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Einbrechende Werbeerlöse und sinkende Auflagen führen bei den einst von Traumrenditen profitierenden Tageszeitungen seit Jahren zu Sparrunden und Entlassungen. Immer häufiger stehen auch in Deutschland ganze Redaktionen vor dem Aus. Fürchteten wir einst Ein-Zeitungs-Kreise, geht längst das Gespenst der Kein-Zeitungs-Kreise um: Städte und Gemeinden ohne Lokaljournalismus. In den Vereinigten Staaten hat das Phänomen bereits einen Namen: Nachrichtenwüsten. Das Erschreckende: Die Wüstenbildung schreitet weltweit voran. Auch hierzulande sind wir nicht davor gefeit. Die publizistische Vielfalt nimmt seit Jahren ab. Bereits heute stammen mehr als die Hälfte aller in Deutschland verkauften Zeitungsexemplare aus nur zehn Verlagsgruppen (Röper 2020).

Doch wo der ökonomische Druck auf den Journalismus wächst, gerät die demokratische Öffentlichkeit in Gefahr. Studien belegen, dass mit dem Verschwinden von Lokaljournalismus die Wahlbeteiligung (Kübler und Goodman 2019), der soziale Zusammenhalt und das zivilgesellschaftliche Engagement sinken (Barthel et al. 2016) – während Misswirtschaft und Korruption zunehmen (Gao et al. 2018). „Democracy dies in Darkness“ mahnt trefflich der Slogan der Washington Post.

So weit muss es nicht kommen. Dieser Essay berichtet vom Aufbruch. Denn längst hat ein Gründer*innengeist den krisengeschüttelten Journalismus erfasst. Pionier*innen entwickeln eine dritte Säule für unser Mediensystem: den gemeinnützigen oder auch Non-Profit-Journalismus. Diese Art des Journalismus ergänzt die Angebote privater Verlage und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – und funktioniert nach einem besonderen Betriebsmodell. Es orientiert sich, wie die Öffentlich-Rechtlichen, am Gemeinwohl statt an Rendite, kombiniert diese Orientierung aber mit der Beweglichkeit und Innovationsfähigkeit privater Medienorganisationen. Non-Profit-Journalismus ermöglicht zukunftsweisende Ansätze journalistischer Arbeit, der Produktion und des Vertriebs zu entwickeln. Solche Ansätze sind dringend nötig angesichts einer Digitalisierung, die zwar vielfältige Chancen eröffnet, aber auch zu einer massiven Macht-Konzentration bei großen Plattform-Konzernen geführt hat, deren Algorithmen gerade nicht auf Aufklärung, sondern auf kommerzielle Gewinnerzielung ausgerichtet sind.

Diese neue Art des Journalismus ist auf Unterstützer*innen angewiesen. Deshalb thematisiert der vorliegende Beitrag, was es braucht, um den gemeinnützigen Journalismus in Deutschland zu etablieren und sein Potenzial zu heben. Es gilt jetzt zu handeln – bevor Strukturen weiter erodieren.

Mediensystem im Wandel: Lokaljournalismus und Vielfalt in Gefahr

Das duale Mediensystem der Bundesrepublik hat über viele Jahrzehnte hinweg wunderbar funktioniert: Die von der Gesellschaft durch den Rundfunkbeitrag finanzierten Öffentlich-Rechtlichen und private, primär werbefinanzierte Medien ergänzten einander. Insbesondere Lokaljournalismus war dabei – zumindest bislang – die Domäne privater Sender und Presseangebote. Die Öffentlich-Rechtlichen durften und dürfen keine fortlaufende Lokalberichterstattung liefern (MStV, § 30 Abs. 5, Satz 3). Ob dies so bleiben sollte, ist diskussionswürdig – sorgen doch Sparzwänge bei den Privaten längst dafür, dass immer weniger über Lokalpolitik berichtet wird. Das ist fatal, denn im Lokalen wird Politik konkret und spürbar (vgl. Witte und Syben 2022). Und Google bietet zwar auf jede Frage eine Antwort, TikTok für jede Lage einen Kommentar und Siri Gesellschaft – aber keine kritisch-informierte Einordnung.

