1 Annäherung an Soziale Arbeit und marginalisierte Quartiere

Gemeinwesenarbeit, aber auch damit verbunden, quartiersbezogene Soziale Arbeit sowie Quartier- und Stadtentwicklung sind historisch und fachlich ausgewiesene Handlungsfelder Sozialer Arbeit (vgl. Oehler & Drilling, 2016; Oelschlägel, 2017). Gleichwohl ist unerlässlich, den Strom des Diskurses dazu, als Teil einer offenen und lernenden Disziplin und Profession, immer wieder gezielt mit sich aufdrängenden oder vernachlässigten Themen anzuregen, punktuell auf bestimmte Aspekte hin zu vertiefen, mit frischen Impulsen zu beleben und somit zu aktualisieren sowie weiterzuentwickeln.

Das Thema, das bei diesem Sammelband zum Kontext Soziale Arbeit und Stadtentwicklung im Fokus steht und exploriert wird, sind „marginalisierte Quartiere“ respektive – wie sie teilweise auch bezeichnet werden – „sozial benachteiligte Quartiere“ (vgl. Baum, 2018, S. 158 ff.); also Quartiere, die oftmals als „Problemquartiere“ wahrgenommen und diskutiert oder etikettiert werden, die einen mehr oder weniger deutlich ausgewiesenen Bezug zu sozialer Ausgrenzung haben und die mit diesen „Eigenschaften“ und Zuschreibungen einen klassischen Bezugspunkt sozialer Interventionen – möglicherweise sozialer Innovationen – und Sozialer Arbeit bilden (vgl. Baum, 2007, S. 136 ff.).

Marginalisierte Quartiere haben mit sozialer Ausgrenzung, aber auch, sozusagen mit diesem Prozess verwoben oder dadurch bedingt, mit räumlicher und vor allem sozialer Ungleichheit zu tun; also mit ungleichen Lebensverhältnissen und ungleichen sozialen Chancen. Damit sind Städte und marginalisierte Quartiere einerseits sichtbar gewordener „Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen“ und sozialer Verhältnisse, andererseits aber auch, dem zugrunde liegend, „ein politisches Handlungsfeld“ (Kronauer, 2017, S. 156). Marginalisierte Quartiere sind nicht nur, aber auch Ergebnis politischer Entscheidungen. Darüber hinaus gibt es jedoch eine Reihe von unterschiedlichen Akteur*innen beeinflussten und nur beschränkt bzw. kaum steuerbaren nicht linearen dynamischen emergenten Prozessen, welche zur Entstehung der Quartiere in jetziger Gestalt beigetragen haben und deren weitere Entwicklung auch in Zukunft beeinflussen werden. Politik ist eine wichtige Stellschraube, jedoch bei Weitem nicht die einzige, da auch das alltägliche Mit- oder Gegeneinander im Quartier für dessen Entwicklung eine Rolle spielt. Gleichzeitig ist ein Quartierentwicklungsprozess auch auf eine Unterstützung der Politik angewiesen. Die Kunst besteht letztlich darin, in sozialen Entwicklungs- und Transformationsprozessen das Emergente aus dem Quartier mit dem Politischen und Strategischen auf Stadtebene auf eine sinnvolle Art und Weise zusammenzubringen (vgl. Heyen & Brohmann, 2017, S. 72; Mintzberg & Waters, 1985). Da es weder für die Probleme in und um marginalisierte Quartiere noch für andere gesellschaftliche Bereiche einen „Masterplan“ und „Patentlösungen“ gibt bzw. „es nicht die eine Antwort auf die Vielfalt der neuen Probleme gibt, bleibt nur ein innovativer Such-, Lern- und Experiementierprozess entlang“ bestimmter fachlicher oder theoretischer Konzepte wie zum Beispiel „entlang des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung, einer sozialen, ökologischen und demokratischen Umgestaltung“ (Reißig, 2009, S. 154). Was es angesichts eines intentionalen Wandels mit Ungewissheiten braucht, ist also ein demokratisches Experimentieren, das von den Individuen, Familien und Organisationen über die Quartiere bis zur Stadtentwicklung und darüber hinaus geht – und genau in diesem Gefüge gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Sozialer Arbeit respektive Gemeinwesenarbeit (GWA) und lokaler Demokratie, der weiter hinten in diesem Beitrag als professionelle Perspektive ausführlicher herausgestellt wird. Die Arbeit in und an marginalisierten Quartieren ist nicht nur anschlussfähig an eine zukunftsorientierte und transformative Konzeption von Stadtentwicklung, die sich zwischen Emergenz und Steuerung bewegt, sondern sie wird in dem Zusammenhang auch zu einem strategisch entscheidenden Moment von Stadtentwicklung, in welcher nämlich das Quartier zur „Basis zukunftsorientierter Stadtentwicklung“ wird (Bukow, 2020, S. 7). Und an diesem Punkt kann die Soziale Arbeit einen entscheidenden Beitrag leisten, da es ihr, wie keinem anderen Beruf, um das (soziale) Wohl der Menschen in den Quartieren und Städten geht – in der Gegenwart und auch mit Blick auf zukünftige Entwicklungen.

