1 Motivation

Die digitale Transformation ist ein viel debattiertes Thema und bestimmt die Agenda von Unternehmen weltweit. Die zunehmende Digitalisierung unseres privaten, beruflichen und öffentlichen Lebens wird häufig als Veränderungsprozess bezeichnet, der die Art, wie Unternehmen untereinander konkurrieren, Werte schaffen und mit ihren Geschäftspartnern und Kunden interagieren, grundlegend verändert.

Eine Metapher, die in Diskussionen über die Auswirkungen der Digitalisierung häufig verwendet wird, ist die einer Welle, die alle Unternehmen droht mitzureißen, die sich nicht auf das Wellenreiten spezialisiert haben. In diesem Zusammenhang steht das Wellenreiten für die Ausnutzung des Geschäftspotenzials von digitalen Technologien wie Big-Data-Analytics, Sensornetzwerke oder künstliche Intelligenz. Die Metapher der digitalen Welle ist ein überzeichnetes Bild der Wirklichkeit. Nichtsdestotrotz zeigen Umwälzungen wie sie in der Outsourcing-Branche mit der Etablierung von IT-Services aus der Cloud zu beobachten waren die Veränderungskraft digitaler Transformationsprozesse auf. Für die Outsourcing-Branche war das Cloud-Computing ein Weckruf und hat die Spielregeln auf dem Markt neu definiert. Cloud-Computing hat die Entwicklung von höchst agilen, cloudbasierten Unternehmen ermöglicht und diesen zum Eintritt in etablierte Märkte verholfen. Diese etablierten Märkte wurden vorher vor neuen Marktteilnehmern durch Markteintrittsbarrieren in der Gestalt von hohen Investitionskosten in spezialisierte IT-Kenntnisse und IT-Infrastrukturen geschützt.

Beispiele dafür, wie Unternehmen digitale Technologien einsetzen, um ihre Unternehmen zu transformieren, können in fast jeder Branche gefunden werden (z. B. Automobilzulieferer ElringKlinger, die durch Traceability vom Material hin zu Services durch die intelligente Kombination von Daten gelangen, Gebhardt Fördertechnik mit seinen fahrerlosen Transportsystemen, oder Bosch mit seiner IoT Suite auf dem Weg zum „Internet-of-Things“-Konzern). Diese Beispiele geben anderen Unternehmen ein Gefühl dafür, in welche Richtung sich ihre eigenen Wertversprechen und die Märkte, in denen sie agieren in der Zukunft entwickeln könnten. Der Konjunktiv soll an dieser Stelle bewusst verwendet werden, da nicht jede Branche zum gleichen Zeitpunkt und in gleicher Weise von den Kräften erfasst wird, die zu dem führen, was Clayton Christensen und Joseph Bower (1995) in den 90er Jahren als Disruption bezeichneten – die grundlegende Veränderung der Wettbewerbsregeln durch neue Akteure in einem etablierten Markt.

Innovationen im Bereich der digitalen Technologien werden in der Literatur häufig mit den Adjektiven revolutionär oder disruptiv versehen. In Kombination mit der Veränderungsgeschwindigkeit, mit der sich digitale Technologien weiterentwickeln, ist es für Entscheider eine schwierige Aufgabe, die Orientierung zu behalten. Die große Herausforderung einer digitalen Transformation liegt jedoch nicht nur in der Einschätzung der Bedeutung neuer, digitaler Technologien für die Wertschöpfung des eigenen Unternehmens, sondern auch in der Konzeption einer Digitalisierungsstrategie und, aufgrund der unter Umständen erheblichen Beharrungskräfte in etablierten Unternehmen, in der erfolgreichen Initiierung und Steuerung des Transformationsprozesses.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Buches, Entscheidern Orientierung in der digitalen Transformation durch konkrete Praxisbeispiele zu geben. Einerseits geschieht dies durch die Aufarbeitung der begrifflichen, konzeptionellen und technologischen Grundlagen digitaler Transformation. Andererseits werden anhand von Fallstudien praxisnahe Einblicke in die Veränderungen gegeben, die sich durch die digitale Transformation auf der Unternehmensebene und der Ebene von Wertschöpfungsnetzwerken vollziehen.

2 Aufbau des Buches

Teil B beschäftigt sich mit den Grundlagen der digitalen Transformation. Neben der Klärung des Begriffs der digitalen Transformation durch einen transdisziplinären Überblick über die Literatur, werden dort auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht als aktuelle Treiber der digitalen Transformation thematisiert. Der Abschnitt wird mit einer Analyse zu digitalen Geschäftsmodellen abgerundet, in der das Geschäftsmodell und seine Elemente definiert und Klassifizierungen sowie Erfolgsfaktoren in der Geschäftsmodellentwicklung beschrieben werden.

In Teil C wird durch eine Reihe an Fallbeispielen aus verschiedenen Branchen anschaulich und im Detail aufgezeigt, wie die digitale Transformation in der Praxis umgesetzt wird. Hier werden sowohl die Unternehmen der Charité Berlin, Krones, ZF Friedrichshafen, Porsche, PricewaterhouseCoopers, Wacker Chemie, ARRI und Berliner Philharmoniker als auch deren Industriezweige betrachtet. Hier werden die größten Herausforderungen, vor denen IT-Entscheider in der heutigen Zeit stehen, sowie der Fortschritt der jeweiligen digitalen Transformation erörtert.

Teil D stellt die Fallbeispiel-übergreifenden Erkenntnisse zur digitalen Transformation dar und zeigt auf, welche Ergebnisse durch eine fallübergreifende Betrachtung der digitalen Transformation erzielt werden können.

Teil E stellt den Abschluss des Buches dar, in dem die Initiative für digitale Transformation noch vorgestellt wird. Im Zuge dessen stellen wir alle bisherigen Partner und Studierenden der Initiative für digitale Transformation vor.