Die in den vorrangegangenen Abschnitten 4.1 bis 4.4 analysierten sowie im Abschnitt 4.5 zusammenfassend dargestellten Fälle bilden – maximal kontrastierend – die Vielschichtigkeit des Alltags in frühpädagogischen Einrichtungen ab: Sie repräsentieren Praktiken in vielfältigen Akteur:innenkonstellationen und realisieren sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher raum-zeitlicher Kontexte und institutioneller Arrangements. Allen vier Fällen ist ein (invisibles) Skript inhärent, das von den Akteur:innen aufgerufen und auf vielfältige Weise bearbeitet wirdFootnote 1.

Einschränkend sei darauf verwiesen, dass ausschließlich Szenen beobachtet resp. analysiert wurden, in denen Kinder involviert sind. Dies bedeutet, dass das Datenmaterial Kind-Kind-InteraktionenFootnote 2 sowie Kind-Fachkraft-Interaktionen umfasst, jedoch keine Fachkraft-Fachkraft-Interaktionen. Ergänzt wird diese Anmerkung um die Tatsache, dass die Forscherin in jede Sequenz – mehr oder weniger ausgeprägt – aufgrund ihrer teilnehmenden Beobachtungsrolle involviert war. Auf die Relationierungen zwischen Kind und Forscherin, zwischen Fachkraft und Forscherin bzw. zwischen Kind, Fachkraft und Forscherin wurde in den reflektierenden Interpretationen im Kontext der Einzelfalldarstellungen ausführlich eingegangen. Die Rolle, (Re-)Adressierung und (Re-)Positionierung der Forscherin bergen zwar ein erhebliches Erkenntnispotenzial, das in weiterführenden Analysen Berücksichtigung finden kann; da sie für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit jedoch nicht im Fokus stehen, werden sie im Rahmen der folgenden Überlegungen jedoch nicht weiter ausgeführt resp. bearbeitet.

Der folgende Abschnitt versteht sich vor diesem Hintergrund als ein analytisches Angebot, das Material anhand einer sinngenetischen Typenbildung zu abstrahieren (methodische Überlegungen: vgl. Kapitel 3, insbesondere Abschnitt 3.3.2). Die anschließenden Ausführungen basieren auf komparativen Analysen, die zum Teil schon in die vorangegangenen reflektierenden Interpretationen einflossen und sich in verdichteter Kurzfassung, in tabellarischer Form, in Anhang 3Footnote 3 nachlesen lassen.

5.1 Frühe Kindheit im Kontext komplexer Ordnungen

In den reflektierenden Interpretationen (vgl. Abschnitte 4.1 bis 4.4) sowie der komparativen Analyse der Fälle (vgl. Anhang 3Footnote 4) wurde deutlich, dass die Akteur:innen KinderFootnote 5 und Fachkräfte – als Repräsentant:innen zweier zentraler Statusgruppen in frühpädagogischen Einrichtungen – unterschiedliche Praktiken zur Performanz bringen, indem sie als Kinder und als Fachkräfte, in bestimmten Rollen im institutionellen Kontext miteinander handeln und dabei komplexe Ordnungen hervorbringen. Der Verweis auf diese beiden Statusgruppen suggeriert Trivialität und Augenscheinlichkeit, gelten doch Kinder und Fachkräfte als die zentralen Akteur:innen in frühpädagogischen Institutionen (vgl. auch Schulz, 2018a, S. 56). Dennoch ergibt sich die Relevanz der relationalen Bezugnahmen erst durch die konsequente empirische Analyse und aus dem dahinterstehenden Bemühen heraus, die Unterscheidung von Erwachsenen (resp. Fachkräften) und Kindern gerade nicht als selbstverständlich gegeben vorauszusetzen. Dies hat dreierlei Gründe: So ist erstens auf das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Schrift zu verweisen (Bohnsack, 2013, S. 254), eben in dem Sinne, dass das Zustandekommen von früher Kindheit in Relation zu Erwachsenheit erst rekonstruiert werden muss, resp. davon Abstand genommen wird, jene primordial zu setzen (Bollig & Kelle, 2014, S. 275; Honig, 2018, S. 193). Damit wird zweitens auch der grundlegenden Forderung gefolgt, „daß die Forscher nicht im Vorhinein und anstelle der Akteure definieren, aus welcher Art von Bausteinen die soziale Welt besteht“ (Latour 2007, S. 75; zit. n. Mitterle, 2016, S. 229), da jene erst durch die Rekonstruktion zu Tage treten können. Und drittens bezieht sich dieses Vorgehen auf die in der Kindheitsforschung prominent vertretene, forschungsethische Idee der ‚ethischen Symmetrie‘, was wiederum bedeutet, Kinder in der Analyse nicht vorab und unmittelbar als Kinder zu adressieren, sondern die Differenz von Kindern und Erwachsenen als sozial und situativ hervorgebracht (vs. ‚naturgegeben‘) zu betrachten (Eßer & Sitter, 2018, S. 6).

