1 Einleitung: Das MPIfG und die Sozialwissenschaften in den 1980er und 1990er Jahren

Mit der Gründung des MPIfG im Spätjahr 1984 kam ein Prozess an sein Ende, in dessen Verlauf die MPG intensiv über die zukünftige Förderung der Sozialwissenschaften und deren epistemische Ausrichtung diskutiert hatte. Die Wahl von Renate Mayntz zur Gründungsdirektorin des MPIfG war keine zufällige. In deutlicher Abgrenzung zum als linkspolitisiert geltenden Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg (MPIL), in dem die Mitarbeiter von Jürgen Habermas kapitalismuskritische Sozialwissenschaft und die Carl Friedrich von Weizsäckers gesellschaftskritische Wissenschafts- und Friedensforschung praktiziert und sich in der Öffentlichkeit auch politisch positioniert hatten, sollte Mayntz einen wertneutralen, empirisch-analytischen sozialwissenschaftlichen Ansatz vertreten, der nicht von der Tagespolitik beeinflusst sein durfte (Leendertz, 2010, S. 115, 2014, 2015). Gleichwohl er aktiver Sozialdemokrat war, teilte auch Fritz W. Scharpf, der 1986 als Co-Direktor ans MPIfG kam, diesen Ansatz und erweiterte ihn durch seine spieltheoretisch orientierte Policy-Forschung. Aus dieser Zusammenarbeit resultierte der akteurzentrierte Institutionalismus (vgl. Mayntz & Scharpf, 1995), der auch über das MPIfG hinaus Aufnahme fand.

Der Beitrag wird zeigen, dass das spezifische institutionelle Gefüge des MPIfG – gesicherte mehrjährige Finanzierung, Planstellen, Möglichkeiten für Gastaufenthalte ausländischer und deutscher Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler, Möglichkeiten für internationale Kooperationen bei größeren Forschungsprojekten – die Etablierung dieses empirisch-analytischen Forschungsprogramms erst möglich machte. Dabei blieb der Kern des Forschungsprogramms – der sozialwissenschaftliche Institutionalismus – nach dem Wechsel von Mayntz zu Wolfgang Streeck in den Jahren 1995–1997 bestehen, wandelte sich aber insofern, als dass nun der historische Institutionalismus zum richtungsweisenden Ansatz für die an diesem Institut verfolgten Forschungsprojekte wurde. Es handelte sich dabei um eine Umwandlung epistemischer Strukturen, die einerseits eine institutionelle Erneuerung zur Folge hatte, in deren Verlauf andererseits der „harte Kern“ (vgl. Lakatos, 1982, S. 46–55) dieses Forschungsprogramms beibehalten wurde (vgl. Heinze & Münch, 2012, S. 17, 20–21).

Diese Entwicklung soll anhand folgender thematischer Abschnitte dargestellt werden: Die Gründungsgeschichte des Instituts und die Interessenlage der daran beteiligten Akteure, das Forschungsprogramm von Mayntz und dessen Wandel bis 1997, die organisatorische Struktur des MPIfG und die Ergebnisse der Forschungsprojekte.

2 Die Gründung des MPIfG und die Interessen der daran beteiligten Akteursgruppen

Die MPG-Leitung verfolgte zu Beginn der 1980er Jahre das Ziel, keine politisierte geisteswissenschaftlich orientierte Soziologie mehr zu fördern. Stattdessen sollte die sozialwissenschaftliche empirische Grundlagenforschung gestärkt werden. Die 1981 erfolgte Empfehlung des Wissenschaftsrats, mehr Gewicht auf die empirische Sozialforschung zu legen, untermauerte diese wissenschaftspolitische Richtlinie (Link, 2022, S. 19–20). Zu dieser Zeit existierten auch Pläne zur Gründung einer Max-Weber-Gesellschaft für Sozialwissenschaften, die, wie der Forschungsminister Klaus von Dohnanyi dem MPG-Präsidenten Reimar Lüst erläuterte, deshalb ins Leben gerufen werden sollte, weil die MPG nach Ansicht Dohnanyis nicht bereit sei, die Sozialwissenschaften stärker zu fördern (Lüst, 2010, S. 20–21, 23). Dies kann als Konkurrenzunternehmen in Sachen außeruniversitäre Förderung der Sozialwissenschaften Westdeutschlands interpretiert werden. Vom neuen MPIfG in Köln erwartete sich die MPG-Leitung empirisch abgesichertes und analytisch durchdrungenes sozialwissenschaftliches Reflexionswissen über zeitgenössische gesellschaftliche Entwicklungen. Vermuten lässt sich, dass die MPG-Leitung darüber hinaus prognostisches Wissen über zukünftige Forschungstrends erwartete, weil Renate Mayntz Steuerungstheorie betrieb und das außeruniversitäre Forschungssystem in der Bundesrepublik erforschen wollte. Dass das MPG-Präsidium trotz der aus seiner Sicht unerfreulichen Erfahrung mit dem MPIL sich dazu entschloss, ein neues sozialwissenschaftliches MPI zu gründen, ruhte auch darauf, dass der MPG klar geworden war, auf die Sozialwissenschaften nicht verzichten zu können; diese Wissenschaften waren – im Gegensatz zu den klassischen Geisteswissenschaften – sowohl epistemisch als auch disziplinär zu wichtig geworden, um sie ausschließlich der universitären Forschung zu überlassen (vgl. Frank & Gabler, 2006, S. 117–143).