In einigen Ländern sehen wir bereits, wie öffentlich-rechtliche Sender und Privatverlage systematisch kooperieren. In Großbritannien finanziert die BBC im Rahmen der Initiative „Local News Partnerships“ unter anderem mehr als 150 Stellen so genannter Demokratiereporter*innen in Lokal- und Regionalzeitungen (vgl. BBC o. J.), was die Sichtbarkeit lokalpolitischer Ereignisse insgesamt erhöht. Das ist eine positive Entwicklung, denn wer von kritischen Medien beobachtet wird, kann weniger verschleiern. Neuseeland und Kanada haben die erfolgreiche Idee der BBC bereits adaptiert. Sollten die Öffentlich-Rechtlichen auch hierzulande strukturelle Kooperationen mit kommerziellen Lokalmedien verstärken? Bedenkenswert ist das allemal. Doch reichen solche Kooperationen, um eine pluralistische Medienlandschaft mit verschiedenen Eigentümer- und Finanzierungsstrukturen sowie mehr Wettbewerb zu sichern?

Weshalb eine Vielfalt verschiedener Besitzverhältnisse und Finanzierungsformen so wichtig ist, illustriert ein Beispiel aus Stuttgart: Hier beschwerten sich jüngst fünf Landräte in einem Offenen Brief mit dem Titel «Kommunalpolitik braucht einen starken Lokaljournalismus» (Bernhard et al. 2022) darüber, dass innerhalb der Stuttgarter Zeitungsgruppe 55 redaktionelle Stellen gestrichen werden sollten. Sie hatten Angst, dass aus ihren Sitzungen nicht mehr berichtet würde. Veröffentlicht hat diesen Brief jedoch die gemeinnützige Kontext Wochenzeitung – eine Pionierin im Feld des Non-Profit-Journalismus. Die anderen Redaktionen in der Metropolregion Stuttgart gehören – wie die Stuttgarter Zeitungsgruppe selbst – inzwischen größtenteils zur Südwestdeutschen Medienholding. Sie hatten anscheinend kein Interesse, Kritik am eigenen Arbeitgeber zu drucken.

Nun ließe sich einwenden, dass das Internet die Öffentlichkeit längst demokratisiert hätte, weil jede*r mit wenigen Klicks zum „Sender“ von Informationen und Meinungen werden kann. Doch die Vielzahl der Meinungen im Netz ist eben nicht gleichbedeutend mit journalistischer Vielfalt, die kontinuierlich verlässliche, geprüfte, unparteiische Berichterstattung liefert. Diese klärt auf, trägt zur Identitätsbildung bei und ermöglicht es uns, informierte Entscheidungen zu treffen. Doch wie lässt sich journalistische Vielfalt künftig finanzieren?

Die dritte Säule wächst: Pioniere des Non-Profit-Journalismus drängen ins System

Um den Lokaljournalismus und das journalistische Ökosystem insgesamt zu stärken, braucht es neue Impulse und starke Produkte. Das sind solche, die die Bedürfnisse ihres Publikums aufnehmen, die es ermächtigen und in die investiert wird. Die gute Nachricht: Bundesweit entstehen solche Angebote im Non-Profit-Bereich. Nicht nur der journalistische Nachwuchs gründet gemeinnützig, sondern auch erfahrene Journalist*innen. Der Wandel kommt von innen. Die Gründer*innen wollen weg vom Terminjournalismus, wollen mehr Zeit für Recherche. Sie arbeiten digital und dialogisch, kritisch und konstruktiv. Ihr Motto: Audience first. Das bildet sich auch im Geschäftsmodell ab. Gleich, ob wir nach Stuttgart (Kontext: Wochenzeitung), Nürnberg (Relevanzreporter), Konstanz (karla), Düsseldorf (VierNull), Münster (RUMS) oder Greifswald (Katapult MV) schauen: Es entstehen immer mehr werbefreie Angebote. Angebote, die mitglieder-, spenden- und stiftungsfinanziert sind. Sie orientieren sich am Gemeinwohl, betonen ihre Unabhängigkeit und schöpfen Gewinne nicht ab, sondern reinvestieren diese – eines der Grundprinzipien des gemeinnützigen Journalismus.

