7.1 Einleitende Hinweise

Im nachstehenden Teil des Länderberichts werden die insgesamt 15 an dem Bericht beteiligten Länder in der Form von Landesprofilen jeweils gesondert präsentiert. Die Landesprofile sind in jeweils 4 Abschnitte gegliedert, nämlich:

  1. 1.

    öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten,

  2. 2.

    freiwilliges Engagement,

  3. 3.

    Kontexteffekte auf Engagement,

  4. 4.

    abschließende Bemerkungen zu Stand und Perspektiven des landesspezifischen Engagements.

Soweit die Landesdaten mit denen der anderen Länder vergleichend dargestellt werden, erfolgt die komparative Einordnung zum Teil als Querschnittsvergleich der 2019 erhobenen Daten und zum Teil als Längsschnittvergleich im Zeitverlauf ab 1999. Bei den in die Länderprofile aufgenommenen ausgewählten Abbildungen werden in Balkendiagrammen die Anteile für das jeweilige Land optisch besonders hervorgehoben. Außerdem wird auch der jeweilige Bundesdurchschnitt erkennbar. In den Text eingefügte Klammerverweise auf entsprechende Passagen bzw. Abbildungen im Hauptbericht erlauben eine schnelle ergänzende Orientierung und bieten Zugang zu weiteren Informationen.

Einem für alle Bundesländer einheitlichen Gliederungsmuster folgend werden in den Abschnitten 1 und 2 die das jeweilige Landesprofil kennzeichnenden Befunde anhand folgender Fragen aufgeschlüsselt:

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten

    • Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in [Name des Bundeslandes] bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

    • In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

  2. 2.

    Freiwilliges Engagement

    • Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele [Bewohnerinnen und Bewohner des Bundeslandes] engagieren sich freiwillig?

    • Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

    • In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

    • Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewandt? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

    • Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

    • An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

    • Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

    • Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

    • Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

    • Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

    • Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

    • Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

    • Wie viele Menschen engagieren sich für Geflüchtete?

    • Welche individuellen Einflussfaktoren fördern bzw. hemmen freiwilliges Engagement?

    • [Für Flächenländer:] Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

  3. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

    Im Kap. 3 der Landesprofile werden den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, extern erhobene Umfragedaten ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselt zugeordnet, die auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommene Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5). Aus diesen Variablen wird je ein landesspezifischer Index gebildet.

  4. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

In diesem Abschnitt werden für das jeweilige Bundesland kennzeichnende Merkmale der regionalen Engagementlandschaft zusammengestellt sowie landestypische Herausforderungen mit Blick in die Zukunft benannt.

7.2 Landesprofil Baden-Württemberg

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Baden-Württemberg bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von etwas mehr als 68 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Baden-Württemberg etwas über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet unterschreitet die Aktivitätsrate damit nach einem seit 2004 erkennbaren kontinuierlichen Rückgang leicht den Ausgangswert von 1999.

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 41 % rangiert Baden-Württemberg hier im oberen Länderdrittel, knapp über dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Gemeinsam mit Bremen ist die Landesbevölkerung mit 22 % kulturell und musikalisch unter allen Ländern am aktivsten (bundesweit sind hier 18 % aktiv). Im sozialen Bereich beteiligen sich Menschen in Baden-Württemberg mit 17 % etwas häufiger als im Bereich Freizeit und Geselligkeit (14 %). Den quantitativ letzten Rang unter den hier ausgeübten öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten belegt wie bei der Mehrheit der Länder der Bereich Schule oder Kindergarten (13 %).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Baden-Württemberg engagieren sich freiwillig?

Baden-Württemberg zählt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von rund 46 % die meisten freiwillig Engagierten. Das sind 3,5 Prozentpunkte mehr als im zweitplatzierten Schleswig–Holstein und liegt gut 6 % über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Abb. 7.1).

Abb. 7.1
figure 1

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage:-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer in % (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Über 2 Jahrzehnte hinweg weist Baden-Württemberg kontinuierlich eine hohe Quote freiwillig Engagierter auf. Bei den bisherigen Messzeitpunkten des FWS war das Land entweder alleiniger Spitzenreiter (2004, 2014, 2019) oder lag zumindest gleichauf mit in der Spitzengruppe, so 1999 und 2009 (vgl. Abb. 3.5, Hauptbericht).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie die öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten ist auch freiwilliges Engagement in Baden-Württemberg wie ausnahmslos in allen Flächenländern im Bereich Sport und Bewegung mit Abstand am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.2; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Im Südweststaat engagieren sich in diesem Feld gut 16 % der Befragten. Dahinter folgen Kultur und Musik (ca. 12 %), Soziales und Schule oder Kindergarten (jeweils 9 %) sowie der kirchliche beziehungsweise religiöse Sektor (8 %). Diese Rangfolge entspricht dem bundesweit erkennbaren Muster.

Abb. 7.2
figure 2

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Baden-Württemberg (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Baden-Württemberg die Mehrheit der befragten Engagierten (63 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 21 %, 6 h und mehr investieren 16 %; diese Anteile liegen kaum merklich unter dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve verläuft jedoch in Baden-Württemberg sichtlich flacher als in anderen Bundesländern. In diese untere Zeitkategorie ordneten sich 1999 rund 53 % und 2019 rund 57 % der Befragten ein. Das Zeitbudget für Engagement blieb also im Bundesland vergleichsweise stabil.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Baden-Württemberg wie in allen anderen Bundesländern auch das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für dieses Land gemessene Mittelwert entspricht beinahe exakt dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren gleichauf der Wunsch, anderen zu helfen, sowie das Bedürfnis, etwas fürs Gemeinwohl zu tun. Mit einigem Abstand folgen das Interesse, die Gesellschaft mitzugestalten, und das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Baden-Württemberg stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 50 % des adressierten Engagements exakt im Bundesdurchschnitt (vgl. Abb. 3.10, Hauptbericht). Weitere Zielgruppen sind Familien (39 %), ältere Menschen (32 %), sozial Schwache (16 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (16 %) (Zielgruppen zahlenmäßig in absteigender Reihenfolge genannt).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Baden-Württemberg ist freiwilliges Engagement überdurchschnittlich häufig, nämlich zu 57 %, vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Hierbei kommt auch zum Ausdruck, dass das Land in Deutschland die zweithöchste Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht, dass sich lediglich ein Siebtel der Gruppe freiwillig Engagierter selbst organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Fast ebenso viele Nennungen entfallen auf kirchliche Vorfeldorganisationen.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Wie in ganz Deutschland wünschen freiwillig Engagierte an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung, Weiterbildung, unbürokratische Kostenerstattung, Anerkennung seitens Hauptamtlicher) weicht die Wunschliste in Baden-Württemberg nicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (56 %) sowie ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall (57 %) stehen in Baden-Württemberg an der Spitze der Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen nahezu gleichrangig die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, die Anerkennung der jeweiligen Engagements als Praktika und Weiterbildung sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (jeweils etwas über 50 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Menschen in Baden-Württemberg sind vor allem zeitliche Gründe ein Hindernis an freiwilligem Engagement. Mit 77 % Nennungen kommt das Land hier auf den bundesweit höchsten Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen und die Scheu vor Verpflichtungen werden wie in allen anderen Bundesländern sehr viel weniger angeführt.

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Baden-Württemberg liegt dieser Anteil bei Befragten, die bisher nicht freiwillig engagiert sind, mit ca. 62 % um 3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Bemerkenswert ist zudem die Entwicklung dieses Anteils im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Obgleich die Quote des tatsächlich ausgeübten freiwilligen Engagements im Land von 1999 bis 2019 um mehr als 9 Prozentpunkte anstieg, verdoppelte sich parallel dazu auch die erwogene Engagementbereitschaft im Land annähernd (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, wurde folglich weiter verbessert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich verzeichnete Baden-Württemberg zuletzt die dritthöchste Spendentätigkeit unter den Befragten (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 deutlich eingebrochen und stieg danach zwischen 2014 und 2019 wieder moderat an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.3).

Abb. 7.3
figure 3

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant.)

Spendentätigkeit in Baden-Württemberg im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagieren sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Baden-Württemberg annähernd 13 % der Befragten für Geflüchtete. Damit liegt das Land leicht über dem bundesweiten Durchschnittswert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Menschen in Baden-Württemberg (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge wird dieses Engagement am häufigsten ausgeübt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht weniger häufig mit Engagement einher als eine Berufstätigkeit. Wer der katholischen oder der protestantischen Konfession angehört, engagiert sich häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich seltener zu einem Engagement (Abb. 7.4).

Abb. 7.4
figure 4

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019.)

Wer ist in Baden-Württemberg ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Geschlecht, Schulbildung, Einkommen und Alter in ihren Effekten auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Baden-Württemberg besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). In Baden-Württemberg herrscht bei der Ausübung freiwilligen Engagements faktisch Geschlechterparität (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.10). Anders stellt sich der Wirkungsgrad der formalen Bildung dar. Wie in allen Bundesländern ist auch in Baden-Württemberg ein Bildungsbias signifikant. Höhere Schulbildung führt also wie bereits erwähnt häufiger zu Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt in Baden-Württemberg durchschnittlich ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Höhere Einkommen fördern ebenfalls freiwilliges Engagement, aber auch dieser Zusammenhang ist für das Land im Ländervergleich nur moderat nachweisbar (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Mit steigendem Alter der Befragten nimmt ihr freiwilliges Engagement in allen Bundesländern ab. In Baden-Württemberg wirkt sich jedoch auch dieses individuelle Merkmal schwächer aus als in den meisten anderen Ländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Baden-Württemberg wie fast alle anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf. Allerdings verzeichnet das Land im bundesweiten Vergleich sowohl in ländlichen Gebieten mit 53 % (hier gemeinsam mit Hessen) sowie in städtischen Gebieten mit 48 % die jeweils stärksten Engagementquoten. Dies ist Ausdruck des in Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer messbar höchsten Engagementniveaus (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte auf (vgl. Abb. 7.5). Eine nach Ortsgröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist nicht erkennbar (vgl. auch Hauptbericht, Abb. 4.18).

Abb. 7.5
figure 5

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Baden-Württemberg (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung zur Relevanz des Institutionenvertrauens (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land die Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure von kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Baden-Württemberg werden 2 von 3 betrachteten Umfeldindikatoren positiv beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf Platz 2 des bundesweiten Rankings. Beim Verwaltungsvertrauen belegt der Südweststaat mit Platz 9 eine Position im Mittelfeld.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Baden-Württemberg nach Bayern und Niedersachsen gemeinsam mit Rheinland-Pfalz auf Platz 3 (vgl. Abb. 7.6). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Baden-Württemberg eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.6
figure 6

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020.)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Baden-Württemberg weist im deutschlandweiten Vergleich eine kulturell und strukturell gefestigte Engagementlandschaft auf. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: die bundesweit höchste Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte kontinuierlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein freiwilliges Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist; eine überdurchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein auf solidem Niveau konsolidiertes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen, die andernorts freiwilliges Engagement stark determinieren, in Baden-Württemberg schwächere beziehungsweise durchschnittliche Effekte haben, zeigt einen vergleichsweise hohen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird.Footnote 1

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel eine große Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 um 25 % überproportional zunehmen. Für Baden-Württemberg ist in der Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von rund 28 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Entsprechend groß erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios für das Land die Herausforderung, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder gar auszubauen. Unumgänglich dürfte sein, die Angebote altengerechten freiwilligen Engagements rechtzeitig zu erweitern, um die Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren zu aktivieren.

7.3 Landesprofil Bayern

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Bayern bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von nicht ganz 68 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Bayern leicht über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet ist die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg weitestgehend konstant geblieben und liegt 2019 auf dem Ausgangswert von 1999 (67 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1 und 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von knapp über 40 % rangiert Bayern hier im oberen Länderdrittel, das heißt minimal über dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Wie in den meisten anderen Ländern ist die Bevölkerung Bayerns mit 18 % kulturell und musikalisch am zweithäufigsten aktiv, was dem Bundestrend entspricht. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen in Bayern mit knapp über 16 % etwa gleich häufig wie im Bereich Freizeit und Geselligkeit (16 %). Unter den deutschlandweit 5 häufigsten Aktivitäten belegt der Bereich Schule oder Kindergarten (11 %) wie bei der Mehrheit der Länder auch hier den letzten Rang (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.8).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Bayern engagieren sich freiwillig?

Bayern weist 2019 im bundesweiten Vergleich eine Engagementquote von rund 41 % auf. Damit liegt das Land leicht über dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % und rangiert im oberen Länderdrittel (vgl. Abb. 7.7).

Abb. 7.7
figure 7

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Bayern im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Abb. 7.8
figure 8

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Bayern (Angaben in %).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Über 2 Jahrzehnte hinweg weist Bayern kontinuierlich eine überdurchschnittlich hohe Quote freiwillig Engagierter auf. Bei den früheren Messzeitpunkten des FWS lag das Land durchweg im oberen Drittel oder (in den Jahren 1999, 2009, 2014) unter den ersten 3 Bundesländern. Seit 2014 allerdings ist die Quote in Bayern überdurchschnittlich stark um etwa 3 Prozentpunkte gefallen (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie bei den öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten ist auch die Ausübung freiwilligen Engagements in Bayern so wie ausnahmslos in allen Flächenländern im Bereich Sport und Bewegung mit Abstand am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.8; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Im Freistaat engagieren sich in diesem Feld gut 15 % der Befragten. Dahinter folgen Kultur und Musik (etwa 10 %), der soziale Bereich (9 %), der kirchliche beziehungsweise religiöse Sektor (8 %) sowie Schule oder Kindergarten (7 %). Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster, mit Ausnahme des kirchlich-religiösen Bereichs, welcher in Bayern auf dem vierten und nicht auf dem fünften Platz rangiert.

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Bayern die Mehrheit der befragten Engagierten (63 %) ihren Zeitaufwand für Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 23 %, 6 h und mehr investieren etwa 14 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve steigt in Bayern zumindest seit 2009 ebenfalls deutlich an. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 nur knapp 54 % ein, sind es 2019 schon rund 63 % der Befragten. Das Zeitbudget für Engagement entspricht in seinem Verlauf seit 2009 somit weitgehend dem Bundestrend.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Bayern wie in allen anderen Bundesländern auch mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für das Land gemessene Mittelwert entspricht beinahe exakt dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangiert der Wunsch, anderen zu helfen. Mit leichtem Abstand folgen als Motive die Intention, etwas für das Gemeinwohl tun, die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt mit deutlicherem Abstand das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern erkennbar und – mit minimalen Unterschieden – ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Bayern stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 51 % Nennungen nur minimal über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (37 %), ältere Menschen (33 %) und mit einigem Abstand sozial Schwache sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (jeweils 17 %) (Zielgruppen zahlenmäßig in absteigender Reihenfolge genannt).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Bayern ist freiwilliges Engagement so wie in allen anderen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert; der entsprechende Anteil beträgt hier 53 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Hierbei kommt zum Ausdruck, dass die Befragten dieses Bundeslandes deutschlandweit die höchste Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweisen (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht, dass sich nicht einmal ein Fünftel (17 %) der Gruppe freiwillig Engagierter selbst organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Fast ebenso wenig Nennungen entfallen auf das freiwillige Engagement in kirchlichen Vorfeldorganisationen (14 %), gefolgt von dem Engagement in staatlichen und anderen Formen formaler Organisation (9 bzw. 7 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Wie in ganz Deutschland wünschen freiwillig Engagierte in Bayern an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (44 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren vorzugsweise genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (38 %), Weiterbildung (37 %), unbürokratische Kostenerstattung (37 %) und Anerkennung seitens Hauptamtlicher (35 %)) weicht die Wunschliste in Bayern kaum vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab. Etwas stärker als im Bundesdurchschnitt gilt das Augenmerk dem Abbau bürokratischer Hürden.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (56 %) sowie ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall (57 %) stehen in Bayern an der Spitze der Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen nahezu gleichrangig die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, die Anerkennung der jeweiligen Engagements als Praktika und Weiterbildung sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (jeweils knapp über 50 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Bayerinnen und Bayern sind es vor allem zeitliche Gründe, die ein Hindernis an freiwilligem Engagement darstellen. Mit 73 % Nennungen kommt das Land hier bundesweit auf einen überdurchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen und die Scheu vor Verpflichtungen werden wie in allen anderen Bundesländern auch sehr viel seltener angeführt. Auch hier sind die prozentualen Verteilungen in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS 2019 mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Bayern liegt dieser Anteil bei Befragten, die bisher nicht freiwillig engagiert sind, mit etwa 59 % fast genau im Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16) und somit im Mittelfeld der Länder.

Bemerkenswert ist zudem die Entwicklung dieses Anteils im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Obgleich die Quote des tatsächlich ausgeübten Engagements im Land von 1999 bis 2019 um nur etwa 7 Prozentpunkte angestiegen ist, hat sich parallel dazu die erwogene Engagementbereitschaft im Land um fast 25 Prozentpunkte erhöht (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, wurde folglich weiter verbessert. Dieser Trend ist ebenfalls in den meisten anderen Ländern nachweisbar (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich verzeichnet Bayern mit fast 56 % zuletzt die höchste Spendentätigkeit unter den Befragten (vgl. nachfolgende Abb. 7.9; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst deutlich eingebrochen, stabilisierte sich danach aber zwischen 2014 und 2019 wieder (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19).

Abb. 7.9
figure 9

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant.)

Spendentätigkeit in Bayern im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagieren sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Bayern knapp über 11 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land etwas unter dem bundesweiten Durchschnittswert von 12,4 % und weist unter den westdeutschen Ländern den geringsten Wert auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Menschen in Bayern (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge ist die Ausübung eines freiwilligen Engagements am wahrscheinlichsten. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Wer der katholischen oder der protestantischen Konfession angehört, engagiert sich häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls häufiger anzutreffen. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich seltener zu einem solchen Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Bayern etwas mehr Männer als Frauen freiwillig, dieser Geschlechterunterschied fällt im Verhältnis jedoch kaum ins Gewicht (vgl. Abb. 7.10).

Abb. 7.10
figure 10

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019.)

Wer ist in Bayern ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung, Alter und Religionszugehörigkeit in ihren Effekten auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Bayerns besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Bayern ein Bildungsbias signifikant. Höhere Schulbildung führt insofern wie erwähnt häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt in Bayern am geringsten ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Demnach fällt der formale Bildungsgrad einer Person für die Erklärung von Engagement hier wesentlich weniger stark ins Gewicht als beispielsweise in Hamburg (vgl. ebd.). Mit steigendem Alter der Befragten nimmt ihr Engagement in allen Bundesländern ab. Wiederum in Bayern wirkt sich auch dieses individuelle Merkmal schwächer aus als in den meisten anderen Ländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13). Bundesweit gehen evangelische oder katholische Befragte deutlich häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften einem regelmäßigen Ehrenamt nach. Zusammen mit Berlin ist dieser Effekt in Bayern am höchsten ausgeprägt. Ist der Anteil an religiösen Menschen in einem Land und auch der Zusammenhang von Religion und Ehrenamt hoch, kann sich das wie in Bayern durchaus in einer höheren Engagementrate niederschlagen (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.14).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Bayern wie viele andere Länder eine Stadt-Land-Differenz auf. Neben Hessen fällt diese Differenz in Bayern am deutlichsten aus. Zwischen ländlichen (47 %) und städtischen (40 %) Gebieten liegen hier 7 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte hier besonders auf (vgl. Abb. 7.11). Eine nach Ortsgröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist hingegen nicht eindeutig erkennbar (vgl. ebd.).

Abb. 7.11
figure 11

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019.)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Bayern (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land die Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure von kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Bayern werden alle 3 betrachteten Umfeldindikatoren positiv beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf Platz 1 des bundesweiten Rankings.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Bayern vor Niedersachsen und Baden-Württemberg auf Platz 1 (vgl. Abb. 7.12). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Bayern eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.12
figure 12

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020.)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Bayern weist im deutschlandweiten Vergleich eine kulturell und strukturell gefestigte Engagementlandschaft auf, welche sich auch und gerade im ländlichen Raum findet. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit kontinuierlich im oberen Drittel angesiedelte Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte deutlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) durchschnittlich angewachsen ist; eine überdurchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein auf bundesweit höchstem Niveau konsolidiertes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Bildung und Einkommen, die andernorts den Faktor freiwilliges Engagement stark determinieren, in Bayern schwächere beziehungsweise durchschnittliche Effekte haben, zeigt einen vergleichsweise hohen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird.Footnote 2

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel eine Herausforderung auch für Bayern. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit einem Zuwachs um 25 % überproportional zunehmen. Für Bayern ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von rund 29 % zu rechnen, was den bundesweit höchsten Wert darstellt (vgl. Destatis 2021). Entsprechend groß erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios für das Land die Herausforderung, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder gar auszubauen. Unumgänglich dürfte sein, die Angebote altengerechten freiwilligen Engagements rechtzeitig zu erweitern, um die Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren zu aktivieren.

