In diesem Kapitel werden verschiedene Formen zivilgesellschaftlichen Handelns in den Bundesländern analysiert. Der zentrale Fokus dieser Analysen liegt darauf, fördernde und störende beziehungsweise hemmende Einflussfaktoren auf zivilgesellschaftliches Engagement zu identifizieren und zu beschreiben. Im Folgenden werden die Ergebnisse auf der Ebene der Bundesländer betrachtet. Dabei werden zunächst individuelle Faktoren untersucht, die zivilgesellschaftliches Engagement befördern oder verhindern können.

Anders als im vorangegangenen Länderbericht (Kausmann et al. 2016) werden dafür die sogenannten ‚Standarddifferenzierungen‘ (Geschlecht, Alter und Bildung) durchgängig um die Indikatoren Religionszugehörigkeit, Migrationshintergrund, Erwerbsstatus, Einkommen und Kinder im Haushalt erweitert. Zudem werden die Einflüsse des Alters differenzierter als 2016 (vgl. ebd.)Footnote 1 betrachtet. Ergänzend zum Alter wird ferner untersucht, ob die Wohndauer am aktuellen Wohnort vermittelt über eine höhere regionale Involviertheit und Verbundenheit die Engagementwahrscheinlichkeit beeinflusst. Ebenfalls zusätzlich wird anschließend betrachtet, ob ein Gefühl bekundeter Zugehörigkeit zur Gesellschaft in Deutschland sowie die positive Bewertung des sozialen Zusammenhalts vor Ort soziale Beteiligung fördern.

Die Zugehörigkeit zu verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist verbunden mit unterschiedlichen Ausprägungen zivilgesellschaftlichen Engagements (vgl. Kap. 3). Diese Unterschiede können aus verschiedenartigen Interessen und Motivlagen resultieren, aber auch durch ungleich verteilte – teils ressourcenbezogene – Zugangschancen oder -barrieren zu sozialem Kapital (vgl. Putnam 2000) bedingt sein. In der Partizipationsforschung und in vergleichbaren deutschlandweiten wie regionalen Befragungen (vgl. unter anderem Heyme et. al. 2018; Gensicke und Geiss 2010; Kausmann et al. 2016) haben sich unter anderem das Alter, das Geschlecht, der Erwerbsstatus und der Bildungshintergrund einer Person sowie familiäre Charakteristika (insbesondere das Vorhandensein von Kindern) als bedeutsam erwiesen. Aber auch finanzielle Ressourcen (Einkommen) oder Religionszugehörigkeit können eine Rolle spielen (vgl. ebd.). Weniger oder auch keine Beachtung finden hingegen häufig individuelle Einstellungsmuster, wahrgenommene Normen, subjektive Bedarfsanmeldungen oder auch das unmittelbare Lebensumfeld der Personen, also die Rahmenbedingungen und Kontexte (vgl. Heyme et. al. 2018).

Um diese Einflussfaktoren angemessen untersuchen zu können, müssten bereits bei der Planung des Erhebungsinstruments entsprechende Konstrukte Berücksichtigung finden. Im Rahmen der ‚nachholenden‘ Sekundäranalyse des vorliegenden Datensatzes auf Länderebene ist dies nur bedingt möglich.

Ergänzend zu den oben beschriebenen individuellen Faktoren werden zusätzlich einzelne umfeldbezogene Indikatoren betrachtet. Neben den hier im Fokus stehenden Bundesländern als übergeordnetem Hauptkontext sind das vor allem urbane und ländliche Räume sowie die Größenklassen der untersuchten Gemeinden. Die Daten des Freiwilligensurveys enthalten dazu verschiedene Möglichkeiten zur Identifikation von Ländlichkeit, welche als erklärende Variablen herangezogen werden können. Je nach Fallzahl kann hier auf 9, 4 oder 3 siedlungsstrukturelle Typen der Raumforschung zurückgegriffen werden. Im Länderbericht konzentrieren wir uns auf insgesamt 3 Indikatoren:

  • Ländlichkeit

    1. 1.

      Stadt/Land – der einfachste Indikator differenziert lediglich zwischen Städtisch und Ländlich. Die Stadt-Land-Unterschiede werden hier anhand eines vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zur Verfügung gestellten aggregierten Indikators dargestellt. Verwendet werden dafür die Regionstypen städtischer Raum und ländlicher Raum. Dabei werden alle kreisfreien Großstädte sowie die städtischen Kreise dem städtischen Raum und alle ländlichen Kreise dem ländlichen Raum zugeordnet. So weisen Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einen hohen Anteil an ländlichen Räumen auf. Einmal abgesehen von den Stadtstaaten sind andere Regionen wiederum stärker städtisch geprägt (zum Beispiel Rhein-Main in Hessen, das Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen, die Rhein-Neckar-Region in Baden-Württemberg).

    2. 2.

      Siedlungsstrukturelle Kreistypen – etwas differenzierter unterscheidet diese Typenbildung 4 Siedlungsräume.Footnote 2 Dieser Indikator wird für die Erstellung der Länderprofile herangezogen (vgl. Kap. 7).

    3. 3.

      Gemeindegrößenklasse – eine an der Bevölkerungszahl der Orte orientierte Typologie mit 7 Ausprägungen.Footnote 3 Bundeslandspezifische Besonderheiten, welche nicht nur auf kumulative individuelle Effekte zurückzuführen sind, können mithilfe dieser ‚ortsscharfen‘ Variablen genauer betrachtet werden. Die im Folgenden erläuterten Differenzierungsvariablen werden für die nachstehende Analyse verwendet.

  • Geschlecht

    Das Geschlecht wird als sogenannte Dummy-Variable operationalisiert. Dabei kann diese 2 Werte annehmen, nämlich 1 = Vorhandensein der Eigenschaft und 0 = nicht vorhanden. In den Berechnungen entspricht der Wert 1 dem männlichen Geschlecht und der Wert 0 dem weiblichen.

  • Alter (6-stufig, in Jahren, Junge/Alte)

    Das Alter der Befragten wird aufgrund seiner unterschiedlichen möglichen Einflussarten über 4 verschiedene Variablen operationalisiert. Alter kann sich als einfacher linearer Alterseffekt auswirken; das hieße zum Beispiel, je älter eine Person wird, desto weniger engagiert sie sich. Ebenfalls denkbar wäre ein Effekt, der von verschiedenen Altersgruppen ausgeht. Zum Beispiel: 14- bis 19-Jährige zeigen eine höhere Engagementbereitschaft als 30- bis 49-Jährige, aber eine geringere als 50- bis 64-Jährige. Hinzu kommen Sondereinflüsse einzelner Altersgruppen: Bei 75-Jährigen zum Beispiel liegt die Spendenbereitschaft überdurchschnittlich hoch, während sich alle anderen Jahrgänge diesbezüglich nicht voneinander unterscheiden. Folglich werden hier 4 Variablen gebildet und verwendet:

    1. 1.

      als metrische Variable in Jahren,

    2. 2.

      über 6 Altersgruppen: 1 = 14 bis 19 Jahre; 2 = 20 bis 29 Jahre; 3 = 30 bis 49 Jahre; 4 = 50 bis 64 Jahre; 5 = 65 bis 74 Jahre und 6 = über 75 Jahre,

    3. 3.

      als Dummy-Variable Alter > 75,

    4. 4.

      als Dummy-Variable Junge < 20.

  • Wohndauer am Wohnort (Jahre)

    Die Wohndauer am aktuellen Wohnort wird im Länderbericht in Jahren angegeben. Sie dient der Operationalisierung von lokaler Verbundenheit und Involviertheit der Befragten.

  • Schulbildung (3- beziehungsweise 4-stufig [inkl. noch in der Schulausbildung])

Die Schulbildung wird über 4 Kategorien abgebildet:

  1. 1.

    noch in der Schulausbildung,

  2. 2.

    Volks- oder Hauptschulabschluss, Abschluss Polytechnische Oberschule (POS) 8. Klasse,

  3. 3.

    Mittlere Reife, Abschluss Polytechnische Oberschule (POS) 10. Klasse, und

  4. 4.

    Fachhochschulreife, Fachabitur, Abitur, Abschluss einer erweiterten Oberschule (EOS).

Für die Regressionen und Zusammenhangsanalysen wurde die 3-stufige ordinale (aufeinander aufbauende) Skala ohne die Kategorie noch in der Schulausbildung verwendet. Die 4-stufige Skala findet bei den Anteilsvergleichen in den Länderprofilen Verwendung.

  • Haushaltsnettoeinkommen (5-stufig)

    Das Einkommen wird über 5 Kategorien in Euro gemessen: 1 = bis 1000; 2 = 1001 bis 2000; 3 = 2001 bis 3000; 4 = 3001 bis 5000; 5 = über 5000. Die Kategorien sind so gewählt, dass sich Zuwächse in den niedrigeren Einkommensgruppen eher auswirken als in den oberen. Alle Einkommen ab 5000 € werden in der höchsten Gruppe zusammengefasst. Es handelt sich dabei um das Haushaltsnettoeinkommen, also das summierte Einkommen aller im Haushalt lebenden Personen, was nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen noch zur Verfügung steht (inklusive Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Vermögen).

  • Erwerbsstatus (5 Kategorien, Dummy Arbeitslosigkeit)

    Der Erwerbsstatus umfasst 5 Ausprägungen: 1 = erwerbstätig; 2 = arbeitslos; 3 = Rentnerinnen und Rentner; 4 = in Ausbildung und 5 = Heimtätigkeit (Mutterschutz, Elternzeit, Haushaltsführende) und wird in den Länderprofilen verwendet. Zusätzlich wurde eine Dummy-Variable Arbeitslosigkeit erstellt (0 = Nein; 1 = Ja).

  • Kinder im Haushalt (6–18 J., unter 18 J.)

    Die Zugehörigkeit von Kindern zum eigenen Haushalt wird als Dummy-Variable gemessen (0 = Nein; 1 = Ja).

  • Religionszugehörigkeit (2 beziehungsweise 3 Kategorien)

    Die Religionszugehörigkeit wird zum einen als Dummy-Variable (0 = keine; 1 = katholisch/evangelisch) und zum anderen 3-stufig (1 = keine; 2 = katholisch/evangelisch; 3 = andere) operationalisiert. Die 3-stufige Variable wird für die Anteilsvergleiche in den Länderprofilen verwendet.

  • Migrationshintergrund (2 Kategorien)

    Der Migrationshintergrund wird als Dummy-Variable operationalisiert (0 = Nein; 1 = Ja). Für einzelne Analysen verwenden wir die erweiterte Variable der Migrationserfahrung. Hier werden 5 Kategorien unterschieden: 1 = keine Migrationserfahrung (M.); 2 = Ausländerinnen und Ausländer mit eigener M.; 3 = Deutsche mit eigener M.; 4 = Ausländerinnen und Ausländer mit M. – 2. Generation; 5 = Deutsche mit M. – 2. Generation.