2 Stadt und (neue) Soziale Frage

Matin Kronauer legt in seinem Artikel „Stadt und Soziale Frage“ dar, dass der nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaute Sozialstaat – im Sinne eines Kompromisses einer sozialen Marktwirtschaft und einer Antwort auf die soziale Frage – nicht primär „auf die Beseitigung sozialer Ungleichheit ausgerichtet [war], sondern auf die abgestufte soziale Absicherung der abhängig Beschäftigten und ihrer Angehörigen“ (Kronauer, 2018, S. 159). Im Fokus der Sozialpolitik war also weniger eine wie auch immer definierte soziale Stadt für alle, sondern vielmehr die soziale Absicherung von Einzelnen und Familien in Verbindung mit Erwerbsarbeit.

Der sozialpolitische Ansatz mit diesem Fokus funktioniert vor allem dann für weite Teile der Bevölkerung gut, wenn die Wirtschaft ungebrochen prosperiert.Footnote 1 Sobald der Boom jedoch einbricht bzw. die Prosperität stagniert und zurückgeht respektive sich die Arbeitslosigkeit auf relativ hohem Niveau stabilisiert, zeigen sich die Schwächen dieser Lösung. Genau in dieser Konstellation mit zunehmender Arbeitslosigkeit wurde schon in den 1970er Jahren vermehrt auf diese Problematik, in der wir uns heute noch befinden und die nicht zuletzt als eine Bedrohung für die Demokratie gedeutet wurde, hingewiesen und in dem Zusammenhang erstmals der Begriff „neue soziale Frage“ eingeführt (vgl. Dettling et al., 1977; Widmaier, 1978).

Ab den 1980er Jahren wird diese Rückkehr der sozialen Frage (als neue soziale Frage) „unter den Begriffen ‚soziale Verwundbarkeit‘ bzw. ‚Prekarität‘ und ‚Exklusion‘ thematisiert“ (Kronauer, 2018, S. 161) und zur „typischen Personifizierung wurde der ‚Überflüssige‘ der Erwerbsgesellschaft“ und zu den „typischen Orte, in denen sich die neue soziale Frage verdichtet“ – und so sozialräumlich sichtbar wird –, „wurden städtische Nachbarschaften mit hohen Anteilen von Arbeitslosen und einkommensschwachen Haushalten“ (ebd.), also dort wo vielfach von marginalisierten Quartieren die Rede ist. Hiermit macht Kronauer deutlich, dass die Entstehung und Entwicklung von marginalisierten Quartieren letztlich nicht losgelöst von den sozialen und sozialstaatlichen Sicherungsmaßnahmen und der Sozialpolitik zu betrachten ist. Zwischen sozialer Sicherheit (im Sinne von Abfederung sozialer Risiken) und marginalisierten Quartieren bzw. Menschen besteht ein enger Zusammenhang, der mit Blick auf Soziale Arbeit und marginalisierte Quartiere sowie Ansätzen zur Quartiersentwicklung – bei aller Faszination für das Lokale und die damit verbundenen endogenen Ressourcen und Potenziale – nicht übersehen werden sollte. Die soziale Frage bleibt ein ungelöstes Problem, auch für die Stadtentwicklung. Marginalisierte Quartiere sind so betrachtet auch immer Effekte von Stadt- und Sozialpolitik in einer Gesellschaft, die einen demokratischen Anspruch erhebt respektive eine demokratische Ordnung auch unter globalisierten kapitalistischen Verhältnissen aufrechtzuerhalten versucht und gleichzeitig aber, damit in einem Spannungsverhältnis stehend, durch eine weitgehend durchgesetzte kapitalistische Marktlogik geformt wird. Denn die „[u]ngleiche Entwicklung, die Scheidung von Gewinnern und Verlierern, ist ein Wesensmerkmal des Kapitalismus, das nur durch die Kontrolle der Gesellschaft über die Ökonomie, durch den demokratischen Staat, modifiziert werden kann“ (Deppe, 2005, S. 49). Dabei darf nicht vergessen werden, was wieder zum Thema marginalisierte Quartiere zurückführt, dass ungleiche sozialökonomische Entwicklungen immer auch „soziale Prozesse der Inklusion und Exklusion“ (ebd.) erzeugen, die zu einem „Verlust sozialer Einbindung“ (ebd.) führen können, der wiederum „weitere Formen des Ausschlusses und des abweichenden Verhaltens“ (ebd., S. 49 f.) begünstigt; „die Bildung einer ‚underclass‘ von dauerhaft Ausgegrenzten geht einher mit Ghettobildung, Kriminalität, Drogenkonsum, Migration, illegale Beschäftigung etc.“ (ebd., S. 50). Hinzu kommt, darauf verweist die Politics-of-Scale-Debatte, dass mit der kapitalistischen Globalisierung auch „die räumliche Massstäblichkeit sozialer Prozesse“ (vgl. Wissen, 2008, S. 8) reorganisiert wird, wobei es zu einer „Verschiebung sozialer Kräfteverhältnisse“ (ebd, S. 9) kommt, durch welche zum Beispiel die supranationale Ebene an Gewicht und Einfluss gewinnt – auch mit Blick auf Quartiers- und Stadtentwicklung und -politik. Gleichzeitig erhält dadurch jedoch das Lokale eine neue bzw. wachsende Bedeutung. Dabei sollte „das Lokale nicht als Gegenspieler des Globalen“ betrachtet werden, sondern „als ein Aspekt von Globalisierung“ (Robertson, 1998, S. 200, Herv. im Original) – was Robert Robertson unter den Begriff der „Glokalisierung“ diskutiert. Schnur schreibt in diesem Zusammenhang von einer „Renaissance des Lokalen“ (Schnur, 2018) und wie Quartiere zu neuen wichtigen Bezugspunkten für die Menschen, aber auch für lokale Initiativen werden (vgl. Schnur, 2018, S. 2; 2019, S. 10; Schnur et al. 2019, S. 4).

