1 Einleitung

Dieser Beitrag beruht auf Forschungsergebnissen, die 2016 als Monographie mit dem Titel „Institutionelle Identität im Wandel: Zur Geschichte des Instituts für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen“ erschienen sind (Achermann 2016).

Das Institut für Physik der Atmosphäre (IPA) existiert in dieser Form seit 1961/62, ist heute Teil des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und befindet sich in Oberpfaffenhofen, westlich von München.Footnote 1 Die Wurzeln des Instituts gehen allerdings bis in die 1920er Jahre zurück. In den knapp vierzig Jahren dazwischen änderte die Einrichtung fünfmal den Namen, mehrfach seine Organisationsstruktur, wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufgelöst und später wieder eingerichtet:

1924::

„Rhön-Rossitten-Gesellschaft“

1933::

„Deutsches Forschungsinstitut für Segelflug“

1939::

„Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug“ (DFS).

1945::

Auflösung der Forschungsanstalt.

1953::

Wiedereinrichtung als „Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug“ (DFS).

1960::

„Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt München“ FFM.

1962 bis heute::

„Institut für Physik der Atmosphäre“ (IPA).

Schon diese Namensänderungen deuten auf eine wechselvolle Institutsgeschichte hin, die sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fortsetzte. Als deutsche Einrichtung war sie nicht nur nationalen Rahmenbedingungen, sondern der stürmischen Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts unterworfen. Neben Krieg und Politik beeinflussten auch fundamentale Verschiebungen von Forschungsinteressen und Umweltverständnis ihre Entwicklung. Es war keineswegs selbstverständlich, dass das Institut diese Veränderungen überleben würde. Im Laufe des Jahrhunderts wandelte sich nicht nur der Name der Institution, sondern auch ihre Organisationsform sowie der Charakter ihrer Aktivitäten mehrmals. Als roter Faden durchzieht diese Geschichte der Segelflug, zunächst als sportliche und militärische Aktivität, später im Kontext der Atmosphärenforschung. Dieser Beitrag konzentriert sich daher auf die chronologische Entwicklung während fast sieben Jahrzehnten (1924 bis Anfang der 1990er Jahre) sowie auf die Frage, wie politische, kulturelle und wissenschaftliche Rahmenbedingungen die Organisation und ihre inhaltliche Ausrichtung beeinflussten, bzw. wie sich das Institut an die stark verändernden Rahmenbedingungen anpasste.

2 Am Anfang war das Segeln

Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Entente-Mächte ein Bauverbot für Luftfahrzeuge im Deutschen Reich verhängt. Dieses Verbot bezog sich explizit jedoch nur auf motorisierte Flugzeuge. Der Segelflug blieb unerwähnt. Dieses Schlupfloch ermöglichte die Einrichtung von Akademischen Fliegergruppen an deutschen Hochschulen, die „Akafliegs“, innerhalb derer Studenten Flugforschung betrieben. 1924 gründete dann der deutsche Ingenieur Oskar Urbinius die Rhön-Rossitten-Gesellschaft. Indem er regelmäßig Flugwettbewerbe organisierte, hatte sich Urbinius bereits früher einen Namen in der Segelfluggemeinschaft gemacht. Diese Wettbewerbe waren sehr beliebt als Anlässe, an denen sich Studenten, Flugveteranen des Ersten Weltkrieges und aktive Politiker trafen. Es war eine verschworene Gemeinschaft, deren Zusammengehörigkeitsgefühl noch in den 1950er Jahren den Weg des Instituts beeinflusste. Doch die Reichweite jener Segelflugzeuge war sehr begrenzt. Es wuchs das Bedürfnis, die Vorgänge in der Atmosphäre besser zu verstehen, mit dem Ziel, die Reichweite und die Leistungsfähigkeit der Segelflieger zu vergrößern. Genau dies strebte Urbinius mit der Gründung der Rhön-Rossitten-Gesellschaft an.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 übernahm der Meteorologe Walter Georgii die Leitung. Die Gesellschaft wurde zum „Deutschen Forschungsinstitut für Segelflug“, das noch vor Kriegsausbruch den Namen „Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug“ (DFS) bekam (Georgii, 1969, S. 15–16). Inhaltlich veränderte es sich vor allem während der Kriegsmobilmachung, denn nun sollte die deutsche Segelflugforschung auch militärischen Zwecken dienen. Begann die Rhön-Rossitten-Gesellschaft nur mit einer Handvoll Mitglieder, gehörten der DFS bald 20 Mitarbeiter an. Bis Kriegsbeginn stieg die Anzahl auf über 500 und bis 1945 auf ungefähr 1200 (Georgii, 1969, S. 16 und 22; Trischler, 1992, S. 225).