7.4 Landesprofil Berlin

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Berlin bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von nicht ganz 67 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt der Stadtstaat Berlin minimal über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg allerdings im bundesweiten Vergleich am stärksten an und liegt 2019 fast 16 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 51 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2). Damit rückt Berlin vom vorletzten auf den achten Rang im Länderranking vor.

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von nicht ganz 40 % rangiert Berlin hier im Mittelfeld, genauer gesagt leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Gemeinsam mit den meisten anderen Ländern ist die Berliner Bevölkerung mit 18 % kulturell und musikalisch am zweithäufigsten aktiv, was ebenfalls dem Bundestrend entspricht. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen in Berlin mit etwa 16 % etwa gleich häufig wie im Bereich Freizeit und Geselligkeit (16 %). Unter den deutschlandweit 5 häufigsten Aktivitäten belegt wie bei der Mehrheit der Länder der Bereich Schule oder Kindergarten (14 %) in Berlin den letzten Rang (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.14).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Berlin engagieren sich freiwillig?

Berlin rangiert 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von rund 37 % im unteren Drittel der Länder. Damit liegt die deutsche Hauptstadt unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.13).

Abb. 7.13
figure 13

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Berlin im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys 1999 wies Berlin mit 21,2 % die niedrigste Quote freiwillig Engagierter in Deutschland auf. Seither ist die Quote wie schon bei den öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten auch in dieser Hinsicht von allen Ländern am stärksten in Berlin angestiegen: Sie steigerte sich von 1999 bis 2019 um fast 16 Prozentpunkte und verdoppelte sich damit nahezu (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5). Damit ist das Land im Ranking vom letzten auf den dreizehnten Platz aufgerückt.

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern ist freiwilliges Engagement in Berlin im Bereich Sport und Bewegung mit knapp über 9 % nur am zweithäufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.14; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). In der Bundeshauptstadt engagieren sich die meisten Menschen im Bereich Schule oder Kindergarten (9,6 %), was sich auch auf das vergleichsweise niedrige Durchschnittsalter in Berlin zurückführen lässt. Danach folgen fast gleichauf der soziale Bereich (etwa 9 %), Kultur und Musik (7 %) und Freizeit und Geselligkeit (6 %). Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster – mit Ausnahme des kirchlich-religiösen Bereiches, welcher in Berlin mit nur etwa 4 % auf dem sechsten und nicht, wie bundesweit, auf dem fünften Platz rangiert.

Abb. 7.14
figure 14

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Berlin (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Berlin die Mehrheit der befragten Engagierten (60 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h wöchentlich an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 22 %, 6 h und mehr investieren etwa 17 %. Diese Zeitanteile entsprechen in ihrem Verhältnis dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve steigt in Berlin zumindest seit 1999 ebenfalls deutlich an. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 nur knapp 43 % ein, sind es 2019 schon rund 61 % der Befragten. Damit steigt dieses Kurzzeitbudget für Engagement in seinem Verlauf seit 2009 deutlich stärker an als der Bundestrend.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Berlin so wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für das Land gemessene Mittelwert liegt dabei leicht über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangiert der Wunsch, anderen zu helfen. Mit etwas Abstand folgen der Einsatz für das Gemeinwohl, die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Berlin stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem entsprechenden Anteil von etwa 51 % Nennungen minimal über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (35 %), ältere Menschen (26 %) und mit etwas Abstand sozial Schwache (23 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (17 %).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Berlin ist freiwilliges Engagement wie in allen anderen Bundesländern auch hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Allerdings fällt der entsprechende Anteil mit 42 % bundesweit am niedrigsten aus. Hierbei kommt zum Ausdruck, dass das Land in Deutschland die niedrigste Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht, dass sich fast ein Viertel (24 %) der Gruppe freiwillig Engagierter individuell selbst organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Das macht bundesweit gemeinsam mit denen Hamburgs und Brandenburgs einen der höchsten Anteile unter den Befragten aus. Etwas weniger Nennungen entfallen auf andere Formen der Organisation (16 %) und den kirchlichen und staatlichen Bereich (10 bzw. 8 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In ganz Deutschland und so auch in Berlin wünschen freiwillig Engagierte an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (50 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (41 %), unbürokratische Kostenerstattung (38 %), Weiterbildung (36 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (33 %)) weicht die Wunschliste in Berlin nur geringfügig vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab, wobei das Augenmerk hier etwas stärker als im Bundesdurchschnitt auf dem Abbau bürokratischer Hürden ruht.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (59 %) sowie die Anerkennung der jeweiligen Engagements als Praktika und Weiterbildung (56 %) stehen in Berlin an der Spitze der Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen nahezu gleichrangig die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (jeweils knapp über bzw. genau 50 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Menschen in Berlin sind es vor allem zeitliche Gründe, welche ein Hindernis an freiwilligem Engagement darstellen. Mit 71 % Nennungen kommt das Land hier bundesweit auf einen durchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen und die Scheu vor Verpflichtungen werden hier genau wie in allen anderen Bundesländern sehr viel seltener angeführt (44 bzw. 39 %). Auch hierin sind die Verteilungen in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Berlin fällt dieses Potenzial unter den Befragten, die bisher nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit etwa 66 % bundesweit am höchsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16). Dies findet seinen Ausdruck in der in diesem Punkt positiven Entwicklung der letzten 20 Jahre im Bundesland.

Bemerkenswert ist zudem die Entwicklung der Engagementbereitschaft im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Auch in Berlin hat sich die erwogene Engagementbereitschaft im Land während dieses Zeitraums um fast 25 Prozentpunkte erhöht und wird im Grad des Wachstums nur von Rheinland-Pfalz, Hamburg und Bayern übertroffen (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, wurde folglich weiter verbessert. Dieser Trend lässt sich mit wenigen Ausnahmen ebenfalls in den meisten anderen Ländern feststellen (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Berlin mit gut 51 % unter den Befragten im Bereich der Spendentätigkeiten im unteren Mittelfeld der Länder (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern auch war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst – wenngleich weniger stark als in den anderen Ländern – eingebrochen. Sie stieg danach seit 2009 wieder an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19) und liegt mittlerweile fast wieder auf dem Ausgangsniveau von 52 % aus dem Jahr 1999 (Abb. 7.15).

Abb. 7.15
figure 15

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant.)

Spendentätigkeit in Berlin im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Berlin knapp 16 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit weist das Land gemeinsam mit Hamburg unter den Bundesländern die höchste Engagementquote für Geflüchtete auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Dieser Befund korrespondiert in den beiden Stadtstaaten damit, dass hier zugleich die Anteile an Geflüchteten und Menschen mit Migrationserfahrung besonders hoch sind (vgl. dazu auch Hauptbericht, Kap. 4).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Berlinerinnen und Berliner (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: Besonders in der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie deutlich abgeschwächt in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) wird ein freiwilliges Engagement am wahrscheinlichsten ausgeübt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht seltener mit Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung, allerdings eher als eine Heimtätigkeit oder ein Ruhestand. Wer der katholischen oder protestantischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls leicht wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich seltener zur Ausübung eines freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich Männer und Frauen in Berlin im selben Maß (vgl. Abb. 7.16).

Abb. 7.16
figure 16

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Berlin ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung, Einkommen und Religionszugehörigkeit in ihren Effekten auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Berlins besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Berlin ein Bildungsbias signifikant. Eine höhere Schulbildung führt dabei wie bereits erwähnt häufiger zu einem solchen Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt in Berlin überdurchschnittlich stark ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11,). Das heißt, der formale Bildungsgrad einer Person fällt bei der Erklärung freiwilligen Engagements überdurchschnittlich stark ins Gewicht (vgl. ebd.). Das schlägt sich auch in den ausgeprägten Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- bzw. Niedriggebildeten nieder (vgl. Abb. 7.16).

Gleiches gilt für das Haushaltseinkommen. Bundesweit gehen ferner evangelische oder katholische Befragte deutlich häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften einem regelmäßigen Ehrenamt nach. Zusammen mit Bayern ist dieser Tatbestand in Berlin am höchsten ausgeprägt. (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.14). Der Anteil an entsprechenden Personen ist in Berlin mit 24 % allerdings vergleichsweise niedrig (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4.1).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte surveyexterne Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Berlin werden alle 3 betrachteten Umfeldindikatoren schlecht beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf den letzten Plätzen des bundesweiten Rankings.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Berlin folglich auf dem letzten Platz (vgl. Abb. 7.17). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Berlin eine Koinzidenz von negativer Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise unterdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.17
figure 17

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im deutschlandweiten Vergleich weist Berlin eine positiv-dynamische Engagementlandschaft auf. Gestützt wird diese Einschätzung durch folgende Faktoren: eine zwar bundesweit leicht unterdurchschnittliche Engagementquote, aber eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte rapide angestiegene Aktivitäts-, Engagement- und Engagementbereitschaftsquote; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) auch in Berlin überdurchschnittlich angewachsen ist, sowie ein bundesweit durchschnittliches Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung, Einkommen und Religionszugehörigkeit das Engagement in Berlin vergleichsweise stark determinieren, zeigt allerdings einen vergleichsweise niedrigen Grad von gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Diese Norm scheint sozial eher heterogen untersetzt und in Teilen von städtischen Segregationsprozessen geprägt zu sein. Gemeint ist damit, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. auf die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird.Footnote 3

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Berlin wie für die beiden anderen Stadtstaaten eine vergleichsweise niedrige Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit einem Zuwachs von 25 % überproportional zunehmen. Für Berlin ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von nur etwa 11,6 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Chancenreich erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios einer vergleichsweise jungen Stadtgesellschaft die Aussicht, die aktuell positive Entwicklung des freiwilligen Engagements weiter auszubauen und zumindest zu stabilisieren. Dennoch sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.5 Landesprofil Brandenburg

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Brandenburg bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von knapp über 63 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt das Berlin umgebende Brandenburg recht deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg wie in anderen ostdeutschen Ländern auch stark überdurchschnittlich an und überschreitet 2019 um fast 11 Prozentpunkte den Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 52 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden im Land diese Aktivitäten bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 37 % rangiert Brandenburg hier im unteren Mittelfeld und dabei leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern ist die brandenburgische Landesbevölkerung mit 16 % im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im kulturellen und musikalischen Bereich beteiligen sich die Menschen in Brandenburg mit 13 % etwa ebenso häufig wie im sozialen Bereich (12 %) und dem Sektor von Schule oder Kindergarten (12 %; für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.19).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Brandenburg engagieren sich freiwillig?

Brandenburg belegt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von 36 % den drittletzten Platz vor Hamburg und Sachsen. Damit liegt das Land unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.18).

Abb. 7.18
figure 18

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Brandenburg im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 lag Brandenburg mit etwa 26 % auf einem Platz im unteren Drittel im Ländervergleich. Seit Beginn der Umfrage ist die Quote in Brandenburg – wie in den meisten anderen Ländern – gestiegen. Der Anstieg hat sich jedoch zuletzt etwas abgeschwächt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5,).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Brandenburg freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit fast 12 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.19; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich Brandenburgerinnen und Brandenburger im Bereich Schule oder Kindergarten (7 %). Dahinter folgen fast gleichauf die Bereiche Kultur und Musik (etwa 6 %), Freizeit und Geselligkeit (6 %) und der soziale Sektor (6 %). Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster, den kirchlich-religiösen Bereich ausgenommen, welcher in Brandenburg mit nur etwa 4 % auf dem sechsten und nicht auf dem fünften Platz rangiert (ebd.).

Abb. 7.19
figure 19

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Brandenburg (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Brandenburg eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (65 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 17 %, 6 h und mehr investieren ebenfalls 17 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis überwiegend dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Diese Entwicklung verlief jedoch in Brandenburg weit weniger geradlinig; der Anteil der Menschen, die sich höchstens 2 h in der Woche freiwillig engagieren, ist aber seit 2014 auch hier deutlich gestiegen. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 schon knapp 53 % ein, sind es 2019 bereits rund 65 % der Befragten. Damit stieg dieses Zeitbudget für freiwilliges Engagement in seinem Verlauf seit 1999 mit zwischenzeitlichen stärkeren Schwankungen etwas stärker an als der Bundestrend (vgl. ebd.).

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Brandenburg so wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für das Land gemessene Wert zeigt dabei an, dass diese Motivation in Brandenburg bundesweit am stärksten wirkt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangieren der Wunsch, anderen zu helfen, und die Intention, etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit etwas Abstand folgen dann die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt der Austausch mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Brandenburg stellt hier keine Ausnahme dar und liegt mit einem entsprechenden Anteil von etwa 51 % Nennungen nur minimal über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (42 %), ältere Menschen (34 %) und mit etwas Abstand fast gleichauf sozial schlechtergestellte Personen (20 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (19 %).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Brandenburg ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern zwar hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Allerdings liegt der Anteil hier mit 49 % unter dem Bundesdurchschnitt (52 %). Dabei kommt auch zum Ausdruck, dass das Land unter den in ihm Befragten eine im innerdeutschen Vergleich niedrigere Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht, dass sich ein Viertel (25 %) der Gruppe freiwillig Engagierter eigenständig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11), was bundesweit vor Berlin und Hamburg der höchste Anteil ist. Etwas weniger Nennungen entfallen auf andere Formen der Organisation (9 %) und solche im staatlichen und kirchlichen Bereich (11 bzw. 7 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In ganz Deutschland und so auch in Brandenburg wünschen sich freiwillig Engagierte an Verbesserungen auf der Ebene der Organisationen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (44 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren von ihnen genannten Herausforderungen (fachliche Unterstützung (41 %), unbürokratische Kostenerstattung (38 %), Weiterbildung (36 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (33 %)) weicht die Wunschliste in Brandenburg nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab. Dabei gilt das dortige Augenmerk verglichen mit den Durchschnittswerten etwas stärker den Weiterbildungsmöglichkeiten und dem Abbau bürokratischer Hürden als fachlicher Unterstützung.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (59 %) sowie die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung (59 %) stehen in Brandenburg annähernd gleichrangig an der Spitze der Vorschlagsliste freiwillig Engagierter (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (56 %) und fast zu gleichen Anteilen die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf sowie die Anerkennung eigenen Engagements als Praktikum und Weiterbildung (jeweils knapp über bzw. genau 50 %). Brandenburger Engagierte weisen im bundesweiten Vergleich besonders häufig auf die Notwendigkeit einer Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen hin (vgl. ebd.).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Brandenburgerinnen und Brandenburger sind es wie überall hierzulande vor allem zeitliche Gründe, die ein Hindernis für ein Engagement darstellen. Mit 70 % Nennungen kommt das Land hier bundesweit auf einen durchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie die Abneigung gegen Verpflichtungen werden so wie in allen anderen Bundesländern auch sehr viel seltener angeführt (48 bzw. 39 %). Auch in dieser Hinsicht sind die prozentualen Verteilungen in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Brandenburg fällt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit etwa 49 % bundesweit nach Thüringen am zweitniedrigsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Bemerkenswert ist zudem die Entwicklung des Engagementpotenzials im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Entgegen dem bundesweiten Trend stieg die Engagementbereitschaft in Brandenburg in den letzten 10 Jahren nur geringfügig an und nahm nach 2014 leicht ab (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Brandenburg folglich verschlechtert. Derselbe Trend lässt sich ähnlich gelagert in Thüringen und im Saarland feststellen (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Brandenburg mit genau 46 % beim Anteil der Befragten im Bereich der Spendentätigkeiten vor Sachsen-Anhalt auf dem vorletzten Platz im Länderranking (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen, stieg danach aber seit 2009 wieder kontinuierlich an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19) und liegt damit mittlerweile fast wieder auf dem Ausgangsniveau von 48 % aus dem Jahr 1999. Brandenburg gehört damit zu den 4 Bundesländern, welche in den letzten 20 Jahren die wenigsten Spendenden verloren haben (Abb. 7.20).

Abb. 7.20
figure 20

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Brandenburg im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Brandenburg etwa 11 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land im Ländervergleich im unteren Drittel der Bundesländer (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Unter den 5 ostdeutschen Flächenländern ist hier die Quote an diesbezüglich Engagierten allerdings am höchsten. Mit diesem Befund korrespondiert, dass im ostdeutschen Vergleich auch der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund mit 11 % in Brandenburg am höchsten ausfällt (vgl. Hauptbericht, Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Menschen in Brandenburg (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie etwas abgeschwächt in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) wird ein freiwilliges Engagement am wahrscheinlichsten ausgeübt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich zudem. Arbeitslosigkeit geht seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung, allerdings häufiger als ein Ruhestand oder eine Heimtätigkeit. Wer der katholischen oder protestantischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls leicht wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zur Ausübung eines freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich in Brandenburg Männer und Frauen in etwa im selben Maß (vgl. Abb. 7.21).

Abb. 7.21
figure 21

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Brandenburg ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung und Migrationshintergrund in ihren Einflüssen auf freiwilliges Engagement für Brandenburg besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Brandenburg ein Bildungsbias signifikant. Eine höhere Schulbildung führt entsprechend häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt in Brandenburg überproportional stark ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Demnach fällt der formale Bildungsgrad einer Person bei der Erklärung freiwilligen Engagements hier überdurchschnittlich stark ins Gewicht (vgl. ebd.). Das schlägt sich auch in den deutlichen Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- und der Niedriggebildeten nieder (vgl. Abb. 7.21). Dieser Effekt ist nur in Hamburg noch stärker ausgeprägt als in Brandenburg. Dagegen spielt der Migrationshintergrund einer Person bei der Erklärung von Engagement in Brandenburg kaum eine Rolle, im Ländervergleich betrachtet fällt dieser Einfluss hier sogar am niedrigsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.16). Das heißt, ein Migrationshintergrund stellt in Brandenburg als einzigem Land statistisch gesehen kein Ausschlusskriterium für freiwilliges Engagement dar.

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Brandenburg im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern keine Stadt-Land-Differenz auf.

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des dortigen Engagements zeigen sich ebenfalls keine bedeutsamen Unterschiede (vgl. Abb. 7.22).

Abb. 7.22
figure 22

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019.)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Brandenburg (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Brandenburg werden 2 von 3 betrachteten Umfeldindikatoren eher negativ beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land eher auf den hinteren Plätzen des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, nimmt Brandenburg den drittletzten Platz ein (vgl. Abb. 7.23). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Brandenburg eine Koinzidenz von negativer Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise unterdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.23
figure 23

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020.)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im Vergleich der Bundesländer weist Brandenburg eine entwicklungsfähige Engagementlandschaft auf. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine Engagementquote unter dem Bundesdurchschnitt, aber eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte moderat angestiegene Aktivitäts- und Engagementquote bei aktuell nachlassender Engagementbereitschaft; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) auch in Brandenburg angewachsen ist; eine eher unterdurchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein bundesweit niedriges Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung das Engagement vergleichsweise stark determinieren, zeigt einen relativ niedrigen Grad von gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Diese Norm scheint sozial eher heterogen verankert und in Teilen durch Segregationsprozesse sowie daraus resultierende wachsende soziale Ungleichheit beeinflusst zu sein. Gemeint ist damit, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 4 Positiv sticht hervor, dass sich der Migrationsstatus einer Person in Brandenburg anders als in den meisten anderen Bundesländern (vgl. Hauptbericht, Abschn. 4.3) nicht in einer niedrigeren Engagementwahrscheinlichkeit ausdrückt.

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Brandenburg eine vergleichsweise hohe Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen, wohingegen für den Osten ein Anwachsen um 13 % geschätzt wird. Für Brandenburg allerdings ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von etwa 26 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Angesichts dieses Szenarios stellt sich für das Land als erstrangige Zukunftsaufgabe, die aktuell leicht positive Entwicklung des Engagements weiter auszubauen beziehungsweise zu stabilisieren. Insbesondere sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die im Land vergleichsweise niedrige Engagementbereitschaft in der rasch wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.6 Landesprofil Hamburg

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Hamburg bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von nicht ganz 65 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt der Stadtstaat Hamburg leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg leicht an und überschreitet 2019 um etwa 4 Prozentpunkte den Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 61 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 4). Der Anteil öffentlich gemeinschaftlich Aktiver ist indes seit 2014 wie in vielen anderen Ländern auch leicht gesunken.

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von nicht ganz 42 % rangiert Hamburg hier im Mittelfeld und hierbei leicht über dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Wie in den meisten anderen Ländern ist die Landesbevölkerung mit 20 % kulturell und musikalisch am zweithäufigsten aktiv, was ebenfalls dem Bundestrend entspricht. Im Bereich Freizeit und Geselligkeit beteiligen sich die Menschen in Hamburg etwa ebenso häufig wie im sozialen Bereich (14 bzw. 13 %). Unter den deutschlandweit 5 häufigsten Aktivitäten belegt wie bei der Mehrheit der Länder auch in Hamburg der Bereich Schule oder Kindergarten (12 %) den letzten Rang (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.25).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Hamburg engagieren sich freiwillig?

