abb. 8.4
figure 4

Beurteilung der Modelle zur Absicherung einer Pandemie. (Quelle: eigene Darstellung)

Solidaritätsfonds weisen zwar ein hohes Maß an Kapazität auf, können allerdings insbesondere im Rahmen der Schadenabwicklung, des unmittelbaren Risikobezuges sowie der Definition eines transparenten Triggers im Vergleich zu einer klassischen Versicherungslösung nicht überzeugen. Gerade in diesen versicherungstechnischen Kernprozessen können sich der Staat und die Versicherungsunternehmen bei der Absicherung einer Pandemie gegenseitig unterstützen.

Folglich ist das PPP-3-Layer-Modell grundsätzlich das am besten geeignete Modell unter den drei untersuchten Modellen zur Absicherung einer Pandemie. Dass aber auch dieses Modell nicht frei von Problemen ist, soll nachfolgend erläutert werden.

5.5 Probleme der PPP

Insbesondere die gute Zusammenarbeit zwischen Staat und privater Versicherungswirtschaft stellt eine große Herausforderung dar. Grundsätzlich haben beide Partner unterschiedliche Interessen. Die privatwirtschaftlichen Versicherungsunternehmen handeln gewinnorientiert. Da jedoch in einer solchen Partnerschaft der Staat die deutlich stärkere Verhandlungsposition hat, werden sich auch seine Interessen stärker durchsetzen. Die Interessen des Staates werden durch die Bürger gesteuert. Sie werden erheblich von den ihnen präsenten und damit leicht abrufbaren Informationen beeinflusst (vgl. Abschn. 8.5.1). Damit fixieren sie sich sehr stark auf die jeweils aktuellen Probleme der Gegenwart. Die Versicherungswirtschaft hingegen versteht sich als Risikoexperte. Dies ist insbesondere auf die Kernkompetenz des Transfers des versicherungstechnischen Risikos zurückzuführen. Die Versicherungsunternehmen müssen durch ihr langfristiges Geschäftsmodell zukünftige Risiken antizipieren und bewerten können (vgl. Farny 2011).

Dadurch richtet sich die Versicherungswirtschaft deutlich stärker als der Staat an langfristigen Risiken aus (vgl. AXA 2021, S. 14). Für das Handeln des Staates lässt sich neben der Verfolgung anderer legitimer Ziele insbesondere eine Fixierung auf eine Wiederwahl und damit potenziell eine Fokussierung auf kurzfristigere Zeithorizonte annehmen.

Über die Wahlen haben die Bürger einen hohen unmittelbaren Einfluss auf die Politik. Unklarer ist, ob auch die Versicherungswirtschaft durch ihre Expertise Einfluss auf die Politik nehmen kann. Hierzu werden nachfolgend zwei kurze Beispiele angeführt.

  1. a)

    Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Jahr 2017 beschlossen, dass staatliche Soforthilfen grundsätzlich nur noch an jene ausgezahlt werden, die sich erfolglos um eine Versicherung bemüht haben oder denen ein Versicherungsschutzangebot nur zu wirtschaftlich unzumutbaren Bedingungen angeboten wurde (vgl. GDV 2019).

    Damit die Menschen mehr Eigenvorsorge betreiben, wurden nach damaligen Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (vgl. GDV 2019) in elf Bundesländer Informationskampagnen gestartet, welche auch vom GDV unterstützt wurden. Die Anzahl an Elementarschadenversicherungen stieg in den vergangenen zwei Jahren allerdings nicht an (vgl. GDV 2019, 2021a).

    Stattdessen setzte die Bundesregierung einen Solidaritätsfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro für die Betroffenen des Juli-Hochwassers auf. Ein etwaig vorhandener Versicherungsschutz wird dabei auf die staatlichen Hilfszahlungen angerechnet (vgl. Bundesministerium der Finanzen 2021), sodass Personen mit Versicherungsschutz im Ergebnis schlechter gestellt sind als Personen ohne erworbenen Versicherungsschutz.

  2. b)

    Als weiteres Beispiel soll der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2017 angeführt werden. So wurde festgehalten, dass die Regierung einen Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anstößt, um zügig ein attraktives standardisiertes Riester-Produkt zu entwickeln (vgl. CDU/CSU/SPD 2018, S. 93). Zu Beginn der darauffolgenden Legislaturperiode stand die Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts aber weiterhin aus.

Unter diesem Gesichtspunkt ist zu hinterfragen, ob die Politik die Versicherungswirtschaft als relevanten Player bei der Zukunftsgestaltung wahrnimmt. Jedenfalls scheint der Einfluss der Versicherungswirtschaft auf die Politik gering zu sein.

Daraus folgt, dass Regierungen stärker aus der Gegenwartsperspektive der Bürger (vgl. Bofinger 2020, S. 181) als aus der Zukunftsperspektive gesteuert werden, wie sie tendenziell bei der Versicherungswirtschaft gegeben ist (vgl. AXA 2021, S. 14). Es ist allerdings die Aufgabe der Versicherungswirtschaft, auf die Erhöhung ihres Einflusses bei der Absicherung von Großschadensereignissen hinzuarbeiten. Anderenfalls spielt die Versicherungswirtschaft bei der Absicherung echter Zukunftsrisiken eine immer geringere Rolle und droht in wichtigen Teilen des gesellschaftlichen Risikoschutzes überflüssig zu werden.

6 Fazit und Ausblick

Es bleibt festzuhalten, dass die Versicherungswirtschaft, die ihre gesellschaftliche Berechtigung aus der Absicherung gegenüber Schäden bezieht, keinen wesentlichen Beitrag zur Tragung der volkswirtschaftlichen Schäden der Pandemie erbracht hat, wobei allerdings die Pandemie konventionell kaum versicherbar ist. Dennoch hätten bereits vor dem Ausbruch der Pandemie alternative Möglichkeiten der Absicherung eines Großschadenereignisses mit einem derartigen Schadensausmaß diskutiert und implementiert werden können. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt der hohen Risikoexpertise, wie sie in der Versicherungsbranche vorhanden ist.

Es existieren verschiedene alternative Lösungen zum Risikotransfer von Großrisiken, von denen die PPPs aufgrund der in diesem Kapitel vorgenommenen Analyse in Hinblick auf die Absicherung einer Pandemie und vergleichbarer Risiken am besten geeignet sind. Allerdings birgt das Modell eines PPP´s insbesondere bei der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der Versicherungswirtschaft Problematiken. So wird der Staat stärker von der Gegenwartperspektive der Bürger als von der Zukunftsperspektive der Versicherungswirtschaft beeinflusst. Um bei der Absicherung solcher Großschadensereignisse in Zukunft nicht überflüssig zu werden, muss sich die Versicherungsbranche zwingend überlegen, wie sie in den kommenden Jahren mehr Einfluss ausüben kann und so insbesondere ihre Risikoexpertise und versicherungstechnischen Kernprozesse im Rahmen eines PPP´s sinnvoll einbringen kann.