Einige dieser Angebote haben rechtlich bereits Gemeinnützigkeitsstatus. Das bringt ihnen steuerliche Vorteile. Doch diesen Status erreichen die Pionier*innen nur über Umwege. Denn Journalismus zählt trotz seiner in Deutschland verfassungsrechtlich verbrieften Sonderrechte bislang nicht zu den steuerrechtlich anerkannten gemeinnützigen Zwecken. Diese listet die sogenannte Abgabenordnung in Paragraf 52 auf – es sind aktuell 26 Zwecke. Darunter findet sich vieles, was sofort einleuchtet: etwa die Förderung von Wissenschaft und Forschung oder Kunst und Kultur. Dass Modellflug, Hundesport und Karneval auch dazu zählen, mag Anlass zum Schmunzeln oder Kopfschütteln geben. Blieben doch bisherige Vorstöße zur expliziten Anerkennung des Non-Profit-Journalismus erfolglos.

Um in einer rechtlichen Grauzone den Gemeinnützigkeitsstatus zu erhalten, nehmen Gründer*innen heute bereits anerkannte, dem Journalismus nahe Zwecke in ihre Statuten auf, beispielsweise Bildung. Nur, dann müssen sie auch Bildungsarbeit betreiben und finanzieren – zusätzlich zu ihrem Journalismus. Dass erste Non-Profit-Newsrooms solche Rahmenbedingungen in Kauf nehmen, belegt die Aufbruchsstimmung im Feld. Doch wie viel mehr Gründer*innengeist ließe sich freisetzen, wenn dieses medienpolitische Hemmnis aus dem Weg geschafft und Non-Profit-Journalismus in die Abgabenordnung aufgenommen würde?

Der Steuerstatus ersetzt kein Geschäftsmodell, eröffnet aber neue Erlösquellen

Um das größte Missverständnis direkt auszuräumen: Mit der steuerrechtlich anerkannten Gemeinnützigkeit wird niemandem etwas geschenkt. Die Gemeinnützigkeit ist ein an Bedingungen gebundener Steuerstatus. Wer den Status möchte, darf keine Renditen abschöpfen, sich oder Anteilseigner*innen begünstigen. Die Gemeinnützigkeit ist auch keine Erfolgsgarantie. Non-Profit-Newsrooms müssen wirtschaftlich arbeiten und brauchen tragfähige Geschäftsmodelle. Nur erleichtert den Newsrooms die Gemeinnützigkeit Zugang zu solchen Erlösquellen, die profitorientierte Medien bisher kaum erschlossen haben oder nicht erschließen konnten.

Das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv erhielt beispielsweise im Jahr 2021 laut eigenen Angaben rund 1,4 Millionen Euro an Spenden von Bürger*innen, hinzu kamen rund zwei Millionen Euro an Stiftungsfinanzierung und Unternehmensspenden (Correctiv 2021). Und das, obwohl die Recherchen ohne Paywall frei zugänglich sind. Was Correctiv auszeichnet, sind das Mindset und die Herangehensweise: offen für Neues, experimentierfreudig und kooperationsstark. Recherchen setzt Correctiv häufig gemeinsam mit Medienpartner*innen aus dem In- und Ausland um, und immer wieder kommt der so genannte Crowdnewsroom zum Einsatz – eine Online-Plattform, über die Journalist*innen und Bürger*innen gemeinsam recherchieren.