Hamburg besetzt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von rund 36 % vor Sachsen den vorletzten Platz aller Länder. Damit liegt das Land etwa 4 Prozentpunkte unterhalb des Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.24).

Abb. 7.24
figure 24

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Hamburg im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Schon zu Beginn des Surveys 1999 wies Hamburg mit etwa 27 % eine leicht unterdurchschnittliche Quote freiwillig Engagierter in Deutschland auf. Seither stieg diese Quote wie schon bei den öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten im Vergleich mit den anderen Bundesländern weniger stark an und verbesserte sich von 1999 bis 2019 um 8 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in einem Großteil der Bundesländer ist in Hamburg freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 11 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.25; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Danach folgen mit geringen Unterschieden die Bereiche Soziales, Kultur und Musik sowie Kirche und Religion mit jeweils 8 beziehungsweise 7 %. Der Bereich Schule oder Kindergarten liegt mit knapp 6 % auf dem fünften Platz. Diese Rangfolge entspricht in etwa auch dem bundesweit erkennbaren Muster.

Abb. 7.25
figure 25

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Hamburg (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Hamburg die Mehrheit der befragten Engagierten (57 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 26 %, 6 h und mehr investieren noch etwa 18 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis überwiegend dem Bundesdurchschnitt. Dennoch investieren Menschen in Hamburg im Schnitt etwas mehr Zeit in ihr Engagement als in anderen Bundesländern (vgl. ebd.).

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die Kurve steigt in Hamburg seit 1999 ebenfalls deutlich an. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 nur 42 % ein, sind es 2019 fast 57 % der Befragten. Damit steigt dieses Zeitbudget für freiwilliges Engagement in seinem Verlauf seit 2009 deutlich stärker als im Bundestrend. Insgesamt festigt sich der Trend eines zeitlich eher verdichteten Engagements somit auch in Hamburg.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Hamburg wie in allen anderen Bundesländern auch mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangiert der Wunsch, etwas für das Gemeinwohl zu tun, und die Absicht, anderen zu helfen. Es folgen die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt, mit etwas Abstand, das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Hamburg stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 48 % Nennungen nur minimal über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (29 %), ältere Menschen (27 %) und mit etwas Abstand sozial Schlechtergestellte (20 %) sowie schließlich Hilfe- und Pflegebedürftige (16 %).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Hamburg ist freiwilliges Engagement so wie in allen anderen Bundesländern zwar hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Allerdings fällt der entsprechende Anteil mit 45 % genau wie in den zwei anderen Stadtstaaten im Ländervergleich eher niedrig aus. Hierbei kommt auch zum Ausdruck, dass das Bundesland unter seinen Befragten bezogen auf Deutschland insgesamt mit die niedrigste Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht auch, dass sich fast ein Viertel (24 %) der Gruppe freiwillig Engagierter individuell organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11), was bundesweit gemeinsam mit den Anteilen Berlins und Brandenburgs einen der höchsten Anteile darstellt. Etwas weniger Nennungen entfallen auf andere Formen der Organisation (13 %) und solche im kirchlichen und staatlichen Bereich (13 bzw. 9 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In ganz Deutschland und so auch in Hamburg wünschen sich freiwillig Engagierte an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (43 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (37 %), unbürokratische Kostenerstattung (33 %), Weiterbildung (38 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (32 %)) weicht die Hamburger Wunschliste nur geringfügig vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab, wobei das Augenmerk etwas stärker als beim Durchschnitt auf Weiterbildungsmöglichkeiten liegt.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (61 %) sowie die Anerkennung des Engagements als Praktika und Weiterbildung (54 %) stehen in Hamburg an der Spitze der genannten Vorschläge (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen nahezu gleichrangig die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (jeweils knapp über bzw. unter 50 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Hamburgerinnen und Hamburger sind es vor allem zeitliche Gründe, welche aus ihrer Sicht ein Hindernis für freiwilliges Engagement darstellen. Mit 70 % Nennungen kommt das Land hier bundesweit auf einen durchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen und die Scheu vor Verpflichtungen werden wie in allen anderen Bundesländern sehr viel seltener angeführt (40 bzw. 37 %). Hier sind die Verteilungen in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im Freiwilligensurvey mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Hamburg fällt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit etwa 65 % bundesweit am zweithöchsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16,).

Bemerkenswert ist hier die Entwicklung des Engagementpotenzials im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Die erwogene Engagementbereitschaft hat sich dabei in Hamburg um fast 25 Prozentpunkte erhöht und wird im Wachstum nur von Rheinland-Pfalz überboten (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses ungenutzte Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich folglich deutlich verbessert. Dieser Trend lässt sich, wenn auch in abgeschwächter Form, mit wenigen Ausnahmen ebenfalls in den meisten anderen Ländern verfolgen (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Hamburg mit fast 55 % Befragtenanteil im Bereich der Spendentätigkeiten auf dem zweiten Rang und damit fast an der Spitze der Länder (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in vielen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden zunächst zurückgegangen und stieg danach seit 2014 wieder an. Sie lag dabei kontinuierlich auf einem vergleichsweise hohen Niveau (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.26).

Abb. 7.26
figure 26

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Hamburg im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Hamburg knapp über 16 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit ist Hamburg zusammen mit Berlin das Bundesland mit der höchsten Engagementquote für Geflüchtete (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Dies ist für beide Stadtstaaten insofern von Bedeutung, als hier auch die Anteile an Geflüchteten und Menschen mit Migrationserfahrung am höchsten sind (vgl. dazu auch Hauptbericht, Kap. 4 und 5 bzw. Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Hamburgerinnen und Hamburger (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Wer der katholischen oder der protestantischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls leicht wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zur Ausübung eines freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich in Hamburg Männer und Frauen gleichstark (vgl. Abb. 7.27). Das Alter nimmt im Stadtstaat anders als in den anderen Ländern kaum einen Einfluss auf freiwilliges Engagement, mit Ausnahme der über 75-Jährigen.

Abb. 7.27
figure 27

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Hamburg ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung, Alter und Migrationshintergrund in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Hamburg besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Hamburg ein Bildungsbias signifikant. Höhere Schulbildung führt zudem wie gesehen häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Vergleich aller Bundesländer ist dieser Effekt in Hamburg am stärksten ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Demnach fällt der formale Bildungsgrad einer Person bei der Erklärung freiwilligen Engagements hier überdurchschnittlich stark ins Gewicht (vgl. ebd.). Das schlägt sich auch in den ausgeprägten Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- und der Niedriggebildeten nieder (vgl. Abb. 7.27).

Anders verhält es sich mit dem Faktor Alter. Normalerweise nimmt die Engagementquote mit zunehmendem Alter sehr stark ab. Dieser Alterseffekt spielt in Hamburg jedoch eine weit weniger wichtige Rolle als in anderen Bundesländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13). Dies zeigt sich wiederum an den vergleichsweise geringen Anteilsdifferenzen zwischen den verschiedenen Altersgruppen (vgl. Abb. 7.27), die keinen klaren Zusammenhang einer Einflussnahme dieses Faktors erkennen lassen. Dagegen fällt der Migrationshintergrund einer Person bei der Erklärung freiwilligen Engagements in Hamburg deutlich ins Gewicht; im Ländervergleich ist dieser Einfluss hier sogar am deutlichsten ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.16). Dies ist gerade in diesem Stadtstaat eine besondere Herausforderung, da hier auch der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund deutschlandweit mit am höchsten ausfällt (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4.3).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Hamburg werden die meisten betrachteten Umfeldindikatoren negativ beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf den hinteren Plätzen des bundesweiten Rankings (vgl. Kapitel Hauptbericht, 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, landet Hamburg demzufolge nur auf dem 13. Platz (vgl. Abb. 7.28). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Hamburg eine Koinzidenz von negativer Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise unterdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.28
figure 28

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im deutschlandweiten Vergleich weist Hamburg eine insgesamt konsolidierte Engagementlandschaft aus, verbunden mit diversen, teils stadtstaatspezifischen Herausforderungen. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit leicht unterhalb des Durchschnitts liegende Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte leicht angestiegene Aktivitäts- und Engagementquote; eine außerordentlich hohe Engagementbereitschaft; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) in Hamburg leicht angewachsen ist; eine eher unterdurchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie bundesweit mit das höchste Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung und Migrationsstatus das Engagement vergleichsweise sehr stark determinieren, zeigt einen relativ niedrigen Grad von gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Die Geltung dieser Norm scheint sozial eher heterogen geprägt und in Teilen stark von städtischen Segregationsprozessen und daraus resultierender sozialer Ungleichheit beeinflusst zu sein. Gemeint ist hier, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird.Footnote 5 Etwas abgemildert wird dieser Effekt durch den geringen Einfluss des Alters auf Engagement, was bedeutet, dass sich fast alle Altersgruppen ähnlich stark engagieren (vgl. Hauptbericht, Abschn. 4.3).

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Hamburg wie auch für die anderen Stadtstaaten eine vergleichsweise moderate Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit einem Zuwachs von 25 % zwar insgesamt überproportional zunehmen. Für Hamburg ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren jedoch mit einem Plus von nur etwa 15,7 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Vergleichsweise günstig erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios und des geringen Alterseffektes in Hamburg die Ausgangsbedingung für das Land, das Engagement zu stabilisieren. Gleichwohl sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft auch in dieser dennoch wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.7 Landesprofil Hessen

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Hessen bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von nicht ganz 68 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Hessen etwas über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet nimmt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg leicht ab und liegt 2019 etwa 3 Prozentpunkte unter dem Ausgangsniveau von 1999 (dieser betrug 70,7 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1 und 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 42 % rangiert Hessen hier im oberen Länderdrittel und über dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Wie in den meisten Ländern ist die hessische Landesbevölkerung mit 20 % kulturell und musikalisch am zweithäufigsten aktiv, was dem Bundestrend entspricht. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen in Hessen mit 17 %, etwas weniger tun sie dies im Bereich Freizeit und Geselligkeit (15 %). Unter den deutschlandweit 5 häufigsten Aktivitäten belegt wie bei der Mehrheit der Länder der Bereich Schule oder Kindergarten (12 %) auch hier den letzten Rang (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.30).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Hessen engagieren sich freiwillig?

Hessen weist 2019 im bundesweiten Vergleich eine Engagementquote von rund 41 % auf. Damit liegt das Land leicht über dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % und rangiert im oberen Länderdrittel (vgl. Abb. 7.29).

Abb. 7.29
figure 29

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Hessen im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Über 2 Jahrzehnte hinweg weist Hessen kontinuierlich eine überdurchschnittlich hohe Quote freiwillig Engagierter auf. Bei den bisherigen Messzeitpunkten des FWS (1999, 2004, 2009, 2014) war das Land durchweg im oberen Drittel der Bundesländer verortet. Dabei fiel die Quote zunächst bis 2009, stieg aber seitdem wieder an und liegt 2019 gut 4 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von etwa 37 %. Das entspricht langfristig einem eher unterdurchschnittlichen Wachstum (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie die öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten ist auch freiwilliges Engagement in Hessen so wie ausnahmslos in allen Flächenländern im Bereich Sport und Bewegung mit Abstand am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.30; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Im Bundesland engagieren sich in diesem Feld gut 15 % der Befragten. Dahinter folgen die Bereiche Kultur und Musik (etwa 10 %), der soziale Bereich (9 %), der kirchliche beziehungsweise religiöse Sektor (8 %) sowie Schule oder Kindergarten (7 %). Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster, mit Ausnahme des kirchlich-religiösen Bereiches, der in Hessen auf dem vierten und nicht auf dem fünften Platz rangiert (die gesamte Rangfolge wird erkennbar in Abb. 7.30).

Abb. 7.30
figure 30

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Hessen (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Hessen die Mehrheit der befragten Engagierten (58 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nimmt sich immerhin ein Viertel (25 %) der Engagierten, 6 h und mehr investieren etwa 17 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis klar dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein angewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 10). Die entsprechende Kurve steigt in Hessen zumindest seit 2014 ebenfalls erneut deutlich an. Ordneten sich in dieser unteren Zeitkategorie 1999 nur knapp 51 % ein, sind es 2019 schon rund 58 % der Befragten. Das Zeitbudget für freiwilliges Engagement entspricht in seinem Verlauf seit 2009 in Hessen somit weitgehend dem Bundestrend, fällt aber weniger deutlich aus.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Hessen wie in allen anderen Bundesländern auch mit Abstand die Hauptmotivation dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für das Land gemessene Mittelwert entspricht hier beinahe exakt dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren der Wunsch, etwas für das Gemeinwohl zu tun, und die Absicht, anderen zu helfen. Mit leichtem Abstand folgen alsdann die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern – mit minimalen Unterschieden – ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Hessen stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 48 % Nennungen nur minimal über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (35 %), ältere Menschen (31 %) und mit einigem Abstand sozial Schlechtergestellte sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (jeweils 18 bzw. 17 %).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Hessen ist freiwilliges Engagement hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert. Mit 57 % ist dieser Umstand deutlicher ausgeprägt als in den meisten anderen Bundesländern. Bundesweit ist dies hinter dem des Saarlands der zweithöchste Anteil (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Hierbei kommt auch zum Ausdruck, dass das Bundesland in Deutschland unter allen Befragten mit die höchste Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). Dem entspricht andererseits, dass sich nicht einmal ein Fünftel (14 %) der Gruppe freiwillig Engagierter eigenständig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Fast ebenso wenig Nennungen entfallen auf kirchliche Vorfeldorganisationen (12 %), gefolgt von staatlichen und anderen Formen formaler Gebundenheit (8 bzw. 9 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In ganz Deutschland und also auch in Hessen wünschen sich freiwillig Engagierte an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (48 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (41 %), Weiterbildung (38 %), unbürokratische Kostenerstattung (31 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (28 %)) weicht die Wunschliste in Hessen in der auf ihr abgebildeten Verteilung nicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Die Anteile jener von den Befragten geäußerten Optimierungswünsche, welche sich an staatliche und öffentliche Stellen richten, fallen im Ländervergleich grundsätzlich etwas höher aus als die auf den Innenbereich der Organisation gerichteten Begehren. Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen stehen entsprechend in Hessen klar an der Spitze der Wunschliste. Die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, eine Anerkennung des Engagements als Praktika und Weiterbildungen sowie ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall werden in etwa gleichrangig gewünscht (jeweils etwa 53 %). Dahinter folgt mit leichter Differenz die steuerfreie Aufwandsentschädigung mit 46 %.

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Menschen in Hessen sind es vor allem zeitliche Gründe, welche ein Hindernis für freiwilliges Engagement darstellen. Mit 68 % Nennungen kommt das Land hier bundesweit auf einen unterdurchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen (39 %) und die Scheu vor Verpflichtungen (35 %) werden wie in allen anderen Bundesländern auch sehr viel seltener angeführt. Auch diese Verteilungen sind in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Hessen liegt dieser Anteil bei Befragten, die bisher nicht engagiert sind, mit etwa 61 % über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16) und somit noch knapp im oberen Drittel bei Vergleich der Bundesländer.

Bemerkenswert ist hier zudem die ungebrochen positive Entwicklung der Engagementbereitschaft im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Obgleich die Quote des tatsächlich ausgeübten Engagements im Land von 1999 bis 2019 um nur etwa 4 Prozentpunkte anstieg, erhöhte sich parallel dazu die erwogene Engagementbereitschaft im Land um fast 22 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich folglich weiter verbessert. Dieser Trend tritt ebenfalls in den meisten anderen Ländern auf, wenn auch weniger stark ausgeprägt (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich verzeichnete Hessen mit fast 54 % zuletzt eine hohe Spendentätigkeit der Befragten (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst auch in Hessen deutlich eingebrochen, stabilisierte sich danach aber zwischen 2014 und 2019 wieder (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.31).

Abb. 7.31
figure 31

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Hessen im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Hessen fast 15 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land diesbezüglich über dem bundesweiten Durchschnittswert von 12,4 % und gehört zu den 3 Ländern mit der höchsten Befragtenquote in diesem Bereich (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Dies ist insofern bedeutsam, als in Hessen auch der Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte deutschlandweit gesehen sehr hoch ausfällt (vgl. Hauptbericht, Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Hessinnen und Hessen (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie etwas abgeschwächt in den mittleren Kohorten der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) wird freiwilliges Engagement am häufigsten ausgeübt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht ungleich seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls leicht wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zur Ausübung freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich in Hessen etwas mehr Männer als Frauen, dieser Geschlechterunterschied fällt aber kaum ins Gewicht (vgl. Abb. 7.32).

Abb. 7.32
figure 32

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Hessen ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Alter und Migrationshintergrund in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für den Länderbericht Hessen besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3).

Normalerweise nimmt die Engagementquote mit zunehmendem Alter sehr stark ab. Dieser Alterseffekt spielt in Hessen aber eine weniger wichtige Rolle (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13,). Das zeigt sich an den vergleichsweise geringeren Anteilsdifferenzen zwischen den verschiedenen Altersgruppen, ausgenommen die über 75-Jährigen (vgl. Abb. 7.32). Diese Differenzen lassen zudem kein eindeutiges Muster im Einfluss dieses Faktors auf freiwilliges Engagement erkennen. Bedeutsam ist hingegen der Migrationshintergrund einer Person für die Erklärung von Engagement in Hessen; im Ländervergleich gehört diese Einflussgröße nämlich mit zu den stärksten (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.16). Das heißt, der Migrationshintergrund von Personen ist in Hessen statistisch betrachtet durchaus ein gewisses Ausschlusskriterium für freiwilliges Engagement. Dies ist gerade in diesem Land eine besondere Herausforderung, da hier der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund deutschlandweit unter den Flächenländern am höchsten ausfällt (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4.3).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Hessen wie fast alle anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf. Dabei fällt diese Differenz neben Bayern in Hessen am deutlichsten aus. Zwischen ländlichen (53 %) und städtischen (41 %) Gebieten liegen hier mehr als 10 Prozentpunkte, womit für dieses Land die mit Abstand bundesweit höchste Differenz gemessen wird (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte in Hessen folglich auch besonders auf (vgl. Abb. 7.33). Eine nach Ortsgröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit der Ausübung freiwilligen Engagements ist allerdings nicht eindeutig erkennbar (vgl. ebd.).

Abb. 7.33
figure 33

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Hessen (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Hessen werden die 3 betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Vor allem bei der Bewertung des in Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf den vorderen Plätzen des bundesweiten Rankings.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Hessen vor Sachsen auf Platz 7 (vgl. Abb. 7.34). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Hessen eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement zumindest in Teilen erkennen. Dies deutet tendenziell auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.34
figure 34

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  • 4. Stand und Perspektiven des Engagements

Im Vergleich der Bundesländer weist Hessen eine kulturell und strukturell gefestigte Engagementlandschaft mit vergleichsweise geringen Herausforderungen auf, welche auch und gerade im ländlichen Raum auftreten. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit kontinuierlich im oberen Drittel angesiedelte Aktivitäts- und Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte zugleich überdurchschnittlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur leicht angewachsen ist; eine sehr hohe Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein auf bundesweit hohem Niveau konsolidiertes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Bildung und Einkommen, die andernorts Engagement stark determinieren, in Hessen eher durchschnittliche oder geringere Effekte haben, zeigt einen vergleichsweise hohen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Gemeint ist hiermit, dass ein freiwilliges Engagement eine verbreitete, allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt und eben in geringerem Maße von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird. Eine Herausforderung stellt sicherlich die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte dar, welche im Land zahlreich vertreten sind, jedoch deutlich weniger im freiwilligen Bereich partizipieren.

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel eine Herausforderung auch für Hessen. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit einem Zuwachs von 25 % überproportional zunehmen. Für Hessen ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von rund 24 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Entsprechend groß erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios die Herausforderung für das Land, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder gar auszubauen. Unumgänglich dürfte sein, die Angebote altengerechten Engagements rechtzeitig zu erweitern, um die grundsätzlich hohe Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren zu aktivieren und zu stabilisieren. Der im Ländervergleich geringere retardierende Einfluss des Alters kann hierbei unterstützend wirken.

7.8 Landesprofil Mecklenburg-Vorpommern

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Mecklenburg-Vorpommern bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von knapp über 64 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Mecklenburg-Vorpommern 2 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1) und im unteren Mittelfeld der Länder. Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg wie in anderen ostdeutschen Ländern auch, aber stark überdurchschnittlich an und liegt 2019 fast 14 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 50 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2). Einen stärkeren Anstieg verzeichnen nur Berlin und Thüringen. Damit klettert das Land im Länderranking vom letzten Platz 1999 auf den elften Platz 2019.