Diese Prozesse, Phänomene und Effekte von sozialer Ungleichheit, Ausgrenzung, kapitalistischer Globalisierung und Glokalisierung zeigen sich am deutlichsten in den Städten und ihren (marginalisierten) Quartieren und es braucht dringend (neue) sozialpolitische und sozialarbeiterische Ansätze zur damit verbundenen neuen sozialen Frage.

Vor diesem skizzierten Hintergrund beschreibt Kronauer in einer kürzlich erschienenen Publikation die „Stadt als einen besonderen Handlungsraum zur Auseinandersetzung mit der sozialen Frage“ (Kronauer, 2020, S. 115) und nennt drei Koordinaten, welche für „Stadt und [die] soziale Frage in der Gegenwart“ (ebd., S. 114) von besonderer Bedeutung sind: erstens „Arbeit, Einkommen und individuelle Absicherung“ (ebd.; Herv. im Original), zweitens „Wohnverhältnisse, soziale Nahbeziehungen und nachbarschaftsbezogene Dienstleistungen“ (ebd., S. 117; Herv. im Original) und drittens „[ö]ffentliche[.] Daseinsvorsorge“ (ebd., S. 119; Herv. im Original).

Perspektivisch ergeben sich mit Kronauer also drei Koordinaten, an denen Soziale Arbeit zur Arbeit an der (neuen) soziale Frage mit Blick auf den Handlungsraum Stadt respektive marginalisierte Quartiere ansetzten kann.

Zur ersten Koordinate nennt Kronauer etwa die Förderung und „Etablierung von kleinen und mittleren Produktionsbetrieben“ (ebd., S. 116), die „Arbeitsplätze auch mit niedrigeren Qualifikationsanforderungen schaffen“ (ebd.), und „kleinbetriebliche ethnische Ökonomien“ (ebd.), die hierzu einen Beitrag leisten (können). Dies ergibt für die Soziale Arbeit schöne Anknüpfungspunkte zu einer solidarischen Gemeinwesenökonomie (Elsen, 1998) oder solidarischen Ökonomie (Oehler, 2020), welche auch den Schulterschluss mit (lokalen) sozialen Bewegungen und Initiativen wie Transitiontown, Urban Gardening etc. sucht und so zu einer Akteurin ökosozialer Transformation der Gesellschaft wird, indem sie unterschiedliche Akteur*innen, die einen Beitrag zu Arbeit, Einkommen und individueller Absicherung sowie ökosozialer Transformation und Bildung leisten, zusammenbringt und lokale Produktion (z. B. Handwerk, Gemüseanbau) und Konsumation (Märkte, Brockenstuben bzw. Gebrauchtwarenläden, Umsonstläden etc.) als aufeinander bezogene Prozesse auf lokaler Ebene fördert (vgl. Elsen, 2011; May, 2012, S. 153). Insbesondere die Förderung von Genossenschaften in unterschiedlichen Formen – wie Produktions-, Konsumations-, Wohn- und Sozialgenossenschaften – birgt ein großes und noch nicht ausgeschöpftes Potenzial für die Bearbeitung der neuen sozialen Frage auf Quartiersebene und für gesellschaftliche Innovationen. Genossenschaften zeichnen sich durch eine demokratische Organisationsform aus und orientieren sich in vielen Fällen an einer „lebensdienlichen Ökonomie“ (vgl. Ulrich, 2016). Somit stellen Genossenschaften als Organisationstyp ein ökonomisches Modell dar, das nicht nur offen und anschlussfähig ist an (lokale) soziale Selbsthilfe, Empowerment, zivilgesellschaftliche Bewegungen und bürgerschaftliches Engagement, sondern zugleich ein Lernort für demokratisches Handeln und Zusammenleben im Quartier sein kann (vgl. Elsen, 2012; Elsen et al., 2000; Elsen & Walk, 2016).