Vor dem Hintergrund der Basistypik früher Kindheit im institutionellen KontextFootnote 6 konnte eine allen Fällen gemeinsame basistypische Orientierungsherausforderung rekonstruiert werden, die von den Akteur:innen auf unterschiedliche Weise bearbeitet wirdFootnote 7, die sich im Geflecht komplexer Ordnungen konstituiert und sich in den aufeinander bezogenen Praktiken der Akteur:innen bzw. deren raum-zeitlich-materieller Verwobenheit zeigt. Bevor im Abschnitt 5.2 im Kontext einer sinngenetischen Typik auf die Bearbeitungsmodi der Akteur:innen im Hinblick auf die basistypische Orientierungsherausforderung eingegangen wird, werden die komplexen Ordnungen, in die frühe Kindheit im institutionellen Kontext eingelagert ist, in den folgenden Ausführungen thematisiert.

  1. 1.

    Es geht um generationale Ordnung. Es sind Kinder und Erwachsene in generationaler Differenz, die sich in spezifischer Weise in Relation setzen. Sie handeln miteinander als Kinder und als Erwachsene und bringen dabei zumeist unterschiedliche – generationsgruppenbezogene – Praktiken zur Performanz (vgl. auch Abschnitt 2.4.1).

  2. 2.

    Es geht um pädagogisch-institutionelle Ordnung. Die beobachteten Praktiken eint, dass sie nicht nur von Personen unterschiedlicher Generationsgruppen hervorgebracht werden, sondern sich jene im Kontext eines pädagogischen Verhältnisses und in einem institutionellen Setting – eben in frühpädagogischen Institutionen – vollziehen (vgl. auch Abschnitte 2.4.2 und 2.6.2).

  3. 3.

    Es geht um räumliche (auch: zeitliche bzw. materialisierte) Ordnung. Die beobachteten Praktiken vollziehen sich nicht unabhängig, sondern sind in eine spezifische Realität und Beschaffenheit von Raum – in Verschränkung mit Zeit sowie Material(ität) – eingelagert. Jener bedingt die Praktiken, um von den Akteur:innen (vornehmlich Kindern und Fachkräften der Institution) überhaupt (nicht) zur Aufführung gebracht werden zu können. Der Raum adressiert Akteur:innen und fordert zu etwas auf. Er ermöglicht und beschränkt Praktiken, er wirkt öffnend und schließend. Er ist zugleich Ausdruck gesellschaftlicher (Ordnungs-)Prozesse und Logiken sowie konkretes Medium (der Fachkräfte) zur Präformierung kindlicher PraktikenFootnote 8 (bspw. Alberth, Bollig & Schindler, 2020; Neumann, 2013; 2021; Nohl & Wulf, 2013; Stenger, 2013; Stieve, 2008).

Das raum-zeitliche Arrangement sowie deren materialisierte Ausgestaltung sind per se auf komplexe Weise mit der generationalen und pädagogisch-institutionellen Ordnung verwoben, sofern frühpädagogische Institutionen als Räume der (frühen) Kindheit verstanden werden (vgl. Abschnitte 2.1 und 2.6.1). Die zur Performanz gebrachten Praktiken realisieren sich im raum-zeitlich-materialisierten Arrangement der frühpädagogischen Einrichtung im Kontext der Zugehörigkeit zu den Statusgruppen der Kinder – als Adressat:innen – und der Fachkräfte – als professionelle Repräsentant:innen der Institution.

Die Akteur:innen bearbeiten das Orientierungsproblem – im Spannungsfeld von Norm und Praxis – nicht auf beliebige Weise: Fachkräfte sind mit normativen Anforderungen als Fachkräfte konfrontiert, die sich bspw. darin zeigen, dass frühpädagogische Einrichtungen schon seit jeher – auch in ihrem Selbstverständnis – adressiert sind, Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsprozesse hervorzubringen (vgl. Abschnitte 2.6.1 und 2.6.2). Kinder sind als Kinder angesprochen, die wiederum an sie herangetragenen, oftmals impliziten Forderungen (das zur-Performanz-Bringen von Spielpraktiken, die Hervorbringung von Anpassungsleistungen an die Institution, etc.) zu erfüllen. Die Zugehörigkeit zu den generational-pädagogisch-institutionellen Statusgruppen Kinder und Fachkräfte vor dem Hintergrund einer spezifisch raum-zeitlich und materiell vermittelten Ordnung proponiert also die Praktiken – und zugleich werden die komplexen Ordnungen durch den Vollzug der Praktiken als ständige Hervorbringungsleistung performativ (re)produziert. Praktiken und Ordnungen stehen also in einem reziprok aufeinander bezogenen Verhältnis (vgl. auch Abschnitte 1.2, 2.4.1 und 2.4.2).