Die Initiative zur Gründung eines neuen sozialwissenschaftlichen MPI kam demnach von der MPG-Leitung, die sich im Zuge der Abwicklung des MPIL Gedanken um die zukünftige Förderung der Sozialwissenschaften innerhalb der MPG machte. Im Mai 1981 setzte die Geisteswissenschaftlichen Sektion der MPG (GSWS) die Kommission „Förderung der Sozialwissenschaften“ ein, die das Ziel verfolgte, die Sozialwissenschaften in der MPG auszubauen. Langfristig sollten mehrere Schwerpunkte institutionalisiert werden (Link, 2022, S. 19). Die Kommission stellte drei Konzepte möglicher sozialwissenschaftlicher MPI vor, ein MPI für kulturvergleichende Forschung, eines für vergleichende Sozialforschung und ein MPI für Institutionenanalyse. Sechs auswärtige Gutachter sollten dazu Stellung nehmen, darunter auch Mayntz (Leendertz, 2010, S. 87–88, 90–91). Aufgrund ihres Vorsitzes im Fachbeirat des MPIL war sie der MPG seit den 1970er Jahren bekannt. Darüber hinaus kannte Lüst die Kölner Sozialwissenschaftlerin aus ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) (Lüst, 2010, S. 23, 27).

Erst im Frühjahr 1984 war klar geworden, dass die Präferenzen der Kommission auf einer Verbindung von empirischer Sozialforschung und Institutionenanalyse lagen. Dabei war Mayntz‘ Name als mögliche Gründungsdirektorin am häufigsten gefallen. Paul Baltes, einer der Direktoren des MPI für Bildungsforschung (MPIB), hatte Mayntz im Vorfeld gebeten, ein Forschungsprogramm für ein zukünftiges sozialwissenschaftliches MPI zu entwerfen, wonach sich die Kommission auf ihre konzeptionellen Vorschläge einigte (Leendertz, 2010, S. 103–104). Als besonders attraktiv sahen die Kommissionsmitglieder ihren Fokus auf die Mesosoziologie als vermittelnde Ebene zwischen Mikro- und Makrosoziologie an.Footnote 1

Der Beschluss zur Gründung des MPIfG war demnach auch wissenschaftspolitisch motiviert, denn durch Institutionenanalyse einerseits, empirische Sozialforschung andererseits sollte der Gefahr einer ideologischen Politisierung entgegengewirkt werden, wie dies beim MPIL und auch beim MPIB geschehen war (Behm, 2023, S. 238–266; vgl. Behm & Reh, 2016).

3 Renate Mayntz‘ Forschungsprogramm und dessen Wandel 1984–1997

Der am MPIfG praktizierten Sozialforschung lagen Mayntz‘ „Überlegungen zum Forschungsprogram eines Max-Planck-Instituts für soziologische Forschung“ zugrunde, die sie im September 1983 verfasst hatte. Mitarbeiter und Stipendiaten konnten nur dann in der einen oder anderen Weise an diesem MPI arbeiten, wenn sie in das recht eng gesteckte und von Mayntz‘ Programm bestimmte Forschungsprofil passten (Link, 2022, S. 33).

Als grundsätzliches Ziel des zunächst auf zehn Jahre geplanten Forschungsprogramms formulierte sie die Überwindung der Diskrepanz zwischen empirisch fundierter Forschung und erklärungskräftiger Gesellschaftstheorie, was derzeit kaum anzutreffen sei.Footnote 2 Inhaltlich ging es darum, die „Eigendynamik hochentwickelter Gegenwartsgesellschaften“, die durch „das komplexe Zusammenspiel von Vorgängen auf der institutionellen und individuellen Ebene“ hervorgegangen sei, sowie die „daraus resultierenden Probleme“ für die weitere Entwicklung dieser Gesellschaften besser zu verstehen.Footnote 3 Unter hochentwickelten Gegenwartsgesellschaften verstand Mayntz moderne Industriegesellschaften, die durch ein hohes Maß an organisationaler Ausdifferenziertheit, Komplexität, interner wie externer Interdependenz und Verfügung über Ressourcen und Techniken charakterisiert seien.Footnote 4 Die gesellschaftliche Binnenstruktur konzeptualisierte sie als hierarchisch strukturiert, bestehend aus „mehrstufig angeordneten, jeweils nur schwach verbundenen Untereinheiten“. Diese Untereinheiten nannte sie „Sektoren“, die wechselseitig miteinander interagierten.Footnote 5 Ein solch komplexer Forschungsgegenstand konnte nicht mittels reduktionistischen und auf kausale Wirkungszusammenhänge ausgerichteten Methoden untersucht werden. Auch „strukturelle Forschungsansätze, die nur mit aggregierten Individualdaten arbeiten“, und die „Erfassung sozialer Wandlungsprozesse mittels quantitativer und historisch-qualitativer Indikatoren“ lehnte sie ab.Footnote 6 Stattdessen sollte die Institutionenanalyse dergestalt operationalisiert werden, dass mehrere weitere heuristische Ansätze darin integriert werden konnten, wie etwa die soziologische Systemtheorie nach Talcott Parsons und Niklas Luhmann, Norbert Elias‘ Theorie des Zivilisationsprozesses, die allerdings empirisch zu erweitern sei, politologische Steuerungstheorie, politische Soziologie, Verwaltungsforschung, Wissenschafts- und Bildungssoziologie, Organisationsforschung und interorganisatorische Netzwerkanalyse.Footnote 7 Mayntz stellte heraus, dass ein solches Programm nur als kooperatives und auf eine längere Zeitspanne angelegtes Unternehmen umgesetzt werden könne. Damit legitimierte sie die Gründung eines sozialwissenschaftlichen MPI, denn an Universitäten wäre dies nicht möglich.Footnote 8

