1 Einleitung

Das Vienna BioCenter ist ein international bedeutender Standort für die Biowissenschaften und ein zentraler „Hot Spot“ für die Life Sciences in Österreich. Es umfasst aktuell über 50 Einrichtungen, die großteils in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander im Stadtteil Sankt Marx im dritten Wiener Gemeindebezirk in Lehre, Forschung, der Wissenschaftskommunikation und der unternehmerischen Verwertung von Forschungsergebnissen tätig sind. Darunter befinden sich das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) als Grundlagenforschungszentrum von Boehringer Ingelheim, Einrichtungen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien sowie die Max Perutz Labs als Joint Venture der beiden Universitäten. Hinzu kommen das Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) als Forschungszentren der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und über 40 Biotech- und Service-Firmen. Ein Fachhochschullehrgang für Applied Life Sciences war hier bis zum Wintersemester 2022/2023 angesiedelt.Footnote 1

Die Entstehung des Vienna BioCenters reicht mit der Ansiedlung des IMP in Wien und der damit verbundenen Gründung eines „Wiener Biozentrums“ aus IMP und Universität Wien bis in die 1980er-Jahre zurück. Seither ist es kontinuierlich um neue Forschungseinrichtungen und Firmen gewachsen und zu einem Standort geworden, der wesentlich dazu beigetragen hat, Wien auf der internationalen Life Sciences-Landkarte zu platzieren und in einem Wissenschafts- und Wirtschaftsbereich reüssieren zu lassen, der in den letzten Jahrzehnten enorm an Bedeutung gewonnen hat.

Im vorliegenden Beitrag werden die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Vienna BioCenters beleuchtet. Hierbei wird – entsprechend dem Generalthema des Bandes – sowohl für sein Gründungsinstitut, das IMP, als auch für das Vienna BioCenter in seiner heutigen Form (Stand: 2022Footnote 2) einerseits auf zentrale Fragen im Bereich der Erkenntnisinteressen und Organisationsformen (Tätigkeitsbereiche, Organisation und Finanzierung, Kooperation und Konkurrenz, Personal und Ressourcen) eingegangen. Andererseits wird behandelt, welche Rolle die Umsetzung des vielzitierten Wissensdreiecks aus Bildung, Forschung und der unternehmerischen Nutzung von Forschungsergebnissen in seiner Geschichte spielte und analysiert, welche Faktoren zu einer Clusterbildung bzw. Agglomeration unterschiedlicher Akteure im Bereich der Life Sciences beitragen. Der Text stützt sich in weiten Teilen auf die 2013 publizierte Studie „Der Campus Vienna Biocenter. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung für den Life Sciences-Standort Wien“Footnote 3 sowie darauf aufbauende Beiträge (Wirth, 2015a, b). Zusätzliche Recherchen wurden für die jüngere Vergangenheit und Gegenwart unternommen.Footnote 4

2 Das Gründungsinstitut – das Institut für Molekulare Pathologie (IMP)

Die Entstehung des Vienna BioCenters geht bis in die 1980er- bzw. unter einer Berücksichtigung seiner Vorgeschichte bis in die 1950er-Jahre zurück und ist eng mit dem Engagement von Boehringer Ingelheim in Wien verbunden. Boehringer Ingelheim, das heute das größte Pharmaunternehmen in Familienbesitz darstellt, wurde 1885 in Ingelheim am Rhein gegründet und entwickelte sich nach 1945 zum weltweit agierenden Konzern, der in Wien mit der Übernahme der Firma Bender seine erste Auslandsgesellschaft errichtete. Diese fungierte anfangs zwar nur als Vertriebs- und Produktionsstelle. Anfang der 1960er-Jahre wurde sie mit der Arzneimittelforschungsges.m.b.H. aber um eine Forschungsabteilung erweitert, die 1974 als Ernst Boehringer Institut für Arzneimittelforschung in die Firma Bender eingegliedert wurde und Ende des Jahrzehnts in die noch junge Gentechnik einstieg. Dies führte nicht nur zu einer Zusammenarbeit mit dem 1976 in San Francisco gegründeten Biotech-Pionier Genentech, mit dem die Geschichte der modernen Biotech-Industrie begann (Schüler, 2016, S. 48), sondern auch zum Vorhaben, eine gemeinsame Grundlagenforschung aufzubauen, wie sie ansonsten zwischen zwei unabhängigen Pharmaunternehmen unüblich ist (Wirth, 2013, S. 23–30).

Die Folge war, dass eine Kommission eingesetzt wurde, um mögliche Standorte für das geplante Grundlagenforschungsinstitut zu prüfen, wobei Wien zunächst nicht angedacht worden war, da es im Bereich der Biowissenschaften bzw. der Gentechnik mit Ausnahme des Boehringer-Instituts wenig zu bieten hatte. Es wurde erst allmählich zu einem Diskussionsthema und dann vonseiten der Firmen als Initiatoren des Vorhabens mit einer Auflage verbunden, die die Ansiedlung des Instituts in Wien auch zum Scheitern hätte bringen können: nämlich jener, dass es eine Nähe zur Universität und zwei neue Lehrstühle geben müsse, um das wissenschaftliche Umfeld des geplanten Instituts zu stärken.