Dieses kriegsbedingt enorme Wachstum kam mit der Niederlage Deutschlands zu einem abrupten Ende. Das Kontrollratsgesetz Nr. 25 von 1946 untersagte militärische Forschung, und es durften bis 1951 keine Segelflugzeuge mehr zugelassen werden (Trischler, 1992, S. 289–290). Wie viele andere deutsche wissenschaftliche Institute wurde auch die DFS nach Kriegsende von den Besatzungsmächten aufgelöst und Walter Georgii verließ das Land.

Zwei Jahre nachdem das Zulassungsverbot wieder gefallen war, versammelte sich 1953 eine Handvoll ehemaliger DFS-Mitglieder und beschloss, die Anstalt als Verein wiederzubeleben, um sowohl flugmeteorologische Forschung und Segelflugkonstruktion als auch den Segelflug als Sport wieder aufleben zu lassen (Fuchs, 1953). Damit sollte explizit an die Tradition der Vorkriegsanstalt angeknüpft werden und sowohl ein grundlagen- als auch ein anwendungsorientierter Ansatz vertreten sein (Fuchs & Koschmieder, 1953).

Doch vom ursprünglichen Vereinsvermögen war wenig übriggeblieben. Die neue DFS war auf Gelder aus den Ministerien angewiesen. Schließlich stellte das Bundesverkehrsministerium 150‘000 DM zur Verfügung. Das Land Bayern kam für die Betriebskosten auf. Auch das Finanzministerium trug zu den Kosten bei. 1954 konnte die Forschungsanstalt ihre Arbeiten schließlich mit einem Jahresbudget von ca. 300‘000 DM aufnehmen (Trischler, 1992, S. 321–322; N. n., 1953). Von da an war die Einrichtung stets von der Unterstützung verschiedener Ministerien abhängig. Heute kommen Gelder aus nationalen und internationalen Forschungsförderungsprogrammen dazu.

Mit 22 Mitarbeitern bezog die neue DFS Räume am Flughafen Riem in München und begann am 1. April 1954 die Arbeiten (N.n., 1955). Der Anschluss an ein Flugfeld war für eine Segelflugeinrichtung natürlich elementar. Durch die Lage in der Voralpenregion eignete sich München zudem besonders gut für flugmeteorologische Studien. Bei der Standortwahl spielten zudem politische Interessen mit, wie diejenigen der Bayerischen Landesregierung, die sich im Wettbewerb mit anderen Bundesländern sah.

Die Forschungsanstalt setzte sich aus drei „Instituten“ zusammen und wurde von den drei Institutsleitern paritätisch geleitet: von Otto Fuchs, Harald Koschmieder und dem aus Argentinien zurückgekehrten Walter Georgii. Die Aufgaben- und Institutsverteilung war keineswegs konfliktfrei, denn zwischen den drei Männern bestanden „von früher her erhebliche Spannungen“ (Heigl, 1954). Mit der Unterteilung der Anstalt in drei „Institute“ sollte jeder dieser Akteure sein eigenes Aufgabengebiet bekommen und somit die persönlichen Konflikte entschärft werden. Zusammen bildeten sie den Vorstand. Alle drei gehörten der gleichen Generation von Segelfliegern an, die schon in der Zwischenkriegszeit aktiv waren. Das war kein Zufall. Es war bewusste Absicht, mit diesen Leitern eine personelle und thematische Kontinuität zur Vorkriegsanstalt herzustellen. Überhaupt spielte das Gemeinschaftsgefühl jener Segelfliegergeneration eine wichtige Rolle für die Entwicklung und Identität der Einrichtung und wirkte noch Jahrzehnte lang nach (Achermann, 2016, S. 48).

3 Niedergang des Segelflugs

Doch schon bald nach der Wiedereinrichtung der DFS verlor der Segelflug im In- und Ausland massiv an Bedeutung, während das motorisierte Fliegen immer wichtiger wurde. 1955 waren dank des Pariser Vertrages auch für Deutschland die Restriktionen gefallen. Zudem veranlasste das Bundesministerium für Verteidigung (BMV), dass sich die verschiedenen deutschen Luftfahrtorganisationen konsolidierten. Die DFS blieb noch als letzte eigenständige Flugforschungseinrichtung übrig (Trischler, 1992, S. 348–351). Es mangelte an Finanzierung, die Situation der Anstalt gestaltete sich prekär. Die „Bindung an den Segelflug“ sei für die Einwerbung von Forschungsgeldern „hinderlich“, erklärte ein Ministerialrat (n.N., 1960). Der Segelflug – ursprünglich Herzstück der Anstaltsidentität – wurde somit zur Hypothek. Daher sollte er mindestens im Namen verschwinden. 1960 änderte die DFS daher ihre Bezeichnung in „Flugwissenschaftliche Forschungsanstalt“ (N.n., 1960).