Zur Stärkung des Lokaljournalismus hat das Recherchezentrum 2018 mit Unterstützung der Rudolf Augstein Stiftung Correctiv.Lokal gelauncht. Dieser Zusammenschluss („Hub“) bündelt Expertise im Bereich des investigativen, datengetriebenen Lokaljournalismus und koordiniert ein Netzwerk, dem inzwischen mehr als 1200 Lokaljournalist*innen angehören. Correctiv.Lokal unterstützt die dezentral arbeitenden Journalist*innen mit Know-how, Tools und Themenideen. Der Fokus liegt auf Geschichten, die zu zeitaufwändig oder technologisch komplex sind, um sie allein zu bewältigen. Gemeinsam gelingen aufwändige Datenrecherchen und investigative Themenschwerpunkte, die im Alltag von Lokalredaktionen oft zu kurz kommen. Ergänzend bietet Correctiv.Lokal Vernetzungsmöglichkeiten und Workshops. Warum ist das wichtig? Während es für große Medienunternehmen leichter ist, in Innovation und neue Technologien zu investieren, müssen kleine Redaktionen immer häufiger kooperieren. Non-Profit-Newsrooms können hier als Hubs und Intermediäre eine wichtige, unterstützende Rolle spielen.

Ein Gewinn für das gesamte journalistische Ökosystem

Beispiele wie das von Correctiv zeigen zweierlei: Erstens können Non-Profit-Newsrooms neues Geld in den Journalismus holen. Anstatt Privaten Konkurrenz zu machen – ein weiteres gängiges Vorurteil gegen den Non-Profit-Journalismus –, erweitern die Gemeinnützigen den Markt, wo dieser versagt. Wenn das Ökosystem wächst, wertet das den Journalismus insgesamt auf. Denn mehr guter, relevanter Journalismus sorgt für eine rege Öffentlichkeit. Die begünstigt bürgerschaftliches Engagement, und das wiederum zieht ein höheres Interesse an seriösen Informationen nach sich. Die Nachfrage steigt, was allen zugutekommt.

Zweitens weist die Gemeinnützigkeit über den Finanzierungsaspekt von Journalismus hinaus. Sie ist wie ein Nordstern für journalistische Ideale und Relevanz. Schließlich ist Gemeinnützigkeit rechtlich genau deshalb als Steuerstatus verankert, weil sie ein alternatives Leitprinzip zur kommerziellen Ausrichtung bietet. Non-Profit-Newsrooms sind ein Stück weit frei von Kriterien, an denen sich profitorientierte, private Medien orientieren müssen – Passung von Inhalt und Werbung, Zugriffszahlen, quantitative Aufmerksamkeitsfaktoren, Verweildauer etc. Sie können sich dadurch auf andere Orientierungspunkte journalistischer Qualität und Relevanz konzentrieren: methodische Innovation, Interaktion mit den Zielgruppen, Lösungsorientierung, Langzeit-, investigativ oder grenzüberschreitende Recherche, kooperative Arbeit – die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Das Gute daran: Non-Profit-Journalismus muss kein Interesse an einer Verknappung der Ressourcen haben, die er erschafft. Er kann seine Inhalte, Methoden und technischen Innovationen anderen Medien offen zur Verfügung stellen. Auch das stärkt das Ökosystem insgesamt. Zusätzlich kann gemeinnütziger Journalismus in vielen Eigentumsformen produziert werden, von Vereinen über Genossenschaften bis zu Stiftungen, was die institutionelle Vielfalt der Medienbranche erhöht.

Wer Deutschland zur Vorreiterin in Europa machen kann

Wenn Non-Profit-Journalismus das kriselnde Mediensystem in Deutschland und anderswo qualitativ bereichern und ökonomisch stärken kann, welche Weichenstellungen braucht es? Wer muss aktiv werden?