Die anschließenden Gespräche zeigten, dass eine Ansiedlung in der Umgebung der bestehenden Universitätsinstitute im neunten Wiener Gemeindebezirk nicht möglich war. Sie führten aber dazu, dass die Stadt Wien ein in ihrem Besitz befindliches Gelände in Sankt Marx für die Institutsgründung anbot, auf dem sich – in unmittelbarer Nachbarschaft zum damaligen Schlachthof Sankt Marx – einst eine große Brauerei und später Philips mit seinem Hornyphon-Werk niedergelassen hatte. Und auch die Verhandlungen mit dem Ministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sowie dem Wissenschaftsministerium hinsichtlich einer Unterstützung vonseiten der Bundespolitik verliefen erfolgreich und mündeten am 13. Juni 1985 in einer schriftlichen Erklärung, in der die genannten Ministerien und die Stadt Wien Folgendes zusagten:

  1. 1.

    die Zurverfügungstellung eines Gebäudes durch die Stadt Wien um die symbolische Miete von einem Schilling [, die später in ein Baurecht umgewandelt wurde, Anm. MW],

  2. 2.

    eine finanzielle Unterstützung beim Institutsaufbau durch die Stadt Wien und den Bund,

  3. 3.

    die Einrichtung von zwei neuen Lehrstühlen, die dem Arbeitsgebiet des neuen Forschungsinstituts verwandt sein sollten.

Hinzu kam die Bereitschaft, über die Errichtung eines neuen Universitätsgebäudes in Sankt Marx zu verhandeln, nachdem sich auch die thematisch in Frage kommenden Universitätsinstitute für eine Übersiedlung ausgesprochen hatten, da ein neues Gebäude für sie die Aussicht auf moderne Arbeitsbedingungen bot (Wirth, 2013, S. 30–37). Das von Boehringer Ingelheim und Genentech entwickelte Projekt stieß somit auf eine breite Unterstützung, wobei die großzügigen Zusagen von Seiten der Stadt Wien und der beteiligten Ministerien maßgeblich für die Realisierung des Projekts in Wien waren. Relevant ist dabei, dass die österreichische Politik zu Beginn der 1980er-Jahre erstmals Schritte in Richtung einer aktiven Technologie- und Biotech-Politik setzte. So wurden Medizin und Biowissenschaften sowie Biotechnologie und Gentechnik in der „Forschungskonzeption '80“ (1983) auch erstmalig als Schwerpunktbereiche für die Forschungspolitik festgelegt, womit das Vorhaben gut in die vorgesehene Förderpolitik passte (Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 1983).

Die Folge dieser Entwicklung war, dass Boehringer Ingelheim und Genentech Ende Juni 1985 in San Francisco beschlossen, das IMP in Wien zu errichten. Dieses sollte sich nach einer Grundsatzvereinbarung vom April desselben Jahres mit der Molekularbiologie pathologischer Prozesse, insbesondere auf dem Gebiet der Onkogene beschäftigen und trug daher zu Beginn auch den Namen „Institut für Oncogenforschung“. Die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags, mit dem die formelle Gründung des Instituts in Form einer GmbH vorgenommen wurde, erfolgte am 2. September 1985 (Wirth, 2013, S. 37 f.).

Wichtige Schritte, die hieran anschlossen, waren der Umbau eines Teiles des ehemaligen Philips-Werks in ein modernes Forschungszentrum inklusive der für die Forschung nötigen Labore sowie die Suche nach einem wissenschaftlichen Leiter. Hierfür wurde ein internationales Such-Komitee zusammengestellt, das Max Birnstiel von der Universität Zürich für die Leitung des neuen Instituts gewinnen konnte. Und so war es in Folge auch Birnstiel, der dem IMP seine Form gab, nachdem von Seiten der Firmen zuvor weniger über eine Struktur für das neue Institut als über die Suche nach einer geeigneten Führung nachgedacht worden war und diesem nun weitgehend freie Hand für den Institutsaufbau gegeben wurde. Wichtige Eckpunkte waren für Birnstiel ein international ausgerichtetes und zusammengesetztes Spitzenforschungsinstitut zu schaffen, das neben Senior und Junior Group Leaders, Postdocs und Techniker:innen auch Doktorand:innen beschäftigen sollte, um dem Institut einen akademischen Charakter zu verleihen und junge, kritische Forscher:innen ans IMP holen zu können. Weiters sollte das Institut einen international renommierten wissenschaftlichen Beitrat haben sowie ein Service Department, eine Werkstatt, eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, eine Einkaufsabteilung, eine kleine Computergruppe, eine administrative Abteilung (mit einem Leiter) und eine Bibliothek umfassen, womit für die Spitzenforscher:innen auch eine exzellente Arbeitsumgebung zur Verfügung stehen sollte.

Das Gesamtinvestitionsvolumen für den Aufbau des neuen Forschungsinstituts wurde in den ersten Förderanträgen mit beinahe einer Milliarde Schilling beziffert, wobei sich Boehringer Ingelheim laut der bereits zitierten Grundsatzvereinbarung vom April 1985 vor allem in Hinblick auf die Finanzierung und Genentech mit seinen Kenntnissen auf dem Gebiet der Onkogene und gegebenenfalls anderen Gebieten einbringen sollte (Wirth, 2013, S. 37–46). Der Beitrag, den die Stadt Wien und der Bund mit 146 Mio. Schilling beisteuerte,Footnote 5 war – wie auch das Gesamtvolumen der Investition – ein für österreichische Verhältnisse extrem hoher Betrag, betrug doch die Gesamtsumme für biotechnologische Forschung und Entwicklung in Wissenschaft und Industrie von 1985 bis 1990 nur rund 225 Mio. Schilling (Gottweis, 1997, S. 667).