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die beiden Direktoren konzentrierten sich auf Institutionen auf der Mesoebene, etwa solche der staatlichen Forschungsförderung (Beispiel: Wissenschaftsrat). Mayntz wollte damit Helmut Willkes systemtheoretisch unterlegte These prüfen, dass hochentwickelte Gesellschaften dazu tendierten, spezielle Vermittlungsinstitutionen auszubilden, die vor allem der intersektoralen Abstimmung dienten (Beispiel: konzertierte Aktion im Gesundheitswesen).Footnote 9 Es ließe sich vermuten, dass ihrer Ansicht nach die auf der Mesoebene stattfindenden Verhandlungen zwischen Akteuren und Institutionen gesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen deutlicher abbilden würden als Institutionen und Akteursgruppen auf der Makro- und der Mikroebene. Ferner liegt die Vermutung nahe, dass sie damit auf die von Jürgen Habermas in den 1970er Jahren konstatierte neue Unübersichtlichkeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften reagierte. Die ökonomisch-ökologische Krisenwahrnehmung sowie die poststrukturalistische Verunsicherung in Bezug auf Wahrheitsgehalt und Progressivität wissenschaftlichen Wissens hatten zu dieser neuen Unübersichtlichkeit geführt (vgl. Leendertz, 2010, S. 52).

Mit Fritz W. Scharpfs Amtsantritt als Co-Direktor des MPIfG 1986 wurde das Forschungsprogramm um mathematisierte Verfahren aus der Policy-Forschung erweitert. Zu nennen sind hier vor allem unterschiedliche Varianten der Rational Choice-Theorie. Dabei hätte Scharpf erst später berufen werden sollen. Aber Mayntz drängte die Kommission „Förderung der Sozialwissenschaften“, Scharpf möglichst rasch den Ruf zu erteilen, weil er sonst für ihr MPI verloren sei – er hatte andere Angebote, u. a. vom Europäischen Universitätsinstitut (EUI) in Florenz.Footnote 10

Mayntz und Scharpf kannten sich aus früheren Kooperationen. Ihrer Ansicht nach war er ein ausgesprochen erfahrener Sozialwissenschaftler, der „von einem stärker anwendungs- zu einem mehr gesellschaftstheoretisch orientierten, institutionellen Ansatz“ gefunden habe.Footnote 11 Die Kommission warf allerdings die Frage auf, ob sein Forschungsprofil nicht zu nah an dem der Gründungsdirektorin sei, sodass womöglich keine fruchtbare Spannung erzeugt werden könne, zumal das Forschungsprogramm noch kaum umgesetzt worden sei. Mayntz konterte dieses Argument, indem sie meinte, sie wisse, was in den nächsten fünf Jahren getan werden müsse, nämlich u. a. Scharpf zu berufen.Footnote 12 Die Kommissionsmitglieder M. Rainer Lepsius von der Universität Heidelberg und Wolfgang Edelstein vom MPIB unterstützten Mayntz‘ Wunsch, genauso wie fünf ausgesprochen positive externe Gutachten.Footnote 13 Schließlich urteilte die Kommission einstimmig, dass Scharpf hohe nationale wie internationale Wertschätzung genieße und der „international angesehenste, produktivste und vielseitigste Forscher im Bereich der Politikfeldanalyse“ sei. Sie empfahl, ihn zum Wissenschaftlichen Mitglied, zum Mitglied des Kollegiums und zum zweiten Direktor des MPIfG zu berufen.Footnote 14

Aus den hauptsächlich am MPIfG vertretenen Disziplinen Soziologie und Politologie gestaltete Mayntz ein integriertes Forschungskonzept. Dieser integrierte gesellschaftswissenschaftliche Ansatz resultierte wohl aus Mayntz‘ und Scharpfs Erfahrungen in interdisziplinären Forschungszusammenhängen. Gleichzeitig wollte die Gründungsdirektorin damit ein zentrifugales Auseinanderdriften von Abteilungen innerhalb ihres MPI verhindern, wie sie dies im MPIL beobachtet hatte. Dieser integrierte Forschungsansatz bildete sich in der kollegialen Leitungsstruktur dieses MPI ab, wobei diese Leitungsstruktur auch einer 1964 eingesetzten Entwicklung innerhalb der MPG entsprach (Balcar, 2020, S. 26).

Neben Soziologinnen und Politologen waren zeitweise auch Informatiker am MPIfG angestellt, die die Brauchbarkeit naturwissenschaftlich-digitaler Modellierungen für gesellschaftswissenschaftliche Gegenstände prüfen sollten. Zu nennen ist der im Jahres- beziehungsweise Tätigkeitsbericht von 1986 erwähnte Walter Bien, der nicht nur die EDV ehrenamtlich betreute, sondern auch die Aufgabe hatte, analytische Anwendungsmöglichkeiten zu erarbeiten, „die für andere Institutsprojekte von Bedeutung sind“. Konkret ging es um die Anwendung von netzwerkanalytischen Ansätzen.Footnote 15

Angefertigt wurden am MPIfG insbesondere Qualifikationsarbeiten (Dissertationen, Habilitationen), Forschungsarbeiten ohne Qualifikationsanspruch der wissenschaftlichen Mitarbeiter, Gastwissenschaftler, Stipendiaten und Arbeiten der Direktoren. Die einzelnen Projekte waren den Schwerpunkten Gesundheitssystem, außeruniversitäre und später auch universitäre Forschung, soziotechnische Großsysteme und allgemeine Techniksoziologie, Verwaltungs- und Steuerungsforschung (Governance, Policy) und Methoden- und Theoriediskussion zugeordnet. Sie bezogen sich bis auf solche, die dem Schwerpunkt Methoden- und Theoriediskussion zugehörten, auf Institutionen auf der Mesoebene (vgl. exemplarisch Hohn & Schimank, 1990). Inhaltlich ging es um die Identifikation von sektoralen und intersektoralen Problemkonstellationen, etwa Handlungsblockaden auf Policy-Ebene, die mehrjährig erforscht wurden und problemlösungsorientiert angelegt waren (vgl. in Bezug auf Scharpfs Ansatz Hepp & Schmidt, 2017).