  • Bewertung des sozialen Zusammenhalts am Wohnort (5-stufig)

    Die Einstellungsvariable Bewertung des sozialen Zusammenhalts wird als 5-stufige ordinale Skala von 1 = sehr gut bis 5 = sehr schlecht gemessen. Mit den dazwischen liegenden Bewertungen konnte die Meinung abgestuft werden.

  • Individuelles Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft in Deutschland (5-stufig)

    Die Einstellungsvariable Zugehörigkeitsgefühl wird ebenfalls über eine 5-stufige ordinale Skala von 1 = voll und ganz zugehörig bis 5 = ganz und gar nicht zugehörig operationalisiert. Mit den dazwischen liegenden Bewertungen konnte die Meinung abgestuft werden.

  • Ländlichkeit/Kreistypen (2 beziehungsweise 4 Kategorien)

    Wie in Fußnote 21 erläutert.

  • Gemeindegrößenklasse (7-stufig)

    Wie in Fußnote 22 erläutert.

4.1 Einflussfaktoren von Erscheinungsformen zivilgesellschaftlichen Handelns und deren Operationalisierung

Im Folgenden werden die zuvor aufgeführten Indikatoren in ihrem Einfluss auf die einzelnen Erscheinungsformen zivilgesellschaftlichen Handelns beginnend mit öffentlich gemeinschaftlicher Aktivität untersucht. Dabei ist zu prüfen, ob sich diese Einflussfaktoren in allen Bundesländern gleich auswirken oder ob landesspezifische statistische Zusammenhänge nachweisbar sind. Exemplarisch wird erstens untersucht, ob sich hohe Bildung in allen Bundesländern engagementfördernd oder -hemmend auswirkt, und zweitens, ob diese Zusammenhänge in den einzelnen Ländern gleich intensiv ausfallen. Ferner wird herausgearbeitet, ob sich die identifizierten Einflussfaktoren bei unterschiedlichen Formen des Engagements unterscheiden.

Als Untersuchungsebene dienen hier bedingt durch die Datenverfügbarkeit die Bundesländer, aber auch die zuvor erwähnten unterschiedlichen Siedlungsstrukturen Stadt/Land und Ortsgrößenklassen. Analysiert wird, ob einmal auf Bundesebene identifizierte Zusammenhänge für die hier untersuchten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns zwischen den Ländern variieren. Dafür werden die Einflussstärken der herangezogenen Indikatoren auf die unterschiedlichen Formen zivilgesellschaftlichen Handelns für jedes Bundesland einzeln berechnet und vergleichend dargestellt. Hierbei werden sämtliche einzelne Indikatoren nicht immer grafisch abgebildet. Stattdessen liegt der Fokus auf der auch in den Länderprofilen verwendeten und im Tabellenband ausgewiesenen erweiterten Standarddifferenzierung. Liegen besonders abweichende Effekte in einzelnen Ländern vor, werden diese erwähnt. Die Höhe eines ermittelten Einflusses sagt dabei nichts über den tatsächlichen Anteil der Aktiven, Engagierten oder Spendenden im Bundesland,Footnote 4 sondern beschreibt lediglich, wie stark dieser Anteil durch den jeweiligen Faktor (Bildung, Einkommen, Migrationshintergrund und weitere) beeinflusst wird.

Um die benannten Zusammenhänge aufzuzeigen, wird für jede Engagementform zunächst eine bundesweite Regressionsanalyse mit den aufgeführten Einflussfaktoren erstellt. Im Nachgang werden einzelne Variablen nochmals für jedes Bundesland gesondert untersucht.

4.2 Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten

Bei den öffentlich gemeinschaftlich Aktiven (vgl. Kap. 2) handelt es sich um Personen, welche sich außerhalb von Beruf und Familie im öffentlichen Raum beteiligen oder mitmachen, zum Beispiel in Vereinen, Projekten, Selbsthilfegruppen oder anderen Initiativen. Diese Aktivitäten stellen gleichsam die Vorstufe zu freiwilligem Engagement dar. Im Rahmen der Erhebung wurde darauf geachtet, nur Personen einzubeziehen, deren Aktivität nicht länger als 12 Monate zurückliegt.

Für die Analysen werden im FWS 2019 die 14 erhobenen Aktivitäts- und Engagementbereiche (vgl. ebd.) zu einem einzelnen Indikator zusammengefasst, mit dem dann die durchschnittliche Aktivitäts- und Engagementrate in allen Bereichen für Deutschland insgesamt und die Länder im Einzelnen berechnet werden kann. Demgemäß unterscheiden die nachfolgenden Analysen nicht zwischen sportlichen, kirchlichen, kulturellen, schulischen oder sozialen öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten beziehungsweise ebensolchen Engagements, sondern messen immer die Einflüsse auf alle Bereiche insgesamt. Hier böte sich Raum für eine anschließende vertiefende Analyse, welche die einzelnen Betätigungsfelder genauer in Augenschein nimmt. Dies könnte aber nur für die am häufigsten genannten Bereiche erfolgen (vgl. Abschn. 3.1.1 und 3.2.1), da sich ansonsten auf der Länderebene Fallzahlenprobleme ergäben.

Um der Vergleichbarkeit willen werden im Folgenden nur die Konstrukte untersucht, welche auch im Hauptbericht Verwendung finden. Für die anderen Formen zivilgesellschaftlichen Handelns, wie die Engagementbereitschaft aktuell nicht engagierter Personen, Spenden und Mitgliedschaften, gilt die Unterteilung in die 14 Bereiche nicht. Dennoch wird auf die Bereiche und ihre Einflussfaktoren an entsprechender Stelle eingegangen.

In der Regressionsanalyse der Aktivität werden die Einflussfaktoren Bildung, Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit und Einkommen besonders deutlich. Dabei wirkt sich die Erfahrung von Migration im Gegensatz zu den anderen genannten Faktoren aktivitätshemmend aus. Das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein, ein empfundener Zusammenhalt im Wohnumfeld, schulpflichtige Kinder im Haushalt und eine lange Wohndauer vor Ort gehen mit aktivitätssteigernden Wirkungen einher. Des Weiteren erwähnen junge Menschen (<20 Jahren) etwas häufiger Aktivitäten als ältere. Negative Einflüsse ergeben sich außer durch Migrationserfahrung in etwas schwächerem Maße auch durch ein hohes Alter (ab 75 Jahren) und gegenwärtige Arbeitslosigkeit. Das Modell kann etwa 11 % der unterschiedlichen Ausprägungen der öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten in Deutschland erklären (vgl. Tab. 4.1).Footnote 5

Tab. 4.1 Öffentlich gemeinschaftliche Aktivität in den letzten 12 Monaten – lineare Regression (Standardisierte Steigungskoeffizienten β)

Beim Einfluss des Geschlechts zeigt sich bundesweit ein zwar signifikanter, aber praktisch kaum bedeutsamer Zusammenhang zwischen Geschlecht und öffentlich gemeinschaftlicher Aktivität. Frauen sind im Schnitt minimal aktiver als Männer – ein Befund, der sich auf der Länderebene nur marginal und im Zusammenhang mit den anderen Variablen gar nicht bestätigt (vgl. Abb. 4.1, Tab. 4.1). Insgesamt erweisen sich hier die Länderwerte, mit Ausnahme von Niedersachsen und Sachsen, als nicht signifikant. Erkennbar wird aber auch, dass der deutschlandweite Wert nicht für alle Bundesländer in gleichem Maße gilt, sondern länderweise unterschiedlich und teilweise gegenläufig ausfällt.

Abb. 4.1
figure 1

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Geschlecht (w. = 0; m. = 1) und gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern (Pearson’s R).

Insgesamt muss der Einfluss der Geschlechterzugehörigkeit als wenig bis gar nicht relevant für öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten angesehen werden.Footnote 6

Der Zusammenhang mit dem individuellen Schulabschluss ist im Vergleich dazu wesentlich stärker ausgeprägt und fällt in allen Bundesländern positiv aus (vgl. Abb. 4.2). Genauer gesagt: Mit einem höheren Schulabschluss steigt auch die Wahrscheinlichkeit öffentlich gemeinschaftlicher Aktivitäten. Mit einem bundesweiten Durchschnittswert von 0,18 sprechen wir von einem niedrigen beziehungsweise moderaten Zusammenhang. Gleichwohl werden hier länderspezifische Differenzen erkennbar. In Hamburg und auch in Sachsen-Anhalt ist dieser Zusammenhang überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Hingegen fällt er in Hessen, Bayern, dem Saarland, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern deutlich geringer aus und ist teilweise nicht mehr signifikant (vgl. Abb. 4.2).

Abb. 4.2
figure 2

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern (°mit Ausnahme von Saarland und Meck.-V.) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Schulbildung (3-stufig) und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern (Spearman’s Rho).

Es bestätigt sich folglich, dass ein deutschlandweiter Wert allein den landesstaatlich differenzierten Sachverhalt nur unzureichend beschreiben würde, weil dieser Wert landesspezifische Besonderheiten vernachlässigt. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Ländern mit einem starken Bildungseinfluss auf Aktivitäten auch der Bildungsbias hinsichtlich dieses Indikators größer ausfällt (vgl. ebd.). So berichten beispielsweise in Hamburg über drei Viertel (77 %) der befragten Personen mit allgemeiner Hochschulreife, regelmäßig aktiv zu sein; unter jenen mit niedriger formaler Bildung sind es gerade einmal 34 %. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Sachsen-Anhalt (75 % zu 35 %Footnote 7). Dort beträgt die Differenz zwischen den Bildungsschichten somit gut 40 Prozentpunkte. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt die Aktivitätslücke zwischen hohem und niedrigem Bildungsabschluss lediglich 16 Prozentpunkte (70 % zu 54 %). Ansätze zum Gegensteuern böte hier konkret ein erweitertes Angebot niedrigschwelliger Aktivitätsformate, flankiert durch eine Bildungspolitik, welche die Chancen zu einem möglichst gerechten Bildungszugang erhöht. Dies gilt für fast alle hier aufgenommenen Formen zivilgesellschaftlichen Handelns.

Klare Ost-West-Unterschiede lassen sich beim Bildungseffekt indes nicht ausmachen. Gleichwohl zeigen die meisten ostdeutschen Bundesländer mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns einen überdurchschnittlichen Einfluss von Bildung auf gemeinschaftliche Aktivitäten.