Wie bereits ausgeführt, verweisen die komplexen Ordnungen auf vielfältige Normen, die an das Feld der frühpädagogischen Einrichtungen im Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit herangetragen werden. Zu diesem normativen Ordnungsgefüge müssen sich Fachkräfte und Kinder als Akteur:innen des institutionellen Arrangements notwendigerweise – wenn auch implizit – ins Verhältnis setzen. Hiermit wird eine habituelle Alltagspraxis ausgestaltet, die auf unterschiedliche Weise wirksam wird. Die im Kontext der vorliegenden Schrift vorgenommenen Analysen vermögen Aufschluss im Hinblick auf diese verschiedenen Praktiken, die sich als Umgang mit der basistypischen Orientierungsherausforderung fassen lassen, zu geben (vgl. Tabelle 5.1).

Tabelle 5.1 Bearbeitung der basistypischen Orientierungsherausforderung

5.2 Relationale Hervorbringung von (frühkindlicher) agency

Anschließend an die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt 5.1 zu komplexen Ordnungen, in denen sich frühe Kindheit im institutionellen Kontext realisiert, wird folgend der Versuch unternommen, die vielfältigen Bearbeitungsweisen der basistypischen Orientierungsherausforderung anhand einer sinngenetischen Typik nachzuzeichnen. Diese Abstraktion zielt einerseits auf die Frage nach dem wie der Hervorbringung früher Kindheit, andererseits nach deren Bedingungen der Möglichkeit.

Auf Basis der reflektierenden Interpretationen sowie der Komparation der Fälle konnte ein, ‚den Vergleich strukturierendes Drittes‘ – ein tertium comparationis – rekonstruiert werden, das die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Fälle zu strukturieren vermag (vgl. Abschnitt 3.3.2). Jenes lässt sich in der vorliegenden Schrift als relationale Hervorbringung von agency fassen: Die Frage, auf welche Weise Kindheit hervorgebracht wird, ferner welche Möglichkeiten und/oder Schließungen hiermit verbunden sind, lässt sich, anhand dieses DeutungsangebotsFootnote 10, als Zu- vs. Abschreibung von agency – hier gefasst als ‚Anerkennung‘ oder ‚Nicht-AnerkennungFootnote 11 von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht – skizzieren. Die rekonstruierte relationale agency-TypologieFootnote 12 (vgl. Abbildung 5.2) versteht sich als spannungsreiche Deutungsfolie komplexer Prozesse, die sich in den Relationen verschiedener Akteur:innen ereignen. Jene erlaubt, Praktiken in der Spannung von Zu- und Abschreibung von agency zu verorten.

Über ein dichotomes entweder/oder hinausgehend versteht sich jene Typologie als relationales Verhältnis zweier Idealtypen (Bohnsack, 2014, S. 146), zwischen denen sich der konkrete Vollzug von Praktiken in der Alltagspraxis zu ereignen vermag. Als Idealtypen stehen die beiden Typen sich zwar bipolar gegenüber, indem sie maximale Ausprägungen von Zu- und Abschreibungsprozessen von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht repräsentieren. Sie verstehen sich dabei aber als Heuristik, um komplexe Praktiken relational fassen zu können.

Als Idealtypen können sie die vielfältigen Weisen der Bearbeitung der basistypischen Orientierungsherausforderung, resp. die enorme Komplexität der tatsächlichen Praktiken und deren Verwobenheit in der Alltagspraxis zwar nicht unmittelbar repräsentieren; der Gewinn der Typik zeigt sich aber darin, dass sie einen Beitrag dazu leisten kann, Praktiken von Akteur:innen im Kontext komplexer Ordnungen im Feld frühpädagogischer Einrichtungen im Hinblick auf ihre Bedeutung zur Hervorbringung früher Kindheit zu deuten; nämlich dahingehend, dass sie die agency von Kindern (und Fachkräften) (eher) öffnen oder schließen, indem sie wiederum Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht (eher) befördern oder (eher) begrenzen – und damit auf einer performativen (vs. proponierten) Ebene Möglichkeitsbedingungen früher Kindheit hervorbringen resp. (re)produzieren.