Die Eröffnung des IMP, das damals rund 60 Wissenschaftler:innen aus 15 Nationen umfasste und mit einem Jahresbudget von 180 Mio. Schilling ausgestattet war,Footnote 6 fand im Mai 1988 statt und war von einer großen internationalen Konferenz sowie einem beachtlichen Medienecho begleitet. Zugleich kam es aber auch zu Demonstrationen, womit die Eröffnung des IMP – noch vor dem Gentechnikgesetz 1994 – auch Anlass für den ersten Gentechnik-Konflikt in Österreich gab.Footnote 7 Fünf Jahre später zog sich Genentech aus dem Joint Venture mit Boehringer Ingelheim zurück, nachdem 1990 der Schweizer Pharmakonzern Hoffmann La Roche 60 % an Genentech übernommen hatte. In Folge beschloss Boehringer Ingelheim, das IMP zukünftig alleine zu tragen und somit rund ein bis zwei % seines gesamten Forschungsbudgets für dieses auszugeben. Zudem bewarb sich das IMP in den kommenden Jahren auch sehr erfolgreich um öffentliche Forschungsgelder in kompetitiven Verfahren auf nationaler und europäischer Ebene, wodurch ein weiteres Wachstum ermöglicht wurde (Wirth, 2013, S. 46–55).

3 Kooperation mit der Universität Wien – das Wiener Biozentrum entsteht

Die nötigen Verhandlungen für die Schaffung einer örtlichen Nähe zur Universität Wien und die Einrichtung von zwei neuen Lehrstühlen wurden parallel zum Aufbau des IMP geführt und mündeten 1992 in der Eröffnung eines rund 800 Mio. Schilling teuren Universitätsgebäudes.

In dieses zogen zwei bereits bestehende Institute der Naturwissenschaftlichen Fakultät (Institut für Allgemeine Biochemie und Institut für Mikrobiologie und Genetik) sowie der Medizinischen Fakultät (Institut für Biochemie und Institut für Molekularbiologie) ein. Die beiden neuen Lehrstühle wurden für Biochemie (am Institut für Biochemie der Naturwissenschaftlichen Fakultät) und für Molekulare Genetik (inklusive der Schaffung eines gleichnamigen neuen Instituts an der Medizinischen Fakultät) eingerichtet. Der Ausgangspunkt für die Errichtung des Gebäudes war, dass sich die Stadt Wien im Zuge der Ansiedlung des IMP in Wien dazu bereit erklärt hatte, das an dieses angrenzende Grundstück frei zu halten und dieses in Form eines Baurechts für die Errichtung eines Neubaus zu einem Anerkennungszins bereit zu stellen (Wirth, 2015b, S. 254–257). Damit wurde die Basis für ein neues, gut ausgestattetes Gebäude just zu einem Zeitpunkt gelegt, als sich der österreichische Universitätsbau in einer schweren finanziellen und organisatorischen Krise befand.Footnote 8

Noch bevor 1989 der Spatenstich erfolgte, war jedoch bereits am 9. Juni 1988 ein Kooperationsvertrag zwischen dem IMP und der Universität Wien mit dem Ziel unterzeichnet worden, eine Konzentration der durch die Universität und die Industrie eingebrachten personellen, geistigen und materiellen Mittel zu erreichen, um die für eine zeitgemäße Forschung kritische Masse zu überschreiten. Konkret wurde im Vertrag die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur (wie etwa der Bibliothek und einer Cafeteria, die sich zu einem wichtigen Treffpunkt entwickeln sollte) oder eine gemeinsame Anschaffung von Großgeräten geregelt, womit das Wiener Biozentrum geboren war, aus dem Ende 2000/Anfang 2001 das Vienna BioCenter wurde. Weitere Kollaborationen folgten 1993 in Form eines gemeinsamen Scientific Recess,Footnote 9 der den Universitätsinstituten besonders in den Anfangsjahren wichtige Impulse gab, und eines gemeinsamen internationalen PhD-Programms. Einen Masterplan dafür, wie sich das Wiener Biozentrum bzw. später das Vienna BioCenter entwickeln sollte oder etwaige Zielvorgeben dafür, wie es in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen sollte, gab es jedoch nicht. Zugleich bestand aber vonseiten der unterstützenden Politiker (wie etwa von Vizebürgermeister Hans Mayr seitens der Stadt Wien oder Ferdinand Lacina als Minister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr seitens der Bundespolitik) eine nicht weiter konkretisierte Hoffnung, dass „sich daraus etwas entwickeln“ könnte (Wirth, 2013, S. 75–80) – zumal das Silicon Valley mit seiner Konzentration an innovativem Potenzial und Startups damals in den Köpfen der handelnden Personen sehr präsent und 1984 auch besucht worden war.Footnote 10

4 Weiteres Wachstum als Vienna BioCenter – ein Life Sciences Cluster entsteht

Seither ist das Vienna BioCenter kontinuierlich und lange Zeit evolutionär gewachsen, wobei sich die Ansiedelung in Sankt Marx langfristig gesehen als Glücksfall erwiesen hat, da dieses Gelände ein enormes Erweiterungspotenzial bot und es ermöglichte, ein bereits vorhandenes Life Sciences-Zentrum weiter auszubauen und die damit verbundenen Vorteile (kurze Kommunikationskanäle, gemeinsame Nutzungen von Facilities, leichtere Rekrutierung von Personal) zu nutzen.