Inhaltlich hatte sich eine Neuausrichtung aber schon länger abgezeichnet. Um sich den technischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen, hatte die Anstalt bereits in den Jahren zuvor neue Themen aufgenommen, die nicht mehr in erster Linie dem Segelflug dienten. Georgii hatte aus Argentinien ein Interesse für Motorflugzeuge mitgebracht. Er sah ein Potenzial in Düsenflugzeugen und initiierte Forschungsarbeiten zu Strahlströmen (Jetstreams) (Georgii, 1955, S. 7). Auch die Einrichtung des Forschungsbereichs zu radioaktivem Fallout 1956 war nicht mehr im Hinblick auf den Segelflug erfolgt. Vielmehr reagierte die DFS damit auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. In den 1950er Jahren, als die Atomkraft euphorisch als Lösung aller Energieprobleme gefeiert wurde, war Fallout zu einem wichtigen politischen Thema geworden. Somit standen finanzielle Mittel zur Erforschung dieses Problems zur Verfügung. Da sich künstliche Radioaktivität in der Atmosphäre sehr gut mit Flugzeugen erforschen ließ, konnte sie relativ leicht in die Forschungsagenda mit aufgenommen werden.

Damit veränderte sich langsam die Funktion des Fliegens für die Anstalt. Fliegen als Selbstzweck und Forschungsgegenstand verlor an Relevanz und vor allem an Möglichkeiten der Finanzierung. Fliegen als Forschungsinstrument hingegen eröffnete mit der Zeit eine Fülle neuer Einsatzmöglichkeiten, wovon Falloutforschung nur der Anfang war. Diese Verschiebung sollte die Existenz der Einrichtung sichern. Nichtsdestotrotz blieb das Segeln vorerst zentral für das Selbstverständnis der Anstalt.

Doch die FFM existierte nicht lange unter diesem Namen und als eigenständige Forschungsanstalt. Die drei Abteilungsleiter Georgii, Fuchs und Koschmieder standen vor der Pensionierung. Gleichzeitig wollte das Bayerische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr die FFM mit der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) fusionieren und damit die Zentralisierung der Luftfahrtforschung vorantreiben (Achermann, 2016, S. 53). Es folgten zwei unruhige Jahre.

Nachdem die drei Segelflugveteranen in den Ruhestand traten, folgte Hans Gerhard Müller, der gleich zwei Abteilungen übernahm. Müller war Meteorologe und Leiter der Aerologischen Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD), die direkt neben der DFS/FFM am Flughafen Riem lag. Die dritte Abteilung übernahm Hans-Peter Barthelt. Doch auch zwischen den beiden neuen Leitern eskalierte der Streit und Barthelt verließ die FFM kurz darauf wieder. Am 1. Juli 1962 vereinte Müller die beiden übriggebliebenen FFM-Abteilungen unter dem Namen „Institut für Physik der Atmosphäre“ (IPA), übergab der DVL zunächst die treuhänderische Verwaltung des Instituts, bevor das IPA als eigenständiges Institut vollständig von der DVL übernommen wurde. Das Fliegen war nun vollständig aus dem Namen verschwunden und das Institut wurde Teil einer Großforschungseinrichtung (Achermann, 2016, S. 54–55).

4 Im Strudel des Kalten Krieges

Seither hatte das IPA den Namen nicht mehr geändert. Die thematische Neuausrichtung und die Veränderung der Organisationsstrukturen gingen indes weiter. 1969 ging die DVL in der neugegründeten Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) auf. Für das IPA bedeutete dies einerseits einen neuen Zugang zu staatlichen Fördergeldern sowie zu neuen Forschungsaufträgen. Andererseits trat die Bedeutung des Institutes innerhalb dieser Großforschungseinrichtung zurück, während sich der Schwerpunkt immer mehr auf Projektförderung verlagerte (Achermann, 2016, S. 56–57).

Solche und zahlreiche andere Fusionierungen, Abwicklungen und Umbenennungen von Institutionen widerspiegeln die Situation der bundesdeutschen Forschung in der Nachkriegszeit. Die deutsche Wissenschaft suchte nach der Kriegsniederlage eine neue Rolle und Bedeutung, während Politiker zur institutionellen Konsolidierung drängten. Die Zeit des Kalten Kriegs war geprägt von der Suche nach einer neuen politischen Stabilität, einer rasanten Entwicklung von Wirtschafts- und Konsumkraft, der Verbreitung von Technologien wie dem Düsenjet, dem Auto und der Waschmaschine, dem massiven Ausbau von Energiegewinnungsanlagen wie Kohle- und Atomkraftwerken und der damit einhergehenden Verschmutzung von Wasser und Luft. Die globalen politischen Herausforderungen und regionale Umweltprobleme stellten auch die deutsche Wissenschaft vor neue Herausforderungen. Sich diesen veränderten Rahmenbedingungen anzupassen war elementar, um als Forschungseinrichtung zu überleben.