Abbildung 5.1
figure 1

Typologie: Relationale Hervorbringung von agency

Abbildung 5.1 bildet die rekonstruierte relationale agency-Typologie visuell aufbereitet ab. Praktiken, die sich im Kontext frühpädagogischer Institutionen zwischen den Akteur:innen ereignenFootnote 13, sind – wie bereits ausgeführt – zwischen Anerkennung und Nicht-Anerkennung verortbar. Relationalität bezieht sich in der vorgestellten Typologie auf zweierlei Aspekte: Einerseits wird agency in Anschluss an theoretische Überlegungen (vgl. Abschnitt 2.5.2) als relationales Phänomen verstanden, was bedeutet, dass sie den Akteur:innen nicht (vorab) ontologisch zugeschrieben wird, sondern als etwas gefasst wird, das erst in den Praktiken erzeugt, hergestellt, gesichert – oder eben auch: destablisiert, beschränkt oder verwehrt werden kann.

Andererseits werden auch Anerkennung und Nicht-Anerkennung selbst in einem relationalen Verhältnis gedacht, und letzteres steht wiederum in Relation zu Spannungsfeldern von Individualität/Kollektivität, Aktivität/Passivität, Inklusivität/Exklusivität sowie agency/structureFootnote 14. Jene Spannungen treten in den Fällen und Praktiken auf verschiedene Weise und in unterschiedlichen Ausprägungen, zum Teil in Überlagerung zutage. Praktiken von Akteur:innen frühpädagogischer Institutionen sind somit in ein vielfältiges Spannungs- und Ordnungsgefüge eingelagert, zugleich bringen sie jenes aber auch hervor.

Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht stehen mit den Akteur:innen wiederum in einem reziproken Verhältnis: Sie stellen sich – vermittelt durch interaktive Praktiken – wechselseitig als solche her, bringen sich somit gegenseitig hervor. Dabei existieren sie nicht unabhängig: Sie sind prinzipiell bedingt durch gesellschaftliche Strukturen und (re-)produzieren zugleich Gesellschaft, sofern das Soziale als etwas gefasst wird, „das sowohl Produkt individueller Handlungen ist, als auch den Rahmen für solche Handlungen setzt […] als etwas, das unabhängig vom Willen und Bewusstsein des Einzelnen existiert, gleichzeitig aber für die Individuen eine subjektive Realität darstellt“ (Raithelhuber, 2012, S. 127).

In den beobachteten, resp. analysierten Praktiken der Akteur:innen zeigen sich unterschiedliche Formen der Zu- oder Abschreibung von agency – oft im Kontext rollenbezogener Verteilungen zwischen den Statusgruppen der Kinder und Fachkräfte, aber auch zwischen Kindern, also unter Peers (vgl. tabellarische Übersicht in Anhang 4Footnote 15).

Folgend soll die Typologie anhand der vier analysierten Fälle Atelier, Ritter, Rutsche und Mittagskreis illustriert werden (vgl. Tabelle 34; der chronologischen Reihung in den Abschnitten 4.1 bis 4.4 folgend). Die hierin enthaltenen Verweise auf dialog- und machtstrukturierte Praktiken beziehen sich auf Interaktionsmodi, die von Nentwig-Gesemann und Gerstenberg (2018), auf Basis dokumentarischer Analysen von Interaktionssituationen von Fachkräften und Kindern in Kindertageseinrichtungen, in den Diskurs eingeführt wurdenFootnote 16. Da in der vorliegenden Schrift frühe Kindheit zwar vor dem Hintergrund generationaler Ordnung bearbeitet wird, der Fokus jedoch auf die Kinder (resp. weniger auf die Fachkräfte) gerichtet wird, schließt die jeweilige Skizzierung des Falles mit der Perspektivierung der Hervorbringung kindlicher agency in den jeweiligen Praktiken.

Tabelle 5.2 Komparation der Fälle (Typenbildung)

Die Ausführungen in Tabelle 5.2 verdeutlichen, dass das basistypische Orientierungsproblem zwar allen Fällen gemein ist, also alle Akteur:innen implizit gefordert sind, frühe Kindheit im institutionellen Kontext vor dem Hintergrund komplexer Ordnungen hervorzubringen, sie dies jedoch auf unterschiedliche Weise und anhand vielfältiger Praktiken tun. Zudem zeigt sich, dass Fachkräfte zwar durchgängig über Rahmungshoheit im generational-institutionellen Gefüge verfügen, sie diese aber auf heterogene Weise ausgestalten, resp. sie sich bei Irritationen der jeweiligen Ordnung (des Skripts) unterschiedlich – dialogorientiert und/oder machtstrukturierend – ins Verhältnis setzen und damit stärker inkludierende oder exkludierende Modi in der Hervorbringung einer (gemeinsamen) Interaktionspraxis zutage treten. Es ‚gelingt‘ schließlich in unterschiedlichem Ausmaß bzw. auf heterogene Weise, eine Passung (Nentwig-Gesemann & Nicolai, 2017, S. 55) herzustellen, also „eine situative oder auch generelle, bereits vorhandene oder oft auch erste herzustellende, Kongruenz habitueller Muster des Denkens, Deutens und Handelns […], ein gemeinsamer Orientierungsrahmen des persönlichen Bezugs aufeinander, in dem es um die Herstellung einer gemeinsamen Praxis und eines miteinander geteilten Bezugs auf etwas geht, das für beide von Interesse ist“.