Nach positiver Evaluation durch den Fachbeirat 1994 entschied sich die MPG-Leitung für die Weiterführung des MPIfG und willigte auch ein, Wolfgang Streeck zum Nachfolger von Mayntz zu berufen. Einem dritten Direktor, wie von Mayntz und Scharpf gewünscht, stimmte die MPG nicht zu, sondern befürwortete lediglich eine vorgezogene Berufung von Mayntz‘ Nachfolger (Link, 2022, S. 141–151).

Mit Streecks Amtsantritt 1995 erfolgte ein deutlicher Wandel des Forschungsprogramms. Dies resultierte einerseits aus Streecks Forschungsprofil – Verbände- und Wirtschaftssoziologie, wobei ihn insbesondere „die Dynamik des Zusammenwirkens von Märkten und marktkorrigierenden Institutionen“ interessierte (Hassel & Höpner, 2006, S. 13–14). Andererseits nahmen Scharpf und Streeck damit Bezug auf die zwischenzeitlich gewandelten Gesellschaftsverhältnisse, besonders aber auf das Verhältnis von Wirtschaft und Politik: der fortschreitende globale Finanzkapitalismus, Deregulierung der Ökonomie von staatlich-politischen Steuerung, Europäisierung und Integration der Länder des ehemaligen „Ostblocks“ waren nun zentrale Schwerpunkte, wogegen das Gesundheitssystem und die Steuerungstheorie nicht weiterverfolgt wurden, da die staatliche Politik nicht mehr in der Lage sei, selbst marktferne Sektoren zu steuern.Footnote 16 Für die zweite Phase des Forschungsprogramms sollte die Problemlösungsfähigkeit moderner Gesellschaften stärker unter historischen Randbedingungen untersucht werden, um die durch diese Randbedingungen bewirkte Beschränkung rein nationaler Lösungen, die damit einhergehende gesteigerte Bedeutung öffentlicher und privater transnationaler und supranationaler Regelungen sowie die problematischer gewordenen Interaktionseffekte zwischen den nationalen Regelungssystemen besser zu reflektieren.Footnote 17

4 Die organisationale Struktur des MPIfG

Das MPIfG war zentral organisiert, der Standort war und ist Köln. Mayntz votierte für Köln, weil sie dort über Kontakte verfügte und mehrere sozialwissenschaftliche Forschungsinstitute für mögliche Kooperationen sowie eine ausreichende Infrastruktur für sozialwissenschaftliche Forschung (etwa Spezialbibliotheken) in Köln existierten. Zudem unterstützten die Stadt Köln und die Universität zu Köln das neue MPI finanziell, halfen bei der Rekrutierung des administrativen Personals, bei der Suche nach einem geeigneten Gebäude und übernahmen das Kassenwesen für das MPIfG. Auch Mayntz‘ Ordinariat an der Universität zu Köln konnte ohne Probleme in eine Honorarprofessur umgewandelt werden. Köln sei auch deshalb ein geeigneter Standort für das MPIfG, weil hier der Zugang zu Großrechnern gewährleistet und zudem das Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (später GESIS) ebenfalls in Köln angesiedelt war.Footnote 18 Ferner erhöhte die Stadt Köln den jährlichen Mitgliederbeitrag an die MPG auf 50.000 DM, den die Stadt für voraussichtlich zehn Jahre zahlen wollte.Footnote 19

Das MPIfG war ein im Vergleich mit anderen MPI kleines Institut.Footnote 20 Nach der dreijährigen Aufbauphase bis 1987 sollte es über zwölf hauptamtliche wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zwei Wissenschaftliche Mitglieder als Direktoren, ein auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied und 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für nichtwissenschaftliche Aufgaben verfügen. Hinzuzurechnen sind durch Drittmittel finanzierte, befristete Projektforschungsstellen und etwa acht Stipendiatinnen und Stipendiaten pro Jahr (Leendertz, 2010, S. 114–115).

Von großer Bedeutung war die Einrichtung einer modernen EDV-Anlage, die zur Datenbearbeitung und Auswertung, später auch zur internen Kommunikation verwendet wurde. Dabei handelte es sich um ein Micro VAX II (1986 installiert), um den sich Jürgen Feick und andere Mitarbeiter kümmerten und auf dem zunächst die üblichen sozialwissenschaftlichen Statistikpakete (SPSS und andere) installiert wurden. Um diese Anlage herum wurde ein Ring von PCs (Terminals) eingerichtet. Die Direktoren verfolgten aber auch das Ziel, eigene Auswertungsprogramme zu schreiben, die dann von anderen Instituten (MPI oder externen Instituten) übernommen werden könnten. Im Tätigkeitsbericht von 1987 wird konstatiert, dass das Institut Zugang zum DATEX-P Net der Deutschen Bundespost habe. Es werde eine neue Hardware installiert, um über das DATEX-P Net hinaus auch auf die internationalen elektronischen Netzwerke EARN und BITNET zugreifen zu können (Link, 2022, S. 71–74). Nach Streecks Berufung ans MPIfG modernisierten er und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die technische Infrastruktur des Instituts, indem sie etwa die bisherigen Terminals durch neue leistungsstarke PCs ersetzen ließen. Sie schufen eine neue Internetseite, womit sie auch der Forderung nach erhöhter öffentlicher Sichtbarkeit des MPIfG nachkamen. Die hausinternen Informationen wurden nun über ein Intranet versendet.Footnote 21

Mayntz baute am MPIfG eine eigene Bibliothek auf, wobei etwa 6.000 Bände und einige Zeitschriftenjahrgänge vom MPIL übernommen worden waren. Ende 1986 betrug der Bestand 13.000 Monographien und 114 Zeitschriften, 1994 war der Bestand auf 30.000 Monographien und 228 Zeitschriften (davon 96 fremdsprachige) angewachsen (Link, 2022, S. 74–75).