Bei der zweiten Koordinate hebt Kronauer die Bedeutung von Schulen und Bildung sowie die „marktferne Bereitstellung von kulturell angemessenem, preiswertem Wohnraum in allen Quartiren der Stadt“ (Kronauer, 2020, S. 118) hervor. Städte „sind verantwortlich für die physische Ausstattung der Schulen und in einem erheblichen Umfang für das Schulumfeld – einschließlich quartierbezogener sozialer Dienste wie Jugendhilfe und Sozialhilfe, die mit den Schulen kooperieren“ (ebd., S. 119). Mit der Pflege und Bereitstellung dieser Infrastruktur tragen Städte dazu bei, negative „Kontexteffekte“ zu reduzieren, nämlich, „dass die bereits schwierigen Lebensumstände [gemeint sind hier Haushalte mit niedrigem Einkommen, prekären Arbeitsverhältnissen und unattraktivem Wohnverhältnissen (vgl. ebd., S. 117); Erg. d. Verf.] durch Mängel der Infrastruktur im Quartier, eine geringere Reichweite der Sozialkontakte, von denen arbeitsmarktrelevante Informationen und materielle Hilfen abhängen, und durch eine Außenstigmatisierung der Wohnumgebung weiter erschwert werden“ (ebd., S. 117). Der behutsamen Gestaltung und Entwicklung der quartiersbezogenen (sozialen) Infrastruktur gekoppelt mit einer stadtweiten Wohnungspolitik kommt hierbei also eine Schlüsselrolle zu. Soziale Arbeit ist dabei oftmals involviert ins Quartiersmanagement und in klassische Quartierentwicklungsprojekte, über die an der Entwicklung und Bereitstellung dieser Infrastruktur gearbeitet wird und dabei idealerweise auch die Frage nach attraktivem und bezahlbarem Wohnraum aufgegriffen wird.

Die dritte von Kronauer skizzierte Koordinate betrifft die öffentliche Daseinsvorsorge (vgl. ebd., S. 119). Er ruft in Erinnerung, dass im 19. Jahrhundert den Städten die Aufgabe zukam, „öffentliche Güter bzw. Güter, die als unverzichtbar für alle Bevölkerungsschichten gelten, in eigener Regie und unabhängig von Marktlogiken bereitzustellen“ (ebd.). Mit dieser öffentlichen Daseinsvorsorge gemeint sind beispielsweise die Versorgung mit Wasser und Energie, aber auch der kommunale Wohnungsbau. Nachdem mittlerweile in diesen Bereichen viel privatisiert wurde, was zu negativen Effekten wie Kostenanstieg führte, gibt es inzwischen wieder Ansätze und Bestrebungen einer Gegenbewegung, diese Infrastruktur und Unternehmen wieder zu kommunalisieren, also zurück in die öffentliche Hand und somit unter die bürgerschaftliche Kontrolle zu bringen, was ein demokratisches Element darstellt (vgl. ebd.). Auch hierbei kann Soziale Arbeit in Form von GWA und Quartierarbeit solche sich für das Gemeinwohl bzw. das Wohl der Mitglieder des Gemeinwesens einsetzende Initiativen auf kommunaler Ebene, die z. B. auf einen Bürgerentscheid hinarbeiten, in verschiedener Form unterstützen.

Wenn sich Soziale Arbeit im Kontext von marginalisierten Quartieren an diesen drei Koordinaten orientiert, kann sie, in Bündnissen mit anderen Akteur*innen, an der (neuen) sozialen Frage, die sich in den Quartieren manifestiert, arbeiten und sich darüber für soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft sowie die Autonomie bzw. die Selbstbestimmung von Menschen einsetzen. Damit arbeitet sie zugleich an der Demokratie. Denn soziale Gerechtigkeit und Selbstbestimmung sind zentrale Bezugspunkte einer Demokratie respektive einer demokratischen Gesellschaft. Demokratie ist auf diesen Konzepten aufgebaut, setzt diese voraus, und gleichzeitig bilden sie den Zielhorizont von Demokratie. Alles dies zeigt: Soziale Arbeit als professionelle Praxis und Demokratie sind eng miteinander verwoben, und damit auch die Frage nach einer demokratischen Professionalität (vgl. Oehler, 2018).

3 Marginalisierte Quartiere als Orte von Demokratie

Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um eine leicht überarbeitete Version des Aufsatzes „Was meint lokale Demokratie und was trägt Gemeinwesenarbeit dazu bei? Neun Thesen“ (Oehler et al., 2020), der wiederum auf der unter „Gemeinwesenarbeit und lokale Demokratie – Zusammenhänge und Perspektiven aus der Sicht Sozialer Arbeit“ (Oehler, 2021) herausgegebenen Studie basiert.

Marginalisierte Quartiere haben auch immer eine Implikation für die Demokratie. Soziale Ungleichheit korrespondiert oftmals mit politischer Ungleichheit, die in den Kommunen und Quartieren besonders sichtbar wird. Fehlende Arbeitsmarkt- und Bildungschancen, ein Gefühl des Nicht-gehört-Werdens, ausbleibende Selbstwirksamkeitserfahrungen, ein vernachlässigtes Wohnumfeld, mangelhafte Kenntnisse des politischen Systems oder auch die fehlende Wahlberechtigung trotz dauerhaften Aufenthalts können zu Politik(er)verdrossenheit und einer ablehnenden Haltung gegenüber Institutionen führen, einer geringeren Bereitschaft, sich an der Weiterentwicklung des Gemeinwesens zu beteiligen (Kuder, 2019; Selle, 2019), oder gar zu antidemokratischen Einstellungen übergehen.