Bezugnehmend auf die Typologie können die Praktiken der Akteur:innen im Feld frühpädagogischer Bildung, Betreuung und Erziehung im heuristisch genutzten Spannungsfeld der Anerkennung und Nicht-Anerkennung von agency, resp. der Zu- und Abschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht verortet werdenFootnote 19. Hiermit sind interaktive Praktiken zwischen ‚Gelingen‘ und ‚Scheitern‘ von Passungen angesprochenFootnote 20, die schließlich zu Öffnungen und Schließungen von agency sowie zu Möglichkeiten und Begrenzungen für die Hervorbringung früher Kindheit führen. Die beiden Typen Anerkennung und Nicht-Anerkennung stellen – wie schon ausgeführt – Idealtypen dar, die sich in Spannung zueinander ausrichten. Zu- und Abschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht realisieren sich in konkreten Praktiken in der Regel nicht in einem dichotomen entweder/oder, sondern zumeist im Sinne eines Dazwischen. Praktiken sind vielschichtig, komplex und widersprüchlich, sodass sie in einer binären Logik nicht aufgehen. Im Rahmen der Abbildung 5.2 wird dennoch versucht, die vier vorgestellten Fälle in ihrer grundlegenden Typizität in die relationale agency-Typologie einzuordnenFootnote 21.

Abbildung 5.2
figure 2

‚Zuordnung‘ der Fälle zur Typologie

Um die beiden Idealtypen noch stärker konturieren zu können – bei gleichzeitiger Berücksichtigung des relational-spannungsreichen Verhältnisses – werden folgend zwei Passagen vorgestellt, die maximal kontrastierend in jenen Idealtypen – soweit dies empirisch überhaupt möglich ist – aufgehen. An die vorangegangenen Überlegungen anschließend, wird hierzu jeweils eine Passage aus der Sequenz Mittagskreis sowie der Sequenz Rutsche kontrastierend ausgewählt. Hinzuweisen ist in diesem Kontext auf eine umfassendere tabellarische Darstellung in Anhang 4, die als heuristisches Instrument dazu dient, einzelne Passagen im Sinne eines „eher“ zu verortenFootnote 22.

5.2.1 Typ ‚Anerkennung‘: Zuschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht

Der Typ Anerkennung steht idealtypisch für Praktiken, in denen sich Akteur:innen auf eine Weise relationieren, der eine Zuschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht inhärent ist und somit die Möglichkeit für die Hervorbringung von agency relational eröffnet wird. Hinweise für die Performanz von ‚Anerkennungs-Praktiken‘ finden sich in den Sequenzen an mehreren Stellen, sowohl zwischen Kindern und Kindern (Peers) als auch zwischen Kindern und FachkräftenFootnote 23. Zur Illustration des Typs wird folgend eine Passage aus dem Fall Mittagskreis vorgestelltFootnote 24, an der Kinder und Fachkräfte beteiligt sind – und in der agency im Kontext des ‚Gelingens‘ einer Passung reziprok ermöglicht bzw. gestärkt wirdFootnote 25.

Mittagskreis: Passage OT 6

Nachdem sich zuvor vorrangig Praktiken der Kollektivierung im Kreisgeschehen ereigneten, die sich u. a. als (gemeinschaftliches) Sprechen über ‚Faschingsverkleidungen‘ dokumentieren, nutzt das Kind Kai, das als letztes über seine Verkleidung spricht und damit die an ihn gestellte Aufforderung elaboriert, die Gelegenheit, um einen über die Verkleidungs-Erzähl-Praktiken hinausgehenden Bedarf anzumelden. Kai möchte „etwas herzeigen“ (Abbildung 5.3):

Abbildung 5.3
figure 3

Ausschnitt Feldprotokoll Mittagskreis: Passage OT 6

Mit der Anfrage, „etwas herzeigen“ zu wollen, adressiert Kai die Fachkraft Doreen, ihm Raum und Zeit im Arrangement des Mittagskreises zur Verfügung zu stellen, wobei erst noch unklar bleibt, worum es (thematisch) gehen soll. Angedeutet ist hiermit, dass die Fachkraft im Zentrum der Kommunikation steht und sich bei ihr die Kommunikationsbeiträge bündeln, resp. jene von ihr moderiert werden. Darin zeigt sich die Zuschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmachtseitens des Kindes, die Fachkraft in ihrer Rolle validierend.