Die Anfangshoffnung der beteiligten Politiker, dass sich aus dem Wiener Biozentrum „etwas entwickeln“ könnte, erfüllte sich erstmals 1997, als es zur Gründung der Biotech-Firma Intercell durch ehemalige Mitarbeiter des IMP und Vertreter der Universität Wien kam. Der zunächst große Erfolg von Intercell, das 2005 zum ersten Biotech-Wert an der Wiener Börse wurde, später aber einige Rückschläge einstecken musste und 2013 durch die Fusion mit dem französischen Unternehmen Vivalis zu Valneva wurde, trug wesentlich dazu bei, dass das Vienna BioCenter – auch im Bereich der GebäudeFootnote 11 – in den kommenden Jahren weiterwachsen und hierfür auch eine Unterstützung durch die Politik finden konnte (Wirth, 2015a, S. 162–165.).Footnote 12 Hinzu kam, dass die Life Sciences um die Jahrtausendwende in der österreichischen Förderpolitik eine erneute Bedeutungssteigerung erfuhren: So wurde 1999 vonseiten des Bundes das Impulsprogramm Biotechnologie (seit 2002 Life Science Austria, LISA) sowie 2001 das österreichische Genomforschungsprogramm GEN-AU gestartet. Und auch die Stadt Wien erklärte sich zum Biotechnologie-Standort inklusive der Etablierung eines Standort-Managements (heute LISAvienna), wobei die Förderung der Life Sciences immer stärker mit dem Ziel verbunden wurde, Forschungen auch kommerziell zu verwerten (Wirth, 2013, S. 98–103). Generell stellte die gute Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen, aber auch zwischen der Landes- und Bundespolitik einen wesentlich Erfolgsfaktor in der Geschichte des Vienna BioCenters dar.

Wichtige Meilensteine nach der Intercell-Gründung waren folgende Entwicklungen:

  • 1999 wurde das IMBA (zunächst unter dem Namen „Institut für molekulare und zelluläre Bioinformatik GmbH“) sowie 2000 das GMI (zunächst mit der Bezeichnung „Institut für Zell- und Entwicklungsbiologie GmbH“) als (zwei der dreiFootnote 13) Forschungsges.m.b.H.s der ÖAW gegründet und 2006 das Life Sciences-Zentrum der ÖAW am Vienna BioCenter eröffnet. Wesentlich ist hierbei, dass das IMBA nach dem Vorbild des IMP hinsichtlich dessen Struktur bzw. Arbeits- und Organisationsweise und in Kooperation mit diesem (inklusive der Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen) aufgebaut wurde, um ihm einen raschen und erfolgreichen Start zu ermöglichen. Im Vergleich zum IMP sollte das IMBA, das heute die größte Forschungseinrichtung der ÖAW darstellt, jedoch eine Brücke von der Grundlagenforschung zur späteren konkreten medizinischen Anwendung schlagen.Footnote 14 Die Gründung des GMI sollte vorwiegend dazu dienen, Spitzenforscher:innen aus dem 2002 geschlossenen ÖAW-Institut für Molekularbiologie in Salzburg aufzunehmen. Vonseiten des Bundes wurde die IMBA-Gründung durch die Zusage ermöglicht, für dieses jährlich ca. 7,3 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen.Footnote 15 Die Stadt Wien unterstützte die Errichtung des Life Sciences-Zentrums der ÖAW in direktem Anschluss an das IMP mit einem Darlehen in der Höhe von ca. 15,7 Mio. Euro (Bauplatz und Gebäude) und leistete auch einen Übersiedlungszuschuss für das GMI in der Höhe von ca. 2,7 Mio. Euro.Footnote 16 Die Gesamtkosten für das Gebäude (inklusive Laborausstattung) betrugen rund 64 Mio. Euro (Wirth, 2013, S. 163–169; Feichtinger & Geiger, 2022, S. 553–558).

  • 2001 wurde der Verein Campus Vienna BioCenter (heute Vienna BioCenter Association) gegründet, mit dem sich die Einrichtungen des wachsenden BioCenters erstmals ein Sprachrohr nach innen und außen schufen (Wirth, 2013, S. 104).

  • 2002/2003 wurde der Lehrbetrieb durch den Fachhochschullehrgang für Applied Life Sciences der FH Campus Wien aufgenommen. Dieser wurde in enger Kooperation mit Vertreter:innen der Universität Wien am Vienna BioCenter aufgebaut (Wirth, 2015a, S. 165 f.), ist seit Kurzem aber nicht mehr hier angesiedelt.

  • 2004 folgte die Eröffnung eines Gebäudes, das neuen Firmen Platz bieten sollte, phasenweise aber auch die Universität Wien und den genannten Fachhochschullehrgang beherbergte. Ein wichtiges Vorbild war hierfür das Mitte der 1990er-Jahre errichtete „Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie“ des Biotech-Clusters München-Martinsried, der ab den 1970er-Jahren um ein Max-Planck-Institut für Biochemie und das Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München entstanden war und um 2000 große Aufmerksamkeit in der österreichischen Diskussion fand.Footnote 17 In den folgenden Jahren wurden am Vienna BioCenter – etwa mit der sogenannten Marx-Box – weitere Gebäude für Firmen errichtet (Wirth, 2013, S. 104).