1962 startete das IPA unter der Leitung von Hans Gerhard Müller mit 65 festen Mitarbeitern und fünf durch Forschungsaufträge finanzierte befristete Angestellte (N.n., 1963). In den folgenden zehn Jahren unter Müllers Ägide kamen weitere Forschungsthemen und Messinstrumente hinzu. Dass Müller vom Wetterdienst kam, war prägend für die weitere Ausrichtung des Instituts. Beim DWD hatte er bereits mit der Vermessung von Wolken mittels Radars experimentiert. Zudem war er einer der ersten Hagelforscher in Deutschland. Beide Themen „nahm“ er mit ans IPA (Achermann, 2016, S. 227). Zunächst nutzte er das Radargerät des Wetterdienstes weiter, schließlich war dieser gleich neben dem IPA in Riem eingerichtet. Als das Institut 1967 weg- und in Oberpfaffenhofen neue Räumlichkeiten bezog, nahm Müller das Radargerät einfach mit. Unter seiner Leitung entwickelte das IPA innerhalb weniger Jahre ein starkes Profil und einen internationalen Ruf im Bereich Radarmeteorologie (Achermann, 2016, S. 233–234).

Ein anderes Beispiel für die Diversifizierung der Forschungsagenda waren die Hagelabwehrversuche. Versuche, das Wetter zu beeinflussen erlebten in der ersten Hälfte des Kalten Krieges Hochkonjunktur, besonders in den USA und nicht zuletzt auch als Waffe (siehe dazu u. a. Fleming, 2006, 2010; Harper, 2017; Kwa, 2001). Bayern war bei Kriegsende amerikanische Besatzungszone und unterlag nach der Gründung der Bundesrepublik dem Kontrollrecht der USA. Die dort stationierte US-amerikanische Armee unternahm bereits 1948 im Raum München erste Versuche, Wolken künstlich aufzulösen. Bei späteren Versuchen durfte auch Müller als zunächst einziger Deutscher teilnehmen. Anfangs noch beim DWD, danach am IPA, baute er diese Arbeiten aus und begann Versuche, um nicht nur Wolken und Nebel aufzulösen, sondern auch Hagel zu bekämpfen.

Die Region in Oberbayern ist durch die Lage im Voralpenraum besonders hagelgefährdet, was für die stark vom Obstbau geprägten regionalen Wirtschaft ein hohes Risiko war. Es bestand also politisches Interesse an Müllers Arbeiten, worauf unter dessen wissenschaftlicher Leitung der erste Rosenheimer Großversuch zur Hagelbekämpfung zustande kam. Dieser ging 1967 zu Ende, während die Studien zur Wolkenauflösung zunächst weiterliefen (mehr dazu siehe Achermann, 2013). In der Person Müllers wanderte somit neben der Radar- auch die Hagelexpertise vom DWD ab zum Nachbarinstitut und bildete dort einen wirtschaftspolitisch relevanten neuen Forschungsschwerpunkt und neben der Falloutforschung ein weiteres existenzsicherndes Standbein.

Hagelabwehrversuche wurden unter anderem mit Flugzeugen unternommen, Nebelauflösung war für den in einem ursprünglichen Sumpfgebiet (was zu erhöhter Nebenbildung führte) neu gebauten Flughafen München II relevant, und die radarmeteorologischen Untersuchungen dienten dem verbesserten Verständnis der Atmosphäre in Flughöhe. Die Ausweitung der Forschungsagenda am IPA erfolgte also stets in Bezug auf das Fliegen. Die Atmosphäre wurde als Flugraum verstanden und als solcher untersucht. Die enge Beziehung zwischen Atmosphären- und Flugforschung war somit weiterhin Programm und verhinderte, dass das Institut seine Kernidentität verlor. Mit dieser Begründung wurde auch die Flugzeugflotte sukzessive ausgebaut. Das IPA sollte sich auf die experimentelle Atmosphärenforschung konzentrieren und sich somit vom Deutschen Wetterdienst und von den Hochschulinstituten abgrenzen, die gemäß Müller für grundlagenorientierte Arbeiten zuständig seien (Müller, 1968, S. 374).

5 Turbulenzen der 1970er Jahre

Unter Müllers Leitung erweiterte sich nicht nur die Palette der Arbeiten, sondern auch der Personalstand. Allerdings litt das Institut unter starker Personalfluktuation, die mitunter sogar die Arbeiten zu behindern drohten. Gegen Ende der sechziger Jahre erreichte die Zahl dennoch einen vorläufigen Höhepunkt von knapp hundert (siehe Achermann, 2016, S. 265–266). Diese Größe würde das Institut mehr als 20 Jahre lang nicht wieder erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits an den neuen Standort in Oberpfaffenhofen umgezogen. Grund für den Umzug war der Platzmangel. Aufgrund des Booms des Luftverkehrs musste der Flughafen ausgebaut werden, weswegen immer weniger Platz für andere Interessen blieb. Bereits 1957 war es für die DFS räumlich eng geworden (Kirchhoff & Fuchs, 1957). Immer mehr Mitarbeitende mussten auf andere Standorte verlegt werden, zum Beispiel nach Weßling, Darmstatt oder Offenbach (N.n., 1963). Um die Arbeiten wieder unter einem Dach zu konzentrieren, unterstützte das Land Bayern die DVL dabei, ihren Standort in Oberpfaffenhofen auszubauen und auch das IPA dort unterzubringen. Dies hatte den Vorteil, dass Synergien genutzt werden konnten: Die DVL-Flugbereitschaft übernahm beispielsweise die Wartung der Institutsflotte und das IPA konnte die dort stationierten Flugzeuge mitbenutzen (Achermann, 2016, S. 61). Ende 1967 fand der Umzug statt.