Das Budget des MPIfG, das aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern bestand, wurde von der MPG bereitgestellt. Am Ende seiner Aufbauphase 1986 beliefen sich die jährlichen Betriebskosten des MPIfG auf 2,7 Mio. DM, wovon 960.000 DM auf Sachkosten entfielen. Für Inlandsstipendien waren ca. 120.000 DM, für Auslandsstipendien ca. 50.000 DM vorgesehen.Footnote 22 Dies bedeutet nicht, dass das MPIfG ganz ohne Drittmittel ausgekommen wäre. Gerade in den 1990er Jahren stieg die drittmittelfinanzierte Forschung auch in den MPI an, denn die MPG war seit spätestens den mittleren 1980er Jahren auf einen Sparkurs eingeschwenkt (vgl. Staab, 1985, S. 17–18). Auch die über Drittmittel finanzierten Projekte nahmen Bezug auf die langjährig verfolgten Forschungsschwerpunkte am MPIfG. Mit dem Wechsel von Mayntz zu Streeck erhöhte sich der Anteil drittmittelfinanzierter Forschung am MPIfG, was im Zusammenhang mit einer nun etablierten flexibleren Personalpolitik stand, die ihrerseits dem allgemeinen Sparkurs und dem Konjunktureinbruch in Deutschland 1991–92 geschuldet war. In Zukunft, so der Tätigkeitsbericht 1995/96, werde das Institut „ohne Dauerverträge auskommen“ müssen.Footnote 23

Die Rechtsform der MPG ist die eines eingetragenen Vereins, der rechtlich nichtselbständige Institute unterhält. Das oberste Steuerungsgremium der MPI war daher das MPG-Präsidium, das jedoch nicht ohne den Senat entscheiden konnte. Epistemische Ausrichtung, Schwerpunktsetzung und Auswahl von Mitarbeitern, Gastwissenschaftlern oder Stipendiaten oblagen jedoch Mayntz, Scharpf und Streeck. Sie konnten darüber selbständig entscheiden, ohne sich gegenüber dem Präsidium rechtfertigen zu müssen. Dies gehörte zum sogenannten Harnack-Prinzip – zuerst sollte eine brillante Wissenschaftlerin oder ein brillanter Wissenschaftler gesucht werden, um die oder den herum dann ein Forschungsinstitut gebaut wurde und die oder der relativ autonom über die Geschicke seines Instituts verfügen konnte (vgl. dazu Vierhaus, 1996).

Laut Aussage von Mayntz und Scharpf bestand zwischen dem MPIfG und anderen MPI sowie Instituten außerhalb der MPG kein Wettbewerb, weil das jährliche Budget gesichert war.Footnote 24 Auch was die drittmittelfinanzierte Forschung betrifft, konnte in den Archivdokumenten keine Konkurrenzlage zu anderen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituten festgestellt werden. Es ließe sich vermuten, dass dies auch mit der sehr eigentümlichen epistemischen Ausrichtung des MPIfG zu tun hatte; in den deutschsprachigen Regionen gab es keine vergleichbare Institution, die ein ähnliches Forschungsprogramm verfolgte.

Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaftswissenschaftlern war bei den Direktoren und den Mitarbeitern hoch, was am Fachbeirat des MPIfG deutlich wird. Dieser Beirat setzte sich aus den folgenden Akteuren zusammen: Johann P. Olsen (Bergen, wurde 1991 durch Helga Maria Hernes, Oslo, ersetzt), Peter Katzenstein (Ithaca, New York), Franz-Xaver Kaufmann (Bielefeld, Vorsitzender), Ernst-Joachim Mestmäcker (Hamburg), Otto Gerhard Oexle (Göttingen, 1991 ersetzte ihn Wolfgang Streeck, Madison-Wisconsin), Wolfgang Zapf (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), den 1991 Gerhard Lehmbruch, Konstanz, ersetzte) und Raymond Boudon (Paris, der 1991 durch Jean-Claude Thoenig, ebenfalls Paris, ersetzt wurde).Footnote 25 1996 erfolgten Veränderungen in der Zusammensetzung des Fachbeirats: neu hinzukamen Peter Hall (Harvard), Ives Meny (EUI), Friedhelm Neidhardt (WZB), Manfred Streit (MPI zur Erforschung von Wirtschaftssystemen, Jena) und David Soskice (WZB).Footnote 26