  • 2005 wurden die Max F. Perutz Laboratories (heute Max Perutz Labs) als Zusammenschluss der im Vienna BioCenter angesiedelten Universitätsinstitute gegründet, nachdem bereits seit mehreren Jahren über eine gemeinsame Struktur nachgedacht worden war, die folgendes ermöglichen sollte: Eine verbesserte Verwaltung von Ressourcen, raschere, das Gesamtwohl der Institute berücksichtigende Entscheidungen, einen gemeinsamen Außenauftritt und eine bessere Position, um Forschungsgelder einwerben und mit anderen Forschungsträgern, insbesondere dem IMP, in Wettbewerb zu können. Erste konkrete Konzepte waren zwar bereits ab 2002 entwickelt worden und reichten von einer reinen Betriebsführungsges.m.b.H. (Gebäudeverwaltung, Instandhaltung, Wartung) bis zu einer „großen“ Forschungsges.m.b.H. Geschaffen wurden die Max F. Perutz Laboratories jedoch erst 2005, wobei hierfür wesentlich war, dass mit der Umwandlung der Medizinischen Fakultät in eine eigene Universität im Jahr 2004 die am Vienna BioCenter angesiedelten Universitätsinstitute nun auf zwei Universitäten aufgeteilt waren und auch mit der Vergabe einer Stiftungsprofessur für Bioinformatik seitens des Fördergebers (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, WWTF) auf die Schaffung einer „umfassenden Lösung“ gedrängt wurde. Als Aufgaben der Max F. Perutz Laboratories GmbH, an der sich die Universität Wien mit 60 und die Medizinische Universität Wien mit 40 % beteiligten, wurden 2005 der Betrieb und die Verwaltung der ihr zugeordneten Gebäude und Raumressourcen einschließlich der dazugehörenden Sonderausstattung (Labore), die Forschungstätigkeit und der Aufbau des Forschungsbereichs der Bioinformatik festgelegt (Wirth, 2015b, S. 259–261). Rund 10 Jahre später erfolgte die Umwandlung in die Max F. Perutz Laboratories Support GmbH (heute Max Perutz Labs Support GmbH) als Service-Einrichtung für die Max Perutz Laboratories.Footnote 18

  • 2006 wurde im neuen Life Sciences-Zentrum der ÖAW das Vienna Open Lab angesiedelt, das von Open Science betrieben und hauptsächlich aus öffentlichen Geldern finanziert wird (Bund und Stadt Wien). Es wendet sich an die interessierte Öffentlichkeit, um die „Lebenswissenschaften sichtbar, erlebbar und verständlich zu machen“. Erste Initiativen in diese Richtung hatte es bereits in den 1990er-Jahren mit der Bildung der „Plattform Gentechnik & Wir“ gegeben, die in Reaktion auf das Gentechnik-Volksbegehren 1997 bzw. die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft entstanden war und sich zum Ziel gesetzt hatte, die stark emotionalisierte Diskussion zu versachlichen. In Folge organisierten sowohl die Plattform als auch ihr Nachfolger (Verein „dialog<>gentechnik“) Ausstellungen und fallweise Laborkurse bzw. -übungen in den vorhandenen, noch nicht eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten (Wirth, 2013, S. 81–88).Footnote 19

  • 2010 wurde – basierend auf dem Strategiepapier „Vision 2020“ – die Campus Support Facility GmbH (heute Vienna BioCenter Core Facilities GmbH) gegründet, für die es vonseiten der Stadt Wien und des Bundes eine Unterstützung von rund 52 Mio. Euro für einen Zeitraum von 10 Jahren im Verhältnis 35 (Stadt Wien) zu 65 % (Bund) gab. Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, dass ab den frühen 2000er-Jahren über die Schaffung einer österreichischen „University of Excellence“ diskutiert und auch eine Ansiedlung in Nachbarschaft zum Vienna BioCenter erwogen wurde, 2006 aber die Entscheidung fiel, das neue Exzellenz-Institut als Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) im niederösterreichischen Klosterneuburg zu errichten. Verterter:innen am Vienna BioCenter schlossen sich deshalb zusammen, um über eine alternative Stärkung ihres Standorts nachzudenken und über den 2001 gegründeten Verein Verhandlungen mit der Stadt- und der Bundespolitik aufzunehmen, wobei rasch klar war, dass eine Investition in die wissenschaftlichen Infrastrukturen angestrebt wurde. Da angesichts der „Großtechnisierung“ der Molekularbiologie in immer kürzeren Abständen immer teurere Geräte erworben und von Spezialist:innen betreut werden mussten, diese Kosten aber nur selten über bestehende Förderangebote abgedeckt werden konnten, sollte die „Vision 2020“ und die aus ihr resultierende Gründung der Campus Support Facility GmbH somit dazu beitragen, auch für die Zukunft optimale Arbeitsbedingungen am Vienna BioCenter zu ermöglichen. Für die Geschichte des Vienna BioCenters ist sie aber auch deswegen von zentraler Bedeutung, weil mit ihr die Phase einer evolutionären Entwicklung verlassen bzw. erste Schritte zu einer gemeinsamen Planung gesetzt wurden und eine erste Einrichtung entstand, die Campus übergreifende Interessen verfolgen sollte. Gesellschafter der Campus Support Facility GmbH wurden die am Vienna BioCenter vertretenen Einrichtungen, wobei sich diese entweder direkt oder über den mehrfach genannten Verein an der GmbH beteiligten.Footnote 20

5 Ein Cluster wird größer – die jüngsten Entwicklungen

Die Größe des Vienna BioCenters wurde in den Entwürfen bzw. Präsentationen der „Vision 2020“ im Jahr 2007 (und somit ca. 20 Jahre nach der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zur Errichtung des Wiener Biozentrums) mit rund 1050 Beschäftigten (inkl. 220 Dissertant:innen) und über 700 Studierenden aus 40 Nationen angegeben (Wirth, 2013, S. 147–153). 2012 waren es bereits rund 1400 Wissenschaftler:innen und 700 Studierende aus 40 Nationen.Footnote 21 Seither ist das Vienna BioCenter auf allen Ebenen weitergewachsen und hat besonders in den letzten Jahren eine enorme Expansionsphase verzeichnet, die durch folgende Entwicklungen geprägt war:

  • 2017 wurde ein neues Gebäude für das IMP eröffnet, womit dieses zum ersten Mal in seiner Geschichte einen kompletten Neubau erhielt, nachdem in den 1980er-Jahren noch Teile des ehemaligen Hornyphon-Werks von Philips für das neue Grundlagenforschungszentrum umgebaut worden waren. Maßgeblich für die Errichtung des Neubaus war, dass das alte Gebäude immer weniger die Voraussetzungen für den Einsatz modernster technischer Geräte und Methoden bot. Die Bauphase dauerte nach einem intensiven Planungsprozess rund 1,5 Jahre. Die Kosten für den Neubau beliefen sich auf rund 52 Mio. Euro und wurden von Boehringer Ingelheim getragen, wobei das IMP bei der Gebäudeeröffnung vonseiten des Konzerns als seine „bedeutendste Investition […] in die Grundlagenforschung“ bezeichnet wurdeFootnote 22 und nicht die einzige Großinvestition der letzten Jahre in Wien blieb.Footnote 23

  • 2019 verlängerten die Universität Wien und die Medizinische Universität Wien ihre Zusammenarbeit im Rahmen der Max Perutz Labs bis 2025.Footnote 24 In diesem Zusammenhang wurde auch eine neue Mission („Catalyzing Discovery in Mechanistic Biomedicine“) proklamiert.Footnote 25

  • 2020 wurden die Startup Labs Vienna in Teilen des alten IMP-Gebäudes eröffnet, das damit einer sinnvollen Nachnutzung zugeführt werden sollte. Das damit verbundene Anliegen war es, auf Initiative des Vienna BioCenters Platz für Biotech-Startups in einer frühen Entwicklungsphase („Inkubator“) anzubieten und damit eine Einrichtung am Vienna BioCenter zu schaffen, die in dieser Form bis dato fehlte. So war es zuvor zwar mehrfach zur Errichtung von Gebäuden gekommen, in denen (neue) Firmen eine Heimat finden sollten. Nun ging es aber darum, speziell auf die Bedürfnisse von Startups einzugehen und diesen nicht Flächen in einem Labor- und Bürogebäude, sondern Büro- und Laborarbeitsplätze plus einer gemeinsamen Infrastruktur (in den Startup Labs und über die Vienna BioCenter Core Facilities GmbH) anzubieten. Eine wesentliche Idee hinter dem Projekt war somit jene des Sharings, um den Biotech-Startups hohe Investitionskosten zu ersparen. Der Betreiber der Einrichtung ist die Wirtschaftsagentur Wien. Von Boehringer Ingelheim werden die Startup Labs Vienna im Rahmen des BI Innovation Prize unterstützt, indem das Unternehmen Labor- und Büroarbeitsplätze für jeweils ein Startup ein Jahr lang finanziert.Footnote 26

  • Ebenfalls 2020 erging eine weitere Finanzierungszusage für die Vienna Biocenter Core Facilities GmbH in der Höhe von 60 Mio. Euro für einen erneuten Zeitraum von 10 Jahren durch die Stadt Wien und den Bund im Verhältnis 35 zu 65 % sowie eine weitere Förderzusage für das Vienna Open Lab in der Höhe von rund 1,7 Million Euro.Footnote 27

  • 2021 folgte die Eröffnung des neuen Biologiezentrums der Universität Wien in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vienna BioCenter, welches das in die Jahre gekommene Universitätsgebäude in der Althanstraße ablöste. Mit dem 146 Mio. Euro teuren Gebäude (inklusive Einrichtung) wurde nach einer dreijährigen Bauzeit ein neuer Arbeits- und Lernort für rund 5000 Biologie-Student:innen und 500 Mitarbeiter:innen der Universität Wien eröffnet. Damit wurden fast die gesamten Lebenswissenschaften der Universität Wien und Bereiche des 2019 neu gegründeten Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft in Sankt Marx angesiedelt,Footnote 28 womit eine große thematische Erweiterung einherging und die dominierende Molekularbiologie um neue Wissenschaftsbereiche erweitert wurde. Zugleich wurde aber auch eine große Zahl von Studierenden vor dem Master ans Vienna BioCenter gebracht, wo sich die universitäre Ausbildung (nicht aber jene des mittlerweile übersiedelten Fachhochschullehrgangs) bisher primär auf dem PhD-Level abgespielt hatte.

  • Die Anzahl der Biotech-Firmen, zu denen noch einige Service-Firmen kommen, hat in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen und ist von unter 15 in den Jahren 2011/2012 auf fast 40 Ende 2022 angestiegen.Footnote 29 Entstanden sind diese Biotech-Firmen teils am Vienna BioCenter, teils auch außerhalb, wobei der Anstieg an Firmen einerseits damit erklärt werden kann, dass sich die Infrastruktur für Firmen(-gründungen) inklusive Finanzierungsmöglichkeiten immer mehr verbessert hat und andererseits auch die Bereitschaft von Wissenschaftler:innen gestiegen ist, unternehmerisch tätig zu werden, also auch ein kultureller Wandel stattgefunden hat. Räumlichkeiten für weitere Firmen – insbesondere Startups, die aufgrund einer fortgeschrittenen Entwicklung die Vienna Startup Labs verlassen – werden nach Plänen der Stadt Wien auf einem Gelände entstehen, das zwar nicht direkt an das Vienna BioCenter anschließt, jedoch nicht weit von diesem entfernt ist, da es sich hinter einem der letzten Überreste des ehemaligen Schlachthauses Sankt Marx, der heutigen Marxhalle,Footnote 30 befindet.Footnote 31