Der Gesetzgeber: Journalismus ins Gemeinnützigkeitsrecht aufnehmen

Hoffnung auf bessere Bedingungen für Non-Profit-Journalismus spendet der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Dort heißt es: »Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus« (Mehr Fortschritt wagen 2021). Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des hiesigen medialen Ökosystems und Deutschland würde dadurch zur Vorreiterin in Europa. Bisher beißen Antragsteller*innen aus dem Bereich des Lokaljournalismus mit ihren Hilfskonstruktionen zur Erlangung der Gemeinnützigkeit bei prüfenden Finanzämtern immer wieder auf Granit. Ein Fortbestand dieser Rechtsunsicherheit könnte die weitere Entwicklung der dritten Säule unseres Mediensystems im Keim ersticken. Damit das nicht passiert, haben sich 2019 Non-Profit-Newsrooms, Gewerkschaften und Stiftungen im Forum Gemeinnütziger Journalismus zusammengeschlossen. Gemeinsam setzen sie sich für die Anerkennung des Journalismus als eigenständigem Zweck der Abgabenordnung ein – denn die gesellschaftliche Wirkung könnte groß sein.

Für journalistische Organisationen wären mit dem Status vielfältige Vorteile verknüpft:

  • Entlastung durch umfangreiche Steuerbefreiungen;

  • Vertrauensbeweis für Spender*innen und Rezipient*innen, dass die Organisation selbstlos tätig ist, das heißt: sich niemand bereichert;

  • Spendenanreiz durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden;

  • Möglichkeit der Stiftungsfinanzierung, denn 95 Prozent der mehr als 24.000 Stiftungen in Deutschland fördern ausschließlich gemeinnützige Organisationen;

  • Möglichkeit von Stiftungsneugründungen zur Förderung des Journalismus und

  • Zugang zu öffentlichen Fördermitteln.

Wenn eine Organisation Journalismus im Sinne des Gemeinwohls betreiben und dafür Steuerbegünstigungen erhalten möchte, so sollte sie sich nach den Vorstellungen des Forums Gemeinnütziger Journalismus (2022) neben der Selbstlosigkeit, wie sie die Abgabenordnung fordert, auch dem redlichen Umgang bei Recherchen und Veröffentlichungen verpflichten, wie es der Pressekodex des Deutschen Presserats festlegt. Zudem sollte sie die Transparenzkriterien der Initiative Transparente Zivilgesellschaft erfüllen (vgl. Transparency o. J.) – schließlich soll die Gemeinschaft nachvollziehen können, aus welchen Quellen Gelder stammen.

Der aktuelle Koalitionsvertrag stellt erfreulicherweise in Aussicht, Rechtssicherheit für Non-Profits herzustellen – ohne allerdings die Art der Umsetzung oder den Zeitplan zu spezifizieren. Den besonderen gesellschaftlichen Wert des Journalismus würde es unterstreichen, wenn dieser in der Abgabenordnung nicht unter eine andere Kategorie (Bildung) subsummiert, sondern als eigenständiger Zweck aufgenommen würde.

Öffentliche und private Geldgeber: Plattformunabhängige Förderprogramme auflegen und für Non-Profits öffnen

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist nur ein Puzzlestück, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Es bedarf weiterer Maßnahmen, um insbesondere den Lokaljournalismus in die (digitale) Zukunft zu tragen. Die ebenfalls im Koalitionsvertrag vorgesehene Zustellförderung für gedruckte Zeitungen kann diesen Anspruch nicht erfüllen. Bei der Zustellförderung handelt es sich um eine formatbezogene („periodische Presseerzeugnisse“) Finanzspritze für Zeitungsverlage. Sie wurde in den vergangenen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert und zumindest bislang verworfen – aus guten Gründen (vgl. Raab 2022). Denn diese Art von Förderung macht öffentliche Unterstützung an Trägermedien fest.