Im Vollzug dieser Anfrage transformiert sich die kollektive Praxis hin zur Geltendmachung eines individuellen Anliegens. Das Kinder-Kollektiv verhält sich – entsprechend der Stabilität des Skripts, die die gesamte Sequenz durchzieht – hierzu ratifizierend: Es gibt keine Widerstände oder Störungen des Geschehens und es werden auch keine alternativen Anliegen formuliert. Die Ruhe und die Blickrichtung (zur Türe), als Kai kurz den Raum verlässt, deuten auf die gemeinschaftliche Fokussierung der Aufmerksamkeit hin.

Individuell in prominenter Position – und zugleich im Kollektiv – kann Kai eine Transposition sowie dessen Elaboration auf korporierter Ebene zur Aufführung bringen. Sich in der Mitte des Kreises auf dem Teppich positionierend, zeigt er eine von ihm mitgebrachte Mappe. In ihr befinden sich bedruckte Blätter, auf denen die Titanic auf unterschiedliche Weise in verschiedenen Kontexten vielfach abgebildet ist. Die Art und Weise der Positionierung Kais spricht für die Exklusivität jener von ihm zum Vollzug gebrachten Praktiken: Kai positioniert sich exponiert im Zentrum und bringt (aktiv) korporierte Zeige-Praktiken zur Aufführung. Das Kollektiv der Kinder, der Fachkräfte und der Forscherin sieht (stärker passiv) zu. Kai und dem von ihm gezeigten Gegenstand wird Aufmerksamkeit entgegengebracht und damit die Bedeutung des Artefakts, bzw. der Zeige-Praktik selbst, verstärkt. Schließlich bringt sich Kai auch verbal in das Geschehen ein, indem er elaborierend, im Modus der Erzählung, verbalisiert, dass die Mappe sich als Geschenk seiner Mutter versteht. Damit wird die eben herausgearbeitete, mehrfache Besonderheit des Gegenstands und dessen Präsentation im Kreis nochmal mit Relevanz aufgeladen.

In dieser Praktik zeigt sich zudem auch eine Bearbeitung des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit (vgl. auch theoretische Ausführungen in Abschnitt 2.6). Dass Kai einen für ihn wichtigen Gegenstand von zuhause mit in die Kita bringt, weist jedoch nicht nur auf die Bedeutsamkeit des Artefakts selbst hin. Er bearbeitet anhand dieser Praktik auch das Verhältnis privat-familialer und öffentlich-institutioneller Sphären. Dabei wird ihm aus beiden Bereichen erhebliche agency zugesprochen, welche die Möglichkeitsbedingung dafür darstellt, diese Praktik überhaupt erst als solche hervorbringen zu können. Dies drückt sich insbesondere durch das Einverständnis beider Sphären aus: So erklärt sich einerseits die Fachkraft bereit, Kai das Artefakt prominent in der Gruppe positionieren zu lassen, was wiederum vom gesamten Stammgruppen-Kollektiv mitgetragen und unterstützt wird. Andererseits wird hier auch das familiäre Feld vakant, indem es sein Einverständnis dazu gibt, den mehrdimensional mit Bedeutung aufgeladenen Gegenstand mit in die frühpädagogische Einrichtung zu nehmen. Die agency Kais zeigt sich schließlich auch darin, dass er sein Anliegen aktiv äußert und er darum bittet, es zu Geltung bringen zu können. Nach dem Einverständnis nutzt er das Kreissetting explizit, um den persönlichen und zugleich privaten Gegenstand öffentlich zu machen.

Die korporierte Praktik des im-Kreis-Gehens ermöglicht hierbei, dass alle Akteur:innen an der Praktik beobachtend teilhaben können. Nach jeder Runde blättert Kai um, sodass die Aufmerksamkeit des Kollektivs aufrechterhalten wird und jeweils auf die neuen Bilder gerichtet ist. Die Fachkräfte bringen sich in das Geschehen verbal ein. Sie stellen Fragen, die sich individuell an Kai richten und zeigen sich hiermit als aktive Zuschauer:innen. Die Kommunikation vollzieht sich dabei im Hinblick auf die personalen Relationen dialogisch (Fachkraft-Kind) bis trialogisch (Fachkraft-Kind-Fachkraft) sowie im Hinblick auf den Interaktionsmodus als dialogorientiert bzw. inkludierend. Die Orientierungsrahmen erscheinen als kongruent. Es ‚gelingt‘, eine Passung, eine gemeinsame, reziprok aufeinander bezogene Praxis herzustellen, in der agency erfahrbar wird.