6 Das Vienna BioCenter heute

Derzeit umfasst das Vienna BioCenter – wie vorausgeschickt – ca. 50 Institutionen, in denen aktuell über 2800 Personen aus ca. 80 Nationen arbeiten, darunter rund 1720 Personen in den großen Forschungszentren (IMP, IMBA, GMI, Max Perutz Labs und dem neu hinzugekommenen Universitätsgebäude) sowie rund 990 Personen in den Biotech-Firmen.Footnote 32 Nachdem bereits das IMP mit dem Ziel gegründet worden war, ein international ausgerichtetes Forschungsinstitut zu sein und es seinen Forschungsbetrieb mit Mitarbeiter:innen aus 15 Nationen aufnahm, hat sich die Internationalität mit dem Wachstum des Vienna BioCenters somit weiter erhöht. Eine wichtige Rolle spielt seitens des Personals nach wie vor – wie dies bereits Max Birnstiel bei der Konzeption des IMP wichtig war – die Beschäftigung von Doktorand:innen, „ohne die heute kein Forschungsstandort auskommt“.Footnote 33 So befinden sich unter den rund 2270 Wissenschafter:innen am Vienna BioCenter aktuell rund 390 Doktorand:innen und ca. 260 Postdocs.Footnote 34

Die am Vienna BioCenter angesiedelten Einrichtungen sind in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen aktiv: Während bei den wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen die Grundlagenforschung im Zentrum steht, geht es den Firmen – stark unterstützt von der Stadt Wien – darum, neue Pharmazeutika zu entwickeln oder Dienstleistungen anzubieten. Gleichzeitig ist das Vienna BioCenter seitens der Universitäten aber auch ein (zuletzt stark ausgebauter) Ort der Lehre, sowie – was Open Science und das Vienna Open Lab betrifft – ein Ort der Wissenschaftskommunikation und der Öffentlichkeitsarbeit für die Life Sciences.

Hinsichtlich des Status handelt es sich bei den Einrichtungen des Vienna BioCenters um eigenständige Institutionen mit unterschiedlichen Rechtsformen und jeweils eigenen Formen der Steuerung.Footnote 35 2001 wurde als freiwilliger Zusammenschluss der im Vienna BioCenter vertretenen Akteure – ohne Durchgriffsrechte auf ihre Mitglieder – die heutige Vienna BioCenter Association gegründet, in der sich die Vertreter:innen der einzelnen Institutionen zusätzlich zu ihrer regulären Arbeit engagieren. Eine institutionelle Verflechtung brachte jedoch erst die „Vision 2020“ und die aus ihr hervorgehende gemeinsame Gründung der Vienna BioCenter Core Facilities GmbH, die auf die Schaffung und den Betrieb gemeinsamer wissenschaftlicher Infrastrukturen abzielte. So hat die Nutzung von gemeinsamen Infrastrukturen und die Option auf die gemeinsame Anschaffung von Großgeräten zwar bereits bei der Entstehung des Wiener Biozentrums eine Rolle gespielt. In den folgenden Jahren wurde sie aber selbst für finanziell gut ausgestattete Forschungseinrichtungen zu einem immer wichtigeren Thema.

Weitere Kooperationen gab es bereits in den Anfangsjahren des Wiener Biozentrums in Form des angesprochenen Recess,Footnote 36 gemeinsamen Vorlesungs- und Vortragsserien und dem bereits thematisierten gemeinsamen internationalen PhD-Programm, zu dem später neue Programme (internationale Sommerschule, internationales Postdoc-Programm) hinzugekommen sind. Mit dem Wachsen des Vienna BioCenters wurden in diese Initiativen auch neue Akteure einbezogen. So nehmen am „Vienna BioCenter-Recess“ heute neben dem IMP und den Max Perutz Labs auch IMBA und GMI und seit einiger Zeit auch Institutionen außerhalb des Vienna BioCenters teil.Footnote 37 Am Vienna BioCenter PhD Program, dem Vienna International Postdoctoral Program und der Vienna BioCenter Summer School sind heute neben den beiden Universitäten bzw. den Max Perutz Labs IMP, IMBA und GMI, und zum Teil ebenfalls Einrichtungen außerhalb des Vienna BioCenters beteiligt.Footnote 38 Zugleich war die Geschichte des Vienna BioCenters – wie etwa die Gründung der Max Perutz Labs zeigt oder es bei der kompetitiven Einwerbung von Geldern der Fall ist – aber natürlich auch von Konkurrenzsituationen geprägt.

Die Finanzierung der am Vienna BioCenter angesiedelten Einrichtungen erfolgt auf unterschiedlichem Weg: Das IMP, das aktuell 270 Mitarbeiter:innen beschäftigt,Footnote 39 erhält seine Grundfinanzierung nach wie vor von Boehringer Ingelheim, die universitären Einrichtungen von der Universität Wien oder der Medizinischen Universität, IMBA und GMI von der ÖAW. Hinzu kommen Drittmittel, die in der Geschichte des Vienna BioCenters kontinuierlich an Bedeutung gewonnen haben. So verfügt das IMP derzeit über ein Budget von rund 36 Mio. Euro, von denen rund zwei Drittel von Boehringer Ingelheim und ein Drittel aus Drittmitteln stammen.Footnote 40 Beim IMBA mit 235 Mitarbeiter:innen ist es ein Budget von 33 Mio. Euro, die sich aus folgenden Quellen speisen: 54 % Basisfinanzierung durch die ÖAW, 14 % Forschungsförderung, 17 % Einnahmen, 15 % andere Gelder (inklusive private Förderungen).Footnote 41 Bei den Firmen spielen – je nach Entwicklungsstand – Förderungen, Risiko-Kapital, Investor:innen und Gewinne aus der bisherigen Tätigkeit eine Rolle.