Statt einer Subvention traditioneller Vertriebswege bräuchte es plattformunabhängige Förderinstrumente – aus öffentlichen Mitteln und privat finanziert, zum Beispiel von Stiftungen. Solche Programme können Zukunftsperspektiven für den Journalismus insgesamt eröffnen und Anreize zu dessen Weiterentwicklung geben. Je freier die Journalismusförderung vom Formatzwang ist, desto offener bleibt sie für innovative journalistische Ansätze und Organisationsformen. Plattformunabhängige Förderprogramme würden der Tendenz entgegenwirken, dass Journalismus bei sich wandelnden medialen Nutzungsdynamiken abgehängt wird; im Gegenteil, kreative Projekte könnten die Entwicklungen im besten Fall mitgestalten.

Die Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit ist dabei eine nicht verhandelbare Voraussetzung für jede Art der Unterstützung; im Fall von öffentlichen Geldern kommt die Staatsferne hinzu. Beides lässt sich gewährleisten. Eine Möglichkeit sind sogenannte Firewall-Organisationen, die zwischen Förderer und Empfänger geschaltet sind und die Mittel nach klaren Kriterien vergeben.

Dass die öffentliche Förderung des Lokal- und Regionaljournalismus möglich ist, bestätigt ein Gutachten des Mainzer Medieninstituts aus dem Jahr 2021 (Cornils et al. 2021). Dieses spricht sich gegen eine Unterstützung mit der Gießkanne aus – wie es bei der Zustellförderung der Fall wäre – und betont den Wert direkter, selektiver Förderinstrumente, die mit klar definierten Zielen verknüpft sind. Hierbei kann es sich um Innovationsförderung handeln, es kann aber auch darum gehen, Marktversagen auszugleichen beziehungsweise ein hochwertiges und vielfältiges publizistisches Angebot zu stärken. Diesbezüglich weist das Land Brandenburg den Weg: Seit dem Jahr 2021 werden jährlich eine Million Euro zur Förderung lokaljournalistischer Inhalte vergeben mit dem Ziel, Defizite in der lokalen Informationsversorgung zu beheben.

Doch die Förderung des Journalismus steht kompetenzrechtlich nicht allein den Ländern zu. Auch der Bund kann aktiv werden, zum Beispiel im Sinne einer Wirtschaftsförderung. Wie das aussehen könnte, zeigt beispielhaft die Wiener Medieninitiative (Wirtschaftsagentur Wien o. J.). Sie unterstützt seit 2019 die Umsetzung innovativer journalistischer Ideen mithilfe eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens. Allerdings: Nicht-gewinnorientierte, gemeinnützige Projekte können sich bislang nicht bewerben – hier ist ein Umdenken zwingend notwendig.

Einen Schritt in die richtige Richtung stellen die speziell zur Innovationsförderung in einigen deutschen Bundesländern in den vergangenen Jahren öffentlich finanzierten Media Labs dar (Media Lab Bayern, Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW, Medieninnovationszentrum Babelsberg oder nextMedia.Hamburg). Doch die Budgets der jeweils regional ausgerichteten Förderinitiativen sind überschaubar im Vergleich zum europäischen Ausland oder im Vergleich zu den Geldern, die Digitalkonzerne bereitstellen. Die Digitalkonzerne Google und Facebook gehören derzeit zu den größten Journalismusförderern. Manche sehen dadurch weniger die redaktionelle Unabhängigkeit oder den Medienpluralismus in Gefahr als die „wirtschaftliche Autonomie der Medien“, weil viele Medienhäuser praktisch von Google-Diensten als Betriebssystem abhängig sind (vgl. Fanta und Dachwitz 2020; Fanta 2022).