Kurz darauf fusionierte die Schirminstitution DVL mit der Aerodynamischen Versuchsanstalt (AVA) und der Deutschen Forschungsanstalt für Luftfahrt (DFL). Zusammen bildeten sie die „Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt“ (DFVLR). Diese Änderung der Organisationsstruktur auf höherer Ebene hatte auf die inhaltliche Ausrichtung des IPA erst mal keinen unmittelbaren Einfluss (vgl. n.n., 1970). Es lief nun als DFVLR-Institut und verfolgte als solches seine Arbeiten weiter. Allerdings folgten massive Kürzungen der DFVLR-Finanzierung besonders seitens des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums (Hochstetter, 1968; zur Rolle Baden-Württembergs in der Geschichte der deutschen Luftfahrtforschung siehe Trischler, 1992). In der Folge brach zwischen 1970 und 1973 der Personalbestand am IPA um fast 20 % ein (vgl. N.n., 1973; Reinhardt, 1977). Gleichzeitig begannen auf DFVLR-Ebene Umstrukturierungen und Zentralisierungsprozesse, die mehrere Jahre andauerten und auch für das IPA eine weitere unruhige Zeit bedeutete (Achermann, 2016, S. 65–66).

Zum einen gab es auf politischer Ebene Überlegungen, die deutsche Atmosphärenforschung an sich zu zentralisieren. Angeregt durch Hermann Flohn (Flohn, 1969), damals einer der einflussreichsten Klimatologen in Deutschland, sollte ein nationales Forschungszentrum nach dem amerikanischen Vorbild des National Center for Atmospheric Research (NCAR) eingerichtet werden. Dessen Gründung Ende der 1950er Jahre hatte im Zuge eines Ausbaus der Atmosphärenforschung in den USA stattgefunden, welche nicht nur aus der Erforschung dieses Raumes bestand, sondern auch auf dem Bestreben gründete, diesen Raum zu kontrollieren. Doch um in der Bundesrepublik ein solches Großforschungszentrum einzurichten hätten bereits bestehende Institutionen zusammengeführt werden müssen, was für das IPA bedeutet hätte, aus der DFVLR herausgelöst zu werden. Für die DFVLR-Führungsebene sprach erst mal nichts dagegen. Der damalige Vorstandsvorsitzende empfand das Institut sowieso als „Fremdkörper“ (Regula, 1970). Auch wenn dieser Plan bald darauf wieder aufgegeben wurde zeigt die Episode, dass das IPA innerhalb der neuen DFVLR Anfang der 1970er Jahre eher prekär aufgestellt war (Achermann, 2016, S. 68).

Zum anderen waren die siebziger Jahre geprägt von Diskussionen darum, wie stark die deutschen Großforschungseinrichtungen staatlicher Steuerung unterworfen werden sollten. Der Bund wünschte sich mehr Einfluss, während die Einrichtungen nach mehr Selbstverwaltung strebten (Boenke, 1991, S. 233–244; Szöllösi-Janze, 1990, S. 158; Trischler, 1999, S. 14–16). Gleichzeitig forderte die Regierung in Bonn, die Einrichtungen sollten effizienter arbeiten und sich verstärkt aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen widmen, insbesondere Technikentwicklungen im Bereich Umwelt, Verkehr und Transport (Von Stumm, 1999).

Neben der DFVLR sah sich auch die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) vor solche Forderungen gestellt. Um die Arbeiten an ihren Instituten effizienter zu gestalten, ließ die MPG immer mehr Institute kollegial leiten, denn die Leitungsebene ging davon aus, dass es zu zweit einfacher sei, die immer grösser werdenden Institute zu überblicken (N.n., 1971). Die DFVLR drängte auch das IPA, seine Arbeiten zu rationalisieren (Müller, 1972). Nachdem am Institut der Trend zur kollegialen Leitung bei der MPG interessiert beobachtet wurde, sollte sie nun auch am IPA eingeführt werden (Achermann, 2016, S. 70). Als Müller Ende 1972 in den Ruhestand trat, wurde daher sowohl der Meteorologe Heinz Fortak als auch Manfred Reinhardt auf den Leitungsposten berufen.