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 34 % hat Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich der Bundesländer in diesem Bereich die wenigsten Aktiven. Anders als in den meisten Ländern ist die Landesbevölkerung mit 18 % im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im kulturellen und musikalischen Bereich beteiligen sich die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern zu 17 %. Der soziale Bereich (14 %) liegt etwas dahinter, dicht gefolgt von Schule oder Kindergarten (12 %; für eine Auflistung aller Engagement und Aktivitätsbereiche vgl. auch Abb. 7.36).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern engagieren sich freiwillig?

Mecklenburg-Vorpommern belegt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von nicht ganz 38 % wie schon im Fall der öffentlich gemeinschaftlich Aktiven auch bei dieser Frage den elften Platz. Damit liegt das Land leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.35).

Abb. 7.35
figure 35

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys 1999 lag Mecklenburg-Vorpommern mit 25 % auf einem der untersten Plätze im Ländervergleich. Seit Beginn der Umfrage stieg die Quote wie in den meisten Bundesländern deutlich an, dieser Anstieg fiel in Mecklenburg-Vorpommern jedoch überdurchschnittlich stark aus. So hat sich der Anteil freiwillig Engagierter von 1999 bis 2019 um fast 13 Prozentpunkte verbessert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5). Einen größeren Zuwachs erreichten in dieser Zeit nur Berlin und Thüringen.

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Mecklenburg-Vorpommern freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit fast 15 % am häufigsten anzutreffen (vgl. Abb. 7.36; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern in den Bereichen Schule oder Kindergarten, Freizeit und Geselligkeit, Kultur und Musik sowie dem sozialen Bereich (jeweils über 7 %). Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster, mit Ausnahme des kirchlich-religiösen Bereiches, welcher in Mecklenburg-Vorpommern mit nur etwa 4 % auf dem achten und nicht wie in Gesamtdeutschland auf dem fünften Platz rangiert (vgl. ebd.). Zudem wird der Bereich Freizeit und Geselligkeit von den Befragten häufiger angegeben als im Bundesdurchschnitt (vgl. ebd.).

Abb. 7.36
figure 36

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Mecklenburg-Vorpommern (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Mecklenburg-Vorpommern eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (68 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). Das ist der bundesweit größte Anteil bei dieser Frage. 3 bis 5 h Zeit nehmen sich hingegen 12 %, 6 h und mehr investiert etwa ein Fünftel (20 %). Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis in Teilen dem Bundesdurchschnitt, wobei der Anteil derer, welche 3 bis 5 h aufwenden, im Ländervergleich am geringsten ausgeprägt ist.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement nur noch höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve verläuft auch in Mecklenburg-Vorpommern kontinuierlich aufwärts und stieg seit 1999 deutlich an. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 schon gut 47 % ein, sind es 2019 fast 68 % der Befragten. Im Ländervergleich steigt dieses Zeitbudget für freiwilliges Engagement in Brandenburg und Schleswig–Holstein bundesweit am stärksten an (vgl. ebd.).

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Mecklenburg-Vorpommern wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangieren der Wunsch, anderen zu helfen, und der Wille, etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit etwas Abstand folgen dann die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und an letzter Stelle der Austausch mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt und ist auch in Mecklenburg-Vorpommern stark an der gesamtdeutschen Verteilung angelehnt (vgl. ebd.).

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Mecklenburg-Vorpommern stellt zwar insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 48 % Nennungen nur leicht unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Allerdings liegen die Anteile für die unterschiedlichen Zielgruppen hier deutlich näher zusammen. So folgen zahlenmäßig in absteigender Reihenfolge ältere Menschen (43 %) und Familien (42 %) und mit großem Abstand fast gleichauf miteinander sozial Schlechtergestellte (16 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (14 %) als weitere Zielgruppen.

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Mecklenburg-Vorpommern ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Der genaue Anteil entspricht mit 54 % in etwa dem bundesweiten Wert. Die anderen Formen organisationaler Bindung folgen alsdann mit deutlichem Abstand. So organisieren sich 17 % der Befragten individuell und 11 % in kirchlichen oder anderen Kontexten. Etwa 7 % gaben an, sich im Rahmen einer staatlichen oder kommunalen Einrichtung freiwillig zu engagieren.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In ganz Deutschland und so auch in Mecklenburg-Vorpommern wünschen sich freiwillig Engagierte an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (46 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (43 %), unbürokratische Kostenerstattung (34 %), Weiterbildung (40 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (37 %)) weicht die angegebene Wunschliste in Mecklenburg-Vorpommern nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (56 %) sowie die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung (54 %) und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (53 %) stehen in Mecklenburg-Vorpommern annähernd gleichrangig an der Spitze der von den Befragten geäußerten Wunschliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf (50 %) und die Anerkennung des Engagements als Praktikum und Weiterbildung (45 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern sind es insbesondere zeitliche Gründe, die aus ihrer Sicht ein Hindernis an freiwilligem Engagement darstellen. Mit 74 % entsprechender Nennungen kommt das Land hier bundesweit mit auf den höchsten Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie eine Abneigung gegen Verpflichtungen werden dabei ebenso wie in allen anderen Bundesländern sehr viel seltener angeführt (38 bzw. 35 %). Auch diese Verteilungen sind in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Mecklenburg-Vorpommern fällt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit etwa 53 % im bundesweiten Vergleich betrachtet niedrig aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte stieg die Engagementbereitschaft in Mecklenburg-Vorpommern im Verhältnis zu den anderen Ländern unterdurchschnittlich stark an und nahm nach 2009 insgesamt sogar leicht ab (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Mecklenburg-Vorpommern folglich nur geringfügig verbessert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Mecklenburg-Vorpommern mit nicht ganz 49 % der Befragten bei den Spendentätigkeiten im unteren Bereich des Länderrankings vor Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst etwas eingebrochen, stieg danach aber seit 2009 kontinuierlich an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19) und liegt damit nun leicht über dem Ausgangsniveau von gut 48 % aus dem Jahr 1999. Mecklenburg-Vorpommern gehört damit zu den wenigen Bundesländern, welche in den letzten 20 Jahren in der Gesamtbilanz keine Spendenden verloren haben (Abb. 7.37).

Abb. 7.37
figure 37

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Mecklenburg-Vorpommern etwa 10 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land beim Bundesvergleich im unteren Drittel der Länder (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Unter den 5 ostdeutschen Flächenländern ist hier die Quote allerdings am zweithöchsten. Auch fällt hier der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund mit 10 % im ostdeutschen Vergleich am zweithöchsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie leicht abgeschwächt in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) ist ein solches Engagement am wahrscheinlichsten anzutreffen. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht eher seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Sind Kinder im Haushalt, ist ebensolches Engagement ebenfalls leicht wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zur Ausübung freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich in Mecklenburg-Vorpommern etwas mehr Männer als Frauen (vgl. Abb. 7.38). Die Religionszugehörigkeit spielt hier anders als in anderen Bundesländern keine Rolle.

Abb. 7.38
figure 38

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Mecklenburg-Vorpommern ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung, Alter und Religionszugehörigkeit in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Mecklenburg-Vorpommerns besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Mecklenburg-Vorpommern ein Bildungsbias signifikant. Dabei führt höhere Schulbildung häufiger zur Ausübung freiwilligen Engagements. Im Ländervergleich ist dieser Effekt hier allerdings überdurchschnittlich schwach ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Entsprechend fällt der formale Bildungsgrad einer Person für die Erklärung von Engagement wesentlich weniger stark ins Gewicht als beispielsweise in Hamburg (vgl. ebd.). Das schlägt sich auch in vergleichsweise niedrigeren Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- und der Niedriggebildeten nieder (vgl. Abb. 7.38).

Ähnlich verhält es sich mit dem Faktor Alter. Normalerweise nimmt die Engagementquote mit zunehmendem Alter stark ab. Dieser Alterseffekt spielt in Mecklenburg-Vorpommern aber eine weit weniger wichtige Rolle als in allen anderen Ländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13). Dies zeigt sich auch an den vergleichsweise geringen Anteilsdifferenzen zwischen den verschiedenen Altersgruppen (vgl. Abb. 7.38). Als unbedeutend für die Erklärung freiwilligen Engagements erweist sich zudem die Religionszugehörigkeit: Hier ist Mecklenburg-Vorpommern das einzige Bundesland, in dem dieser Faktor keine Rolle spielt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.14, sowie Abb. 7.38).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Mecklenburg-Vorpommern genau wie eine Vielzahl der anderen Länder eine leichte Stadt-Land-Differenz auf. Allerdings fällt diese Differenz in diesem Bundesland eher gering aus: Zwischen ländlichen (39 %) und städtischen (36 %) Gebieten liegen hier lediglich 3 Prozentpunkte Unterschied (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements zeigen sich kaum Unterschiede (vgl. Abb. 7.39).

Abb. 7.39
figure 39

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Mecklenburg-Vorpommern (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Mecklenburg-Vorpommern werden die 3 betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land eher auf den oberen Plätzen des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, erreicht Mecklenburg-Vorpommern den fünften Platz (vgl. Abb. 7.40). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Mecklenburg-Vorpommern aber eher keine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise überdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Es sei aber angemerkt, dass das Land innerhalb der ostdeutschen Bundesländer, wie die Analysen gezeigt haben, eine insgesamt vergleichsweise positive Engagementbilanz aufweisen kann.

Abb. 7.40
figure 40

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im deutschlandweiten Vergleich weist Mecklenburg-Vorpommern eine sich positiv entwickelnde Engagementlandschaft mit gutem Potenzial auf. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine im unteren Mittelfeld liegende Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte überdurchschnittlich angestiegene Aktivitäts- und Engagementquote bei moderat steigender Engagementbereitschaft; ein insgesamt deutlich gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) in Mecklenburg-Vorpommern mit am stärksten angewachsen ist; eine durchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein bundesweit verglichen unterdurchschnittliches, aber gleichwohl gestiegenes Spendenaufkommen.

Dass zudem wichtige soziodemografische Merkmale wie Bildung, Alter und Religionszugehörigkeit das Engagement vergleichsweise schwach bis gar nicht determinieren, zeigt einen hohen Grad von gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Gemeint ist hier, dass ein freiwilliges Engagement als eine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) verbreitet ist und weniger von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Mecklenburg-Vorpommern eine deutliche Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen, wohingegen für den Osten ein Wert von 13 % geschätzt wird. Für Mecklenburg-Vorpommern ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von etwa 27 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Vergleichsweise herausfordernd erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios die Aufgabe für das Land, die aktuell positive Entwicklung weiter auszubauen beziehungsweise zu stabilisieren. Insbesondere sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die in Mecklenburg-Vorpommern moderate Engagementbereitschaft in der rasch wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren. Eine gute Voraussetzung hierfür hat das Land aufgrund des aktuell geringen Einflusses des Alters auf Engagement.

7.9 Landesprofil Niedersachsen

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Niedersachsen bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von nicht ganz 70 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Niedersachsen oberhalb des Bundesdurchschnitts von 66 % und belegt im Länderranking den zweiten Platz hinter Schleswig–Holstein (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet nimmt die Aktivitätsrate nach einem raschen Anstieg zu Beginn der Befragung 1999 über die Jahre hinweg seit 2004 auf hohem Niveau kontinuierlich minimal ab und liegt 2019 etwa 6 Prozentpunkte über dem Ausgangsniveau von 1999 (dieses betrug 63,5 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1 und Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 44 % rangiert Niedersachsen hier im oberen Länderdrittel und über dem Bundesdurchschnitt von 40 %. Gemeinsam mit den meisten anderen Ländern ist die Landesbevölkerung Niedersachsens mit 18 % kulturell und musikalisch am zweithäufigsten aktiv, was dem Bundestrend entspricht. Im Bereich Freizeit und Geselligkeit beteiligen sich die Niedersachsen mit 16 % etwas weniger als im sozialen Bereich (15 %). Unter den deutschlandweit 5 häufigsten Aktivitätsbereichen belegt wie bei der Mehrheit der Länder der Bereich Schule oder Kindergarten mit nunmehr 13 % den letzten Rang (für eine Auflistung aller Bereiche vgl. auch Abb. 7.42).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Niedersachsen engagieren sich freiwillig?

Niedersachsen weist 2019 im bundesweiten Vergleich eine Engagementquote von rund 39 % auf. Damit liegt das Land fast genau im Bundesdurchschnitt von 39,7 % und rangiert im Mittelfeld der Bundesländer (vgl. Abb. 7.41).

Abb. 7.41
figure 41

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Niedersachsen im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Bis 2014 wies Niedersachsen eine überdurchschnittlich hohe Quote freiwillig Engagierter auf. Bei 3 früheren Erhebungspunkten des FWS (2004, 2009, 2014) war das Land durchweg im oberen Drittel der Bundesländer verortet. Dabei stieg die Quote zunächst bis 2014 stark an, der Anstieg schwächte sich aber seitdem etwas ab. Im Jahr 2019 liegt die Engagementquote gut 11 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von etwa 28 %, was einem leicht überdurchschnittlichen Wachstum entspricht (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Analog zu den öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten ist auch freiwilliges Engagement in Niedersachsen wie ausnahmslos in allen Flächenländern im Bereich Sport und Bewegung mit Abstand am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.42; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Im Bundesland engagieren sich in diesem Feld gut 14 % der Befragten. Dahinter folgen Schule oder Kindergarten (etwa 9 %), der soziale Bereich (8 %), der kirchliche beziehungsweise religiöse Sektor sowie Kultur und Musik mit jeweils 7 %. Diese Rangfolge entspricht in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster (vgl. ebd.).

Abb. 7.42
figure 42

(Quelle: Eigene Berechnungen; Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Niedersachsen (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen Bundesländern gibt in Niedersachsen die Mehrheit der befragten Engagierten (57 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nimmt sich ein Viertel (25 %) der Engagierten, 6 h und mehr investieren etwa 19 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Diese Zeitaufwandskurve steigt in Niedersachsen von 1999 bis 2014 kontinuierlich an und bleibt dann konstant. Ordneten sich in dieser unteren Zeitkategorie 1999 nur 45 % ein, sind es 2019 rund 57 % der Befragten. Das Zeitbudget für freiwilliges Engagement entspricht in seinem Verlauf in Niedersachsen somit weitgehend dem Bundestrend.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist in Niedersachsen wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand die Hauptmotivation dafür, sich freiwillig zu engagieren. Der für das Land gemessene Mittelwert entspricht hierin beinahe exakt dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren der Wunsch, etwas für das Gemeinwohl zu tun, und die Absicht, anderen zu helfen. Mit gleichem Abstand folgt die Möglichkeit, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe für Engagement ist in allen Bundesländern – mit minimalen Unterschieden – ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Niedersachsen stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von etwa 49 % Nennungen nur minimal unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (42 %), ältere Menschen (34 %) und mit einigem Abstand Hilfe- und Pflegebedürftige (18 %) sowie sozial schlechtergestellte Personen.

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Niedersachsen ist freiwilliges Engagement wie in allen anderen Ländern auch hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert. Dabei liegt das Land mit einem Wert von 45 % geringfügig unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Damit korreliert wiederum der höhere Anteil an freiwillig Engagierten, welche ihr Engagement selbst organisieren (20 %). Weniger Nennungen entfallen auf kirchliche und andere Vorfeldorganisationen (je 13 %), gefolgt von staatlichen bzw. kommunalen Formen der Organisation mit 9 %.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Wie in ganz Deutschland wünschen sich freiwillig Engagierte auch in Niedersachsen an organisatorischen Verbesserungen vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (45 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (36 %), Weiterbildung (36 %), unbürokratische Kostenerstattung (30 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (33 %)) weicht die Wunschliste der Niedersachsen in der aus ihr ersichtlichen Verteilung nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab (vgl. ebd.).

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Die von den Befragten dargelegten Optimierungswünsche, welche sich an staatliche und öffentliche Stellen richten, fallen in der Regel anteilig betrachtet etwas höher aus als die an Organisationen adressierten Bedarfsanmeldungen. Bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen sowie ein Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall stehen in Niedersachsen mit 58 beziehungsweise 55 % an der Spitze der Vorschlagsliste. Die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf, eine Anerkennung des eigenen Engagements als Praktika und Weiterbildungen sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung folgen im Anschluss gleichrangig (jeweils etwa 51 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Personen in Niedersachsen sind es vor allem zeitliche Gründe, welche ein Hindernis für freiwilliges Engagement darstellen. Mit 70 % an entsprechenden Nennungen kommt das Land hier im bundesweiten Vergleich auf einen minimal unterdurchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen (38 %) und die Scheu vor Verpflichtungen (36 %) werden hier wie in allen anderen Bundesländern sehr viel seltener als Begründungen für Nichtengagement angeführt. Auch diese Verteilung entspricht derjenigen, die in allen Bundesländern nachweisbar ist (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Niedersachsen liegt dieser Anteil bei Befragten, die bisher nicht engagiert sind, mit etwa 60 % leicht über dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16) und im oberen Mittelfeld der Länderwerte.

Bemerkenswert ist die ungebrochen positive Entwicklung der Engagementbereitschaft im Zeitverlauf der letzten zwei Jahrzehnte. Obgleich die Quote des tatsächlich ausgeübten freiwilligen Engagements im Land von 1999 bis 2019 um gut 11 Prozentpunkte anstieg, erhöhte sich parallel dazu die erwogene Engagementbereitschaft im Land ebenfalls, nämlich um fast 22 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich folglich weiter verbessert. Dieser Trend tritt ebenfalls in den meisten anderen Ländern auf, wenn auch weniger stark ausgeprägt (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich verzeichnet Niedersachsen mit fast 51 % eine unterdurchschnittlich hohe Spendentätigkeit (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst auch in Niedersachsen deutlich eingebrochen und erholte sich danach seit 2009 partiell (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.43).

Abb. 7.43
figure 43

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Niedersachsen im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Niedersachsen gut 13 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt der Landeswert etwa in Höhe des bundesweiten Durchschnittswerts von 12,4 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22) und hierbei im oberen Länderdrittel.

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen in Niedersachsen (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (30–49 Jahre) ist ein freiwilliges Engagement am häufigsten angesiedelt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich zudem. Arbeitslosigkeit geht seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften.

Leben Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement in Niedersachsen deutlich wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich hier wesentlich seltener zu einem freiwilligen Engagement als Befragte ohne Migrationshintergrund. Im Schnitt engagieren sich in Niedersachsen etwas mehr Frauen als Männer; dieser Geschlechterunterschied fällt im Verhältnis zwar kaum ins Gewicht, stellt bundesweit aber eine Ausnahme dar (vgl. Abb. 7.44). Da es vor allem Frauen sind, welche zur Ausübung eines Engagements neigen, sobald Kinder im Haushalt leben, wäre der vergleichsweise starke Effekt dieses Indikators ein möglicher Erklärungsfaktor.

Abb. 7.44
figure 44

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Niedersachsen ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Geschlecht, Einkommen und Kinder im Haushalt in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Niedersachsens besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Während sich das Geschlecht in den meisten Bundesländern gar nicht auf diesen Bereich auswirkt und wenn überhaupt, dann männliche Befragte eine höhere Engagementquote aufweisen, ist dies in Niedersachsen genau umgekehrt. Hier engagieren sich im Schnitt signifikant mehr Frauen (vgl. Abb. 7.44 sowie Hauptbericht, Abb. 4.10). Höhere Einkommen sind freiwilligem Engagement in allen Bundesländern durchweg förderlich und dieser Effekt ist in Niedersachsen besonders stark ausgeprägt. Das heißt, freiwilliges Engagement wird hier stärker als in anderen Ländern vom Haushaltseinkommen einer Person bestimmt. Das spiegelt sich auch in der hier höheren Differenz der Engagementquoten zwischen den hohen und den niedrigen Einkommensgruppen wieder (vgl. Abb. 7.44 sowie Hauptbericht, Abb. 4.11). Ähnliches gilt für Kinder im Haushalt: Eine solche familiale Koexistenz führt insbesondere in Niedersachsen zu höherem Engagement, welches dann häufiger im Bereich Schule oder Kindergarten angesiedelt ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 4, Abb. 4.12).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Niedersachsen so wie viele andere Länder eine leichte Stadt-Land-Differenz auf. Zwischen ländlichen (43 %) und städtischen (39 %) Räumen liegen hier 4 Prozentpunkte Unterschied (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17,).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte ausgeübten freiwilligen Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte auf (vgl. Abb. 7.45). Eine nach Ortsgröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist hingegen nicht erkennbar (vgl. ebd.).