Die lokale Ebene ist für demokratische Gesellschaften daher von großer Bedeutung. Im Lokalen sind nicht nur die gesellschaftlichen Veränderungen, da sie die eigenen Lebensverhältnisse betreffen, am deutlichsten spürbar; das Lokale bietet zudem die unmittelbarste Möglichkeit, sich als (politisches) Subjekt einer demokratischen Kultur wahrzunehmen und Demokratie als ein kooperatives – aber auch konfliktreiches – sowie kreatives Problemlösungshandeln zu begreifen (Jörke, 2003). Demokratie beginnt also auch unter komplexen modernen Lebensbedingungen immer noch im Kleinen, in der Nachbarschaft, in der lokalen Demokratie (Dewey, 1996, S. 177).

Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden – als Impuls zu Sozialer Arbeit in marginalisierten Quartieren – das spezifische demokratiefördernde Potenzial der professionellen Gemeinwesenarbeit (GWA) diskutiert.

4 Gemeinwesenarbeit als Handlungskonzept und professionelle Praxis

Unter Gemeinwesenarbeit (GWA) wird in der Regel sowohl ein Handlungskonzept als auch eine professionelle Praxis verstanden. Insbesondere in der Theorie zur Sozialen Arbeit gibt es seit über 100 Jahren immer wieder direkte Bezüge zur GWA als Konzept und Praxis (vgl. Oehler & Drilling, 2016; Oelschlägel, 2017). Da der Begriff GWA nicht selbsterklärend ist, wird für diesen Beitrag auf die Definition von Dieter Oelschlägel (2016) zurückgegriffen:

„Gemeinwesenarbeit [ist] eine sozialräumliche Strategie sozialer Arbeit im weitesten Sinne, die sich ganzheitlich auf ein Gemeinwesen, also auf die Lebenszusammenhänge von Menschen, und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen richtet. Ziel ist die Verbesserung von materiellen (z. B. Wohnraum, Existenzsicherung, Arbeitsplätze usw.), infrastrukturellen (z. B. Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen…) und immateriellen (Bildung, Kultur, Partizipation, Integration, soziale Beziehungen) Bedingungen unter maßgeblicher Einbeziehung der Menschen.

Es geht ihr um die Lebensverhältnisse, Lebensformen und Lebenszusammenhänge der Menschen, auch so, wie diese sie selbst sehen (Lebensweltorientierung). Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit sieht seinen zentralen Aspekt in der Aktivierung der Menschen in ihrer Lebenswelt. Sie sollen zu Subjekten politisch aktiven Handelns und Lernens werden und zunehmend Kontrolle über ihre Lebensverhältnisse gewinnen“ (ebd., S. 50 f.).

Bei der Gemeinwesenarbeit geht es in dieser Lesart programmatisch also um eine wechselseitige Verschränkung der Verbesserung von Lebensbedingungen mit der Entwicklung von kollektiver Handlungsfähigkeit respektive einer Erhöhung des politischen Bewusstseins und der politischen Partizipation der Menschen im Gemeinwesen bzw. in der lokalen Demokratie (Oelschlägel, 1999: 18). Auch hierin zeigt sich nochmals der oben erwähnte und für die Soziale Arbeit relevante Zusammenhang von sozialer Gerechtigkeit, Autonomie/Selbstbestimmung und Demokratie – besonders im Kontext von marginalisierten Quartieren und Stadtentwicklung.

Anschließend an diese Definition von GWA wird im nächsten Abschnitt der Frage nachgegangen, wie der Begriff „lokale Demokratie“ als Bezugsrahmen, in dem Soziale Arbeit bzw. GWA in quartiersbezogenen Kontexten aktiv wird, überhaupt gefasst werden kann.

5 Lokale Demokratie – verschiedene Formen im Zusammenspiel

Wie Schnur et al. (2019, S. 4 ff.) zeigen, wird der Begriff der lokalen Demokratie in der Literatur sehr unterschiedlich ausgelegt. Aus einer Synopse geht jedoch hervor, dass „lokale Demokratie“ als theoretisches Konzept sowohl die repräsentativ-formale Demokratie als auch zivilgesellschaftliche und basisdemokratische Vorgänge sowie damit zusammenhängende Akteur*innen, Öffentlichkeiten sowie Partizipations- und Empowerment-Prozesse umfasst (vgl. Wiesner, 2018, S. 30). Von diesem weiten Grundverständnis ausgehend wird im Folgenden, mit Rückgriff auf bereits vorliegende Systematisierungen von Kesting (2017, S. 83) und Roth (2017, S. 159 ff.; 2018, S. 1 ff.), ein aufgefächertes Konzept entfaltet, welches lokale Demokratie einerseits als ein Zusammenspiel verschiedener Demokratieformen innerhalb lokaler Demokratie begreift und andererseits als eine Verschränkung verschiedener politischer Bereiche. Aus dieser Perspektive ergibt sich eine Vielzahl von demokratischen Erfahrungs- und Handlungsmöglichkeiten auf Ebene lokaler Demokratie. Konkretisiert wird dieses Konzept entlang von sechs verschiedenen (Praxis-)Formen von lokaler Demokratie und drei mit diesen Formen zusammenhängenden politischen Bereichen. Die in Abb. 1 vorgestellte Systematik zeigt, dass es für Bürger*innen ganz unterschiedliche Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten im Kontext lokaler Demokratie gibt und dabei gleichzeitig verschiedene Bereiche der Politik „aktiviert“ werden, die jedoch letztlich in einer lokalen Demokratie miteinander verbunden sind:

Abb. 1
figure 1

Praxisformen lokaler Demokratie (leicht abgeänderte Darstellung aus Oehler et al., (2020), S. 273, mit Bezügen zu Kesting (2016), S. 255 und Roth, (2018), S. 9 ff.)

(Praxis-)Formen lokaler Demokratie:

  1. 1.

    Alltagskulturelle lokale Demokratie

    Die alltagskulturelle Form lokaler Demokratie umfasst den alltäglichen demokratischen Umgang (demokratische Kultur; Demokratie als Lebensform, Demokratie als kulturelle Praxis) in Familie, Arbeit, Freizeit, Nachbarschaft, aber ebenso den bewussten expliziten Bezug auf Demokratie(-Lernen) in öffentlichen und privaten Einrichtungen wie Kindertagesstätten („Kinderstube der Demokratie“) und an Schulen. Oftmals wird diese kulturelle Komponente durch entsprechende formale Strukturen und Instrumente, wie zum Beispiel Schulparlamente, eine Kita-Verfassung etc., komplementiert und stabilisiert.

  2. 2.

    Selbsthilfe und Engagement als lokale Demokratie

    Selbsthilfe und Engagement als lokale Demokratie zeigt sich in vielfältigen Formen der aktiven Mitgestaltung des Gemeinwesens. Im Vordergrund steht die weitgehend selbstbestimmte und/oder in Selbsthilfe organisierten Assoziationen von Menschen, um gemeinsam „im Kleinen“ auf demokratische Art und Weise und mit demokratischer Zielsetzung, etwas zur Verbesserung lokaler Lebensverhältnisse beizutragen (z. B. Gemeinschaftsgärten, Parkpatenschaft, Genossenschaften etc.). Außerdem sind solche Initiativen und Aktivitäten oftmals Kontexte, in denen ein demokratisches Miteinander erfahren bzw. erlernt werden kann und lokales soziales Kapital gebildet wird.

  3. 3.

    Demonstrative lokale Demokratie

    Die demonstrative Form lokaler Demokratie manifestiert sich beispielswiese über die Teilnahme an Demonstrationen und Protestcamps, das Tragen von Kampagnensymbolen, das Schreiben von Leserbriefen, aber auch über digitale Reaktionen wie z. B. auf lokale Themen bezogene „Shitstorms“.

  4. 4.

    Deliberative lokale Demokratie

    Die deliberative Form lokaler Demokratie hat unter dem Stichwort „Partizipation“ in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen (vgl. Kuder, 2017). Typisch für diese Sphäre sind etwa Beteiligungsverfahren zur Entscheidungsvorbereitung, Planungszellen, Bürgerforen, aleatorische Minipublics, Stakeholder-Konferenzen, Webforen und andere internetbasierte Dialogformen.

  5. 5.

    Direktdemokratische lokale Demokratie

    Die direktdemokratische Form lokaler Demokratie beinhaltet die direkten Einflussmöglichkeiten auf die (kommunale) Politik. Hier kann es zum Beispiel um die Direktwahl eines Bürgermeisters gehen, aber genauso um Bürgerbegehren, Bürgerentscheide, (digitale) Bürgerhaushalte, Quartiersfonds, direktdemokratische Aktivitäten von lokalen themenspezifischen Bündnissen, Online-Petitionen und Online-Referenden.

  6. 6.

    Repräsentative lokale Demokratie

    Zur repräsentativen Form lokaler Demokratie zählen die klassischen politischen Verfahren und Institutionen wie (Online-)Wahlen, Parlamente, Gemeinderäte; im weiteren Umfeld aber ebenso politische Parteien, Verbände und Gewerkschaften, direkte Kontakte (auch via E-Mail und Facebook) zu Politiker*innen sowie weitere politische Ämter und Mandate.

Diese unterschiedlichen Praxisformen veranschaulichen, dass lokale Demokratie mehr umfasst als nur das formaldemokratische System und die von diesem als auch von intermediären Akteur*innen angebotenen Partizipationsmöglichkeiten. Zu einer funktionierenden und lebendigen lokalen Demokratie gehören freilich ebenso die nicht institutionalisierten Formen von Demokratie dazu (vgl. dazu mit Fokus auf Stadtentwicklung Beck & Schnur, 2016). Dies spiegelt sich auch in den verschiedenen politischen Bereichen lokaler Demokratie wider.