Fortak und Reinhardt waren sehr unterschiedliche Charaktere, deren wissenschaftlicher Hintergrund sich stark unterschied. Fortak war vorher Professor für theoretische Meteorologie an der Freien Universität Berlin, wo er zur Ausbreitung von Luftschadstoffen gearbeitet hatte – im Zuge der Diskussionen um „sauren Regen“ in den 1970er Jahren ein international wichtiges Thema. Für seine Studien hatte er solche Schadstoffausbreitungen mithilfe von eigens von ihm dafür entwickelten Computermodellen simuliert. Ihm schwebte vor, aus dem IPA eine Art deutsches NCAR zu gestalten, ohne dass er von den inzwischen beerdigten Flohn-Plänen eines deutschen NCAR gewusst hätte. Vor allem wünschte er sich eine NCAR-ähnliche Ausstattung mit Flugzeugen, Großrechnern, Computermodellen und Gästehäusern. Er hatte also Großes vor (Achermann, 2016, S. 70–73).

Manfred Reinhardt war dagegen ein interner Kandidat gewesen und stammte noch aus dem Zirkel der Segelflieger an der Rhön. In diesem Kreis hatte er Walter Georgii nach dessen Rückkehr nach Deutschland kennengelernt, trat bereits 1956 in die DFS ein und arbeitete sich bis 1971 bis zum stellvertretenden Leiter des IPA hoch. Anders als Fortak, der von der Universität kam, hatte Reinhard also seine ganze Karriere an diesem Institut gemacht und alle Wandlungen von der Segelfluganstalt DFS über die FFM bis zum IPA als Teil einer Großforschungseinrichtung miterlebt. Damit bürgte er für Kontinuität (Achermann, 2016, S. 73–74). Mit dem Zusammentreffen des Theoretikers und Modellierers Fortak und seinen großen Plänen mit dem Garanten für Kontinuität und experimenteller Flugforschung Reinhardt kam es wenig überraschend zu Konflikten in der Co-Leitung. Vor dem Hintergrund der Reorganisation institutioneller Strukturen auf DFVLR- und Bundesebene sowie der Finanzkürzungen, mit denen auch der Druck zur Effizienzsteigerung einherging, trug dieser Konflikt nicht eben zu einer Beruhigung der nach wie vor prekären IPA-Situation bei.

Gleichzeitig mit der Neubesetzung der Institutsleitung gab das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) einen Bericht in Auftrag, für den geklärt werden solle, wie die Leistung des DFVLR insgesamt gesteigert werden könnte. Dieser Bericht sollte auch die Frage beantworten, wie sich diese Organisation von anderen Forschungseinrichtungen abgrenzte und wie sie gegebenenfalls neu aufgestellt werden sollte. Das Frankfurter Battelle-Institut bekam diesen Auftrag und lieferte 1973 den entsprechenden Bericht ab (Battelle-Institut, 1973). Die darin ausgeführten Resultate und Empfehlungen forderten massive Einschnitte. Personal sollte abgebaut, eventuell ganze Institute abgewickelt werden. Das DFVRL, so hieß es unter anderem, grenze sich zudem zu wenig von der MPG ab, da beide auch experimentelle Großforschung betrieben. Dieser Vorwurf betraf insbesondere und explizit auch das IPA. Dort würde zudem auch Grundlagenforschung betrieben, die eigentlich nicht in den Aufgabenbereich der DFVLR gehörten. Arbeiten, die Flugzeuge als Forschungsinstrument einsetzten, wie am IPA, gehörten sowieso nicht an die DFVLR, so der Tenor (Achermann, 2016, S. 75, 76). Damit war erneut die Existenz des Instituts infrage gestellt.

Reinhard reagierte auf diesen Vorschlag, in dem sich vehement gegen eine institutionelle Umsiedlung an die MPG stellte. Er verteidigte die Kombination von anwendungs- und grundlagenorientierter Forschung im Bereich der Luftfahrt (Reinhardt, 1973). Auch wenn das IPA schließlich in der DFVLR blieb, konnte dieser Konflikt jahrelang nicht aufgelöst werden. Denn die DFVLR-Satzung verankerte in der Tat die angewandte Forschung als primäre Aufgabe, während am IPA weiterhin auch meteorologische Grundlagenforschung betrieben wurde. Längerfristig war das Institut daher der Satzung unterworfen und gedrängt, seine Themen anwendungsorientierter auszurichten. Damit war die Wahl der Themen und Forschungsmethoden am IPA zu einem beträchtlichen Teil von der Zugehörigkeit zur DFVLR sowie der Notwendigkeit sich (deutlicher) gegenüber der MPG abzugrenzen, beeinflusst (Achermann, 2016, S. 76).