Abb. 7.45
figure 45

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Niedersachsen (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte surveyexterne Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Niedersachsen werden diese 3 betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Bei der Bewertung kommunaler Beteiligungsmöglichkeiten des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens und dem Vertrauen in die lokale Verwaltung liegt das Land mit Bayern auf den beiden vordersten Plätzen des bundesweiten Rankings.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Niedersachsen nach Bayern auf Platz 2 (vgl. Abb. 7.46). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Niedersachsen eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement nur bedingt erkennen. Dies deutet in diesem Fall auf eine eher geringe Wechselwirkung beider Einstellungsebenen in Niedersachsen hin.

Abb. 7.46
figure 46

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im deutschlandweiten Vergleich weist Niedersachsen eine heterogene Engagementlandschaft mit unterschiedlichen Herausforderungen bei gleichzeitig sehr guten Kontextbedingungen auf. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit kontinuierlich im oberen Drittel angesiedelte Aktivitäts- und etwas darunter verlaufende Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte auf hohem Niveau angesiedelte und gleichzeitig ansteigende Engagementbereitschaft; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) kontinuierlich angewachsen ist; eine hohe Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine, Verbände und individuelle Organisationsstrukturen sowie ein bundesweit betrachtet eher niedriges Niveau konsolidierten Spendenaufkommens.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Bildung und Einkommen, die andernorts Engagement stark determinieren, in Niedersachsen uneinheitlich wirken, zeigt einen vergleichsweise uneindeutigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Gemeint ist hier, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine eindeutig allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 6

Mittel- bis langfristig gesehen bedeutet der demografische Wandel eine Herausforderung für Niedersachsen. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter gerade in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Niedersachsen ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von rund 24 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Entsprechend groß erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios die Herausforderung für das Land, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder gar auszubauen. Unumgänglich dürfte sein, die Angebote altengerechten Engagements rechtzeitig zu erweitern, um die allgemein hohe Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren zu aktivieren und zu stabilisieren.

7.10 Landesprofil Nordrhein-Westfalen

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Nordrhein-Westfalen, bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019, auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von knapp über 63 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Nordrhein-Westfalen unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate von 1999 bis 2004 in Nordrhein-Westfalen um etwas mehr als 4 Prozentpunkte sowie dann weiter bis 2009 nur noch geringfügig um 0,5 % an. Sie sinkt seit 2014 jedoch wieder und liegt 2019 mit 63,2 % minimal unter dem Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 64 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Mit einem Anteil von 40 % rangiert das Land im Vergleich mit den anderen Bundesländern im Mittelfeld und liegt hierbei gleichauf mit dem Bundesdurchschnitt. Mit anteiligen 17 % ist die Landesbevölkerung im kulturellen und musikalischen Bereich am zweithäufigsten aktiv, was im Bundesvergleich einem Platz im unteren Mittelfeld entspricht. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen mit 15 % etwas häufiger als im Bereich Freizeit und Geselligkeit (13 %) sowie im Bereich Schule oder Kindergarten (12 %; für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.48).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen engagieren sich freiwillig?

Trotz einer leichten Steigerung der Engagementquote von 36 % im Jahr 2014 auf jetzt 36,3 % landet Nordrhein-Westfalen 2019 im bundesweiten Vergleich auf dem 13. Platz vor Brandenburg, Hamburg und Sachsen. Damit nimmt das Land eine Position unterhalb des Bundesdurchschnitts (39,7 %) ein (vgl. Abb. 7.47).

Abb. 7.47
figure 47

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Nordrhein-Westfalen im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zum Zeitpunkt des ersten Surveys 1999 lag Nordrhein-Westfalen mit rund 31 % im Ländervergleich im Mittelfeld und nahe am Bundesdurchschnitt. Von 2004 bis 2009 sank die Engagementquote etwas, stieg wie in den meisten Ländern bis 2014 jedoch deutlich an. Insgesamt fiel der Anstieg der Engagementquote in Nordrhein-Westfalen aber im Bundesvergleich relativ gering aus. Der Anteil freiwillig Engagierter erhöhte sich von 1999 bis 2019 um rund 5 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme von Berlin) findet in Nordrhein-Westfalen freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit fast 12 % am häufigsten statt (vgl. Abb. 7.48; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich Menschen in Nordrhein-Westfalen im sozialen Bereich (8 %), dicht gefolgt vom Bereich Schule oder Kindergarten (rund 8 %). Darauf folgen mit jeweils rund 7 % ebenfalls fast gleichauf der kirchliche oder religiöse Bereich sowie Kultur und Musik. Mit Ausnahme des letztgenannten Bereichs, der im Bundesdurchschnitt das zweithäufigste Feld für Engagement ist, entspricht diese Rangfolge in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster.

Abb. 7.48
figure 48

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile freiwillig engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Nordrhein-Westfalen (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch beziffert in Nordrhein-Westfalen eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (56 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit den meisten freiwillig Engagierten, die wöchentlich 3 bis 5 h für ihr Engagement aufwenden (27 %); 17 % investieren 6 h und mehr. Die Verteilung dieser Zeitanteile entspricht im Großen und Ganzen dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). In Nordrhein-Westfalen schwankt die entsprechende Kurve allerdings im Zeitverlauf. Zunächst sank der Anteil jener Engagierten, die bis zu 2 Wochenstunden für ihr freiwilliges Engagement aufwenden, von 1999 bis 2009 geringfügig, stieg dann bis 2014 erkennbar auf 59 % und ging bis 2019 wiederum um rund 3 Prozentpunkte zurück.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Nordrhein-Westfalen wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv für ein freiwilliges Engagement (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangieren die Motive, anderen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit Abstand folgen dann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Nordrhein-Westfalen stellt insoweit keine Ausnahme dar und liegt mit einem Anteil von 52 % Nennungen im Bundesvergleich auf dem zweiten Platz (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen für freiwilliges Engagement sind Familien (40 %), ältere Menschen (34 %) und mit etwas Abstand, aber fast gleichauf miteinander sozial schlechtergestellte Personen sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (jeweils rund 22 %).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Nordrhein-Westfalen ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11) und liegt mit 51 % knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Hierbei kommt zum Ausdruck, dass das Bundesland in Deutschland eine vergleichsweise etwas geringere Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). 18 % der Gruppe freiwillig Engagierter organisieren sich in Nordrhein-Westfalen hingegen eigenständig und 14 % über Kirchen oder religiöse Vereinigungen (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Etwas weniger Nennungen entfallen auf andere Formen der Organisation (10 %) und solche im staatlichen beziehungsweise kommunalen Bereich (7 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Vor allem wünschen sich die freiwillig Engagierten in Nordrhein-Westfalen genau wie die in ganz Deutschland mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (46 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). Bei weiteren genannten Desideraten weicht die nordrhein-westfälische Wunschliste leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab, nämlich bei fachlicher Unterstützung (37 %) und Weiterbildungsmöglichkeiten (35 %) nach unten sowie bei unbürokratischer Kostenerstattung und Anerkennung seitens Hauptamtlicher (jeweils rund 35 %) nach oben.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (57 %) steht in Nordrhein-Westfalen an der Spitze der Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen auf einem annähernd gleichen Niveau von jeweils rund 53 % die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung und die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf sowie etwas dahinter fast zu gleichen Anteilen die Anerkennung des Engagements als Praktikum beziehungsweise Weiterbildung (fast 50 %) und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (49 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Personen in Nordrhein-Westfalen sind es wie bundesweit überall auch hier vor allem zeitliche Gründe, welche ein Hindernis für die Ausübung von freiwilligem Engagement darstellen. Mit 71 % Nennungen verzeichnet Nordrhein-Westfalen hier im Vergleich zu den anderen Bundesländern einen durchschnittlichen Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie die Abneigung gegenüber Verpflichtungen werden hier ebenso wie in allen anderen Bundesländern sehr viel seltener als Begründungen angeführt (40 bzw. 41 %). Auch diese Verteilungen sind in allen untersuchten Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS 2019 mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Nordrhein-Westfalen liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 59 % auf der Höhe des Bundesdurchschnitts (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Auch im Fortgang der Entwicklung dieses Potenzials im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte bewegt sich Nordrhein-Westfalen nahe am bundesweiten Trend. Die Bereitschaft zur künftigen Übernahme freiwilligen Engagements stieg von 1999 zu 2009 deutlich und auch danach kontinuierlich weiter an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Nordrhein-Westfalen folglich nochmals verbessert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Nordrhein-Westfalen mit fast 53 % an Befragten im Bereich der Spendentätigkeiten im vorderen Mittelfeld des Länderrankings und damit abermals nahe am Bundesdurchschnitt (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen. Sie verzeichnete aber zwischen 2014 und 2019 wieder einen moderaten Anstieg (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.49).

Abb. 7.49
figure 49

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

Fast 13 % der Befragten in Nordrhein-Westfalen engagierten sich nach eigener Aussage in den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren für Geflüchtete. Damit liegt Nordrhein-Westfalen in dieser Hinsicht leicht über dem Bundesdurchschnitt und im vorderen Mittelfeld (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen aus Nordrhein-Westfalen (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20–65 Jahre) ist ein Engagement am wahrscheinlichsten. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht deutlich seltener mit Engagement einher als Berufstätigkeit, Ausbildung, Heimtätigkeit oder Ruhestand. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zu einem freiwilligen Engagement. Das Geschlecht hat in Nordrhein-Westfalen keinen signifikanten Einfluss auf die Ausübung freiwilligen Engagements (vgl. Abb. 7.50).

Abb. 7.50
figure 50

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Nordrhein-Westfalen ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung und Alter in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Nordrhein-Westfalen besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Nordrhein-Westfalen ein Bildungsbias signifikant, das heißt, höhere Schulbildung führt wie erwähnt häufiger zu solchem Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt durchschnittlich ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Mit steigendem Alter nimmt freiwilliges Engagement in allen Bundesländern ab, wobei sich dieses Merkmal in Nordrhein-Westfalen schwächer auswirkt als in den meisten anderen Ländern. Nur in Mecklenburg-Vorpommern ist der Effekt noch geringer ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Nordrhein-Westfalen wie die meisten anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte hier ausgeübten freiwilligen Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte auf (vgl. Abb. 7.51). Eine nach Gemeindegröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist hingegen nicht eindeutig erkennbar.

Abb. 7.51
figure 51

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Nordrhein-Westfalen (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden dabei die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Nordrhein-Westfalen werden 2 von 3 betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Bei der Bewertung der Partizipationschancen liegt Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu den anderen Bundesländern im vorderen Bereich, bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens im mittleren und hinsichtlich des Verwaltungsvertrauens im hinteren Feld des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Nordrhein-Westfalen im Mittelfeld (vgl. Abb. 7.52). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Nordrhein-Westfalen keine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise überdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet darauf hin, dass eher keine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen besteht.

Abb. 7.52
figure 52

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Verglichen mit den anderen Bundesländern weist Nordrhein-Westfalen zwar eine unterdurchschnittliche Engagementquote auf. In der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte gibt es aber gleichwohl Anzeichen dafür, dass sich die nordrhein-westfälische Engagementlandschaft partiell positiv darstellt bzw. verändert. Zu dieser Entwicklung trugen folgende Faktoren bei: eine kontinuierlich gestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist, sowie ein zuletzt leicht gestiegenes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter und Bildung, die andernorts Engagement stark determinieren, in Nordrhein-Westfalen schwächere bzw. durchschnittliche Effekte haben, zeigt einen vergleichsweise hohen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement nur (noch) abgeschwächt von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird und stattdessen bereits vergleichsweise häufig als eine allgemeine Maxime (wie dies vergleichbar für die Ausübung des Wahlrechts gilt) verinnerlicht wurde.

Mittel- bis langfristig bedeutet der demografische Wandel für Nordrhein-Westfalen eine vergleichsweise hohe Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Nordrhein-Westfalen ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Zuwachs von etwa 22 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Aufgrund dieses Zukunftsszenarios scheint es für das Land Nordrhein-Westfalen besonders wichtig zu sein, die im Bereich freiwilligen Engagements aktuell leicht positive Entwicklung weiter auszubauen bzw. zu stabilisieren. Die Angebote für altengerechtes Engagement sollten rechtzeitig erweitert werden, um die im Land vergleichsweise eher niedrige Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.11 Landesprofil Rheinland-Pfalz

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Rheinland-Pfalz bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von über 65 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Rheinland-Pfalz sehr nahe am Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate von 1999 bis 2004 deutlich um mehr als 14 % und damit auf den in jenem Jahr bundesweit höchsten Wert. Seither sank dieser Wert aber kontinuierlich. Er liegt 2019 immerhin um mehr als 6 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 59 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

Wie in allen Bundesländern sind in Rheinland-Pfalz mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 38 % rangiert das Land hier im Mittelfeld und knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Zu 19 % sind Rheinland-Pfälzer im kulturellen und musikalischen Bereich am zweithäufigsten aktiv. Hier belegt das Land im Bundesvergleich einen Platz im oberen Viertel. Im sozialen Bereich ist die landesweite Aktivität mit 18 % ähnlich häufig, was im Bundesvergleich den Spitzenplatz bedeutet. Im Bereich Freizeit und Geselligkeit engagieren sich ähnlich viele Personen (14 %) wie im Bereich Schule oder Kindergarten (13 %; für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.54).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Rheinland-Pfalz engagieren sich freiwillig?

Rheinland-Pfalz nimmt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von rund 42 % den dritten Platz hinter Baden-Württemberg und Schleswig–Holstein ein. Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt von knapp 40 % (vgl. Abb. 7.53).

Abb. 7.53
figure 53

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Rheinland-Pfalz im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 lag Rheinland-Pfalz mit rund 29 % freiwilligen Engagements unter den Befragten im Vergleich der Bundesländer im Mittelfeld und nahe am Bundesdurchschnitt. Von 1999 bis 2004 stieg die Engagementquote mäßig. Sie liegt seither beständig in einer Spitzengruppe dreier Länder, wenngleich die Engagementquote bis 2009 stagnierte. Wie in den meisten Bundesländern stieg sie dann bis 2014 wieder deutlich, sank bis 2019 jedoch um 2 Prozentpunkte. Insgesamt fiel der Anstieg der Engagementquote in Rheinland-Pfalz in den letzten 2 Jahrzehnten mit mehr als 12 % recht hoch aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Rheinland-Pfalz freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 16 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.54; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich die Menschen in Rheinland-Pfalz im kulturellen Bereich (10 %). Der soziale Bereich und der Bereich Schule oder Kindergarten folgen mit jeweils rund 8 % fast gleichauf. 7 % der Landesbewohnerinnen und -bewohner engagieren sich im kirchlich-religiösen Bereich. Diese Rangfolge entspricht im Großen und Ganzen dem bundesweit erkennbaren Muster.

Abb. 7.54
figure 54

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Rheinland-Pfalz (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch beziffert in Rheinland-Pfalz eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (63 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement auf bis zu 2 h in der Woche (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). Mit einem Anteil von 19 % engagieren sich mit im Schnitt 6 und mehr Wochenstunden etwas mehr Landesbewohnerinnen und -bewohner freiwillig gegenüber 18 %, die wöchentlich 3 bis 5 h für ihr Engagement aufwenden.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Wenngleich der Anstieg in Rheinland-Pfalz bis 2014 insgesamt moderat ausfiel, lag der Anteil jener Engagierten, die bis zu 2 Wochenstunden für ihr Engagement aufwenden, im Land stets im obersten Viertel (2019 bei 63 %).

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Rheinland-Pfalz wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Knapp dahinter rangieren die Motive, anderen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit Abstand folgen dann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Ähnlich verteilt ist die Prioritätensetzung der Beweggründe in allen Bundesländern.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Rheinland-Pfalz belegt mit 53 % Nennungen in diesem Zielgruppenbereich im Bundesvergleich die Spitzenposition (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind Familien (41 %), ältere Menschen (34 %), Hilfe- und Pflegebedürftige (17 %) sowie sozial schlechtergestellte Personen (14 %) (vgl. ebd.).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Rheinland-Pfalz ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Das entspricht mit rund 52 % dem Bundesdurchschnitt. Hierbei kommt zum Ausdruck, dass das Land in Deutschland eine vergleichsweise hohe Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). 18 % der freiwillig Engagierten organisieren sich in Rheinland-Pfalz hingegen eigenständig, womit diese Organisationsform wie in allen Bundesländern auf dem 2. Rang rangiert. Weitere 13 % nehmen den Weg zu ihrem freiwilligen Engagement über eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Etwas weniger Nennungen entfallen auf andere Formen der Organisation (12 %) und solche im staatlichen bzw. kommunalen Bereich (6 %). Diese Rangfolge entspricht dem Bundesdurchschnitt.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

An organisatorischen Verbesserungen wünschen sich freiwillig Engagierte in Rheinland-Pfalz wie in ganz Deutschland vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (49 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (40 %), Weiterbildungsmöglichkeiten (36 %), unbürokratische Kostenerstattung (33 %) und Anerkennung seitens Hauptamtlicher (30 %)) weicht die Wunschliste in Rheinland-Pfalz nicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (58 %) steht in Rheinland-Pfalz an der Spitze der geäußerten Verbesserungswünsche (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter rangieren mit jeweils rund 57 % die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung und die Anerkennung des eigenen Engagements als Praktikum beziehungsweise Weiterbildung (56 %). Mit etwas Abstand folgen dann zu fast gleichen Teilen die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf (52 %) sowie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (51 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Nach Auskunft der befragten Personen in Rheinland-Pfalz sind es wie in ganz Deutschland vor allem zeitliche Gründe, welche ein freiwilliges Engagement aus ihrer Sicht behindern. Mit 66 % Nennungen dieses Hindernisfaktors kommt das Land dabei auf den bundesweit niedrigsten Wert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie die Abneigung gegenüber Verpflichtungen werden hier wie in allen anderen Bundesländern auch deutlich weniger angeführt (40 bzw. 38 %). Auch diese Verteilung der Anteilswerte ist in allen Bundesländern ähnlich (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Rheinland-Pfalz liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 56 % etwas unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16), was der vergleichsweise hohen Engagementquote geschuldet sein dürfte.

Bemerkenswert ist zudem die Entwicklung dieses Potenzials im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Obgleich die Quote des tatsächlich ausgeübten Engagements im Land von 1999 bis 2019 um mehr als 12 Prozentpunkte anstieg, verdoppelte sich parallel dazu auch die Engagementbereitschaft im Land annähernd (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die hier ohnehin bereits gute Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich folglich nochmals verbessert. Während in Rheinland-Pfalz 1999 noch die zweitgeringste Engagementbereitschaft gemessen wurde, stieg diese bis 2004 ins obere Drittel unter den Bundesländern auf und pendelte sich seither im Mittelfeld ein.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Rheinland-Pfalz mit ca. 53 % Spendentätigkeiten vonseiten der Befragten im vorderen Mittelfeld aller Bundesländer und nahe am Bundesdurchschnitt (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen, sie stabilisierte sich zwischen 2014 und 2019 aber wieder (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.55).

Abb. 7.55
figure 55

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Rheinland-Pfalz im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Rheinland-Pfalz gut 11 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land leicht unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der Befragten in Rheinland-Pfalz (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich wird: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre), in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) sowie bei den 65- bis 74-Jährigen ist die Ausübung eines freiwilligen Engagements am weitesten verbreitet. Bei den über 75-Jährigen fällt dieses dann, wie auch in den anderen Ländern, deutlich ab. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht deutlich seltener mit freiwilligem Engagement einher als Berufstätigkeit, Ausbildung, Heimtätigkeit und auch Ruhestand. Wer christlich ist und entweder der evangelischen oder der katholischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Sind Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund hingegen entschließen sich seltener zu einem freiwilligen Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Rheinland-Pfalz Männer und Frauen annähernd im selben Maß (vgl. Abb. 7.56).

Abb. 7.56
figure 56

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Rheinland-Pfalz ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung und Einkommen in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Rheinland-Pfalz besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Rheinland-Pfalz ein Bildungsbias signifikant, das heißt, höhere Schulbildung führt wie erwähnt häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Ländervergleich betrachtet scheint dieser Effekt hier durchschnittlich ausgeprägt zu sein (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Höhere Einkommen fördern ebenfalls freiwilliges Engagement, aber auch dieser Zusammenhang ist für das Land im Ländervergleich nur moderat nachweisbar (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.12).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Rheinland-Pfalz wie die meisten anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte hier ausgeübten Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementdichte auf (vgl. Abb. 7.57). Eine nach Gemeindegröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist allerdings nicht erkennbar.