Politische Bereiche lokaler Demokratie:

  1. 1.

    Latenter politischer Bereich

    Der latente politische Bereich liegt außerhalb der formalen politischen Strukturen wie Parlamenten und Parteien. Zu diesem Bereich zählen etwa Vereine und Bürgerinitiativen, die in erster Linie lokale Anliegen oder Projekte verfolgen, die zu einem gelingenderen Alltag führen respektive bei denen die Selbsthilfe und das bürgerschaftliche Engagement im Vordergrund stehen. Der explizite Bezug und Anspruch einer politischen Einflussnahme treten dabei oftmals nur latent oder zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung in Erscheinung. Gleichwohl sind sie Bestandteil und Akteur*innen lokaler Demokratie.

  2. 2.

    Informeller politischer Bereich

    Der informelle politische Bereich zeichnet sich vor allem durch seine punktuelle und projekt- bzw. themenspezifische Politikbezogenheit aus, wie dies in deliberativen und demonstrativen lokalen Demokratieformen zum Ausdruck kommt. Der Politikbezug ist mehrheitlich explizit und deutlich, aber vielfach zeitlich befristet und eher unverbindlich.

  3. 3.

    Formaler politischer Bereich

    Der formale politische Bereich umfasst die formal geregelten und institutionalisierten Politikbereiche der repräsentativen und direktdemokratischen lokalen Demokratie.

Aus diesem vielfältigen Neben-, Mit- und Gegeneinander ihrer verschiedenen Formen und politischen Bereiche lässt sich lokale Demokratie definieren als ein Ensemble von Institutionen, Akteur*innen, Verfahren, Instrumenten, Handlungsorientierungen, ausgehandelten Ordnungen und Praktiken zur Selbstverwaltung, Steuerung, Gestaltung und zukunftsoffenen Weiterentwicklung von öffentlichen lokalen Lebenszusammenhängen und Prozessen eines lokalen Gemeinwesens durch kollektive Selbst- und Mitbestimmung der „Mitglieder“ dieses Gemeinwesens. Somit bedeutet lokale Demokratie als soziale Praxis immer auch ein „Experimentieren mit mehrfachen Zuständigkeiten, Ebenen und Verfahren“ (Kleger, 1999, S. 194) im Sinne eines sich selbst korrigierenden individuellen und kollektiven Lernprozesses (Blühdorn et al., 2018, S. 247; Dewey, 1996).

Nachdem dargelegt wurde, was unter GWA und lokaler Demokratie verstanden werden kann, werden in einem nächsten Schritt die zwei Stränge zusammengeführt und dabei der Frage nachgegangen werden, welchen Beitrag GWA zu lokaler Demokratie, also deren experimentierenden „Gelingen“ und kollektiven Lernprozessen, leisten kann.

6 Förderung lokaler Demokratie durch GWA und GWA als Arbeit an der Demokratie – neun Kristallisationspunkte

Um das Potenzial und den (möglichen) Beitrag von GWA zur lokalen Demokratie zu exemplifizieren werden im Folgenden neun Kristallisationspunkte vorgestellt, die aus einer Durchsicht von im deutschsprachigen GWA-Diskurs zur Theoriebildung vielfach rezipierten Texten (für eine tabellarische Übersicht vgl. Oehler & Drilling, 2016, S. 38 ff.) rekonstruiert wurden. Diese neun Ansatzpunkte sind:

(1) GWA hilft alltägliche Probleme zu lösen

Die GWA hilft alltägliche Probleme, die vor Ort auftauchen, zu lösen, indem diese Sorgen und Anliegen ernst genommen werden und gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht wird, auf demokratische Art und Weise etwas an der Situation zu verbessern. Selbst wenn diese kleinräumige Bearbeitung von Problemen oftmals nicht mit Demokratie in Verbindung gebracht wird, leistet sie einen wichtigen Beitrag zu lokaler Demokratie, da durch sie das Vertrauen in das Funktionieren demokratischer Problemlösungen und Institutionen gestärkt wird.

(2) GWA begreift die Menschen, mit denen sie arbeitet, und sich selbst als politische Subjekte und Teil lokaler Demokratie

GWA versteht die Menschen, mit denen sie arbeitet und sich selbst – als Profession in einer demokratischen Gesellschaft – als Teil einer lokalen Demokratie. Daher ermutigt und unterstützt GWA die Menschen, sich an politischen Prozessen zu beteiligen. Gleichzeitig mischt sie sich dort in politische Prozesse ein, wo dies zu ihrem professionellen Auftrag und fachlichen Selbstverständnis gehört.

(3) GWA trägt zur Demokratiebildung und Demokratie-Lernen bei

GWA trägt im Rahmen ihrer Arbeit zur Demokratiebildung bei Bürger*innen und anderen Akteur*innen bei. Sie schafft und gestaltet Räume (mit), in denen Demokratie als soziale und politische Praxis erfahren und gelernt werden kann.