Ab 1996, also nach dem Amtsantritt Streecks, setzte das MPIfG-Direktorium auch ein Kuratorium ein. Dies erfolgte vor dem Hintergrund der nun auch von der MPG-Leitung geforderten Intensivierung der Legitimation von Wissenschaft gegenüber der Öffentlichkeit. Das Kuratorium hatte die Aufgabe, zwischen interessierter Öffentlichkeit und MPIfG zu vermitteln, das Institut also im Hinblick auf dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu beraten. Es bestand aus folgenden Mitgliedern, die jeweils die für die Forschungen am MPIfG relevanten gesellschaftlichen Bereiche wie Medien oder politische Institutionen repräsentierten: Hermann-Josef Arentz (Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags), Karlheinz Bentele (Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes), Staatsministerin Anke Brunn (Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags und Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen), Rainer Hank (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Reiner Hoffmann (Direktor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts, Brüssel), Karl Kaiser (stellvertretender Vorsitzender, Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik), Karl Lamers (Mitglied des Deutschen Bundestages), Ulrich Matz (Rektor der Universität zu Köln), Fritz Pleitgen (Intendant des Westdeutschen Rundfunks Köln), Karl Otto Pöhl (Sal. Oppenheim jr. & Cie. K.G. a.A. Köln), Wolfgang Roth (Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Luxemburg) und Lothar Ruschmeier (Vorsitzender, Oberstadtdirektor der Stadt Köln). Zudem wurde Colin Crouch (Oxford/EUI Florenz) zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied berufen.Footnote 27

An ausländischen Gästen im Zeitraum von 1984–1995 sind folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu nennen: Todd La Porte (Berkeley), Elinor Ostrom (Indiana), Atle Midttun (Oslo), Rogers Hollingsworth (Madison-Wisconsin), Daniel Bell (Harvard), Ellen Immergut (Massachusetts Institute of Technology (MIT)), James E. Katz (Bell Communications Research, New York), Nicholas Ziegler (Harvard), Christa Altenstetter (City University of New York), Ben Martin (Sussex), Lowell Turner (Berkeley), Graham Thomas (Sussex), Raymond Boudon (Paris), Amitai Etzioni (Harvard), Bob Jessop (Essex), Charles Sabel (MIT), Arndt Sorge (Reichsuniversität Limburg), Mark Granovetter (State University of New York), Peter Katzenstein (Cornell), Gerhard Fuchs (Northwestern), Victor Vanberg (George Mason), Helena Flam (Uppsala), Haldor Byrkjeflot (Bergen), Henry A. Landsberger (Chapel Hill), Paul A. David (Stanford), John Hagedoorn (Maastricht), James S. Coleman (Chicago), Nick Bosanquet (Egham, GB), Jean-Olivier Mallet (Lyon), Wolfgang Streeck (Madison-Wisconsin), Andrew Dunsire (York), Tosho Yamagishi (Hokkaido), Karen S. Cook (Stanford), John Krige (Paris).

An inländischen Gästen und Besuchern im selben Zeitraum kamen folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ans MPIfG: Gerhard Lehmbruch (Konstanz), Rolf Ziegler (München), Wolfgang Krohn (Bielefeld), Günter Küppers (Bielefeld), Helmut Wiesenthal (Bielefeld), Dietrich Rueschemeyer (Wissenschaftskolleg Berlin), Stefan Kirchberger (Münster), Goerges Füllgraf (ehemaliger Direktor des Bundesgesundheitsamts), Peter Weingart (Bielefeld), Karin Knorr-Cetina (Bielefeld), Johannes Weyer (Bielefeld), Claus Offe (Bielefeld), Lutz Niethammer (EUI), Franz-Xaver Kaufmann (Bielefeld), Helmut Voelzkow (Bochum), Wolfgang Zapf (WZB), Gerhard Vowe (FU Berlin), Adrienne Héritier (Bielefeld), Michael Buttgereit (Kassel), Werner Jann (Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer) und Arthur Benz (Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer) (Link, 2022, S. 110–111).

Es bestanden auch informelle Abkommen, etwa in Bezug auf den Austausch von Doktoranden und Postdoktoranden, so mit dem Minda de Gunzburg Center for European Studies an der Harvard University (Direktor: Guido Goldman) und dem Robert Schuman Center for Advanced Studies am EUI, mit dem vor allem Scharpf enge Kontakte pflegte. Die Zahl der internationalen Forschungsprojekte mit Beteiligung ausländischer Institute erhöhte sich mit dem Amtsantritt Streecks (Link, 2022, S. 127–128, 155).

Ende der 1980er Jahre ergab sich eine Kooperation zwischen MPIfG und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Zusammen mit Hartmut Esser, den 1991 Jürgen Friedrichs ersetzte, und Erwin K. Scheuch von der Kölner WiSo-Fakultät konnten Mayntz und Scharpf das in der Bundesrepublik erste und von der VW-Stiftung finanzierte sozialwissenschaftliche Graduiertenkolleg an der Kölner Universität etablieren (Graduiertenkolleg Köln für Sozialwissenschaften). Damit kamen sie auch einem der zentralen Ziele des MPIfG, die Förderung des sozial- und politikwissenschaftlichen Nachwuchses, nach (Link, 2022, S. 77–78).

Mayntz und Scharpf sowie einige ihrer Mitarbeiter waren Mitglieder in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften, Ausschüssen und sonstigen wissenschaftspolitischen Entscheidungsgremien. Bei Mayntz können vier Arten wissenschaftspolitischen Engagements differenziert werden, wobei die unter 2) und 3) zusammengefassten institutionellen Tätigkeiten die bedeutendsten waren:

  1. 1.

    Arbeitsgemeinschaften und Forschungsverbünde wie die Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen (AGF) oder der Verbund Sozialwissenschaftliche Technikforschung, dessen Sprecherin Mayntz war.

  2. 2.