Abb. 7.57
figure 57

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Rheinland-Pfalz (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Rheinland-Pfalz werden alle drei betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Bei der Bewertung der Partizipationschancen und hinsichtlich des Verwaltungsvertrauens liegt das Land auf den vorderen Plätzen, bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens im Mittelfeld des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, nimmt Rheinland-Pfalz den vierten Rangplatz ein (vgl. Abb. 7.58). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Rheinland-Pfalz eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.58
figure 58

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Den Daten des Deutschen Freiwilligensurveys 2019 zufolge weist Rheinland-Pfalz im deutschlandweiten Vergleich eine kulturell und strukturell gefestigte Engagementlandschaft auf. Das zeigen folgende Befunde: eine bundesweit kontinuierlich im oberen Fünftel angesiedelte Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte kontinuierlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist, sowie ein auf solidem Niveau konsolidiertes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung und Einkommen, die andernorts freiwilliges Engagement stark determinieren, in Rheinland-Pfalz schwächere bzw. durchschnittliche Effekte haben, zeigt einen vergleichsweise hohen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement nur (noch) abgeschwächt von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird und stattdessen bereits vergleichsweise häufig als eine allgemeine Maxime (wie dies vergleichbar für die Ausübung des Wahlrechts gilt) verinnerlicht wurde.

Mittel- bis langfristig bedeutet der demografische Wandel für Rheinland-Pfalz eine Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Rheinland-Pfalz ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem noch größeren Plus von fast 28 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Als entsprechend schwierig erweist sich angesichts dieses Zukunftsszenarios für das Land die Aufgabe, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder gar auszubauen. Die Angebote für altengerechtes Engagement sollten deswegen rechtzeitig erweitert werden, um in Rheinland-Pfalz die Engagementbereitschaft in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.12 Landesprofil Saarland

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns im Saarland bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von etwa 63 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt das Saarland unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht Abb. 3.1). Im Zeitverlauf seit Beginn des Freiwilligensurveys betrachtet unterschreitet die Aktivitätsrate damit nach einem deutlichen Hoch 2009 und 2014 leicht den Ausgangswert von 1999 (dieser betrug 59 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern und so auch in dem an der Saar sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 37 % rangiert das Saarland hier im unteren Drittel. Mit 19 % ist die Landesbevölkerung im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen im Saarland mit 18 % ähnlich häufig und belegen damit bundesweit dicht hinter Rheinland-Pfalz den zweiten Platz. Im kulturellen und musikalischen Bereich engagieren sich ähnlich viele Saarländerinnen und Saarländer (17 %), im Bereich Schule oder Kindergarten sind es mit 12 % weniger (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.60).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen im Saarland engagieren sich freiwillig?

Das Saarland kommt 2019 auf eine Engagementquote von 39 %. Damit liegt das Land minimal unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % und rangiert im Mittelfeld der Bundesländer (vgl. Abb. 7.59).

Abb. 7.59
figure 59

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Saarland im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys 1999 lag das Saarland mit rund 33 % im Ländervergleich im oberen Viertel. Zwischen 2004 und 2009 sank die Engagementquote ins Mittelfeld der Länder. Wie in den meisten Bundesländern stieg sie bis 2014 deutlich an und lag 2019 um 6 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 33 %. Im Vergleich fällt die Wachstumsrate unterdurchschnittlich aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist im Saarland freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 17 % am häufigsten zu finden; dies entspricht dem bundesweit höchsten Wert (vgl. Abb. 7.60; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich die Menschen im Saarland im sozialen Bereich (10 %). Der kulturelle Bereich und der Bereich Schule oder Kindergarten liegen mit rund 8 % und rund 7 % fast gleichauf dahinter. Nur 4 % der Landesbewohnerinnen und -bewohner engagieren sich im kirchlich-religiösen Bereich.

Abb. 7.60
figure 60

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Saarland (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt im Saarland eine Mehrheit der befragten Engagierten (53 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). Ein Fünftel der Saarländerinnen und Saarländer engagiert sich 3 bis 5 h in der Woche. Mit 27 % sind mit Abstand die meisten freiwillig Engagierten, die wöchentlich 6 h und mehr hierfür aufwenden, im Saarland zu finden.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve verläuft im Saarland in gleicher Richtung, doch weniger geradlinig. Sie ist zwar von 2009 auf 2014 ebenfalls deutlich angestiegen, bis 2019 jedoch wieder gesunken auf einen Wert, der keine 2 Prozentpunkte über dem Ausgangsniveau von etwa 51 % liegt.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch im Saarland wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren die Motive, etwas für das Gemeinwohl zu tun sowie anderen Menschen zu helfen. Mit Abstand folgen sodann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem Familien mit 45 % Nennungen noch vor Kindern und Jugendlichen (42 %) die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements sind (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind ältere Menschen (38 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige und sozial Schlechtergestellte (jeweils rund 23 %) (vgl. ebd.).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

Im Saarland ist freiwilliges Engagement zu 58 % und damit noch deutlicher als in allen anderen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Hierin kommt zum Ausdruck, dass das Land in Deutschland eine vergleichsweise hohe Mitgliedsdichte in diesem Organisationssegment aufweist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.20). 18 % der Gruppe freiwillig Engagierter organisieren sich im Saarland hingegen individuell und weitere 13 % über andere Organisationsformen (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). 7 % der befragten Saarländerinnen und Saarländer gehen in ihrem freiwilligen Engagement den Weg über Kirchen oder weitere religiöse Vereinigungen sowie – im Vergleich der Bundesländer am seltensten – über den staatlichen bzw. kommunalen Bereich (rund 5 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

An organisatorischen Verbesserungen wünschen sich freiwillig Engagierte im Saarland vor allem fachliche Unterstützung (48 %) und dies somit noch zahlreicher als besser ausgestattete Räumlichkeiten (45 %), die in fast allen anderen Bundesländern als dringlichster Verbesserungsbedarf angemeldet werden (vgl. Hauptbericht, Abb. 14). Bei den weiteren genannten Desideraten Weiterbildungsmöglichkeiten (43 %) sowie unbürokratische Kostenerstattung (35 %) und Anerkennung seitens Hauptamtlicher (31 %) weicht die Wunschliste im Saarland nicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (61 %) sowie Versicherungsschutz bei Haftpflicht und Unfall (64 %) stehen im Saarland an der Spitze der Verbesserungswünsche (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Das sind für beide Bedarfsanmeldungen die bundesweit höchsten Werte. Danach folgen mit jeweils rund 56 % die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt und die Anerkennung des freiwilligen Engagements als Praktikum bzw. Weiterbildung. Mit etwas Abstand nimmt eine steuerfreie Aufwandsentschädigung den letzten Platz in der Rangfolge solcher Verbesserungswünsche ein (49 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

Im Saarland sind es wie überall auf der Länderebene vor allem zeitliche Gründe, welche als ein Hindernis für freiwilliges Engagement genannt werden. Mit 73 % Nennungen dieses Faktors liegt das Land hier bundesweit im oberen Drittel (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie die Abneigung gegenüber Verpflichtungen werden diesbezüglich genau wie in allen anderen Bundesländern viel seltener angeführt (jeweils rund 41 %). Im Vergleich aller Bundesländer sind die sich im Saarland ergebenden Verteilungen der genannten Hemmnisse für freiwilliges Engagement ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. Im Saarland entspricht dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 52 % in etwa dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Entwicklung der Engagementbereitschaft im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Entgegen dem bundesweiten Trend stieg sie im Saarland in den letzten 10 Jahren nur geringfügig an und nahm nach 2014 sogar leicht ab (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich im Saarland folglich tendenziell verschlechtert. Dieser Trend ist ähnlich noch in Thüringen und Brandenburg feststellbar (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt das Saarland mit fast 52 % Spendentätigkeiten vonseiten der Befragten im Mittelfeld des Länderrankings sowie nahe am Bundesdurchschnitt (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen; seither sinkt sie moderat, aber kontinuierlich weiter (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.61).

Abb. 7.61
figure 61

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit im Saarland im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich im Saarland mehr als 12 % der Befragten nach eigener Aussage freiwillig für Geflüchtete, was nahezu dem Bundesdurchschnitt entspricht (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen aus dem Saarland (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) ist solches Engagement am häufigsten anzutreffen. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren sich Menschen zudem. Arbeitslosigkeit geht ebenso wie Heimtätigkeit deutlich seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt etwas häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Leben Kinder unter 18 Jahren im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher, während das Vorhandensein von Kindern über 18 Jahren im Unterschied zu anderen Ländern diesbezüglich im Saarland keine Rolle spielt. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich seltener zur Ausübung eines freiwilligen Engagements. Im Schnitt engagieren sich im Saarland mehr Männer als Frauen (vgl. Abb. 7.62).

Abb. 7.62
figure 62

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist im Saarland ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Geschlecht, Einkommen und Religionszugehörigkeit in ihren Effekten auf Engagement für den Länderbericht Saarland besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Während sich das Geschlecht in den meisten Bundesländern nicht auswirkt, ist das Saarland im Bundesländervergleich das Land mit dem größten geschlechtsspezifischen Unterschied, d. h. es engagieren sich hier im Schnitt signifikant mehr Männer als Frauen (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.10). Höhere Einkommen sind der Quote freiwilligen Engagements in allen Bundesländern durchweg förderlich, wobei dieser Effekt im Saarland besonders stark ausgeprägt ist. Das freiwillige Engagement wird hier zudem stärker als in anderen Ländern vom Haushaltseinkommen einer Person bestimmt. Dies spiegelt sich auch in der höheren Differenz der Engagementquoten zwischen hohen und niedrigen Einkommensgruppen wieder (vgl. Abb. 7.62 sowie Hauptbericht, Abb. 4.12).

Bundesweit gehen evangelische oder katholische Befragte deutlich häufiger als konfessionslose oder anderen Glaubensgemeinschaften zugehörige Personen regelmäßig einem Ehrenamt nach. Ist der Anteil an katholischen und evangelischen Menschen in einem Land hoch und auch der Zusammenhang von Religion und Ehrenamt ausgeprägt, kann sich das in einer höheren Engagementrate niederschlagen (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.15). Im Saarland ist dieser Effekt trotz des bundesweit höchsten Anteils an konfessionsgebundenen Menschen im Land (74 %) jedoch nur schwach ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4.1).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Zur Stadt-Land-Differenz kann im Saarland aufgrund der Konzentration der Befragten auf städtische Kreise bzw. wegen fehlender Angaben zum ländlichen Raum keine Aussage getroffen werden (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Eine nach Gemeindegröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit ist nicht erkennbar (vgl. Abb. 7.63).

Abb. 7.63
figure 63

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für das Saarland (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

Im Saarland werden alle 3 betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Vor allem bei der Bewertung des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land auf einem vorderen Platz im bundesweiten Ranking.

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt das Saarland im Mittelfeld (vgl. Abb. 7.64). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für das Saarland eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement zumindest tendenziell erkennen. Dies deutet in gewissem Maße auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.64
figure 64

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Das Saarland weist eine im deutschlandweiten Vergleich insgesamt konsolidierte Engagementlandschaft auf. Dazu tragen folgende Faktoren bei: eine bundesweit durchschnittliche Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte geringfügig gestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist; eine sehr hohe Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein bundesweit durchschnittliches Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Geschlecht und Einkommen das Engagement vergleichsweise stark determinieren, zeigt einen vergleichsweise niedrigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime darstellt (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts gilt), sondern stärker von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) bestimmt wird.Footnote 7

Mittel- bis langfristig bedeutet der demografische Wandel für das Saarland eine vergleichsweise hohe Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für das Saarland ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von immerhin etwa 18,3 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Verglichen mit anderen Bundesländern erscheinen angesichts dieses Zukunftsszenarios die Aussichten des Saarlands, die aktuelle Entwicklung ausbauen oder wenigstens stabilisieren zu können, vergleichsweise günstiger. Dafür sollten die Angebote für altengerechtes Engagement aber rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft auch in der wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.13 Landesprofil Sachsen

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Sachsen bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von rund 62 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Sachsen auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer und unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg wie in anderen ostdeutschen Ländern auch überdurchschnittlich an und liegt 2019 fast 11 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 1999 (dieser betrug rund 52 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern und so auch in Sachsen sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Mit einem Anteil von 35 % liegt Sachsen im Vergleich der Bundesländer im unteren Viertel. Abweichend von den meisten Bundesländern ist die sächsische Landesbevölkerung mit 20 % im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im kulturellen Bereich (14 %) sowie im Bereich Schule oder Kindergarten (11 %) beteiligen sich in Sachsen weniger Menschen. Im sozialen Bereich ist die öffentlich gemeinschaftliche Aktivität im Land mit etwa 9 % bundesweit am geringsten ausgeprägt (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.66).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Sachsen engagieren sich freiwillig?

Sachsen belegt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von 34,9 % den letzten Platz und liegt damit fast 5 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.65).

Abb. 7.65
figure 65

(Quelle: Eigene Berechnungen FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Sachsen im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 lag Sachsen mit rund 25 % im Ländervergleich auf einem der unteren Plätze. Seit Beginn der Umfrage ist die Quote wie in den meisten Bundesländern deutlich angestiegen; dieser Anstieg fiel jedoch in Sachsen mit rund 35 % durchschnittlich aus. So verbesserte sich der Anteil freiwillig Engagierter von 1999 bis 2019 um nicht ganz 10 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Sachsen freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 11 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.66; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich sächsische Befragte im kulturellen Bereich (9 %). Dahinter liegen der Bereich Schule oder Kindergarten (7 %) sowie fast gleichauf der soziale und der kirchlich-religiöse Bereich (mit jeweils rund 5 %). Diese Rangfolge entspricht mit Ausnahme des Bereichs Schule oder Kindergarten in etwa dem bundesweit erkennbaren Muster. Im sozialen Bereich ist das Engagement in Sachsen bundesweit am geringsten ausgeprägt.

Abb. 7.66
figure 66

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Sachsen (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Sachsen eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (60 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit wöchentlich nimmt sich ein Viertel (25 %) der freiwillig Engagierten, 6 h und mehr investieren etwa 16 %. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve verläuft in Sachsen weniger geradlinig. So war der Anteil der Kurzzeitengagierten 1999 mit 57 % noch der bundesweit höchste, er sank bis 2009 ins untere Drittel und pendelte sich ab 2014 auf der Höhe des Bundesdurchschnitts und leicht über dem Ausgangsniveau ein.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Sachsen so wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv, um sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren die Motive, anderen Menschen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit erneutem Abstand folgen der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Priorisierung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Sachsen liegt mit 47 % Nennungen bei dieser Zielgruppe im Bundesvergleich im hinteren Drittel (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen dieses Engagements sind Familien (40 %), ältere Menschen (35 %), Hilfe- und Pflegebedürftige (19 %) sowie sozial Schlechtergestellte (16 %) (vgl. ebd.).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Sachsen ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11) und liegt hier mit rund 55 % etwas über dem Bundesdurchschnitt. Die anderen Formen der Organisation folgen mit deutlichem Abstand. So organisieren sich immerhin rund 14 % der Befragten individuell, weitere 11 % im kirchlichen Rahmen, 10 % gehen Wege über andere Organisationsformen und etwa 9 % geben an, sich im Rahmen staatlicher oder kommunaler Einrichtungen zu organisieren.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Als organisatorische Verbesserungen wünschen sich freiwillig Engagierte in Sachsen wie in ganz Deutschland vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (44 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei den weiteren genannten Desideraten, nämlich einer unbürokratischen Kostenerstattung (36 %), fachlicher Unterstützung und Weiterbildungsmöglichkeiten (jeweils rund 34 %) sowie der Anerkennung durch Hauptamtliche (32 %), weicht die ermittelte Wunschliste in Sachsen nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen sowie die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung stehen mit jeweils etwa 55 % in Sachsen an der Spitze der von den Befragten geäußerten Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Danach folgen ebenfalls fast gleichauf die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (51 bzw. 50 %), während sich 45 % eine Anerkennung des Ehrenamtes als Praktikum bzw. Weiterbildung wünschen.

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

In Sachsen sind es wie überall in Deutschland vor allem zeitliche Gründe, welche von den Befragten als ein Hindernis an freiwilligem Engagement genannt werden. Mit 72 % entsprechender Nennungen liegt das Land dabei etwa im Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen (44 %) und die Scheu, Verpflichtungen einzugehen (36 %), werden wie auch in allen anderen Bundesländern deutlich seltener angeführt. Auch diese Verteilungen sind in sämtlichen Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS 2019 mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Sachsen liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 53 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte stieg die Engagementbereitschaft in Sachsen im Verhältnis zu den anderen Bundesländern unterdurchschnittlich stark an und nahm nach 2009 sogar leicht ab (vgl. Hauptbericht, Abb. 19). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Sachsen folglich nicht verbessert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Sachsen mit etwa 47 % bei Spendentätigkeiten im hinteren Drittel des Länderrankings (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen, sie stieg zuletzt aber wieder an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.67).

Abb. 7.67
figure 67

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Sachsen im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Sachsen rund 9 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit nimmt das Land bundesweit eine Position im hinteren Drittel ein (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Dies könnte wie auch in allen anderen ostdeutschen Ländern auf den vergleichsweise deutlich geringeren Anteil an dort lebenden Migrantinnen und Migranten von rund 4 % sowie zudem auf Vorbehalte gegenüber dieser Gruppe zurückzuführen sein (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4, Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen in Sachsen (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie leicht abgeschwächt in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) ist ein freiwilliges Engagement am häufigsten zu finden. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren Menschen sich. Arbeitslosigkeit geht deutlich seltener mit Engagement einher als Berufstätigkeit, Ausbildung oder Heimtätigkeit oder ein Ruhestand. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Leben Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich dagegen seltener zu einem freiwilligen Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Sachsen Männer etwas häufiger als Frauen (vgl. Abb. 7.68).

Abb. 7.68
figure 68

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Sachsen ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Einkommen, Bildung und Migrationshintergrund in ihren Auswirkungen auf Engagement für den Länderbericht Sachsen besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Höhere Einkommen sind freiwilligem Engagement in allen Bundesländern durchweg förderlich. Dieser Effekt ist auch in Sachsen stark ausgeprägt, das heißt, freiwilliges Engagement wird stärker als in den meisten anderen Ländern vom Haushaltseinkommen einer Person bestimmt. Dies spiegelt sich auch in der höheren Differenz der Engagementquoten zwischen hohen und niedrigen Einkommensgruppen wieder (vgl. Abb. 7.68 sowie Hauptbericht, Abb. 4.12). Ähnlich bewirken Kinder im Haushalt in Sachsen ein höheres Engagement (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.15).

Wie in allen Bundesländern ist auch in Sachsen ein Bildungsbias signifikant ausgeprägt. Höhere Schulbildung führt also wie erwähnt häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Ländervergleich fällt dieser Effekt in diesem Land überdurchschnittlich stark ins Gewicht, das heißt, der formale Bildungsgrad hat für die Ausprägung freiwilligen Engagements eine überdurchschnittliche Erklärungskraft (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Das schlägt sich auch in den hohen Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- bzw. Niedriggebildeten nieder. Dagegen beeinflusst ein Migrationshintergrund einer Person freiwilliges Engagement in Sachsen kaum; im Ländervergleich fällt dieser Einfluss am zweitniedrigsten aus (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.16).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Sachsen im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern keine klare Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements zeigen sich ebenfalls keine größeren Unterschiede (vgl. Abb. 7.69).

Abb. 7.69
figure 69

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Sachsen (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Sachsen werden alle 3 zusätzlich betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Vor allem bei der Bewertung des in die Kommunalpolitikerinnen und -politiker gesetzten Vertrauens belegt das Land einen der vorderen Plätze im bundesweiten Ranking (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Sachsen im Mittelfeld (vgl. Abb. 7.70). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Sachsen eher keine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine eher geringe Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.70
figure 70

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Der deutschlandweite Ländervergleich weist Sachsen als eine sich moderat positiv entwickelnde Engagementlandschaft mit Potenzial aus. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit leicht unterdurchschnittliche, aber in den letzten Jahren gestiegene Aktivitäts- und Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte kontinuierlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein freiwilliges Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist, sowie ein bundesweit zwar unterdurchschnittliches, aber gleichwohl gestiegenes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung und Einkommen das Engagement vergleichsweise stark bestimmen, weist auf einen relativ niedrigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm in Sachsen hin. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime darstellt (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts gilt), sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 8

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Sachsen eine vergleichsweise überschaubare Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Sachsen ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von lediglich etwa 6 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Daher erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios für das Land die Aufgabe handhabbar, die erkennbar positiven Entwicklungsansätze im Bereich des freiwilligen Engagements weiter auszubauen bzw. zumindest zu stabilisieren. Dennoch sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft auch in der (wenngleich nur mäßig) wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.14 Landesprofil Sachsen-Anhalt

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Sachsen-Anhalt bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von rund 59 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Sachsen-Anhalt auf dem letzten Platz der Bundesländer und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg wie in anderen ostdeutschen Ländern auch an, aber eher durchschnittlich, sodass sie 2019 lediglich knapp 5 Prozentpunkte über dem Ausgangswert von 1999 liegt (dieser betrug rund 55 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Das gilt auch für Sachsen-Anhalt. Mit einem Anteil von 34 % hat das Land im Vergleich der Bundesländer neben Mecklenburg-Vorpommern in diesem Bereich jedoch die wenigsten Aktiven. Im Unterschied zu den meisten Bundesländern ist die Landesbevölkerung mit 17 % im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im kulturellen und musikalischen sowie im sozialen Bereich und auch im Bereich Schule oder Kindergarten beteiligen sich die Menschen in Sachsen-Anhalt zu jeweils rund 11 % (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.72).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt engagieren sich freiwillig?