Das Haushaltseinkommen und der formale Bildungsgrad sind beides Indikatoren des sozioökomischen Status einer Person, welche sich häufig gegenseitig bedingen und in ähnlicher Richtung wirken. Betrachtet man das Haushaltseinkommen der Befragten in seiner Wechselwirkung mit öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten, so ergibt sich ein in Teilen noch stärker ausgeprägtes Bild (vgl. Abb. 4.3).

Abb. 4.3
figure 3

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Einkommen (5-stufig) und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Deutschlandweit ist der Einfluss des Einkommens für sich betrachtet etwas stärker ausgeprägt als derjenige des Bildungsgrades, variiert aber weniger stark über die Länder hinweg. Alle Länderwerte streuen mehr oder weniger um den gesamtdeutschen Wert von 0,22 (vgl. Abb. 4.4). Einkommensstarke Haushalte beziehungsweise Personen sind im Mittel häufiger aktiv als einkommensschwache. Dies trifft vor allem auf Thüringen, das Saarland und Schleswig-Holstein zu. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz spielt das Einkommen als ‚Türöffner‘ für den Zugang zu öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten eine weniger wichtige Rolle.

Abb. 4.4
figure 4

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Alter und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Personen mit einem Haushaltseinkommen von über 5000 € gaben in Thüringen zu über 90 % an, gemeinschaftlich öffentlich aktiv zu sein. Bei Befragten mit einem Budget von weniger als 1000 € waren es noch 42 %. Das einkommensbezogene Aktivitätsgefälle beträgt hier also fast 50 Prozentpunkte. In Rheinland-Pfalz schwächt sich der Einkommensbias zwar deutlich ab, beläuft sich zwischen den beiden Gruppen aber immer noch auf fast 40 Prozentpunkte (81 % bei Einkommen > 5000 €/44 % bei Einkommen < 1000 €). Auch bei diesem Indikator folgt die Verteilung keiner eindeutigen Ost-West-Zuordnung.

Ein eindeutiger linearer Effekt des Alters auf gemeinschaftliche Aktivitäten (in dem Sinne: je älter, desto weniger aktiv) ist deutschlandweit nur bedingt feststellbar und liegt mit 0,05 auf einem sehr geringen Niveau (vgl. Abb. 4.4). Dementsprechend erweist sich der Faktor Alter, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, bei gut der Hälfte der Fälle als nicht signifikant. In einigen Bundesländern wie Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Berlin schwächen sich die Aktivitätsquoten mit zunehmendem Alter sehr deutlich ab.

Die insgesamt vergleichsweise geringe Wirkung des Alters ist auch dem Umstand geschuldet, dass Alter sich auf (abnehmende) Aktivität nicht einfach linear auswirkt. Erst ab einer bestimmten Altersgruppe (>75 Jahre) fallen die Aktivitätsraten stark ab, dies erfolgt also nicht kontinuierlich mit zunehmendem Alter. Dies ist auch das Ergebnis der bundesweiten Regression (vgl. Tab. 4.1). Der Effekt der unterschiedlichen Altersgruppen ist in den Länderprofilen und dem Tabellenband (vgl. Kap. 7 und 8) detailliert aufgeführt. Während in Sachsen die Aktivitätsraten mit höherem Alter moderat abfallen, ergeben sich in Nordrhein-Westfalen kaum beziehungsweise keine gleichbleibenden Unterschiede zwischen den untersuchten Altersgruppen (vgl. ebd.). Während unter 14- bis 19-Jährigen in Sachsen 90 % von gemeinschaftlichen Aktivitäten berichten, gilt dies bei über 75-Jährigen nur noch für die Hälfte der Befragten (50 %). In Nordrhein-Westfalen liegen zwischen diesen beiden Gruppen nur 9 Prozentpunkte.

Die Religionszugehörigkeit (hier erfasst nach evangelisch/katholischFootnote 8) geht bei deutschlandweiter Betrachtung in der Regel mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gemeinschaftlicher Aktivitäten einher. Mit 0,13 ist der Zusammenhang zwar eher niedrig, aber in den meisten Ländern hoch signifikant. Dennoch treten ebenso deutlich Unterschiede zwischen den Bundesländern zutage (vgl. Abb. 4.5). Nicht überraschend stellen sich im Bereich der Religion augenfällige Ost-West-Unterschiede dar. So liegt die Rate der Religionszugehörigkeit im weitestgehend säkularisierten Osten des Bundesgebiets auf einem ungleich niedrigeren Niveau als im Westen (vgl. Abschn. 5.4.1). Demgemäß fällt der Einfluss dieses Faktors hier auch wesentlich geringer aus und erweist sich in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern außerdem als nicht signifikant.

Abb. 4.5
figure 5

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Religionszugehörigkeit (ev./kath.) (Nein = 0/Ja = 1) und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Letzterer Effekt tritt unabhängig von der geringeren Zahl konfessionsgebundener ostdeutscher Befragter auf. Das lässt sich so deuten, dass gemeinschaftliche Aktivitäten im Osten stärker als im Westen der Bundesrepublik auch mit einer ‚laizistischen‘ Grundhaltung einhergehen. So gaben in Mecklenburg-Vorpommern 65 % der konfessionslosen und 67 % der katholischen und protestantischen Personen an, sich gemeinschaftlich zu betätigen. In Bayern hingegen liegt die Aktivitätsrate unter Gläubigen fast 20 Prozentpunkte höher (73 % zu 56 %).

Kinder im Haushalt zwischen 6 und 18 Jahren bewirken bundesweit und auch in den einzelnen Bundesländern zwar eine leicht höhere Aktivität (vgl. Abb. 4.6). Dieser Effekt wirkt sich mit einem Wert von 0,08 aber deutlich weniger stark aus als beim freiwilligen Engagement (vgl. Abschn. 4.3). Im Osten, mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt, ist dieser Zusammenhang etwas stärker ausgeprägt als im Rest des Landes (vgl. Abb. 4.6).

Abb. 4.6
figure 6

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Kindern (6 bis 18 Jahre) im Haushalt (Nein = 0/Ja = 1) und gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern.

In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen gaben 80 beziehungsweise 82 % der Befragten in Haushalten mit Kindern an, öffentlich gemeinschaftlich aktiv zu sein. In Haushalten ohne Kinder waren es 61 beziehungsweise 64 %. In Nordrhein-Westfalen beträgt die Differenz zwischen den beiden Gruppen nur 5 Prozentpunkte. Der Einfluss ist zwar aufgrund der hohen Fallzahl auch dort signifikant, aber von geringerer Bedeutung. Ein möglicher Erklärungsfaktor für die Unterschiede zwischen Ost und West sind die kulturell bedingt unterschiedlich geprägten Familienbilder (vgl. Gabriel et al. 2015, S. 93–102). So wird die Vereinbarkeit von Kindern und anderen Aktivitäten, sei es Karriere, Beruf oder Selbstverwirklichung, im Osten traditionell positiver beurteilt.

Menschen mit Migrationshintergrund geben überdurchschnittlich häufig an, sich weniger öffentlich gemeinschaftlich aktiv zu betätigen (vgl. Abb. 4.7). Dieses vergleichsweise niedrigere Aktivitätsniveau findet sich bei allen hier untersuchten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns (vgl. nachfolgende Abschnitte). Dabei sind es vor allem Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und mit einer eigenen Migrationserfahrung, welche weniger aktiv sind. Der Effekt nimmt ab, wenn die Migrationserfahrung bei Deutschen (also Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft) oder aber in der zweiten Generation auftritt (vgl. Tab. 4.2). Das heißt: Würde man nur die Gruppe der Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und eigene Migrationserfahrung betrachten, fiele die Zurückhaltung gegenüber Aktivität noch prägnanter aus.

Abb. 4.7
figure 7

(Quelle: Eigene Berechnungen. Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Migrationshintergrund (Nein = 0/Ja = 1) und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern (Pearson’s R), Anteile an Personen mit Migrationserfahrung (Anteile in %).

Tab. 4.2 Migrationserfahrung 5-stufig und Aktivität (Angaben in %)

Bei der Einschätzung der Effekte von Migrationserfahrung sollte beachtet werden, dass dieses Merkmal häufig mit anderen hier untersuchten Determinanten von öffentlich gemeinschaftlicher Aktivität verbunden ist, welche ressourcenbezogene Zugangschancen dazu mit bestimmen können. So verfügen Menschen mit Migrationshintergrund häufiger über geringere Einkommen und teilweise auch ein niedrigeres Bildungsniveau als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Zudem fühlen sich überdurchschnittlich viele Angehörige dieser Population von der Gesellschaft ausgeschlossen beziehungsweise ihr nicht zugehörig, sind aber andererseits auch wesentlich jünger als der Durchschnitt.

Mit einem Wert von 0,16 ergibt sich deutschlandweit insgesamt ein eher geringer Zusammenhang. Dieser fällt in den Bundesländern unterschiedlich stark ins Gewicht. So bekunden vor allem Menschen mit Migrationshintergrund in Hamburg niedrigere Aktivitätsquoten, während in Brandenburg keine Unterschiede festzustellen sind (vgl. auch Länderprofile, Abschn. 7.6 und 7.5). Insgesamt scheint sich ein Migrationsstatus im Osten weniger stark auf die Aktivitätsraten auszuwirken als in den meisten westlichen Bundesländern (vgl. Abb. 4.7). Dies erscheint insofern von Bedeutung, als in Ostdeutschland auch die Anteile von Menschen mit Migrationserfahrung vergleichsweise niedrig sind. Im Gegensatz dazu ist der Einfluss häufig auch dort hoch, wo der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund höher ist, was vor allem für Hamburg, aber auch für Nordrhein-Westfalen und teilweise auch für Baden-Württemberg und Hessen zutrifft. Gerade weil öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten eine Integrationsmöglichkeit bieten, stellt in den letztgenannten Bundesländern diese Gruppe der Bevölkerung ein Aktivitätspotenzial dar.

Das Gefühl, nicht dazuzugehören, korrespondiert bundesweit mit niedrigeren Aktivitätsquoten (vgl. Tab. 4.1 und Abb. 4.8). Wie schon bei den vorgenannten Indikatoren erkennbar ist, trifft dies nicht für alle Bundesländer in gleichem Maße zu. In Thüringen, Brandenburg und Berlin ist der Zusammenhang gering, wohingegen er im Saarland größere Bedeutung hat. Ein Exklusionsgefühl kann durch eigene Migrationserfahrungen, Erwerbslosigkeit und niedrige Haushaltseinkommen verstärkt werden. Der Einfluss des sozialen Zusammenhalts (hier nicht dargestellt) zeigt hingegen wenig länderspezifische Differenzen.

Abb. 4.8
figure 8

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Exklusionsgefühl (1 min. bis 5 max.) und öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich zwischen den Bundesländern (Spearman’s Rho).