(4) GWA leistet Hilfe bei der Partizipation von Menschen an der lokalen Demokratie

GWA unterstützt die Partizipation von Menschen an unterschiedlichen Formen lokaler Demokratie, indem sie Zugänge zu unterschiedlichen demokratischen Formaten schafft, bei deren Planung und Entwicklung beratend behilflich ist und/oder einzelne Programmteile moderiert oder selbst ein partizipatives Projekt ins Leben ruft.

(5) GWA kann zwischen verschiedenen „Welten“ innerhalb lokaler Demokratien übersetzen und vermitteln

GWA kann mit ihrer Fähigkeit, sich in verschiedenen „Welten“ zu bewegen, zu einer intermediären Verständigung zum Beispiel zwischen Verwaltung und Menschen aus dem Quartier beitragen und so unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema oder Problem miteinander ins Gespräch bringen. Damit kann sie einen wichtigen Beitrag zu einer perspektivenübergreifenden und kooperativen Problemlösung beitragen.

(6) GWA unterstützt Menschen, soziale Probleme öffentlich zu benennen und in den politischen Diskurs einzubringen

GWA ermöglicht und unterstützt über das Zusammenbringen von Menschen und das Anbieten von Plattformen, die Bildung kritischer Öffentlichkeiten um Themen, welche aus Sicht der (betroffenen) Menschen in der Politik zu wenig beachtet werden.

(7) GWA unterstützt Selbsthilfe, Engagement und Selbstverwaltung in der lokalen Demokratie

GWA fördert Initiativen und Projekte, welche dazu beitragen, problematische Situationen durch Selbsthilfe und Engagement zu entschärfen oder zu verbessern. Ebenso unterstützt GWA Empowerment-Prozesse (z. B. von marginalisierten Gruppen) sowie eine demokratische Selbstverwaltung quartiersbezogener Objekte und Angebote (z. B. Hilfe bei einer Vereinsgründung).

(8) GWA fördert die Vernetzung und den Austausch auf und zwischen verschiedenen Ebenen und Formen lokaler Demokratie

GWA fördert mit ihren Tätigkeiten die gemeinwesen- und sozialraumbezogene Vernetzung zwischen ganz unterschiedlichen Akteur*innen (Einzelpersonen, Vereine, Verwaltung, Gewerbe, lokale Politik etc.), z. B. in einem Quartier oder der Nachbarschaft.

(9) GWA agiert als „Frühwarnsystem“ für sich anbahnende Konflikte

Auf lokaler Ebene kann GWA als eine Art „Frühwarnsystem“ für das Soziale dienen, indem sie sich anbahnende Konflikte vor Ort frühzeitig erkennt und entsprechend handeln und/oder andere Akteur*innen informieren kann, um diese Konflikte demokratisch zu bearbeiten.

Diese hier herausgestellten Kristallisationspunkte zeigen auf, dass GWA ein großes Potenzial hat, zur (lokalen) Demokratie(bildung) beizutragen. Und zwar zu allen weiter oben dargestellten sechs Formen von lokaler Demokratie und in drei Bereichen des Politischen (vgl. dazu auch Oehler, 2021, S. 25). Inwiefern dies in der Praxis tatsächlich eingelöst wird und welche Wirkungen dadurch erreicht werden, ist von Ort zu Ort sicher sehr unterschiedlich und bietet vielfältige Ansatzpunkte für zukünftige Forschung.Footnote 2

7 Schluss, Überleitung und Dank

Diesem einleitenden Beitrag liegt die These zugrunde, dass es sinnvoll ist, das Themenfeld marginalisierte Quartiere und Soziale Arbeit aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven zu betrachten (hier vor allem aus einer sozial- und gesellschaftstheoretischen Perspektive, welche den Zusammenhang mit der (neuen) sozialen Frage beleuchtet) und zugleich neue Verbindungen zu suchen, aus denen sich Handlungsperspektiven eröffnen (hier die Verknüpfung von Gemeinwesenarbeit als Handlungszugang Sozialer Arbeit mit lokaler Demokratie). Diese These hat viel mit dem Entstehungskontext dieses Bandes zu tun, der für diese Art zu denken und an Dinge heranzugehen höchstförderlich ist.

Die folgenden Beiträge gehen auf eine Tagung zurück, die am 20. und 21. Juni 2019 in Muttenz (Schweiz) stattfand unter dem Titel Marginalisierte Quartiere und Stadtentwicklung. Soziale Arbeit im Spannungsfeld von Politik, Quartierbevölkerung und professionellen Selbstverständnis. Wir, die Herausgeber*innen dieses Bandes, also Carlo Fabian, Jutta Guhl, Sandra Janett, Bruno Michon und Patrick Oehler, hoffen, dass Sie, liebe Leser*innen, in den nachfolgenden Beiträgen viele solche theoretischen Anknüpfungspunkte und kreative Verbindungen für weitere Überlegungen und neue Handlungsperspektiven für sich entdecken können.

Wir danken allen herzlich, die in unterschiedlicher Form diesen Tagungsband unterstützt und an seiner Realisierung mitgewirkt haben.