Wenn wir uns auf Finanzspritzen der Digitalkonzerne in der Innovationsförderung nicht verlassen und Technologieoffenheit im Sektor fördern wollen, gilt es folglich, eine erhebliche Finanzierungslücke zu füllen, wie ein Gutachten zur Innovationsförderung im deutschen Journalismus feststellt (Buschow und Wellbrock 2020).

Zivilgesellschaftliche Akteure: Stiftungs- und Spenden-Potenzial heben

Philanthropische Formen der Journalismusförderung sind hierzulande derzeit kaum entwickelt. Dabei könnten sie einen Unterschied bewirken. Mit der Erweiterung des Gemeinnützigkeitsrechts könnte insbesondere das Stiftungsengagement aufleben. Anders als renditenorientierte Investoren können Stiftungen komplementär zum Markt agieren, mit Mut zum Risiko. Aufgrund ihres Interesses am gesellschaftlichen statt am monetären Mehrwert liegt es nahe, dass sich Stiftungen auch für kritischen, sorgfältig recherchierten Journalismus engagieren.

Dabei geht es nicht nur darum, mögliche Neugründungen von Journalismus-Stiftungen zu fördern. Journalismusförderung könnte (und sollte) auch für bisher anders ausgerichtete Stiftungen ein Anliegen werden. Denn fast alle Stiftungen sind zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen Zwecke auf eine informierte Öffentlichkeit angewiesen, sie brauchen guten Journalismus – gleich, ob sie sich für Bildung und Wissenschaft, Demokratieförderung oder Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Qualitätsjournalismus stärkt den Diskurs, auch über diese Themen. Er bildet die Basis für eine aktive Zivilgesellschaft. Angesichts dieser Tatsache ist es erstaunlich, dass sich bislang weniger als 0,5 Prozent der mehr als 24.000 Stiftungen in Deutschland in diesem Feld engagieren. Es braucht im philanthropischen Sektor dringend ein Bewusstsein, was auf dem Spiel steht, wenn sich das nicht bald ändert – und die Gemeinnützigkeit könnte den Weg freimachen. Die Mittel wären da: Der deutsche Stiftungssektor ist der größte Europas und schüttet jährlich Milliardenbeträge aus.

In den Vereinigten Staaten lässt sich ein Trend beobachten, der Hoffnung spendet: Immer mehr Bürgerstiftungen („Community Foundations“) unterstützen lokaljournalistische Angebote. Für die rund 400 Bürgerstiftungen in Deutschland scheint das Konzept hingegen noch neu. Doch im geteilten Ortsbezug und -wissen der Organisationen liegt Potenzial, dass sich diese Stiftungen und Gründer*innen zugunsten von Journalismus verbünden.

Noch breiteres zivilgesellschaftliches Engagement für Journalismus könnte das Modell von NewsMatch bringen – ebenfalls ein Förderkonzept aus den USA. Die öffentlichkeitswirksam angelegte Fundraising-Kampagne zur Unterstützung von Non-Profit-Newsrooms wurde 2016 von der Knight Foundation initiiert (vgl. Rundlet 2021). Das Förderkonzept beruht auf dem Matching-Funds-Prinzip: Die Newsrooms erhalten Unterstützung zur Professionalisierung ihres Fundraisings bei privaten Spender*innen. Die am Programm teilnehmenden Stiftungen verdoppeln dann die eingeworbenen Beiträge. Seit Gründung hat Newsmatch mehr als 220 Millionen US-Dollar mobilisiert.

Um sich zu engagieren, müssen Stiftungen das Rad also nicht neu erfinden. Weltweit finden sich nachahmenswerte Beispiele. Mit seiner dezentralen Struktur kann der Stiftungssektor lokale wie auch thematisch spitze Journalismusinitiativen aufgreifen.