Die Darstellung der Aktivitätsraten in der folgenden Abbildung zeigt, dass es deutschlandweit betrachtet in Bezug auf die Aktivitätsquoten keinen Unterschied macht, ob eine Person im urbanen oder ländlichen Kontext lebt (vgl. Abb. 4.9).

Abb. 4.9
figure 9

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019. In einzelnen Ländern ist die Stadt-Land-Differenz auf einem Niveau von ≤ 5 %* signifikant (hier ohne Stadtstaaten, Saarland fehlend, da dafür im Datensatz keine Angaben zu ländlichem Raum vorliegen). Sortiert absteigend nach Stadt-Land-Differenz)

Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten nach Stadt und Land im Vergleich zwischen den Bundesländern (Anteile in %).

Blickt man auf die einzelnen Bundesländer, ergibt sich ein etwas anderes Bild. In Niedersachsen, Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz sind Bürgerinnen und Bürger laut eigener Aussage eher im ländlichen Raum aktiv, in Baden-Württemberg, Brandenburg, Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz sowie in Sachsen und Thüringen weisen hingegen die städtischen Räume eine leicht höhere Aktivitätendichte auf (vgl. ebd.). Statistisch signifikant sind die Differenzen aber nur in Niedersachsen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen. Dieser Zusammenhang bestätigt sich teilweise auch bei Betrachtung der Gemeindegrößenklassen (nicht dargestellt). In kleineren Orten erreicht die Aktivität dort im Schnitt ein geringfügig höheres Niveau als in größeren. Im Vergleich zu den sozioökonomischen Faktoren und anderen Individualmerkmalen der Befragten ist der durch Ortsgröße bedingte Einfluss aber schwach und nicht in allen Ländern signifikant.

In einem Regressionsmodell aller Differenzierungskriterien (also unter Einbezug aller mit der Standarddifferenzierung erfassten Individualfaktoren – hier nicht abgebildet) zeigen diese Umfeldfaktoren für Deutschland insgesamt keinen signifikanten Einfluss. Zwei Erklärungsmuster lassen sich dafür heranziehen. Erstens erhärtet sich für einige Länder die Annahme, dass im ländlichen Raum das Vereinsleben reger ist und lokale Sozialkontakte das Leben stärker prägen und aktivitätssteigernd wirken können. Zum anderen gibt es auch Bundesländer, tendenziell mehr im Osten Deutschlands, in denen gemeinschaftliche Aktivitäten häufiger einen städtischen Hintergrund haben (vgl. Abb. 4.9). Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die vergleichsweise höhere Alterung der Bevölkerung sowie die Ausdünnung der öffentlichen Infrastruktur im ländlichen Raum aktivitätslähmend auswirken und dass insofern ländliche Räume in Ost und West unterschiedliche Voraussetzungen für Aktivitäten bereitstellen.

In den nachfolgenden Abschnitten werden die gleichen Einflussfaktoren bei wechselnden Formen zivilgesellschaftlichen Handelns betrachtet. Um entbehrliche Wiederholungen zu vermeiden, liegt dabei der Fokus auf Ergebnissen, welche sich von denjenigen im vorstehenden Kapitel abheben oder neue Einsichten eröffnen.

4.3 Freiwilliges Engagement

Wie bereits in Kap. 2 beschrieben zeichnet sich ein freiwilliges Engagement dadurch aus, dass über eine allgemein öffentliche Aktivität hinaus noch freiwillige und gemeinschaftsbezogene Tätigkeiten ausgeübt werden, die im öffentlichen Raum stattfinden und nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet sind. Ein Engagement stellt gewissermaßen die Erweiterung der öffentlich gemeinschaftlichen Aktivität dar. Dabei gilt: Nicht alle Aktiven sind gleichermaßen engagiert, aber alle Engagierten sind auch öffentlich gemeinschaftlich aktiv. Der Anteil Engagierter fällt, wie die deskriptiven Vergleiche gezeigt haben, in der Regel um gut 25 Prozentpunkte niedriger aus als die Aktivitätsrate (vgl. Kap. 3).

Ein Engagement wird im Großen und Ganzen durch ähnliche Indikatoren gesteuert wie auch die Aktivität. Vor allem Menschen mit hoher formaler Bildung, die katholisch oder evangelisch sind, höhere Haushaltseinkommen erwirtschaften und in Haushalten mit Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren leben, sind engagiert. Ebenfalls positiv wirken sich ein intakter sozialer Zusammenhalt, das Gefühl dazuzugehören und ein konstanter Verbleib am Wohnort aus. Männer geben zudem im Schnitt minimal häufiger als Frauen an, sich zu engagieren, allerdings ist dieser Umstand nur sehr schwach ausgeprägt und lediglich in der Gesamtregression unter Kontrolle der anderen Indikatoren signifikant. Die Engagementquote liegt ebenfalls niedriger unter Menschen mit Migrationserfahrung, Menschen über 75 Lebensjahren und Arbeitslosen. Die Erklärungskraft des Modells liegt mit etwa 12 % etwas über derjenigen des AktivitätsmodellsFootnote 9 (vgl. Tab. 4.3).

Tab. 4.3 Freiwilliges Engagement – lineare Regression (Standardisierte Steigungskoeffizienten β)

Auch bei der Ausübung eines Ehrenamtes spielt es im Grunde keine Rolle, welchem Geschlecht die Befragten angehören. Der Einfluss ist auf Bundesebene nicht, aber in einzelnen Bundesländern durchaus signifikant, und zwar ohne dass der Zusammenhang zwischen Geschlechtsunterschied und Engagement einer klaren Ost-West-Verteilung folgt (dazu Näheres in den Länderprofilen, vgl. Kap. 7). So engagieren sich im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern etwas mehr Männer als Frauen, in Niedersachsen verhält es sich jedoch genau andersherum (vgl. Abb. 4.10, zudem auch Länderprofile in Kap. 7). Die großen Stadtstaaten Berlin und Hamburg weisen bei Engagierten eine klare Geschlechterparität auf. Auch hier erweist sich ein Wert für Deutschland insgesamt als unzureichend, um die Variation zwischen den Ländern darzustellen. Insgesamt ist der Einfluss des Faktors Geschlecht zwar statistisch messbar, er hat auf die Erklärung von Engagement aber nur eine minimale und für die Praxis kaum relevante Wirkung.

Abb. 4.10
figure 10

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Geschlecht (w. = 0; m. = 1) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Gänzlich anders stellt sich der Sachverhalt bei der formalen Bildung dar. Hier ist der Effekt für freiwilliges Engagement bundesweit deutlich stärker ausgeprägt und fällt in allen Bundesländern positiv und hochsignifikant aus (vgl. Abb. 4.11). Er ist wie schon bei der Aktivität in Hamburg am höchsten und am niedrigsten in Bayern. Der hohe Bildungsbias schlägt sich in Hamburg in Gruppenunterschieden von 35 Prozentpunkten nieder (13 % Hauptschule/48 % Hochschulreife), in Bayern sind es nicht ganz 20 Prozentpunkte (32 % Hauptschule/49 % Hochschulreife). Die ostdeutschen Bundesländer liegen mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern über dem deutschlandweiten Durchschnittswert. In diesen Bundesländern hat Bildung demnach einen höheren Effekt auf das Engagement. Insgesamt ist die Differenz zwischen den Ländern eher gering.

Abb. 4.11
figure 11

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Schulbildung (3-stufig) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Höhere Einkommen sind freiwilligem Engagement in allen Bundesländern durchweg förderlich (vgl. Abb. 4.12). Dieser Effekt ist auffallend stark in Thüringen ausgeprägt. Eine große Gruppe von 10 Ländern, darunter 4 im Osten Deutschlands, liegen dicht beieinander gering über dem Durchschnitt. Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hamburg liegen leicht darunter. Insgesamt fällt die Varianz über die Länder hinweg im Vergleich zur Bildung sehr gering aus.

Abb. 4.12
figure 12

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern mit Ausnahme von Bremen (Fallzahl zu gering) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Einkommen (5-stufig) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

In Thüringen, dem Land mit dem höchsten Einkommenseinfluss, unterscheiden sich die höchste und die niedrigste Einkommensgruppe hinsichtlich ihrer Engagementquote um gut 45 Prozentpunkte (unter 1000 € = 19 %/über 5000 € = 65 %). Trotz des stärkeren Bildungseffekts fallen die Differenzen zwischen den Einkommensgruppen in Hamburg mit knapp 30 Prozentpunkten vergleichsweise moderat aus (unter 1000 € = 22 %/über 5000 € = 51 %).

Mit steigendem Alter nimmt die Engagementquote in allen Ländern leicht ab (vgl. Abb. 4.13). Dies bestätigen auch Befunde anderer vergleichbarer umfragebasierter Regionalstudien.Footnote 10 Sowohl das Bundesland mit dem stärksten (Thüringen) als auch das mit dem schwächsten Zusammenhangswert (Mecklenburg-Vorpommern) liegen im Osten Deutschlands. Jedoch greift hier eine regionale Distinktion nach simplem Ost-West-Muster nicht. Stattdessen erscheint es erforderlich, landesspezifische Ursachen näher auszuleuchten, um passgenaue regionale Engagementstrategien zu entwickeln. In Thüringen gehen noch 25 % der über 75-Jährigen einer freiwilligen Betätigung nach, bei den 14- bis 19-Jährigen sind es 57 %. Der Anteil nimmt mit zunehmendem Alter kontinuierlich ab. In Mecklenburg-Vorpommern zeigen sich zwar auch deutliche Altersgruppenunterschiede, allerdings fallen diese im Gegensatz zu Thüringen nicht gleichförmig aus (vgl. Länderprofile in Kap. 7). Die Problematik verschärft sich auch hier, wenn hohe Alterseffekte mit hoher Betroffenheit vom demografischen Wandel einhergehen.

Abb. 4.13
figure 13

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Alter (6-stufig) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Wie es schon für öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten nachweisbar war (vgl. Abschn. 4.2), spielt die Konfessionszugehörigkeit auch beim freiwilligen Engagement eine fördernde Rolle (vgl. Abb. 4.14). Im Schnitt gehen evangelische oder katholische Befragte deutlich häufiger als konfessionslose einem Ehrenamt nach. In Berlin ist dieser Effekt am stärksten ausgeprägt, in Mecklenburg-Vorpommern hingegen mit Abstand am schwächsten und nicht signifikant.

Abb. 4.14
figure 14

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Religionszugehörigkeit (ev./kath.) (Nein = 0/Ja = 1) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Sämtliche ostdeutsche Bundesländer liegen beim Konfessionseffekt leicht bis moderat unter dem Bundesdurchschnitt. Die ungleich niedrigeren Konfessionsraten im Osten dürften zur Folge haben, dass sich der positive Effekt von Religionszugehörigkeit auch insgesamt abschwächt, da religiös bedingte Strukturen an Bedeutung verlieren oder in ländlichen Gegenden gänzlich wegbrechen. Ist hingegen der Anteil an religiösen Menschen in einem Land und auch der Zusammenhang von Religion und Ehrenamt hoch, kann sich das regional (wie zum Beispiel in Bayern) in einer höheren Engagementquote niederschlagen (vgl. ebd.).