Als Folge des Battelle-Berichtes sollten innerhalb der DFVLR fast 200 Stellen gestrichen und weitere Kosten gespart werden (DFVLR, 1975). Gleichzeitig kürzte der Bund die Wissenschaftsförderung allgemein (Von Stumm, 1999, S. 128). Doch akute Umweltprobleme wie die Luftverschmutzung, die auch politisch immer ernster genommen wurden, führten wiederum zu einer (auch finanziellen) Unterstützung der Atmosphärenforschung. Mit Fortak war schließlich ein ausgewiesener Experte in diesem Bereich am IPA. 1976 richtete er mit der Unterstützung der DFVLR eine kleine Forschungsgruppe ein, die sich mit dem anthropogenen Klimawandel beschäftigte. Selbst als Fortak das Institut kurz darauf verließ, blieb die Gruppe bestehen. Die DFVLR beabsichtigte damit, einen Fuß in der schnell wachsenden deutschen Klimaforschung zu haben, nicht zuletzt, weil für diesen Forschungszweig immer mehr Forschungsgelder zur Verfügung standen (Achermann, 2016, S. 78–79). Aus dem IPA ist schließlich kein deutsches NCAR geworden. Das wachsende Bedürfnis bei der international boomenden Klimaforschung mit dabei zu sein, führte stattdessen 1974 zur Einrichtung eines Max-Planck-Institutes, das sich ganz diesen Themen widmen sollte (MPI für Meteorologie in Hamburg).

6 Stabilisierung – Fliegen als Methode

In den Jahren nach Erscheinen des Battelle-Berichtes scheint das IPA innerhalb der DFVLR allerdings seine Position gefunden zu haben. Zumindest wurde seine Existenz nicht mehr offen infrage gestellt. Inhaltlich weitete das Institut die Themenpalette aber weiter aus und wandte sich immer stärker Themen der Umweltforschung allgemein zu. Eine solche Flexibilität in der Themenauswahl war generell Voraussetzung, um als Forschungseinrichtung die 1970er Jahre zu überleben. Bereiche, die in den Jahrzehnten davor wichtig waren, wie beispielsweise die Atomforschung, verloren an politischer Relevanz. Gleichzeitig kamen neue Problemstellungen, insbesondere im Bereich der Umwelt, hinzu.

Um nicht bedeutungs- und damit finanzierungslos zu werden, mussten sich daher auch andere Forschungseinrichtungen neu ausrichten (zum Beispiel der Atomforschung und des Kernforschungszentrums Jülich siehe Reuter-Boysen, 1992, bzw. Rusinek, 1996). Am IPA zeigte sich diese Flexibilität in einer Veränderung der Funktion des Fliegens. Ursprünglich Kernthema, um das sich alle Fragen gedreht hatte, kam ihm immer mehr (nur noch) die Rolle als Forschungsmethode und -instrument zu. Dies allerdings war elementar für das Selbstverständnis und das Fortbestehen des Instituts bis heute (siehe Achermann, 2016). Das IPA erforschte damit nun auch anthropogene Atmosphärenbelastungen, zum Beispiel durch CO2, Stickoxid und andere Schadstoffe und führte Ozonstudien durch. Solche Messungen wurden zumeist mit Flugzeugen vorgenommen (Achermann, 2016, S. 268–269).

Dass sich die Stellung des Instituts innerhalb der DFVLR gefestigt hatte, lässt sich auch am Beispiel eines neuen Forschungsflugzeuges feststellen. Die IPA-Flotte hatte sich kontinuierlich vergrößert. Zu DFS-Zeiten waren es zunächst nur Segelflugzeuge, die mit Messinstrumenten ausgerüstet wurden. Mit den Jahren kamen Motor- und Düsenflugzeuge hinzu. Darunter eine Canberra und zwei T-33 der deutschen Luftwaffe, die das IPA für seine Arbeiten nutzen durfte (Achermann, 2016, S. 152–154). Falloutmessungen wurden auch während kommerzieller Flüge der Lufthansa gemacht (siehe Achermann, 2016, S. 120–121). Mitte der 1970er Jahre benutzte das IPA sieben (von insgesamt 27) Flugzeuge, die der DFVLR gehörten. Doch langsam kamen diese Flieger an ihre Altersgrenzen. Da der Großteil der Forschungsarbeiten von funktionstüchtigen Flugzeugen abhing beantragte die Institutsleitung bei der DFVLR die Anschaffung eines neuen Flugzeuges (n.n., ca. 1974; Fortak & Reinhardt, 1974). Nach längeren Verhandlungen willigte die DFVLR ein, eine Fan Jet Falcon 20 E für 9,8 Mio. DM anzuschaffen (zum ganzen Anschaffungsprozess siehe Achermann, 2016, S. 163–173). Damit war die Falcon Eigentum der DFVLR, und gleichzeitig das erste, eigens nur für Forschungszwecke konzipierte Flugzeug am IPA. Die jährlichen Betriebskosten beliefen sich auf weitere 2 Mio. DM (Schumann, 1986). Diese teure Investition kurz nach der turbulenten Umstrukturierungs- und Sparphase kann als Bekenntnis der DFVLR zum IPA gelesen werden.