5.2.2 Typ ‚Nicht-Anerkennung‘: Abschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht

Der Typ Nicht-Anerkennung steht idealtypisch für Praktiken, in denen sich Akteur:innen auf eine Weise relationieren, der eine Abschreibung von Handlungs-, Entscheidungs- und Deutungsmacht inhärent ist und somit die Möglichkeit für die Hervorbringung von agency relational geschlossen wird. Hinweise für ‚Nicht-Anerkennungs-Praktiken‘ finden sich in den Sequenzen an mehreren Stellen, sowohl zwischen Kindern und Kindern (Peers) als auch zwischen Kindern und Fachkräften, wenngleich sich in den Protokollen Hinweise für Anerkennung häufiger finden, als Hinweise für Nicht-AnerkennungFootnote 26. Zur Illustration des Typs wird folgend eine Passage aus dem Fall Rutsche vorgestellt, an der Kinder und Fachkräfte beteiligt sind – und in der agency im Kontext des ‚Scheiterns‘ einer Passung reziprok geschlossen bzw. geschwächt wirdFootnote 27.

Rutsche: Passage OT 6Footnote 28

Im zeitlichen Übergang (nach dem Freispiel) werden die Kinder in der folgenden Passage von der Fachkraft – auf kollektiver Ebene – adressiert, ‚aufzuräumen‘. Während die meisten Kinder dieser Anfrage nachkommen, entzieht sich Leyla dieser Anfrage. Sie verbleibt in sitzender Körperpositionierung, ohne Praktiken des Aufräumens zur Performanz zu bringen. Die Fachkraft relationiert sich hierzu folgend, indem sie Leyla individualisiert auffordert, ihren Platz zu verlassen und die Toilette aufzusuchen und damit Praktiken des Aufräumens zu ‚überspringen‘ (Abbildung  5.4):

Abbildung 5.4
figure 4

Ausschnitt Feldprotokoll Rutsche: Passage OT 6

Auch als die Fachkraft individuell mit Leyla in Kontakt tritt (vs. frühere kollektive Adressierung; vgl. UT 5.1) – nämlich mit der verbalen Aufforderung, zur Toilette zu kommen –, verbleibt Leyla in einem oppositionellen Modus. Auf korporiert-nonverbaler Ebene macht sie deutlich, die von der Fachkraft an sie gestellte Anfrage abzulehnen. Auch an die mehrfachen verbalen Elaborationen der Fachkraft und der Forscherin schließt sie nicht an, sondern hält den korporierten Widerstand aufrecht.

Schließlich verändert die Fachkraft ihre Positionierung: Sie überwindet die räumliche Distanz, indem sie den Platz in der Tür verlässt und sich Leyla nähert. Während dieser korporierten Elaboration der von ihr zuvor aufgeworfenen Transposition stellt sie Blickkontakt zur Forscherin her und äußert ihren Unmut der Forscherin gegenüber darüber, dass sie Leyla „wieder extra holen muss“. Auf der kommunikativen Ebene der Verbalisierung bzw. der dabei zum Ausdruck gelangenden Wortwahl zeigt sich, dass der Szene Erfahrungswissen vorausgeht, resp. Leyla vermutlich schon zuvor Praktiken zur Aufführung brachte, die sich als Bruch des impliziten Skripts oder/und als Irritation der institutionell-pädagogischen Ordnung äußerten. Jene wurden – so lässt sich vermuten – seitens der Fachkraft als nicht-anerkannte Praktiken klassifiziert und forderten sie folglich auf, sich zu diesen – individualisiert (vs. kollektiviert) – zu verhalten.

Leyla scheint eine exponierte Stellung in der Gruppe zuzukommen: Dass sie „extra“ geholt werden „muss“ impliziert, dass es für die Fachkraft eine ungewollte Praktik darstellt, auf Leyla individualisiert zuzugehen und sie nicht nur verbal aufzufordern, sondern auch körperlich-räumliche Nähe herzustellen. Die Verwendung des Modalverbs müssen deutet auf eine als belastend und/oder mühevoll erlebte Praktik hin, die die Fachkraft als verpflichtend wahrnimmt und sich selbst adressiert sieht, diese hervorbringen zu müssen. Zudem verweist die Formulierung im Passiv auf die Zuschreibung eines Objektstatus: Leyla wird geholt. Leyla und die Fachkraft verfügen zwar über gemeinsame Erfahrungen, jene scheinen jedoch von Prekarität gekennzeichnet zu sein. Die Diskursorganisation legt somit die Annahme nicht geteilter Orientierungen resp. von Rahmeninkongruenz nahe.

War die Fachkraft im Protokoll zuvor nicht präsent, tritt sie nun (ab der vorangegangenen Passage OT 5) erheblich in Erscheinung: Sie ist es, die die Hervorbringung der Ordnung des Geschehens in der Kita-Gruppe regelt, bzw. dafür sorgt, dass sie im Falle von Störungen und/oder Irritationen wieder aufgebaut und performativ hergestellt wird. Dabei bedient sie sich jener Macht, die ihr im institutionell und generational geprägten pädagogischen Arrangement der Kita zugewiesen wird und die im Falle eines Brüchigwerdens des Skripts besondere Relevanz erlangt.