Die Auswirkung von Kindern im Haushalt ist, wie schon an den Regressionen ablesbar, bei keiner anderen Form zivilgesellschaftlichen Handelns so deutlich wie bei der Ausübung eines Ehrenamtes (vgl. Tab. 4.3). Natürlich spiegelt sich darin auch der hohe Einfluss des schulischen Engagements wieder, welcher mit zu den häufigsten Bereichen einer freiwilligen Beschäftigung gehört (vgl. Abschn. 3.2.1). Dieser Effekt ist in allen Bundesländern im Großen und Ganzen ähnlich ausgeprägt. Wie schon bei der betrachteten öffentlich gemeinschaftlichen Aktivität fällt dieser Zusammenhang im Osten des Landes stärker aus. Besonders klar zeigt sich diese Relation in Thüringen, Niedersachsen und Sachsen, eher schwach hingegen in Hamburg und auch im Saarland (vgl. Abb. 4.15). In Niedersachsen und Thüringen liegen zwischen Haushalten mit und ohne Kinder jeweils fast 30 Prozentpunkte (vgl. Länderprofile, Kap. 7).

Abb. 4.15
figure 15

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Kindern (6 bis 18 Jahre) im Haushalt (Nein = 0/Ja = 1) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Wie die Regression schon zeigte, mindert ein Migrationshintergrund die Wahrscheinlichkeit eines Ehrenamtes erheblich (vgl. Tab. 4.3). Dieser Effekt tritt bei allen hier untersuchten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns auf, außer bei der Bereitschaft, sich engagieren zu wollen. Es sind vor allem Menschen mit eigener Migrationserfahrung, denen der Zugang zum Ehrenamt verstellt scheint beziehungsweise schwerer fällt. Mit einem Wert von −0,16 registrieren wir deutschlandweit einen eher geringen negativen Einfluss.

Wie bei der Aktivität fällt der Effekt auf freiwilliges Engagement in den Bundesländern unterschiedlich stark und dabei in Ostdeutschland weniger stark aus (vgl. Abb. 4.16). Erneut sind es die Hamburgerinnen und Hamburger mit Migrationserfahrung, welche häufiger als in allen Ländern von einem Ehrenamt absehen. Für Brandenburg ist der geringste Einfluss dieses Faktors nachweisbar.

Abb. 4.16
figure 16

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Migrationshintergrund (Nein = 0/Ja = 1) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Daraus ergeben sich die gleichen Schlussfolgerungen wie schon bezüglich der Aktivitäten. Gerade in Hamburg, wo sich die Einflüsse von Bildung und Migrationsstatus bündeln, kann es zu Zugangsbarrieren und doppelten Benachteiligungen für die entsprechende Personengruppe kommen. Das ist von Gewicht, weil, wie zuvor bereits erwähnt, der Anteil an Migrierten dort besonders hoch ist. Nicht einmal ein Fünftel (nämlich nur 19 %) der Migrierten engagiert sich in Hamburg ehrenamtlich. Bei Personen, welche keinen Migrationshintergrund haben, sind es hingegen 45 %.

Wie die nachfolgende Abbildung verdeutlicht, macht es deutschlandweit betrachtet bezogen auf die Engagementquoten nur einen geringen Unterschied, ob Personen in ländlich oder städtisch geprägten Räumen leben. Obwohl Menschen auf dem Land angeben, im Schnitt etwas engagierter zu sein, besteht zwischen den beiden räumlich zugeordneten Gruppen ein Unterschied von gerade einmal 2 Prozentpunkten (vgl. ebd.).

Das Bild ändert sich, richtet man das Augenmerk auf die einzelnen Bundesländer. Während man sich in Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen im ländlichen Raum eher engagiert, gilt dies in Thüringen und Schleswig-Holstein eher für die urbanen Räume. Im Gegensatz zu den individuellen Faktoren ist dieser Einfluss aber schwach und nur in wenigen Ländern überhaupt signifikant und damit praxisrelevant (vgl. ebd.).

Dieser Befund bestätigt sich teilweise bei der Betrachtung der Gemeindegrößenklassen (vgl. Abb. 4.17 und 4.18). In kleineren Gemeinden fällt das Engagement im Schnitt etwas höher aus als in großen Ortschaften. Jedoch erreicht der Einfluss der Gemeindegröße nur in wenigen Ländern (Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen) ein signifikantes Niveau. Die genauen Auswirkungen auf die Engagementquote sind in den Länderprofilen aufgeschlüsselt (vgl. Kap. 7).

Die Betrachtung der raumstrukturellen Kontexteffekte entspricht zum einen der gängigen Erwartung, dass im ländlichen Raum Beteiligungsstrukturen intakter sind und lokale soziale Netzwerke das Leben stärker prägen, was sich beides offenbar förderlich auf die Übernahme eines Ehrenamts auswirkt. Zum anderen gibt es Bundesländer, und dies mehr im Osten Deutschlands, in denen das Ehrenamt häufiger einen städtischen Hintergrund hat (vgl. Abb. 4.17). Als Erklärung hierfür liegt nahe, dass sich in diesen Regionen die Folgen des demografischen Wandels (vgl. auch den nachfolgenden Abschnitt 4.4) gerade in stadtfernen Gegenden nachteiliger bemerkbar machen und städtische Räume umgekehrt die besseren Voraussetzungen für ein Engagement anbieten (vgl. Heyme et al. 2018, S. 121, 135–141).

Abb. 4.17
figure 17

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019. In einzelnen Ländern ist die Stadt-Land-Differenz auf einem Niveau von ≤ 1 % ** bzw. ≤ 5 %* signifikant (hier ohne Stadtstaaten, Saarland fehlend, da dafür im Datensatz keine Angaben zu ländlichem Raum vorliegen))

Freiwilliges Engagement nach Stadt und Land im Vergleich zwischen den Bundesländern (sortiert nach Differenz Land/Stadt).

Abb. 4.18
figure 18

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Gemeindegrößenklasse (7-stufig) und freiwilligem Engagement im Vergleich zwischen den Bundesländern.

4.4 Engagementbereitschaft

Die Bereitschaft, zukünftig ein Engagement aufzunehmen, bildet im Freiwilligensurvey das Potenzial freiwilliger Tätigkeiten ab. Dieses Potenzial umfasst Personen, welche zum Zeitpunkt der Befragung nicht oder nicht mehr engagiert waren, aber beispielsweise auch bislang ausschließlich Aktive (vgl. Kap. 2). Im Regressionsmodell zur Engagementbereitschaft für Deutschland wird deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit, sich in Zukunft zu engagieren, mit zunehmendem Alter kontinuierlich abnimmt. Dieser negative Alterseffekt erklärt den größten Teil der nachlassenden Bereitschaft für ein zukünftiges Engagement. Demgegenüber steigt sie mit höherer Bildung, einem höheren Einkommen, einem stärkeren Zugehörigkeitsgefühl und einer positiven Bewertung des erlebten sozialen Zusammenhalts an. Auch unter arbeitslosen Befragten ist diese Bereitschaft im Zusammenspiel mit den anderen Einflussfaktoren ein wenig höher als im Gesamtdurchschnitt. Die Erklärungskraft des Faktors Arbeitslosigkeit fällt bedingt durch den starken Alterseffekt mit etwa 20 % (R2 = 0,195) entsprechend höher aus (vgl. Tab. 4.4).

Tab. 4.4 Bereitschaft für zukünftiges Engagement – lineare Regression (standardisierte Steigungskoeffizienten β)

Wie schon bei den zuvor untersuchten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns erklärt das Geschlecht nur minimal Unterschiede in der geäußerten Intention, sich engagieren zu wollen. Bei gesamtdeutscher Betrachtung tendiert eine geschlechtsspezifische Engagementbereitschaft Richtung Null und erweist sich auch in der gesamtdeutschen Regression als nicht erklärungskräftig (vgl. Tab. 4.4). Auf der föderalen Vergleichsebene weisen die beiden gegenüberliegenden Pole jedoch auf landesspezifische Besonderheiten hin (vgl. Abb. 4.19). Während das Engagementpotenzial vor allem in Brandenburg (54 % Männer zu 44 % Frauen) und Mecklenburg-Vorpommern (43 % Männer zu 35 % Frauen) unter Männern im Schnitt etwas höher ausfällt, finden sich in Schleswig-Holstein (55 % Männer zu 58 % Frauen) und im Saarland (53 % Männer zu 55 % Frauen; vgl. Tabellenband, Kap. 8) jeweils diametral entgegengesetzte, allerdings insignifikante Effekte (vgl. Abb. 4.19). In einigen Ländern bekunden Frauen entgegen dem landesweiten (wenn auch schwach ausgeprägten) Trend eine höhere Bereitwilligkeit zu zukünftiger Beteiligung.

Abb. 4.19
figure 19

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Geschlecht (w. = 0; m. = 1) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern (Pearson’s R).

Wie bei allen anderen untersuchten Formen trägt eine höhere formale Bildung desgleichen zu einer gesteigerten Bereitschaft für Engagement maßgeblich bei. Das gilt für alle Bundesländer (vgl. Abb. 4.20). Der Korrelationskoeffizient entspricht mit 0,29 einem mittleren Zusammenhang. In Rheinland-Pfalz ist die Absicht zur Aufnahme eines Ehrenamtes stark von der Schulbildung abhängig. Dort gaben 77 % der Abiturientinnen und Abiturienten und nur 34 % der Befragten mit Volks- oder Hauptschulabschluss an, über eine freiwillige Betätigung nachzudenken. Auch in Thüringen ist dieser Effekt, allerdings abgeschwächt, nachweisbar; hier liegen zwischen niedrigem (34 %) und hohem Bildungsgrad (68 %) immer noch mehr als 30 Prozentpunkte. Im Saarland ist der Bildungseffekt nicht signifikant nachweisbar und fällt, wenn überhaupt, sogar negativ aus. Das heißt, dort würde sich eine höhere Bildung eher nachteilig auswirken. Alle anderen Länder gruppieren sich leicht über oder unter dem bundesweiten Mittel. Mehrheitlich scheinen die östlichen Bundesländer, abgesehen von Mecklenburg-Vorpommern, einen geringeren Bildungsbias aufzuweisen als die westlichen (vgl. Abb. 4.20).