Kommerzielle Medien: Weg frei für hybride Modelle und die Transformation von For-Profit zu Non-Profit

Im Ringen um eine Diversifizierung ihrer Erlösquellen nehmen inzwischen auch privatwirtschaftliche Verlage die Gemeinnützigkeit in den Blick. Erste For-Profit-Organisationen haben bereits ihre Ausrichtung erweitert und sich zu hybriden Organisationen entwickelt. So gründete der britische Guardian 2016 in den USA eine gemeinnützige Organisation, um Spenden und Förderungen einzuwerben (vgl. Scire 2021). Auch wenn die Summen im Verhältnis zum Gesamtumsatz des Unternehmens überschaubar sind, erhielt der Guardian im herausfordernden Pandemie-Jahr 2020 rund neun Millionen US-Dollar an Zuwendungen für redaktionelle Sonderprojekte, die ohne Förderung nicht umsetzbar gewesen wären.

Im Lokaljournalismus wandeln Eigentümer*innen sogar For-Profits in Non-Profit-Newsrooms um. So geschehen bei der Salt Lake Tribune (vgl. Schmidt 2019a). Und auch das gibt es: Der Philadelphia Inquirer und die Tampa Bay Times sind Beispiele für Nachrichtenblätter, die seit Kurzem gemeinnützigen Organisationen gehören, aber weiterhin gewinnorientiert arbeiten (vgl. Schmidt 2019b).

Die Eigentümerschaft unter das Primat des Journalismus zu stellen, ist keine neue Entwicklung, wir erleben erfreulicherweise eine Renaissance. Hinter dem Guardian und der FAZ stehen mit dem Scott Trust und der gemeinnützigen Fazit-Stiftung schon länger nicht-profitorientierte Organisationen, die die redaktionelle und unternehmerische Unabhängigkeit der Zeitungen sichern sollen.Footnote 1 Diese Beispiele zeigen, dass eine Vielfalt journalistischer Betriebsmodelle möglich ist – und private und gemeinnützige Ansätze einander klug ergänzen können.

Mit zeitgemäßen rechtlichen Rahmenbedingungen und neuen Erlösquellen in die Zukunft

Ein Journalismus, der unsere Demokratie stärkt, ist auf zeitgemäße rechtliche Rahmenbedingungen sowie nachhaltige Ressourcen und Unterstützer*innen angewiesen. Ist das gegeben, können wir auch in Zukunft auf eine vielfältige Medienlandschaft bauen. Zu dieser wird der Non-Profit-Journalismus gehören. Mit ihrem Fokus aufs Gemeinwohl liefern erste Non-Profit-Newsrooms Innovationsimpulse für die gesamte Branche.

Dass sich immer mehr Gründer*innen trotz der derzeit widrigen Bedingungen für das gemeinnützige Betriebsmodell entscheiden, lässt hoffen. Es lässt sich auch als Aufruf verstehen. Die Energie im Feld ist hoch, der Zeitpunkt aktiv zu werden günstig. Dafür müssen wir weder bei null anfangen noch alles neu denken. Beflügeln wir stattdessen den vorhandenen Gründer*innengeist! Eine Selbstorganisation des gemeinnützigen Journalismus hat bereits eingesetzt.

Damit Deutschland zu einer Vorreiterin des gemeinnützigen Journalismus wird, braucht es jedoch mehr als Einzelmaßnahmen und Projekte. Es bedarf einer Gesamtstrategie. Das wäre eine medienpolitische Weichenstellung für die kommende Dekade. Diese mobilisiert idealerweise ein Multi-Stakeholder-Bündnis. Denn angesichts der Vielschichtigkeit der Herausforderungen sollten sich die Beteiligten aus Politik, dem publizistischen Sektor, der Zivilgesellschaft und, ja: auch der technischen Community, gemeinsam in ihren – je eigenen – Rollen für die Zukunft des Journalismus engagieren. Miteinander gilt es, das Bewusstsein für die aktuellen Problemlagen im journalistischen Feld zu schärfen und ohne Scheuklappen Lösungen zu erarbeiten. Es ist an der Zeit für einen Aufbruch.