Nachdem Fortak 1976 das Institut frustriert verließ und an die FU Berlin zurückkehrte, blieb Reinhardt alleiniger Institutsleiter. Sechs Jahre lang blieb die Suche nach einer Co-Leitung erfolglos. Klar war nur, dass das Institut neben den Flugmessungen verstärk auch theoretische Ansätze verfolgen soll. Denn mit Fortaks Abgang war diese Erfahrung mit Simulationsmodellen verloren gegangen. Erst 1982 fand sich ein neuer geeigneter Kandidat: Ulrich Schumann, bis dahin Ingenieur am Kernforschungszentrum in Karlsruhe, brachte Erfahrung mit Turbulenzmodellen mit. Zehn Jahre lang, bis Reinhardt in den Ruhestand ging, hatte das IPA somit wieder eine Co-Leitung, die allerdings erneut aus zwei sehr unterschiedlichen Charakteren bestand. Reinhardt vertrat war nach wie vor die traditionelle, flugexperimentelle Richtung. Der junge Schumann hingegen stammte aus einer neuen Generation. Er war der erste Institutsleiter, der nicht aus der (Segel-)Fliegercommunity stammte. Anfangs war ihm der Fokus auf das Fliegen und die experimentelle Forschung suspekt. Stattdessen stärkte er die Rolle von Computermodellen und somit von theoretischen Ansätzen.

Nachdem Reinhardt 1992 nach einer langen Karriere am IPA in den Ruhestand trat, bedeutete dies das Ende der Co-Leitung. Schumann stand dem Institut, das inzwischen etwas mehr als 70 Mitarbeitende zählte, fortan alleine vor. Das Fliegen blieb trotzdem zentraler Bestandteil der Institutstätigkeiten. Denn die Folgen des Luftverkehrs auf Atmosphäre und Klima gewannen immer mehr Aufmerksamkeit und eröffneten ein neues heißes Thema, das genau in die Agenda des Instituts passte und so dessen Daseinsberechtigung unterstrich. Zudem hat sich die Faszination des Fliegens bald auch auf den neuen, anfänglich skeptischen Direktor übertragen. Damit blieb das Kernelement des Fliegens als Forschungsmethode am Institut auch über den Generationen- und Disziplinenwechsel hinaus erhalten (Achermann, 2016, S. 86–92).

7 Fazit

Ursprünglich entstanden aus den Kreisen der Segelflugwettbewerbe und der akademischen Fliegergruppen, veränderte sich der Name, die Organisations- und Finanzierungsform der Einrichtung im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrfach. Vom Verein zum Institut einer Großforschungseinrichtung, erlebte und überlebte es mehrere Krisenphasen. Die – abgesehen vom Ende des Zweiten Weltkriegs und der zwischenzeitlichen Auflösung der DFS – vor allem von zwei Faktoren geprägt waren: die Reorganisation der deutschen Forschungslandschaft in der Nachkriegszeit und dem fundamentalen Wandel der Atmosphärenforschung. Zwischen Abgrenzung (vom DWD oder der MPG) und Anpassung (an die DFVLR-Agenda und politischen Interessen) musste das Institut ein hohes Maß an Flexibilität in Organisation und Ausrichtung zeigen, damit die Finanzierung gesichert blieb. Dies erreichte es unter anderem damit, dass es kontinuierlich neue Forschungsthemen aufnahm, die gesellschaftlich und politisch an Bedeutung gewannen. Dies waren in den 1950er und 60er Jahren (also während des Baubooms von Kernkraftwerken) beispielsweise Fragen zu radioaktivem Fallout, in den 1970er und 80er Jahren zunehmend Ozon und Luftverschmutzung (Stichwort Ozonloch, „saurer Regen“, Treibhausgase etc.).

Das Fliegen blieb hingegen stets Kernelement der Institutsidentität. Zwar veränderte sich seine Funktion – vom Forschungsobjekt zur Forschungsmethode, – doch ermöglichte es dem Institut einen einzigartigen Charakter zu behalten und sich damit von anderen Institutionen wie dem DWD abzugrenzen. Die Anschaffung des Forschungsflugzeugs Falcon und damit eines teuren Großforschungsinstruments verhalf dem Institut zu größerer Sichtbarkeit sowohl innerhalb der DFVLR als auch in den bundesdeutschen Medien. Vor allem erlaubte es dieses Flugzeug, endlich an internationalen Großprojekten teilzunehmen und damit auch in der weltweiten Atmosphärenwissenschaft sichtbarer zu werden. Da aber ein solches Instrument gut ausgelastet sein muss um sich zu rentieren, mussten auch andere Institutionen Zugang dazu haben. Damit fand sich das IPA neben der Abgrenzung auch in einer Kooperation mit Universitätsinstituten und dem DWD. Das Aushängeschild des Institutes war damit sowohl ein Distinktionsmerkmal als auch ein Kristallisationspunkt unterschiedlicher Institutionen und Disziplinen.