Abb. 4.20
figure 20

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern (°außer im Saarland) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Schulbildung (3-stufig) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Wie im Fall der Bildung, wenngleich auf niedrigerem Niveau (0,14), zeigen sich Einflüsse des Haushaltseinkommens bei der großen Mehrheit der Bundesländer ähnlich stark (vgl. Abb. 4.21), mit Ausnahme des Saarlands und Mecklenburg-Vorpommerns. Dabei kehrt sich bei letzterem Land der Einfluss um (−0,10), er ist indes nicht signifikant. Das heißt, außer in Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich in allen übrigen Ländern bei Personen mit höherem Einkommen auch eine gesteigerte Absicht, sich engagieren zu wollen. Auch hier finden sich leichte Ost-West-Unterschiede. Außer in Mecklenburg-Vorpommern ist für die ostdeutschen Bundesländer eher ein höherer Einkommenseinfluss auf die Engagementbereitschaft kennzeichnend (vgl. Abb. 4.21). Pointiert lässt sich formulieren, dass im Westen eher die Bildung und im Osten eher das Einkommen die Engagementintentionen bestimmen.

Abb. 4.21
figure 21

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern (°außer im Saarland, Bremen und Meck.-Pom.) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Einkommen (5-stufig) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Mit zunehmendem Alter sinken die bekundete Bereitschaft und die Wahrscheinlichkeit für ein künftiges oder die Wiederaufnahme eines Engagements rapide, und zwar in allen Bundesländern (vgl. Abb. 4.22).

Abb. 4.22
figure 22

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Alter (6-stufig) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

In Hamburg fällt dieser Effekt mit einem Korrelationswert von −0,22 vergleichsweise moderat aus. Die Werte der anderen Länder streuen mehr oder weniger um den sehr starken Mittelwert von −0,44 (vgl. Abb. 4.22). Wie die Regression schon vermuten lässt, übt das Alter den stärksten Einfluss auf die Bereitschaft zum Ehrenamt aus. Das erscheint insofern bemerkenswert, als etliche Länder, insbesondere – aber nicht nur – im Osten Deutschlands, mit demografischem Wandel und den Folgen der Überalterung stärker zu kämpfen haben. Ungenutzte Potenziale freiwilligen Engagements altersgerecht zu erschließen, erscheint in den betroffenen Ländern somit besonders dringlich.

Fallen Überalterung und ein stark negativer Zusammenhang zwischen Alter und Engagementbereitschaft zusammen, kann dies in der Zukunft mit nachteiligen Entwicklungen der Engagementquote verbunden sein. Ausweislich unserer Analyse trifft dies überdurchschnittlich stark auf das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, aber auch auf Hessen und Sachsen-Anhalt zu.Footnote 11 Vergleicht man die Anteile potenziell Engagierter nach Altersgruppen im Saarland, ergeben sich außerordentliche Differenzen: 94 % der 14- bis 29-Jährigen würden sich zukünftig sicher oder vielleicht engagieren, bei den 65- bis 74-Jährigen sind es noch 27 % und bei den über 75-Jährigen nur noch 11 % (vgl. Tabellenband, Kap. 8). Zwischen der jüngsten und der ältesten Altersgruppe liegen in diesem Bundesland somit über 80 Prozentpunkte, in Hamburg beträgt die Differenz immer noch etwa 60 Prozentpunkte.

Dieser Befund tritt nicht nur auf der Ebene der Bundesländer auf. Er lässt sich vielmehr auch auf Regionen anderen räumlichen Zuschnitts, zum Beispiel Quartiere und Strukturwandelregionen, übertragen. Regionen, die sich wachsenden Herausforderungen gegenübersehen, sind Flächenländer mit einem hohen Anteil an ländlich geprägten Räumen. Urbane und wirtschaftsstarke Regionen mit guter Infrastruktur stellen sich als insgesamt widerstandsfähiger dar (vgl. Habekuß 2017; Heyme et. al. 2018).

Während die Zugehörigkeit zu den beiden großen Konfessionen in Deutschland in der Regel zu einem Anstieg des berichteten Engagements führt, verkehrt sich dieser Effekt bei erklärter Bereitschaft Nichtengagierter, sich engagieren zu wollen, ins Gegenteil. Das heißt, bei aktuell nicht engagierten konfessionsgebundenen Menschen geht die Engagementbereitschaft eher zurück, als dass sie steigt. Jedoch erweist sich der Effekt nur in wenigen Ländern als signifikant (vgl. Abb. 4.23).

Abb. 4.23
figure 23

(Quelle: Eigene Berechnungen; Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Religionszugehörigkeit (ev./kath.) (Nein = 0/Ja = 1) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Insgesamt ist dieser Einfluss mit einem Wert von −0,07 aber als schwach einzustufen und, wie die Regression (vgl. Tab. 4.4) schon gezeigt hat, in Verbindung mit den anderen Faktoren nicht erklärungskräftig.

Allerdings kann hier ein indirekter Einfluss des Alters vermutet werden, da Konfessionsgebundenheit und höheres Alter einander positiv verstärken. Von Bedeutung ist dies in Ländern mit einem vergleichsweise hohen Anteil an konfessionsgebundenen Personen, in denen die gemessenen Einflüsse signifikant sind. Das trifft für Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auch Bayern zu (vgl. auch Abschn. 5.4.1).

Der Einfluss von Kindern im Haushalt wird speziell bei der Erklärung der Engagementbereitschaft stark durch das Alter der Befragten verzerrt und wurde aus diesem Grund nicht in die Regressionsanalyse integriert (vgl. Tab. 4.4). Begründbar ist dies zum einen durch den außerordentlich starken Einfluss des Alters (generell und insbesondere der 14- bis 19-Jährigen) auf Engagementbereitschaft und zum anderen dadurch, dass die 14- bis 19-Jährigen häufig selbst zu den Kindern im Haushalt zählen. Zudem ist es gerade die Gruppe der jüngsten Befragten, also der unter 20-Jährigen, bei welcher das tatsächliche Engagement am höchsten ausfällt. Dadurch wirkt sich die Existenz von Kindern im Haushalt zwar positiv auf die Absicht, ein Ehrenamt zu übernehmen, aus. Dieser Effekt wird im Rahmen der Regression aber zu stark durch das Alter moderiert. Deshalb werden die landesspezifischen Zusammenhänge hier nicht gesondert betrachtet.

Da Menschen mit Migrationserfahrung im Schnitt jünger sind als andere Befragte, kann auch für diesen Effekt mit einem überformenden Einfluss durch den Faktor des Alters gerechnet werden. So liegt der Anteil dieser Gruppe unter den 14- bis 19-Jährigen Befragten bei 40 % und unter den 20- bis 29-Jährigen bei 41 % und nimmt mit fortschreitendem Alter sehr stark ab. Damit lässt sich auch teilweise der nur bei der Engagementbereitschaft nachweisbare positive Effekt von Migration erklären. Weil der Anteil Nichtengagierter unter Menschen mit Migrationserfahrung außerordentlich hoch ist, fällt folglich das Potenzial in dieser Gruppe ebenfalls höher aus und sollte engagementstrategisch entsprechend genutzt werden.

Ein direkter Vergleich zum Einfluss des Alters (vgl. Abb. 4.22) macht zudem deutlich, dass nicht alles nur durch das Alter erklärt werden kann. Denn sonst müssten die Einflüsse des Migrationsstatus auch da hoch sein, wo der Alterseffekt stark ist, was aber nur bedingt zutrifft (vgl. ebd. und Abb. 4.24). Insgesamt wirkt sich ein Migrationsstatus auf die Planung eines Ehrenamtes nur gering aus und ist in Verbindung mit den anderen Einflussfaktoren im Gesamtmodell nicht mehr signifikant (vgl. Tab. 4.4).

Abb. 4.24
figure 24

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Migrationshintergrund (Nein = 0/Ja = 1) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Dennoch treten auch hier länderspezifische Besonderheiten zutage (vgl. Tabellenband, Kap. 8). Neben dem SaarlandFootnote 12 und Baden-Württemberg, wo der Einfluss ungleich höher ist, fällt dieser für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen kaum ins Gewicht; alle anderen Länder sind durch den landesweiten Koeffizienten von 0,15 gut repräsentiert. Ost-West-Unterschiede sind nicht erkennbar. Dass Menschen mit diversen Migrationserfahrungen einen wesentlich jüngeren Altersdurchschnitt aufweisen, kann in Anbetracht der hier und auch bei den anderen Formen zivilgesellschaftlichen Handelns aufgezeigten Einflussfaktoren durchaus als Chance für potenzielles Engagement angesehen werden. Erwünscht wäre es, die mit einem Migrationsstatus verbundenen Zugangsbarrieren abzubauen.

In Städten ist das Potenzial künftig Engagierter bundesweit etwas höher als auf dem Land (vgl. Abb. 4.25). Dieser Befund deckt sich weitestgehend mit den Resultaten zum Alter und dem Bezug zum demografischen Wandel. Unter statistischen Gesichtspunkten ist dieser Zusammenhang für die einzelnen Länder, Bayern ausgenommen, aber nicht belastbar.

Abb. 4.25
figure 25

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019. In einzelnen Ländern ist die Stadt-Land-Differenz auf einem Niveau von ≤ 1 % ** bzw. ≤ 5 %* signifikant (hier ohne Stadtstaaten, Saarland fehlend, da dafür im Datensatz keine Angaben zu ländlichem Raum vorliegen))

Engagementbereitschaft nach Stadt und Land im Vergleich zwischen den Bundesländern (sortiert nach Differenz Land/Stadt).

Gemessen an der Gemeindegrößenklasse gilt: Je größer der Wohnort, desto höher die erwogene Absicht, ein Ehrenamt zu übernehmen (vgl. Abb. 4.26). Der gesamtdeutsche Wert ist statistisch signifikant, fällt mit 0,06 aber eher schwach aus. Stärker ist er unter anderem in Brandenburg, Thüringen, Hessen, Sachsen und Bayern. In Sachsen-Anhalt und vor allem im Saarland sind es dessen ungeachtet aber eher kleinere Gemeinden, in denen die Bereitschaft hoch ausfällt (vgl. Abb. 4.26).

Abb. 4.26
figure 26

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Gemeindegrößenklasse (7-stufig) und Engagementbereitschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

4.5 Spendentätigkeit in den letzten 12 Monaten

Das Spenden stellt unter den hier vorgestellten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns eine besondere Form dar, da sie auch gänzlich ohne soziale Kontakte auskommt und eine vergleichsweise niedrigschwellige MöglichkeitFootnote 13 eines ‚Engagements‘ bietet. Zudem kann eine Spende mittlerweile fast vollständig ortsunabhängig erfolgen.