    Kommissionen und Fachbeiräte einzelner Institute, so die Themenfindungskommission für den Schwerpunkt II „Technikentwicklung, Arbeit und Umweltveränderungen“ des WZB, der Auswahlausschuss für die Vergabe von Stipendien an jüngere deutsche Geistes- und Sozialwissenschaftler am Maison des Sciences de l’Homme, der Beirat der Schmalenbach-Gesellschaft, der Fachbeirat der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung, die Gesellschaft für Programmentwicklung, der wissenschaftliche Beirat des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste GmbH, das Wahlgremium für die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, das Gründungskomitee des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (SEI) an der Universität Bonn, die sozialwissenschaftliche Klasse der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das Programme Committee of the international Political Science Association, der Fachbeirat der Academia Europaea, das Executive Board beim IPSA Research Committee on the Structure and Organization of Government (SOG), die Sektion Structure and Organization of Government der International Political Science Association sowie das Committee of Political Sociology in der International Sociological Association.

  3. 3.

    Kommissionen und Ausschüsse innerhalb der MPG wie die Kommission der GSWS zur Beratung des Gründungsvorschlags für ein Japan-Institut, der Nominierungsausschuss für das Leibniz-Programm, die Kommission „Neue Bundesländer“ der GSWS, die Kommission der GSWS zur Beratung über die Aufnahme von Forschungsaktivitäten der MPG in den neuen Bundesländern, die Präsidialkommission zur Beratung von Fragen zur künftigen Arbeit der MPG im vereinten Deutschland, die Berufungskommission „Transformationsprozesse in den neuen Bundesländern“, die Sektions-Kommission „Neue Initiativen in geisteswissenschaftlichen Themenbereichen“, die Landeshochschulstrukturkommission, die Sektions-Kommission „Wissenschaftsgeschichte“, die Präsidentenkommission „Geisteswissenschaften“ der MPG, die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Wissenschaftliche Politikberatung in der Demokratie und das Netzwerk mittel/osteuropäischer Wissenschaftsforscher, das sie zusammen mit Peter Weingart koordinierte (wissenschaftlicher Betreuer: Uwe Schimank).

  4. 4.

    Beiräte von Fachzeitschriften, so der wissenschaftliche Beirat der Zeitschrift für Soziologie, die Redaktionsleitung der Zeitschriften Interdisciplinary Science und Reviews sowie das Board des SOG: Interdisciplinary Science Reviews. Zudem fungierte Mayntz als Mitherausgeberin des „Jahrbuchs für Staats- und Verwaltungswissenschaft“ (zusammen mit Scharpf) und der Zeitschrift Staatswissenschaften und Staatspraxis (Link, 2022, S. 118–121, 125–127).

Im Gegensatz zu Mayntz engagierte sich Scharpf intensiver in der Politikberatung. Bei ihm können drei Arten von wissenschaftspolitischem Engagement herausgearbeitet werden:

  1. 1.

    Als Berater der sozialdemokratischen Politik (national wie international). Er war Mitglied der Programmkommission der SBD, 1986–87 der Padioa-Schioppa-Kommission zur Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft nach Vollendung des Binnenmarktes, der Europäischen Strukturkommission der Bertelsmann-Stiftung, der Kommission Grundwerte beim SPD-Vorstand, der Strategiegruppe Europa der Bertelsmann-Stiftung, der Föderalismuskommission I, Arbeitskreis Fortentwicklung des Föderalismus in Deutschland, der Study Group on Community Strategy bei der Europäischen Kommission, der Advisory Group for the Study of Power and Democracy in Sweden und des Advisory Panel des German Marshall Fund in Bonn.

  2. 2.

    Berufungskommissionen und Fachbeiräte universitärer, außeruniversitärer sowie internationaler Institutionen wie die Berufungskommission des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), der wissenschaftliche Beirat des Instituts für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen, die Kommission Erhaltung und Fortentwicklung der bundesstaatlichen Ordnung, Landtag Düsseldorf, der Wissenschaftliche Beirat des Zentrums für Interdisziplinäre Forschung (ZiF) an der Universität Bielefeld, das Joint Committee on Western Europe des Social Science Research Coucil und des American Council of Learned Societies, der Beirat der Academia Europaea und das Advisory Board des Centre for European Studies am Nuffield College an der Oxford University.

  3. 3.

    Kommissionen innerhalb der MPG. Scharpf war 1991–1994 Vorsitzender der GSWS (Link, 2022, S. 118–121, 125–127, 71).

Auch einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MPIfG waren Mitglieder von Kommissionen und Fachorganisationen. Raymund Werle war Mitglied des Vorstands der Sektion Rechtssoziologie in der DGS, Jürgen Häusler Mitglied des Arbeitskreises Politik und Technik der DVPW in leitender Position, Jürgen Feick Mitglied der Kommission „Max-Planck-Institut für Geschichte“. Jens Alber gehörte zum Leitungsgremium der Zeitschriften European Sociological Review und European Social Policy und Edgar Grande war Redaktionsleitung des Journal of European Public Policy (Link, 2022, S. 118, 125–126).

5 Ergebnisse des Kölner Forschungsprogramms

Die Ergebnisse der am MPIfG geleisteten Untersuchungen wurden in vier unterschiedlichen Medien der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht:

  1. 1.

    in der hauseigenen Reihe „Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln“, in der hauptsächlich Qualifikationsschriften und Sammelbände, die aus Workshops und Konferenzen hervorgingen, publiziert wurden. Von 1984 bis 1996 veröffentlichte das MPIfG 30 Bände.