Die am Vienna BioCenter vertretenen Forschungsbereiche haben sich seit der Gründung des IMP mit dem Wachsen des Vienna BioCenters und dem Hinzukommen von neuen Akteuren ständig erweitert und spannen mittlerweile – insbesondere nach der Erweiterung um das neue Universitätsgebäude 2021 – einen weiten Bogen von Biochemie, Biophysik und Strukturbiologie über die Zell- und Chromosomenbiologie bis zu RNA und Epigenetik, Pflanzenwissenschaften und anthropogener Evolution.Footnote 42 Der Anspruch, Spitzenforschung zu betreiben ist (insbesondere bei den großen Forschungseinrichtungen) geblieben und wurde in der bisherigen Geschichte des Vienna BioCenters durch ein breites Leistungsspektrum nachgewiesen – darunter zahlreiche Publikationen in namhaften wissenschaftlichen Journalen („Nature“, „Science“, „Cell“), Drittmittel-Erfolge (u. a. 83 ERC Grants), Wissenschaftspreise (u. a. 13 Wittgenstein-Preise), Mitgliedschaften (darunter 33 Mitgliedschaften in der European Molecular Biology Organization, EMBO) und Patente.Footnote 43

7 Schlussbemerkung: Clusterbildungen in den Life Sciences – die Umsetzung des Wissensdreiecks aus Bildung, Forschung und der unternehmerischen Umsetzung von Forschungsergebnissen als wichtiges Wesensmerkmal

Das Vienna BioCenter stellt heute einen Life-Science-Cluster dar, der das gesamte Wissensdreieck aus Bildung, Forschung und der unternehmerischen Umsetzung von Forschungsergebnissen abdeckt. Fast 40 Jahre nach der Gründung des IMP zeichnet es sich damit durch eine Entwicklung aus, die auch in anderen Life-Sciences-Clustern – wie etwa dem bereits genannten Cluster München-Martinsried und den Regionen um Heidelberg oder Cambridge – zu beobachten ist (Schüler, 2016, S. 336 ff.). Die räumliche Agglomeration von universitären und außeruniversitären Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Firmen inklusive der Errichtung von Gründungszentren bzw. „Inkubatoren“ für Startups markiert heute ein wichtiges Merkmal von vielen Life Sciences-Clustern oder -Regionen.

Diese verfügen bei einer vergleichenden Betrachtung zwar über ihre jeweils eigene Geschichte und individuelle institutionelle Zusammensetzungen. Sie haben aber auch gemeinsam, dass sie (in den überwiegenden Fällen) um einen bereits vorhandenen Nukleus – wie das IMP und die Universitätsinstitute der heutigen Max Perutz Labs im Falle des Vienna BioCenters – gewachsen sindFootnote 44 und dass sie in den letzten Jahrzehnten von einer Politik profitiert haben, die die unternehmerische Umsetzung von Forschungsergebnissen und den Aufbau von Schwerpunktregionen intendiert hat.Footnote 45

Zudem lassen sich folgende Faktoren festmachen, die Clusterbildungen in den Life Sciences unterstützen und sich auch in der Geschichte des Vienna BioCenters wiederfinden:

  • Forschung benötigt gut ausgebildete Wissenschafter:innen, weshalb Doktorand:innen in allen modernen Forschungseinrichtungen eine enorme Rolle spielen. Eine Nachbarschaft zur Universität herzustellen, spielte deswegen bereits in der Entstehungsgeschichte des IMP eine wichtige Rolle.

  • Eine örtliche Nähe ermöglicht eine bessere, schnellere und auch informelle Kommunikation. Sie kann Kooperationen und Neugründungen befördern und bei der Rekrutierung von Mitarbeiter:innen helfen, wie sie sich im Vienna BioCenter etwa bei gemeinsamen Ausbildungsprogrammen oder bei der Gründung neuer Firmen und deren personeller Ausstattung zeigte.

  • Technische Geräte (Facilities) und ihr Betrieb spielen in den Life Sciences eine immense Rolle und werden immer teurer. Zugleich erfordern die modernen Biowissenschaften immer schneller neue Investitionen, weshalb gemeinsame Nutzungen zu einem Thema werden. Am Vienna BioCenter schlug sich dies in der Entwicklung der „Vision 2020“ und der aus ihr resultierenden Vienna BioCenter Core Facilities GmbH, nieder, mit der gemeinsame technische Infrastrukturen und deren Betreuung durch Fachpersonal ermöglicht wurden und erstmals eine auch institutionelle Verflechtung stattfand.

Schließlich geht es aber auch darum, eine kritische Masse zu erreichen, um im internationalen Wettbewerb bestehen sein zu können.Footnote 46 Eine besondere Herausforderung bildet dabei, dass sich die Life Sciences als Ausbildungs-, Forschungs- und Wirtschaftsbereich in den letzten Jahrzehnten durch eine rapide Wissenszunahme und eine enorme Schnelligkeit in der Wissensproduktion ausgezeichnet haben.