In der folgenden Tabelle sind die hier untersuchten möglichen Einflussfaktoren der Spendentätigkeit in einer Regression für Deutschland insgesamt dargestellt (vgl. Tab. 4.5). Dabei wird ersichtlich, dass Spenden vor allem durch die Faktoren Alter, Haushaltseinkommen und Bildung positiv verstärkt wird. Etwas schwächer, aber durchaus ebenfalls steigernd wirken sich Religionszugehörigkeit, Zugehörigkeitsgefühl und Wohndauer (letztere vermutlich vermittelt über Alter) aus. Der Anteil an Spendenden wird niedriger unter Männern, Arbeitslosen und Menschen mit Migrationserfahrung, jedoch bei wesentlich geringeren Steigungskoeffizienten. Die Erklärungskraft des Modells liegt mit einem R2 von 0,140 eher niedrig, das heißt, 14 % der Varianz von Spendentätigkeit kann durch die hier untersuchten Variablen erklärt werden. Ein nicht signifikanter Einfluss ist für die Existenz von Kindern im Haushalt sowie die Bewertung des sozialen Zusammenhalts nachweisbar. Nachfolgend werden die einzelnen Einflüsse ein weiteres Mal im Ländervergleich untersucht.

Tab. 4.5 Spendentätigkeit in den letzten 12 Monaten – lineare Regression (standardisierte Steigungskoeffizienten β)

Tatsächlich ist die Spendentätigkeit unter den bisher untersuchten Formen des zivilgesellschaftlichen Handelns die einzige, bei der das Geschlecht einen vergleichsweise höheren Einfluss aufweist. In fast allen Bundesländern gaben mehr Frauen als Männer an, im letzten Jahr Geld gespendet zu haben. Im Saarland und in Hamburg ist dieser Zusammenhang nicht signifikant. Die Streuung über die Bundesländer fällt moderat aus und liegt nahe am Mittelwert von −0,08. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist die Spendenbereitschaft von Frauen ein wenig höher als in anderen Ländern (vgl. Abb. 4.27). In Anteilen gesprochen heißt das: In Baden-Württemberg stehen, gemessen am Gesamt von Frauen und Männern, 59 % der Frauen knapp der Hälfte (48 %) der Männer gegenüber. In Hamburg ist der Anteil von Männern und Frauen, die im letzten Jahr Geld gespendet haben, gleich hoch (64 % Frauen und 65 % Männer, vgl. Tabellenband, Kap. 8). Ost-West-Muster lassen sich aus der Verteilung nicht ableiten.

Abb. 4.27
figure 27

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Geschlecht (w. = 0; m. = 1) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Dass der Grad formaler Bildung zur Erklärung unterschiedlicher Formen zivilgesellschaftlichen Handelns eine grundlegende Größe darstellt, bestätigt sich ebenfalls beim Spendenverhalten. Auch bei diesem Indikator fällt der Einfluss in allen Bundesländern durchweg positiv aus, allerdings auf einem niedrigeren Niveau als bei der öffentlich gemeinschaftlichen Aktivität, dem tatsächlichen Engagement und der Engagementbereitschaft (vgl. Abb. 4.28). Der größte Bildungsbias zeigt sich, wie bei der Aktivität und dem Engagement, mit 0,22 in Hamburg, gefolgt vom Saarland mit 0,20; am niedrigsten fällt er in Rheinland-Pfalz (0,06) aus (vgl. Abb. 4.28).

Abb. 4.28
figure 28

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 5 % signifikant)

Zusammenhang von Schulbildung (3-stufig) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Gemessen in Anteilen bejahten 65 % der Höhergebildeten in Hamburg die Frage nach von ihnen getätigten Spenden. Unter Befragten mit Haupt- oder Volksschulabschluss lag der Anteil mit 37 % signifikant darunter. In Rheinland-Pfalz wiederum ergeben sich hierbei partiell Abweichungen: Die Spendenbereitschaft war dort unter Menschen mit niedriger Schulbildung höher (54 %) als bei den Realschulabsolventinnen und -absolventen (47 %), jedoch nicht so ausgeprägt wie in der höchsten Bildungsgruppe (62 %; vgl. Tabellenband, Kap. 8). Alle anderen Länder liegen leicht über oder unter dem Mittelwert, ohne dass dabei allgemeingültige Ost-West-Unterschiede erkennbar würden.

Nicht unerwartet führen höhere Einkommen in fast allen Bundesländern zu einem signifikant ausgeprägteren Spendenverhalten, als es bei niedrigeren Einkommen der Fall ist. Folglich fällt der entsprechende Korrelationskoeffizient mit 0,21 für die gesamte Bundesrepublik fast doppelt so hoch aus wie für den Bildungseinfluss. Abweichungen zeigen sich in Niedersachsen (0,32), wo der Einfluss außergewöhnlich hoch ist, und in Bremen (0,06), wo er gleichermaßen niedrig wie insignifikant ist. In allen ostdeutschen Bundesländern wird die Spendenbereitschaft unterdurchschnittlich stark durch das Einkommen bestimmt (vgl. Abb. 4.29). Drei Viertel der Menschen in Niedersachsen (75 %), die in Haushalten mit Einkommen von über 5000 € netto im Monat leben, gaben an, in den letzten 12 Monaten Geld gespendet zu haben; in Haushalten mit Einkommen unter 1000 € netto waren es 26 % (vgl. Tabellenband, Kap. 8).

Abb. 4.29
figure 29

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern mit Ausnahme °Bremen auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Einkommen (5-stufig) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Die Besonderheit von Spendentätigkeit im Rahmen der hier betrachteten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns zeigt sich auch am Einfluss des Alters, welcher nur hier ausnahmslos positiv ausfällt. Das heißt, in allen Ländern nimmt die Spendentätigkeit mit fortschreitendem Alter unverkennbar zu, allerdings nicht in allen Ländern gleich stark. Der Gesamtwert für Deutschland entspricht mit 0,25 einer moderaten bis großen Zusammenhangstärke und stellt, wie die zuletzt dargestellte Regression gezeigt hat, zusammen mit Einkommen und Bildung den hauptsächlichen Erklärungsfaktor für Spendentätigkeit dar (vgl. Abb. 4.30). In den drei Stadtstaaten ist der Effekt des Alters am wenigsten wirksam. Das heißt, dort wird relativ unabhängig vom Alter gespendet oder auch nicht gespendet. Überdurchschnittlich häufig bereit dazu, zu wohltätigen Zwecken von ihrem Einkommen abzugeben, sind Ältere in Rheinland-Pfalz, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen-Anhalt.

Abb. 4.30
figure 30

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern (mit Ausnahme von Hamburg und Bremen) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Alter (6-stufig) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Die Religionszugehörigkeit ist ein Merkmal, welches sich durchweg positiv auf die verschiedenen Formen zivilgesellschaftlichen Handelns auswirkt, und das im Falle der Spendenaktivität in allen Bundesländern (vgl. Abb. 4.31). Im Osten Deutschlands, wo die Anteile Konfessionsgebundener viel geringer ausfallen, ist dieser Einfluss im Schnitt stärker ausgeprägt, kommt indes aufgrund der niedrigen Anteile in der Bevölkerung aber statistisch kaum zum Tragen. Demnach äußern sich religiös gebundene Menschen in Ostdeutschland merklich spendenbereiter als Gläubige im Westen des Landes.

Abb. 4.31
figure 31

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist in allen Ländern auf einem Niveau von ≤ 1 %** signifikant)

Zusammenhang von Religionszugehörigkeit (ev./kath.) (Nein = 0/Ja = 1) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Weit weniger stark, aber dennoch signifikant tritt der Zusammenhang von Religionszugehörigkeit und Spendentätigkeit in Rheinland-Pfalz, Berlin und Niedersachsen auf. Etwa zwei Drittel (65 %) der Konfessionsgebundenen in Sachsen-Anhalt gaben an, im letzten Jahr eine Spende getätigt zu haben; unter kirchlich nicht Gebundenen waren es 40 % (vgl. Tabellenband, Kap. 8). In Niedersachsen liegt der Anteil der Spendenden unter Befragten mit Konfessionszugehörigkeit dagegen nur 6 Prozentpunkte höher als bei Konfessionslosen (vgl. Abb. 4.31).

Als ähnlich einflussstark – nur in gespiegelter Form – erweist sich die individuelle Migrationserfahrung. Mit ihr nimmt in den meisten Ländern die Spendentätigkeit leicht ab. Dieser Zusammenhang tritt im Osten der Bundesrepublik weit weniger stark als im Westen oder gar nicht auf (vgl. Abb. 4.32). Deutliche Evidenz hat er hingegen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen. Mit 0,13 liegt insgesamt ein eher geringer Effekt vor (vgl. Abb. 4.32). Die Differenz beim Anteil von Spendenden in Nordrhein-Westfalen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beträgt 22 Prozentpunkte, in Sachsen-Anhalt hingegen 5 Prozentpunkte (vgl. Tabellenband, Kap. 8).

Abb. 4.32
figure 32

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Migrationshintergrund (Nein = 0/Ja = 1) und Spendentätigkeit im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Während sich im Haushalt lebende Kinder gemeinhin positiv auf das Engagement der Befragten auswirken, fallen sie als Erklärung für die Spendenbereitschaft der Befragten kaum ins Gewicht und sind für eine Vielzahl der Länder darüber hinaus nicht signifikant (nicht dargestellt). Wo in einzelnen Ländern relevante Einflüsse nachweisbar sind, fallen diese negativ aus. Das heißt, Familien mit minderjährigen Kindern präferieren eher andere Formen zivilgesellschaftlichen Handelns als das Geldspenden.

Bezüglich der Kontextdimension finden sich hinsichtlich der Spendentätigkeiten kaum Unterschiede zwischen Stadt und Land. Deutschlandweit liegt der Anteil der Spendenden in urbanen Regionen zwar etwa 3 Prozentpunkte höher als im ländlichen Raum. Das Ergebnis verändert sich jedoch kaum, wenn die Gemeindegrößenklasse als Kontrollvariable hinzugezogen wird. Mit steigender Einwohnerzahl der Gemeinde steigt die Spendenbereitschaft zwar minimal an, doch nur in einzelnen Ländern wie Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg. Von einem typisch urbanen Verhalten kann beim Spenden somit keine Rede sein.

4.6 Mitgliedschaft in Vereinen oder gemeinnützigen Organisationen

Die Klärung der Frage, weshalb die im Freiwilligensurvey befragten Personen in Vereinen oder gemeinnützigen Organisationen Mitglied sind, leitet zur letzten der hier untersuchten Formen zivilgesellschaftlichen Handelns über. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die Einflussfaktoren für die Erklärung der Mitgliedschaften kaum von denen des Engagements und der öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten. Als Mitgliedschaften fördernd erweisen sich höhere Bildung, höheres Einkommen und Religiosität. Außerdem sind Männer und Eltern mit Kindern eher in Vereinen Mitglied, Frauen sind dort weniger vertreten. Menschen, welche bereits länger am Ort leben, sich dazugehörig fühlen und auch sozialen Zusammenhalt erfahren, sind ebenfalls häufiger in Vereinen organisiert als andere. Eine eigene Migrationsgeschichte zeigt hingegen einen negativen Effekt, ebenso das Alter, wobei der Migrationseffekt stärker ins Gewicht fällt. Die Modellanpassung bleibt auf einem ähnlichen Niveau und erklärt etwa 12 % der unterschiedlichen Ausprägungen von Vereins- und Organisationsmitgliedschaften (vgl. Tab. 4.6).