  2. 2.

    in den „Discussion Papers“, die Vorformen späterer Zeitschriftenartikel darstellten und die einem internen Peer Review-Prozess unterstanden. Die Tätigkeitsberichte nennen für das Berichtsjahr 1989/90 22, für 1991/92 19, für 1993/94 14 und für 1995/96 15 „Discussion Papers“.Footnote 28

  3. 3.

    in den „Working Papers“, die 1996 als hauseigene Reihe eingeführt wurden (zuvor waren zwar „Unpublished Working Papers“ erwähnt worden, diese stellten aber keine eigene Reihe dar). Sie waren ausschließliche digital beziehbar und stellten Zusammenfassungen vorläufiger Forschungsergebnisse dar, die ein summarisches Begutachtungsverfahren durchliefen.Footnote 29

  4. 4.

    in Artikeln, die in soziologischen und politologischen Fachzeitschriften von möglichst hoher Qualität und in Einzelfällen auch in Sammelbänden publiziert wurden. Auch selbständige Monographien außerhalb der hauseigenen Buchreihe entstanden am MPIfG, etwa Rudolf Stichwehs Habilitationsschrift Der frühmoderne Staat und die europäische Universität (1989).

Die Organisationsform der Wissensproduktion – harte Kritik, mehrere Review-Verfahren bis zur Publikation, hoher Publikationsdruck und entsprechend hoher Ausstoß an Publikationen – sollte sich in den deutschen und internationalen Sozialwissenschaften weitgehend etablieren. Dass dieser „institutionelle Stil“ (vgl. Achermann, 2016, die „institutionelle Identität“ als Analyseansatz verwendet) in jeweils individuell gewandelter Form weitertradiert wurde, lag auch daran, dass Mayntz und Scharpf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr erfolgreich im deutschen System der universitären und außeruniversitären Wissenschaft platzierten. Bis auf zwei oder drei Akteure, die nach Beendigung ihres Arbeitsvertrags mit dem MPIfG keine Anschlussfinanzierung fanden, konnten sämtliche Mitarbeiter als Professorinnen und Professoren (C2–C4) oder leitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in hohen Positionen an anderen Forschungsinstituten untergebracht werden (Link, 2022, S. 107–109).

Als wissenschaftspolitische Dienstleistung lässt sich die Beratungs- und Begleitforschungspraxis der beiden Direktoren Mayntz und Scharpf bei der Integration des Forschungssystems der ehemaligen DDR ins westdeutsche Wissenschaftssystem nennen. Als die DDR zerfiel, bat das Wissenschaftsministerium in Rekurs auf die Evaluationsergebnisse des Wissenschaftsrats die MPG um eine Prüfung, ob und wenn ja wie die Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und deren Personal in die MPG integriert werden könnten (Mayntz, 2018, S. 166–167). Diese Integrationsphase begann mit der „Vereinbarung eines umfangreichen hochschulpolitischen Sonderprogramms durch Bund und Länder“ Ende Dezember 1989, das auf etwa zehn Jahre gerechnet mehrere Milliarden DM vorsah (Ash, 2020, S. 20–21). Rasch wurde klar, dass nur ein kleiner Teil des entlassenen AdW-Personals wieder beschäftigt werden konnte (Kocka, 1998, S. 8). Im Frühjahr 1990 wurde der Beschluss gefasst, Projekt- und Nachwuchsgruppen ausgewählter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gründen, aus denen womöglich neue MPI entstehen könnten (Ash, 2020, S. 63, 75–76). MPG-Präsident Hans F. Zacher wie auch Minister Heinz Riesenhuber war die wissenschaftssoziologische Expertise von Mayntz und MPIfG-Mitarbeitern wie Hohn oder Schimank bekannt, zudem waren Zacher wie Mayntz Mitglieder der „Präsidentenkommission DDR“. Mitchell Ash hebt hervor, dass Mayntz zu den westdeutschen Wissenschaftlerinnen gehörte, die am intensivsten den Vereinigungsprozess mit Forschung und wissenschaftspolitischer Expertise begleiteten (Ash, 2020, S. 270–271). Scharpf war ebenfalls beteiligt, allerdings nicht ganz so intensiv wie Mayntz. Empfohlen wurden die Gründung von 31 Instituten der sogenannten Blauen Liste (später Gottfried Wilhelm Leibniz-Gemeinschaft genannt) und von sieben geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkten, deren Personal sich aus Mitarbeitern geisteswissenschaftlicher AdW-Institute und westdeutschen Mitarbeitern zusammensetzen sollte (Link, 2022, S. 139).

6 Konklusion

Vor allem zwei Faktoren trugen zur Herausbildung eines spezifisch institutionellen Stils des MPIfG bei: die langjährige finanzielle Sicherung durch Bund und Länder, die eine mehrjährig angelegte sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung ermöglichte, und die durch die Direktoren eng gesteckten Grenzen für die an diesem Institut zu verfolgenden Forschungsarbeiten, die sich strikt an dem von Mayntz konzipierten und mit Scharpfs Amtsantritt erweiterten Forschungsprogramm orientieren mussten. Der institutionelle Erfolg des MPIfG, gemessen an der bis heute andauernden Kontinuität dieses Instituts, lag epistemisch in der Tragfähigkeit des sozialwissenschaftlich-politologischen Institutionalismus begründet, der den „harten Kern“ des an diesem Institut entwickelten Denk- und Forschungsstils bildete. Dies bedeutet nicht, dass sich Programm und Forschungspraxis nicht gewandelt hätten. Aber die Wandlung vom akteurzentrierten zum historischen Institutionalismus, der nach Wolfgang Streecks Amtsantritt zunehmend wichtiger wurde, bedeutete doch eine Kontinuität der neo-institutionalistischen Herangehensweise an soziologisch-politologische Forschungsgegenstände. Der Institutionalismus erwies sich einerseits als stabil genug, um Kontinuität zu garantieren, als flexibel genug andererseits, um die sich im Untersuchungszeitrum ereigneten gesellschaftlichen Wandlungen auch theoretisch-methodisch zu reflektieren.