Sachsen-Anhalt liegt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von 37,8 % im unteren Mittelfeld und etwa 3 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.71).

Abb. 7.71
figure 71

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Sachsen-Anhalt im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 nahm Sachsen-Anhalt mit rund 25 % einen der unteren Plätze im Ländervergleich ein. Seit Beginn der Umfrage ist die Quote wie in den meisten Bundesländern auch hier deutlich angestiegen. Dabei fiel dieser Anstieg in Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich stark aus: Der Anteil freiwillig Engagierter hat sich von 1999 bis 2019 um fast 13 Prozentpunkte erhöht (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5). Einen größeren Zuwachs erreichten in dieser Zeit nur Berlin, Thüringen und das ein ähnliches Verlaufsmuster aufweisende Mecklenburg-Vorpommern.

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Sachsen-Anhalt freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 12 % am häufigsten anzutreffen (vgl. Abb. 7.72; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter im Bereich Schule oder Kindergarten (8 %). Der kulturelle sowie der soziale Bereich liegen dahinter mit jeweils rund 6 % gleichauf. 4 % engagieren sich im kirchlich-religiösen Bereich. Diese Rangfolge entspricht mit Ausnahme des Schul- beziehungsweise Kitabereichs im Großen und Ganzen dem bundesweit erkennbaren Muster. In keinem anderen Bundesland engagieren sich weniger Menschen im Bereich Kultur und Musik.

Abb. 7.72
figure 72

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Sachsen-Anhalt (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Sachsen-Anhalt eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (58 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). Mit Anteilen von 21 und 20 % wenden ähnlich viele Landesbewohnerinnen und -bewohner teils 3 bis 5 h oder teils 6 und mehr Stunden wöchentlich für ihr freiwilliges Engagement auf.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve stieg in Sachsen-Anhalt bis 2014 ebenfalls deutlich an, sank zuletzt aber wieder etwas ab. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 nur knapp 48 % der Befragten im Land ein, sind es 2019 fast 11 % mehr. Das Zeitbudget für Engagement entspricht in seinem Verlauf seit 2009 somit weitgehend dem Bundestrend.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Sachsen-Anhalt wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv, um sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren die Motive, anderen Menschen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit weiterem Abstand folgen dann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Sachsen-Anhalt liegt mit 48 % Nennungen hier im Bundesvergleich im Mittelfeld (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind hier Familien (43 %), ältere Menschen (39 %), Hilfe- und Pflegebedürftige (20 %) sowie sozial Schlechtergestellte (18 %) (vgl. ebd.).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Sachsen-Anhalt ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Mit rund 51 % entspricht die Quote dabei nahezu dem Bundesdurchschnitt. Die anderen Formen der Organisation folgen mit deutlichem Abstand. So organisieren sich jeweils rund 16 % der Befragten individuell oder bevorzugen andere Organisationsformen. Etwa 9 % gaben an, sich im Rahmen einer kirchlichen Vereinigung zu organisieren. In staatlichen oder kommunalen Einrichtungen organisiert ist das freiwillige Engagement von etwa 8 %.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

In Sachsen-Anhalt freiwillig Engagierte wünschen sich an organisatorischen Verbesserungen wie in ganz Deutschland vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (42 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei den weiteren genannten Desideraten, d. h. Anerkennung durch Hauptamtliche und fachliche Unterstützung (35 % bzw. 33 %) sowie unbürokratische Kostenerstattung und Weiterbildungsmöglichkeiten (32 % bzw. 31 %), weicht die Wunschliste in Sachsen-Anhalt nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen, die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung sowie die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf stehen mit jeweils etwa 53 % in Sachsen-Anhalt an der Spitze der von den Befragten geäußerten Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (44 %) sowie eine Anerkennung des eigenen Engagements als Praktikum bzw. Weiterbildung (39 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

In Sachsen-Anhalt sind es wie überall in Deutschland vor allem zeitliche Gründe, welche als Hindernis für ein freiwilliges Engagement genannt werden. Mit 70 % der entsprechenden Nennungen liegt das Land hier bundesweit betrachtet im hinteren Mittelfeld (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Sachsen-Anhalt weist in dieser Frage zudem den unter allen Bundesländern zweithöchsten Anteilswert an Nennungen beruflicher Belastungen aus (46 %) und gehört zu den 4 Ländern, in welchen die Abneigung gegenüber Verpflichtungen am stärksten ausgeprägt ist (40 %) (vgl. ebd.). Auch in punkto Engagementhindernisse sind die Verteilungen in allen Bundesländern ähnlich gelagert (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS 2019 mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Sachsen-Anhalt liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 55 % etwas unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16).

Parallel zum recht großen Zuwachs des tatsächlich ausgeübten freiwilligen Engagements erhöhte sich auch die erwogene Engagementbereitschaft im Bundesland während der letzten 2 Jahrzehnte um fast 23 Prozentpunkte und wuchs damit überdurchschnittlich an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich folglich seither verbessert. Dieser Trend tritt mit wenigen Ausnahmen ebenfalls in den meisten anderen Bundesländern zutage (vgl. ebd.).

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Sachsen-Anhalt mit aktuell fast 44 % bei den Spendentätigkeiten seit 2009 auf dem letzten Platz des Länderrankings (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden in diesem Land nach 2004 zunächst stark eingebrochen, sie stieg aber danach zwischen 2014 und 2019 wieder leicht an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.73).

Abb. 7.73
figure 73

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Sachsen-Anhalt im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Sachsen-Anhalt rund 7 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land hier bundesweit betrachtet auf dem letzten Platz (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Diese niedrige Engagementquote könnte wie auch in allen anderen ostdeutschen Ländern auf die vergleichsweise geringe Anzahl an dort lebenden Migrantinnen und Migranten von rund 4 % sowie weiter verbreitete Vorbehalte gegenüber denselben zurückzuführen sein (vgl. neuestens Kösman und Wieland 2022).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen aus Sachsen-Anhalt (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie leicht abgeschwächt auch in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) und bei den 65- bis 74-Jährigen ist ein freiwilliges Engagement am häufigsten angesiedelt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren sich Menschen zudem. Arbeitslosigkeit geht deutlich seltener mit freiwilligem Engagement einher als eine Berufstätigkeit, Ausbildung oder Heimtätigkeit und ein Ruhestand. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Leben Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich seltener zu einem freiwilligen Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Sachsen-Anhalt Männer etwas häufiger als Frauen (vgl. Abb. 7.74).

Abb. 7.74
figure 74

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Sachsen-Anhalt ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Schulbildung und Einkommen in ihren Effekten auf freiwilliges Engagement für das Landesprofil Sachsen-Anhalts besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Wie in allen Bundesländern ist auch in Sachsen-Anhalt ein Bildungsbias signifikant. Damit führt höhere Schulbildung wie erwähnt häufiger zu freiwilligem Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt überdurchschnittlich stark ausgeprägt, sodass der formale Bildungsgrad für die Erklärung solchen Engagements überdurchschnittlich stark ins Gewicht fällt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Das schlägt sich auch in den hohen Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- und der Niedriggebildeten nieder. Der gleiche Effekt zeigt sich ebenso für das Haushaltseinkommen (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.12 und 7.74).

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Sachsen-Anhalt wie die meisten anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17). Zwischen ländlichen (41 %) und städtischen (35 %) Räumen liegen hier 6 Prozentpunkte.

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des hier ausgeübten Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementhäufigkeit auf (vgl. Abb. 7.75). Mit Ausnahme der Randbereiche mit 100.000 bis 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wird eine nach Gemeindegröße linear leicht abnehmende Häufigkeit freiwilligen Engagements erkennbar.

Abb. 7.75
figure 75

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Sachsen-Anhalt (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Sachsen-Anhalt werden alle 3 betrachteten Umfeldindikatoren negativ beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens belegt das Land den vorletzten Platz des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, liegt Sachsen-Anhalt folglich auf dem vorletzten Rangplatz (vgl. Abb. 7.76). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Sachsen-Anhalt eine Koinzidenz von negativer Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise unterdurchschnittlichem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.76
figure 76

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Sachsen-Anhalt lässt sich im deutschlandweiten Vergleich als nachholende Engagementlandschaft kennzeichnen. Dafür sprechen folgende Faktoren: eine bundesweit etwas unterdurchschnittliche, aber in den letzten Jahren gestiegene Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten zwei Jahrzehnte kontinuierlich angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) nur moderat angewachsen ist; eine durchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein im bundesweiten Vergleich niedriges Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Bildung und Einkommen das Engagement vergleichsweise stark bestimmen, weist auf einen vergleichsweise niedrigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm hin. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts gilt) darstellt, sondern häufig von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 9

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Sachsen-Anhalt eine vergleichsweise moderate Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Sachsen-Anhalt ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von etwa 8 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Vergleichsweise handhabbar erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios die Aufgabe des Landes, die aktuell positiven Entwicklungsansätze weiter auszubauen oder wenigstens zu stabilisieren. Dennoch sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft auch in dieser gleichwohl wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.

7.15 Landesprofil Schleswig–Holstein

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Schleswig–Holstein bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von rund 71 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, belegt Schleswig–Holstein wie schon in den beiden vorherigen FWS-Wellen den ersten Platz und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet stieg die Aktivitätsrate bis 2009 stark überdurchschnittlich an und überschreitet trotz seither leicht sinkender Quote 2019 um 7 Prozentpunkte den Ausgangswert von 1999 (dieser betrug rund 64 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden diese Aktivitäten im Land bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Das gilt auch für Schleswig–Holstein: Mit einem Anteil von 45 % verzeichnet das Land im Vergleich der Bundesländer in diesem Bereich die meisten Aktiven. Zu 18 % ist die Landesbevölkerung im kulturellen und musikalischen Bereich am zweithäufigsten aktiv. Im sozialen Bereich beteiligen sich die Menschen in Schleswig–Holstein mit 17 % ähnlich häufig wie im Bereich Freizeit und Geselligkeit (16 %), im Bereich Schule oder Kindergarten sind es 14 %, was wiederum dem bundesweit zweithöchsten Wert entspricht (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.78).

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Schleswig–Holstein engagieren sich freiwillig?

Schleswig–Holstein liegt 2019 im bundesweiten Vergleich mit einer Engagementquote von 42,6 % auf dem zweiten Platz und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.77).

Abb. 7.77
figure 77

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Schleswig–Holstein im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 nahm Schleswig–Holstein mit rund 31 % im Ländervergleich einen Platz im oberen Mittelfeld ein. Seit Beginn der Umfrage ist die Quote wie in den meisten Ländern deutlich angestiegen. Der Anstieg fiel in Schleswig–Holstein leicht überdurchschnittlich aus. Von 1999 bis 2019 hat sich der Anteil freiwillig Engagierter um fast 12 Prozentpunkte erhöht (vgl. Abb. 3.5, Hauptbericht).

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Schleswig–Holstein freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 15 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.78; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich die Menschen in Schleswig–Holstein im Bereich Schule oder Kindergarten (11 %), nirgends sind dies mehr Menschen. Im sozialen und im kulturellen Bereich engagieren sich 10 beziehungsweise 8 %. 7 % der Landesbewohnerinnen und -bewohner üben ihr freiwilliges Engagement im kirchlich-religiösen Bereich aus.

Abb. 7.78
figure 78

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Schleswig–Holstein (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Schleswig–Holstein eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (63 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 3 bis 5 h Zeit nehmen sich 22 % der Engagierten, 6 h und mehr wenden wöchentlich etwa 16 % auf. Diese Anteile entsprechen in ihrem Verhältnis dem Bundesdurchschnitt.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve steigt in Schleswig–Holstein insgesamt stärker an als in allen anderen Bundesländern. Ordneten sich hier in diese untere Zeitkategorie 1999 noch knapp 40 % ein, liegt dieser Wert 2019 bereits rund 22 Prozentpunkte höher.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Schleswig–Holstein wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.9). Dahinter rangieren die Motive, anderen Menschen zu helfen und etwas für das Gemeinwohl zu tun. Mit Abstand folgen dann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Die Prioritätensetzung bei den Beweggründen für Engagement ist in allen Bundesländern ähnlich verteilt.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements. Schleswig–Holstein liegt hier mit 48 % Nennungen im Bundesvergleich im unteren Mittelfeld (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere Zielgruppen sind hier Familien (36 %), ältere Menschen (29 %), sozial Schlechtergestellte (16 %) sowie Hilfe- und Pflegebedürftige (12 %) (vgl. ebd.). Der Anteilswert Schleswig-Holsteins in letztgenannter Gruppe ist der geringste im Bundesvergleich.

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Schleswig–Holstein ist freiwilliges Engagement so wie in ausnahmslos allen anderen Bundesländern auch hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11), der Anteil entspricht mit rund 51 % dem Bundesdurchschnitt. 17 % der Gruppe freiwillig Engagierter organisieren sich in Schleswig–Holstein hingegen eigenständig und 14 % greifen auf andere Formen der Organisation zurück (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11). Etwas weniger Nennungen entfallen auf Organisationsformen im staatlichen beziehungsweise kommunalen Bereich (9 %), in dem sich in Schleswig–Holstein wie auch in Thüringen mehr Menschen organisieren als andernorts, sowie auf solche im kirchlichen Bereich (6 %).

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Freiwillig Engagierte in Schleswig–Holstein wünschen sich an organisatorischen Verbesserungen wie in ganz Deutschland vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (38 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei weiteren genannten Desideraten (fachliche Unterstützung (35 %), Weiterbildungsmöglichkeiten (29 %), Anerkennung seitens Hauptamtlicher (28 %) und unbürokratische Kostenerstattung (27 %)) weicht die entsprechende Wunschliste in Schleswig–Holstein nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab, wenngleich die einzelnen Bedarfsanmeldungen für Verbesserungen außer für die fachliche Unterstützung im Ländervergleich am geringsten ausfallen.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (57 %) steht in Schleswig–Holstein an der Spitze der von den Befragten geäußerten Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen annähernd gleichauf die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf sowie die Anerkennung des Engagements als Praktikum bzw. Weiterbildung mit jeweils rund 49 %. Das sind die bundesweit wenigsten Nennungen bei diesen Bedarfsanmeldungen. An nächster Stelle folgen eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (48 %) und die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung (47 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

In Schleswig–Holstein sind es wie überall in Deutschland vor allem zeitliche Gründe, die von den Befragten als Hindernis für ein freiwilliges Engagement genannt werden. Mit 73 % entsprechender Nennungen liegt das Land hier bundesweit verglichen im oberen Drittel (vgl. Abb. 3.14). Berufliche Belastungen werden wie in allen anderen Bundesländern deutlich weniger als Hindernisse angeführt (44 %). Die Abneigung, Verpflichtungen einzugehen, wurde in Schleswig–Holstein am seltensten bekundet, immerhin aber von rund jeder dritten nichtengagierten Person (31 %). Auch diese Verteilungen sind in allen Bundesländern ähnlich (ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, sich künftig freiwillig zu engagieren. In Schleswig–Holstein liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 56 % etwas unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16). Das dürfte jedoch der vergleichsweise hohen Engagementquote geschuldet sein.

Im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte stieg die Bereitschaft, ein Engagement aufzunehmen, in Schleswig–Holstein im Verhältnis zu den anderen Bundesländern insgesamt leicht unterdurchschnittlich an, nahm nach 2009 leicht ab, erhöhte sich aber zuletzt wieder etwas (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Schleswig–Holstein folglich geringfügig verbessert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Schleswig–Holstein mit rund 52 % bei den Spendentätigkeiten im Mittelfeld des Länderrankings und knapp unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen. Sie sinkt seither moderat, aber kontinuierlich weiter (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.79).

Abb. 7.79
figure 79

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Schleswig–Holstein im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Schleswig–Holstein fast 15 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit liegt das Land im Bundesvergleich im oberen Drittel (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Das ist insofern bemerkenswert, als der Migrationsanteil in Schleswig–Holstein der niedrigste in den westlichen Bundesländern ist (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.4, Abb. 5.7).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen aus Schleswig–Holstein (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) sowie in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) wird ein solches Engagement am häufigsten ausgeübt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren sich Menschen freiwillig. Arbeitslosigkeit und Ruhestand gehen deutlich seltener mit Engagement einher als eine Berufstätigkeit, Ausbildung oder Heimtätigkeit. Wer der katholischen oder protestantischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Leben Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich hingegen seltener zu einem Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Schleswig–Holstein Frauen etwas häufiger als Männer (vgl. Abb. 7.80).

Abb. 7.80
figure 80

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Schleswig–Holstein ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Alter, Schulbildung und Einkommen in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für den Länderbericht Schleswig–Holstein besondere Beachtung (vgl. die vollständige Präsentation im Hauptbericht, Abschn. 4.3). Mit steigendem Alter nimmt dieses Engagement in allen Bundesländern ab, wobei sich dieses individuelle Merkmal in Schleswig–Holstein stärker auswirkt als in den meisten anderen Ländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13). Wie in allen Bundesländern auch ist in Schleswig–Holstein zudem ein Bildungsbias signifikant. Hierdurch führt höhere Schulbildung häufiger zur Ausübung freiwilligen Engagements. Im Ländervergleich betrachtet ist dieser Effekt in diesem Bundesland überdurchschnittlich stark ausgeprägt (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.11). Insofern fällt der formale Bildungsgrad einer Person bei der Erklärung freiwilligen Engagements überdurchschnittlich stark ins Gewicht (vgl. ebd.). Das schlägt sich auch in den hohen Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- und der Niedriggebildeten nieder (vgl. Abb. 7.80) Der gleiche Effekt gilt auch für das Haushaltseinkommen (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.12), auch hier steigt die Wahrscheinlichkeit, sich freiwillig zu engagieren, mit höherem Einkommen stark an.

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Schleswig–Holstein wie die meisten anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17).

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements fällt die mit zunehmender Siedlungsdichte im Land zunehmende Engagementdichte auf (vgl. Abb. 7.81). Eine nach Gemeindegröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit von Engagement ist hingegen weniger deutlich erkennbar.

Abb. 7.81
figure 81

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Schleswig–Holstein (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Schleswig–Holstein werden 2 von 3 zusätzlich betrachteten Umfeldindikatoren überwiegend positiv beurteilt. Insbesondere bei der Bewertung der Partizipationschancen und hinsichtlich des Verwaltungsvertrauens liegt das Land im Mittelfeld des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, positioniert sich Schleswig–Holstein im hinteren Mittelfeld (vgl. Abb. 7.82). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Schleswig–Holstein eine Koinzidenz von positiver Einschätzung des lokalen Lebensumfelds einerseits und vergleichsweise häufigem freiwilligem Engagement andererseits nur bedingt erkennen. Dies deutet auf eine eher geringe Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.82
figure 82

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Im deutschlandweiten Vergleich lässt sich Schleswig–Holstein als eine sich positiv entwickelnde Engagementlandschaft mit Potenzial kennzeichnen. Folgende Faktoren stützen diese Einschätzung: eine bundesweit überdurchschnittlich hohe Aktivitäts- und Engagementquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte leicht angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein Engagement aufzunehmen; ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) jedoch sehr stark angewachsen ist; eine durchschnittlich häufige Anbindung freiwilliger Aktivitäten an Vereine und Verbände sowie ein bundesweit leicht unterdurchschnittliches Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Bildung und Einkommen vergleichsweise starke Effekte zeitigen, zeigt einen vergleichsweise niedrigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm an. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts gilt) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 10

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Schleswig–Holstein eine Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % Zuwachs überproportional zunehmen. Für Schleswig–Holstein ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren mit einem Plus von rund 24 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Vergleichsweise gewichtig stellt sich dem Land angesichts dieses Zukunftsszenarios die Aufgabe, das aktuell erreichte Ausmaß freiwilligen Engagements zu halten oder auszubauen. Empfehlen dürfte sich, die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig zu erweitern, um die Engagementbereitschaft auch in dieser wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren bzw. wenigstens zu stabilisieren.

7.16 Landesprofil Thüringen

  1. 1.

    Öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten sind nicht gleichzusetzen mit freiwilligem Engagement, haben jedoch das Potenzial, für dieses als ein ‚Türöffner‘ beziehungsweise als eine Vorstufe desselben zu wirken (vgl. Hauptbericht, Abschn. 2.1).

Welche Größenordnung weist diese Form zivilgesellschaftlichen Handelns in Thüringen bezogen auf die Gesamtheit der Bundesländer zum Erhebungszeitpunkt 2019 auf? Wie stellt sich die Entwicklung ländervergleichend im Zeitverlauf dar?