Tab. 4.6 Mitgliedschaften in Vereinen und Organisationen – lineare Regression (standardisierte Steigungskoeffizienten β)

Wie die Regression zeigt, gaben insgesamt mehr Männer als Frauen an, Vereinen anzugehören. Dies bestätigt sich bei der Zusammenhangsanalyse über die Bundesländer hinweg (vgl. Abb. 4.33). Abermals ist die Einflussstärke des Geschlechts aber nicht hoch und liegt bei 0,06. In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern gehören im Schnitt etwas mehr Männer als Frauen gemeinnützigen Organisationen und Vereinen an. 40 % der Männer in Sachsen-Anhalt gaben an, in Vereinen organisiert zu sein (vgl. Tabellenband, Kap. 8), unter den weiblichen Befragten war es mit 27 % nicht ganz ein Drittel. In Niedersachsen, dem Saarland, in Schleswig-Holstein, Hamburg und Sachsen gibt es diesbezüglich keine signifikanten geschlechtsgeprägten Differenzen. Nach eigener Aussage gehören in Niedersachsen sogar mehr weibliche (46 %) als männliche (43 %) Befragte Vereinen an, allerdings ist diese Differenz nicht signifikant (vgl. ebd.). Die östlichen Bundesländer liegen mit Ausnahme von Sachsen alle über dem Durchschnitt. Offensichtlich sind es dort eher Männer, welche sich an Vereine und Organisationen binden.

Abb. 4.33
figure 33

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Geschlecht (w. = 0; m. = 1) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Aufgrund der Tatsache, dass der Bildungsbias in den einwohnerstärksten Ländern (Bayern und Nordrhein-Westfalen) vergleichsweise am schwächsten ausgeprägt ist, fällt auch der landesweite Wert mit 0,1 entsprechend niedrig aus (vgl. Abb. 4.34). Folglich stellt der Gesamtwert für Deutschland einen wenig repräsentativen Bezugspunkt für alle Bundesländer dar und muss landesspezifisch ausgewertet werden. Das Bild über alle Länder hinweg erweist sich dennoch als wenig differenziert. Mit Ausnahme von Bayern führt ein hoher formaler Bildungsgrad auch zu einer höheren Mitgliedschaftsrate, und das vor allem im Saarland und in Thüringen. Damit bestätigt sich einmal mehr ein hoher formaler Bildungsgrad als ein zentraler ‚Zugangsschlüssel‘ zu allen Ausprägungen und Indikatoren zivilgesellschaftlichen Handelns.

Abb. 4.34
figure 34

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern (°bis auf Bayern) auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Schulbildung (3-stufig) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Höhere Haushaltseinkommen führen mehr oder weniger in allen Bundesländern zu einer signifikant häufigeren Angabe, Mitglied in einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation zu sein. In den ostdeutschen Ländern fällt diese Relation zwar etwas niedriger aus, liegt jedoch nur knapp unter dem bundesweiten Wert von 0,22 (vgl. Abb. 4.35). Besonders deutlich ist die Wechselwirkung von Einkommen und Mitgliedschaften im Saarland, aber auch in Niedersachsen. Am niedrigsten ist sie hingegen in Brandenburg. Gemessen in Anteilen liegen zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe im Saarland 40 Prozentpunkte (19 % vs. 59 %Footnote 14), in Brandenburg sind es noch 32 % (vgl. Tabellenband).

Abb. 4.35
figure 35

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Spearman’s Rho in allen Ländern mit Ausnahme von Bremen auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Zusammenhang von Einkommen (5-stufig) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Wie die soeben vorangestellte Regression zeigt, sind Menschen, welche bereits lange an ihrem Wohnort leben, eher in Vereinen organisiert (vgl. Tab. 4.6). Die Wohndauer wird gemeinhin vor allem durch das Alter der Befragten beeinflusst, stellt aber außerdem einen Indikator dafür dar, wie stark eine Person mit ihrem Quartier, ihrer Gemeinde, ihrem Stadtviertel oder eben ihrem Wohnort verwurzelt beziehungsweise verbunden ist. Folglich fällt der Zusammenhang von Wohndauer und Vereinszugehörigkeit auch positiv und nicht, wie beim Alter, negativ aus und ist außerdem vergleichsweise stark ausgeprägt (vgl. ebd.).

Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Tatsache, dass – ebenfalls nach den Daten des letzten Freiwilligensurveys 2019 – 90 % des Engagements ausschließlich in der Wohnregion, also in erster Linie lokal stattfinden. Eine längere Wohndauer vor Ort bildet demnach eine gute Voraussetzung für den Vereinsbeitritt. Richtet man den Blick auf die einzelnen Länder, trifft dies aber nicht überall zu. Im Ländervergleich macht sich die mitgliedschaftsfördernde Wirkung der Wohndauer vorwiegend in Westdeutschland bemerkbar (vgl. Abb. 4.36). Im Osten, Mecklenburg-Vorpommern ausgenommen, kann diese Relation nicht nachgewiesen werden. Das ist insofern von Bedeutung, als der positive Effekt von Wohndauer am Ort ab einem bestimmten Lebensabschnitt (älter als 50 Jahre) vom negativen Effekt des Alters überformt wird, sich zunächst abschwächt und letztlich sogar negativ auswirkt (vgl. Tab. 4.7).

Abb. 4.36
figure 36

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Wohndauer am Wohnort und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern (Spearman’s Rho).

Tab. 4.7 Wohndauer nach Jahren (6-stufig) und Vereinsmitgliedschaft (Angaben in %)

Wie schon bei der Engagementbereitschaft (vgl. Abschn. 4.4) sind folglich jene Länder, welche besonders vom demographischen Wandel (Überalterung) auch unter dem Aspekt des Wegzuges (negativer Wanderungssaldo) betroffen sind, hinsichtlich der Vereinsmitgliedschaft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert.

Wie schon beim Bildungseinfluss wird der bundesweite Wert für den Korrelationskoeffizienten für Religion stark durch die einwohnerstärksten Bundesländer verzerrt, da in diesen Ländern auch die Relation zwischen Religionszugehörigkeit und Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen mit am stärksten ausgeprägt ist. Folglich wird der Wert in seiner Bedeutung für Gesamtdeutschland überschätzt. Gleichwohl geht in allen Bundesländern eine Zugehörigkeit zu den christlichen Kirchen mit höheren Mitgliedsraten in Vereinen und Organisationen einher, besonders in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.Footnote 15 Im weitgehend säkularisierten Osten ist dieser Effekt nur von geringer Bedeutung, sowohl in seinen Einflussstärken als auch aufgrund der ohnehin niedrigeren Anteilswerte. Eine generelle Aussage, der zufolge der Einfluss dort hoch sei, wo der Anteil an katholischen und protestantischen Personen hoch ist, lässt sich nicht fundiert treffen (vgl. Abb. 4.37).

Abb. 4.37
figure 37

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Religionszugehörigkeit (ev./kath.) (Nein = 0/Ja = 1) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

In Haushalten mit Kindern berichten Personen häufiger von eigenen Mitgliedschaften als in kinderlosen. Der Einfluss dieses Faktors ist mit 0,13 nicht sonderlich stark, aber in fast jedem Land, mit Ausnahme des Saarlands, fast gleich stark signifikant nachweisbar. Leicht erhöhte Ausprägungen finden sich in Thüringen, Niedersachsen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Im Gesamtbild sind Haushalte mit Kindern im Osten Deutschlands häufiger über Mitgliedschaften organisiert als solche im Westen (vgl. Abb. 4.38).

Abb. 4.38
figure 38

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Kindern (6 bis 18 Jahre) im Haushalt (Nein = 0/Ja = 1) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Migrantinnen und Migranten sind im Schnitt nachweislich in geringerem Maß vereinsförmig organisiert als Menschen ohne Migrationsbiografien. Dieser Zusammenhang ist ausnahmslos in allen Ländern signifikant, zeigt aber klare Unterschiede zwischen ihnen auf. Deutlich wird hier nämlich eine Ost-West-Differenz: Im Osten Deutschlands scheint Migration für die Erklärung von Vereinsmitgliedschaften kaum eine Rolle zu spielen, während dieses Merkmal in den westlichen Bundesländern nachweislich eher mit dem Fehlen von Mitgliedschaften einhergeht, wobei die Anteile der Ausländerinnen und Ausländer dort auf einem ungleich höheren Niveau liegen (vgl. Abb. 4.39).

Abb. 4.39
figure 39

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Pearson’s R = ist auf einem Niveau von ≤ 1 %** bzw. ≤ 5 %* signifikant)

Zusammenhang von Migrationserfahrung (Nein = 0/Ja = 1) und Vereinsmitgliedschaft im Vergleich zwischen den Bundesländern.

Etwa die Hälfte der Befragten in Nordrhein-Westfalen (48 %) gab an, Mitglied in einem Verein oder einer Organisation zu sein; unter den befragten Menschen mit Migrationserfahrung in diesem Land sind es noch 16 %. In Thüringen hingegen sind 27 % der Migrierten in Vereinen aktiv und 40 % der nichtmigrantischen Bevölkerung, was einer Differenz von 13 Prozentpunkten entspricht; in Nordrhein-Westfalen ist diese Differenz mit 32 Prozentpunkten also mehr als doppelt so groß.

Nimmt man die Migrationserfahrung der Befragten genauer unter die Lupe, verstärken sich die hier aufgezeigten Zusammenhänge noch (vgl. Tab. 4.8).

Tab. 4.8 Migrationserfahrung (5-stufig) und Vereinsmitgliedschaft (Angaben in %)

Die Umfeldfaktoren haben auf die Ausgestaltung der Vereinsmitgliedschaften kaum eine Auswirkung. Städtische und ländliche Räume weisen hier wenig bis gar keine signifikanten Differenzen nach Ländern aus. Die Gemeindegröße hat zwar in einigen Ländern einen leicht negativen Effekt, doch auch der ist eigentlich nur in Bayern und Nordrhein-Westfalen überhaupt von Bedeutung. Dort liegt der Anteil an Mitgliedschaften in den großen Städten im Schnitt etwas unter dem der kleineren Gemeinden.