Mit einer Beteiligungsrate von rund 68 % an Befragten, die angeben, öffentlich gemeinschaftliche Aktivitäten auszuüben, liegt Thüringen im vorderen Mittelfeld und leicht über dem Bundesdurchschnitt von 66 % (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.1). Im Zeitverlauf betrachtet steigt die Aktivitätsrate über die Jahre hinweg in Thüringen bundesweit am zweitstärksten an und überschreitet 2019 um mehr als 14 Prozentpunkte den Ausgangswert von 1999 (dieser betrug rund 53 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.2).

In welchen Bereichen werden im Land diese Aktivitäten bevorzugt ausgeübt?

In allen Bundesländern sind mit Abstand die meisten Menschen im Bereich Sport und Bewegung öffentlich gemeinschaftlich aktiv (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.3). Das ist auch in Thüringen so, allerdings hat das Land mit einem Anteil von 35 % im Vergleich der Bundesländer neben Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern in diesem Bereich die wenigsten Aktiven. Im Unterschied zu den meisten Bundesländern ist die Landesbevölkerung Thüringens mit 20 % im Bereich Freizeit und Geselligkeit am zweithäufigsten aktiv. Im kulturellen und musikalischen Bereich sowie im Bereich Schule oder Kindergarten beteiligen sich die Menschen in Thüringen mit jeweils rund 15 % weniger häufig, im sozialen Bereich sind es noch etwa 11 % (für eine Auflistung aller Engagementbereiche vgl. auch Abb. 7.84). In den Bereichen Freizeit und Geselligkeit sowie Schule oder Kindergarten belegt das Land jeweils bundesweite Spitzenpositionen.

  1. 2.

    Freiwilliges Engagement ist gekennzeichnet als Engagement, bei welchem über eine öffentlich gemeinschaftliche Aktivität hinaus noch weitere Aufgaben und Tätigkeiten freiwillig übernommen werden (vgl. Hauptbericht, Abschn. 3.2).

Verglichen mit anderen Bundesländern: Wie viele Menschen in Thüringen engagieren sich freiwillig?

Thüringen liegt 2019 im bundesdeutschen Vergleich mit einer Engagementquote von 40,8 % im oberen Mittelfeld und knapp über dem Bundesdurchschnitt von 39,7 % (vgl. Abb. 7.83). Damit stellt das Land unter den ostdeutschen Bundesländern, welche allesamt unter dem bundesweiten Durchschnitt liegen, einen Ausnahmefall dar.

Abb. 7.83
figure 83

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Freiwilliges Engagement: Thüringen im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,005).

Wie hat sich freiwilliges Engagement im Zeitverlauf und im Vergleich mit den anderen Bundesländern entwickelt?

Zu Beginn des Surveys im Jahr 1999 lag Thüringen mit rund 27 % im Ländervergleich im unteren Drittel. Seit Beginn der Umfrage ist die Engagementquote genau wie schon bei den öffentlich gemeinschaftlichen Aktivitäten hier von allen Ländern am zweitstärksten angestiegen und erhöhte sich von 1999 bis 2019 um mehr als 14 Prozentpunkte (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.5,). Einen größeren Zuwachs erreichte in dieser Zeit nur Berlin.

In welchen Bereichen wird freiwilliges Engagement bevorzugt ausgeübt?

Wie in den meisten anderen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) ist in Thüringen freiwilliges Engagement im Bereich Sport und Bewegung mit 12 % am häufigsten angesiedelt (vgl. Abb. 7.84; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.6). Am zweithäufigsten engagieren sich die Menschen in Thüringen im Bereich Schule oder Kindergarten (11 %); nur in Schleswig–Holstein sind es etwas mehr in diesem Bereich. Es folgt der kulturelle Bereich (9 %), dahinter liegen der kirchliche und religiöse sowie der soziale Bereich mit rund 6 bzw. 5 %. Im sozialen Bereich engagieren sich nur in Sachsen weniger Menschen als hier.

Abb. 7.84
figure 84

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Anteile ehrenamtlich engagierter und öffentlich gemeinschaftlich aktiver Personen in den 14 Bereichen – Thüringen (Angaben in %).

Wieviel Zeit wird für freiwilliges Engagement aufgewendet? Wie verändert sich das Zeitbudget in der Längsschnittbetrachtung?

Wie in allen anderen Bundesländern auch gibt in Thüringen eine deutliche Mehrheit der befragten Engagierten (62 %) ihren Zeitaufwand für freiwilliges Engagement mit bis zu 2 h in der Woche an (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.7). 21 % der Landesbewohnerinnen und -bewohner engagieren sich im Schnitt 6 und mehr Wochenstunden, und 18 % geben an, 3 bis 5 h wöchentlich für freiwilliges Engagement aufwenden.

Es kennzeichnet die bundesweite Entwicklung, dass bei insgesamt gestiegener Engagementquote der Anteil der Personen, die für ihr freiwilliges Engagement höchstens 2 h pro Woche aufbringen, im Zeitverlauf seit 1999 allgemein gewachsen ist (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.8). Die entsprechende Kurve verläuft auch in Thüringen kontinuierlich aufwärts und stieg seit 1999 deutlich an. Ordneten sich in diese untere Zeitkategorie 1999 rund 50 % der Befragten ein, sind es 2019 schon fast 12 % mehr. Das Zeitbudget für Engagement entspricht in seiner anteiligen Differenzierung weitgehend dem Bundestrend.

Welche Beweggründe für freiwilliges Engagement werden am häufigsten genannt?

Spaß am Engagement – das ist auch in Thüringen wie in allen anderen Bundesländern mit Abstand das Hauptmotiv dafür, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Hauptbericht, Abb. 11). Dahinter rangieren die Motive, etwas für das Gemeinwohl zu tun und anderen Menschen zu helfen. Mit Abstand folgen dann der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten, und zu guter Letzt das Zusammenkommen mit anderen Menschen. Diese Prioritätensetzung der Beweggründe verteilt sich in allen Bundesländern ähnlich.

An welche Zielgruppen richtet sich freiwilliges Engagement?

Das Saarland ausgenommen sind in allen Bundesländern Kinder und Jugendliche die bevorzugte Zielgruppe freiwilligen Engagements, Thüringen liegt mit 51 % Nennungen in diesem Zielgruppenbereich im Bundesvergleich im vorderen Mittelfeld (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.10). Weitere relevante Zielgruppen sind hier Familien (48 %), ältere Menschen (41 %), Hilfe- und Pflegebedürftige (18 %) sowie sozial Schlechtergestellte (15 % (vgl. ebd.).

Wie organisiert sich freiwilliges Engagement?

In Thüringen ist freiwilliges Engagement wie in ausnahmslos allen Bundesländern hauptsächlich vereins- oder verbandsförmig organisiert (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.11) und liegt hierbei mit rund 50 % leicht unter dem Bundesdurchschnitt. Weitere Formen der Organisation folgen mit deutlichem Abstand. So organisieren sich rund 17 % der Befragten individuell und 15 % in anderen Organisationsformen. Etwa 10 % wählen den organisatorischen Weg über kirchliche Vereinigungen, in staatlichen oder kommunalen Einrichtungen sind etwa 8 % mit ihrem Engagement organisiert.

Welche organisatorischen Verbesserungsbedarfe werden gesehen?

Freiwillig Engagierte in Thüringen wünschen sich an organisatorischen Verbesserungen deutschlandweit am häufigsten vor allem mehr und besser ausgestattete Räumlichkeiten (54 %, vgl. Hauptbericht, Abb. 3.12). In diesem Punkt und bei den weiteren genannten Desideraten (unbürokratische Kostenerstattung (39 %), fachliche Unterstützung (38 %), Anerkennung durch Hauptamtliche (36 %) sowie Weiterbildungsmöglichkeiten (34 %)) weicht die Wunschliste in Thüringen nur leicht vom gesamtdeutschen Durchschnitt ab. Dabei ruht das Augenmerk der Befragten im Land etwas stärker als im bundesweiten Schnitt auf dem Abbau bürokratischer Hürden und der Anerkennung durch Hauptamtliche.

Welche Verbesserungswünsche richten sich an staatliche und öffentliche Stellen?

Eine bessere Information und Beratung durch staatliche und öffentliche Stellen (56 %) steht in Thüringen an der Spitze der ermittelten Vorschlagsliste (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.13). Dahinter folgen die Absicherung durch Haftpflicht- und Unfallversicherung (55 %), eine steuerfreie Aufwandsentschädigung (53 %), die Anerkennung des Ehrenamts als Praktikum bzw. Weiterbildung (52 %) sowie die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Beruf (50 %).

Was steht freiwilligem Engagement entgegen?

In Thüringen sind es wie überall in der Bundesrepublik vor allem zeitliche Gründe, welche von den Befragten als Hindernis für ein freiwilliges Engagement genannt werden. Mit 68 % entsprechender Nennungen liegt das Land hier bundesweit verglichen im unteren Drittel (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.14). Berufliche Belastungen sowie die Abneigung, Verpflichtungen einzugehen, werden wie in allen anderen Bundesländern seltener angeführt (jeweils rund 40 %). Auch die Verteilungen sind in allen Bundesländern ähnlich (vgl. ebd.).

Wie groß ist das Potenzial der Bereitschaft zum Engagement?

Die Größenordnung des Engagementpotenzials wird im FWS mit der Frage erhoben, wer sich sicher oder vielleicht vorstellen kann, zukünftig ein freiwilliges Engagement aufzunehmen. In Thüringen liegt dieses Potenzial bei Befragten, die bisher noch nicht oder nicht mehr engagiert sind, mit rund 47 % bundesweit am niedrigsten (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.16). Bei der Einschätzung dieses Befunds ist zu berücksichtigen, dass das Land wie zuvor bereits dargelegt die höchste Engagementquote aller ostdeutschen Bundesländer aufweist.

Entsprechend einzuordnen ist auch die Entwicklung der Engagementbereitschaft im Zeitverlauf der letzten 2 Jahrzehnte. Entgegen dem bundesweiten Trend stieg sie in Thüringen in den letzten 10 Jahren vergleichsweise geringfügig an und weist dabei seit 2009 eine abnehmende Tendenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.17). Die Grundbedingung dafür, dieses Potenzial auch zukünftig weiter auszuschöpfen, hat sich in Thüringen folglich erschwert.

Wie häufig wird für gemeinnützige oder soziale Zwecke Geld gespendet?

Im gesamtdeutschen Vergleich liegt Thüringen mit fast 50 % bei den Spendentätigkeiten beim Länderranking im hinteren Drittel (vgl. nachfolgende Abbildung; vgl. auch Hauptbericht, Abb. 3.18). Wie in allen anderen Bundesländern war die Zahl der Spendenden nach 2004 zunächst stark eingebrochen. Sie stieg danach bis 2019 wieder deutlich an und liegt 2019 in etwa auf dem Ausgangsniveau von 1999 (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.19 und 7.85).

Abb. 7.85
figure 85

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019, Länderunterschiede sind auf einem Niveau von ≤ 1 % signifikant)

Spendentätigkeit in Thüringen im letzten Jahr vor der Befragung im Vergleich der Bundesländer in Prozent (Eta2 = 0,003).

Wie viele Menschen engagierten sich für Geflüchtete?

In den dem Befragungszeitpunkt 2019 vorausgegangenen 5 Jahren engagierten sich in Thüringen etwa 9 % der Befragten nach eigener Aussage für Geflüchtete. Damit nimmt das Land bundesweit den vorletzten Platz ein (vgl. Hauptbericht, Abb. 3.22). Dies kann wie in allen anderen ostdeutschen Ländern zum Teil auf den vergleichsweise deutlich geringeren Anteil an dort lebenden Migrantinnen und Migranten von nur rund 5 % sowie zum Teil auf die gegenüber dieser Gruppe vorhandenen Vorbehalte zurückzuführen sein (vgl. Hauptbericht, Abb. 5.7, sowie neuestens Kösman und Wieland 2022).

Welche individuellen Einflussfaktoren fördern beziehungsweise hemmen freiwilliges Engagement?

In der nachstehenden Abbildung wird dargestellt, wie sich freiwilliges Engagement gemäß ausgewählten soziodemografischen Merkmalen der befragten Personen in Thüringen (Standarddifferenzierung) verteilt. Ersichtlich ist dabei: In der jüngsten Altersgruppe (14 bis 19 Jahre) und leicht abgeschwächt in der mittleren Kohorte der berufsaktiven Jahrgänge (20 bis 65 Jahre) ist entsprechendes Engagement am häufigsten angesiedelt. Je höher das Einkommen und der Grad formaler Bildung, desto eher engagieren sich Menschen zudem. Arbeitslosigkeit geht deutlich seltener mit Engagement einher als eine Berufstätigkeit, Ausbildung und Heimtätigkeit oder ein Ruhestand. Wer der katholischen oder evangelischen Konfession angehört, engagiert sich im Schnitt häufiger als Konfessionslose oder Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Leben Kinder im Haushalt, ist freiwilliges Engagement ebenfalls wahrscheinlicher. Befragte mit Migrationshintergrund entschließen sich hingegen seltener zu einem freiwilligen Engagement. Im Schnitt engagieren sich in Thüringen Männer häufiger als Frauen (vgl. Abb. 7.86).

Abb. 7.86
figure 86

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wer ist in Thüringen freiwillig engagiert? – Standarddifferenzierung (Anteile engagiert in %).

Von den Standarddifferenzierungen verdienen die Merkmale Alter, Einkommen, Schulbildung und Kinder im Haushalt in ihren Auswirkungen auf freiwilliges Engagement für den Landesbericht Thüringen besondere Beachtung (vgl. Hauptbericht, Kap. 4). Mit steigendem Alter nimmt freiwilliges Engagement in allen Bundesländern ab, wobei sich dieses individuelle Merkmal in Thüringen stärker auswirkt als in den anderen Ländern (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.13). Höhere Einkommen sind ebensolchem Engagement in allen Bundesländern durchwegs förderlich, dieser Effekt ist in Thüringen am stärksten ausgeprägt. Zudem wird es hier stärker als in allen anderen Ländern vom Haushaltseinkommen einer Person bestimmt, und dies spiegelt sich auch in der höheren Differenz der Engagementquoten zwischen hohen und niedrigen Einkommensgruppen wieder (vgl. Abb. 7.86 sowie Hauptbericht, Abb. 4.12). Ähnliches gilt für Kinder im Haushalt: Diese führen insbesondere in Thüringen zu einer erhöhten Ausübung freiwilligen Engagements, welches in diesem Land entsprechend häufiger im Bereich Schule oder Kindergarten angesiedelt ist (vgl. Abb. 7.86 sowie Hauptbericht, Abb. 4.15).

Wie in allen Bundesländern ist auch in Thüringen ein Bildungsbias signifikant. Das bedeutet, höhere Schulbildung führt häufiger zu Engagement. Im Ländervergleich ist dieser Effekt in Thüringen überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Der formale Bildungsgrad fällt hier für die Erklärung von Engagement überdurchschnittlich stark ins Gewicht (vgl. Abb. 4.11, Hauptbericht). Das drückt sich auch in den hohen Differenzen zwischen den Gruppen der Hoch- beziehungsweise Niedriggebildeten aus (Abb. 7.86). Dieser Effekt ist nur in Hamburg und Brandenburg noch stärker ausgeprägt.

Wie verteilt sich freiwilliges Engagement räumlich?

Bei der räumlichen Verteilung freiwilligen Engagements weist Thüringen wie die meisten anderen Länder eine Stadt-Land-Differenz auf (vgl. Hauptbericht, Abb. 4.17). Zwischen ländlichen (40 %) und städtischen (47 %) Räumen liegen hier 7 Prozentpunkte.

Beim Blick auf die nach Raumtypus und Gemeindegröße differenzierte regionale Landkarte des Engagements ist weder eine mit zunehmender Siedlungsdichte abnehmende Engagementhäufigkeit noch eine nach Ortsgröße linear zu- oder abnehmende Häufigkeit von Engagement deutlich erkennbar (vgl. Abb. 7.87).

Abb. 7.87
figure 87

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS-Datensatz 2019)

Wo ist man eher ehrenamtlich engagiert? – Standarddifferenzierung (Kontext) für Thüringen (Anteile engagiert in %).

  1. 3.

    Kontexteffekte und freiwilliges Engagement

Erkenntnisse der Sozialforschung (vgl. Gabriel und Neller 2010) sprechen für die Annahme, dass die Art und Weise, wie die Menschen im Land Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, zu freiwilligem Engagement ermutigen oder dieses auch hemmen kann. Im Folgenden werden daher den landesbezogenen Daten des Freiwilligensurveys 2019 zusätzliche, ebenfalls landesspezifisch aufgeschlüsselte Umfragedaten gegenübergestellt, welche auf mögliche Umfeldbedingungen freiwilligen Engagements verweisen. Einbezogen werden hierfür die seitens der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommenen Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten auf lokaler Ebene sowie das Vertrauen in die Akteurinnen und Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung (vgl. Hauptbericht, Kap. 5).

In Thüringen werden 2 von 3 zusätzlich herangezogenen Umfeldindikatoren negativ beurteilt. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in Kommunalpolitiker und -politikerinnen gesetzten Vertrauens liegt das Land im unteren Viertel des bundesweiten Rankings (vgl. Hauptbericht, Abschn. 5.3.2).

Auf einem additiven Index, der die Rangplätze zusammenfasst, welche die Bundesländer bei guter Bewertung der Variablen lokale Partizipation, kommunales Politikvertrauen und Verwaltungsvertrauen jeweils einnehmen, nimmt Thüringen den fünften Rangplatz ein (vgl. Abb. 7.88). Die oberhalb der Balkendiagramme des Kontextindex mit abgebildete lineare Trendlinie der länderspezifischen Engagementquoten lässt für Thüringen keine Koinzidenz von negativer Einschätzung des lokalen Lebensumfelds und vergleichsweise seltenem freiwilligem Engagement erkennen. Dies deutet auf eine eher geringe Wechselwirkung beider Einstellungsebenen hin.

Abb. 7.88
figure 88

(Quelle: Eigene Berechnungen, Grundlage: FWS 2019 und info-Erhebung 2020)

Index aus Beteiligung und Mitsprache (gut) sowie Verwaltungs- und Kommunalpolitikvertrauen (vertraue) in Gegenüberstellung des freiwilligen Engagements (in %).

  1. 4.

    Stand und Perspektiven des Engagements

Thüringen weist im deutschlandweiten Vergleich eine Engagementlandschaft mit positiven Entwicklungsansätzen und Potenzial auf. Diese Einschätzung wird gestützt durch folgende Faktoren: eine bundesweit durchschnittliche, aber in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte rapide gestiegene Engagement- wie auch Aktivitätsquote; eine in der Langzeitbetrachtung der letzten 2 Jahrzehnte allerdings vergleichsweise gering angestiegene grundsätzliche Bereitschaft, künftig ein freiwilliges Engagement aufzunehmen; des Weiteren ein insgesamt relativ gefestigtes Budget der für Engagement aufgewandten Zeit, wobei die Kategorie des Kurzzeitengagements (unter 2 h) deutlich angewachsen ist, sowie ein in bundesweiter Betrachtung unterdurchschnittliches, aber gleichwohl gestiegenes Spendenaufkommen.

Dass soziodemografische Merkmale wie Alter, Einkommen und Bildung das Engagement in Thüringen vergleichsweise stark bestimmen, weist auf einen vergleichsweise niedrigen Grad gesellschaftlicher Durchdringung der Engagementnorm hin. Hiermit ist gemeint, dass ein freiwilliges Engagement (noch) keine allgemein verinnerlichte Maxime (wie dies in Teilen z. B. für die Ausübung des Wahlrechts zutrifft) darstellt, sondern von bestimmten individuellen Merkmalen (u. a. Alter, Bildung oder auch Einkommen) geleitet wird.Footnote 11

In mittel- bis langfristiger Perspektive bedeutet der demografische Wandel für Thüringen eine kontrollierbare Herausforderung. Statistischen Prognosen zufolge wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den westdeutschen Flächenländern bis 2035 mit 25 % überproportional zunehmen. Für Thüringen ist in dieser Altersgruppe der 67-Jährigen und Älteren jedoch mit einem Plus von nur etwa 11,1 Prozentpunkten zu rechnen (vgl. Destatis 2021). Vergleichsweise beherrschbar erscheint angesichts dieses Zukunftsszenarios die Aufgabe des Landes, die aktuell positiven Entwicklungsansätze weiter auszubauen oder wenigstens zu stabilisieren. Trotzdem sollten die Angebote für altengerechtes Engagement rechtzeitig erweitert werden, um die Engagementbereitschaft auch in dieser dennoch wachsenden Gruppe der Seniorinnen und Senioren nachhaltig zu aktivieren.