Beim dramaturgischen Höhepunkt der Passage OT 6 bleibt die Fachkraft hinter Leyla stehen. Diese Positionierung bedeutet die Herstellung einer körperlich-leiblichen Nähe, die zu einer vertikalen Differenz resp. einem Herabblicken der Fachkraft auf Leyla führt. Auf horizontaler Ebene werden – durch das Von-Hinten – für Leyla Sichtmöglichkeiten, ein optionaler verbaler Kommunikationsanschluss sowie der Aktions- und Bewegungsradius erheblich eingeschränkt. Leyla wird nun nicht mehr verbal adressiert, sondern ausschließlich auf korporierter Ebene von der Fachkraft berührt. Jene überschreitet daraufhin eine körper-leibliche Grenze, indem sie unter Leylas Arme greift und sie vom Hocker herunterzieht. Leylas Körper wird von der Fachkraft hierbei in einem machtvollen Akt nonverbal um-positioniert. Hierauf verhält sich Leyla, anders als noch zuvor, nicht mehr oppositionell: Sie bleibt stehen und ratifiziert die verobjektivierende Elaboration der Fachkraft hinsichtlich der Um-Positionierung, indem sie diese schweigend zur Kenntnis nimmt und, nunmehr entsprechend der Adressierung – passiv –, stehen bleibt.

Der Zugriff auf den kindlichen Körper vollzieht sich, ähnlich gelagert, noch ein zweites Mal, indem die Fachkraft zwei Figuren ungefragt aus Leylas Händen nimmt. Dieser korporierten Praktik verleiht sie mit der verbalen Begleitung „die bleiben jetzt da“ besonderen Ausdruck und Relevanz. Letztere machtvolle Praktik bezieht sich auf den vorausgegangenen verbalisierten Hinweis eines anderen Kindes: Julia informierte die Fachkraft darüber, dass sich noch zwei Figuren in Leylas Händen befinden und die Praxis des Aufräumens somit noch nicht – der institutionellen Ordnung entsprechend – abgeschlossen wurde. Die Fachkraft nimmt jenen Hinweis jedoch nicht als Anlass, mit Leyla in Kommunikation zu treten (im Sinne der Formulierung einer inhaltlichen Nachfrage) oder sie verbal – diesmal in körperlicher Nähe – aufzufordern, die Figuren wegzuräumen. Julias Hinweis fungiert hingegen als unmittelbarer und unhinterfragter Anlass zum erneuten Zugriff der Fachkraft auf den kindlichen Körper, in Gestalt einer Öffnung der Hände Leylas und der anschließenden Entfernung der von ihnen gehaltenen Spielfiguren.

Während Leyla – als junges, Widerstand zum Ausdruck bringendes ‚Kindergarten-Kind‘ – von der Fachkraft als potenziell belastend markiert wird, ist Julia schon älter und seit einem längeren Zeitraum in die Einrichtung (hinein-)sozialisiert. Julias Verhalten entspricht anerkannten und von der Fachkraft intendierten Praktiken, der eine positiv konnotierte Zuschreibung von Angepasstheit an die Ordnung der Institution inhärent ist. Die Sequenz wird rituell vor dem Hintergrund nicht-geteilter Orientierungen zwischen Fachkraft und Leyla beendet bzw. vor dem Hintergrund geteilter Orientierungen zwischen Fachkraft und Julia (sowie Marie) rituell konkludiert: Noch ein drittes Mal greift die Fachkraft auf den Körper von Leyla zu, indem sie diese bei der Hand nimmt und die körperliche Ausrichtung zur Türe vornimmt. Leyla folgt dieser Aufforderung ebenso auf korporierter Ebene: Händehaltend verlassen beide den Gruppenraum, ohne Vollzug einer verbalen Interaktion.

Drückt sich das Hände-Halten anderswo als Form der Zuneigung und/oder der Artikulation von Schutz aus, fungiert es hier kontrollierend: Leyla hat sich der machtvollen Rolle der Fachkraft (im Sinne einer aufgeführten RahmungsmachtFootnote 29) passiv unterzuordnen, im Sinne der Negation alternativer, (stärker) selbstbestimmter Handlungs- und Bewegungsoptionen. Ein erneuter Widerstand wird somit (fast) verunmöglicht.

Demgegenüber werden die noch auf dem Teppich verbliebenen, wartenden – und damit anerkannte Praktiken hervorbringenden – Kinder Julia und Marie seitens der Fachkraft verbal – aus räumlich und körperlicher Distanz heraus – angesprochen, den Raum zu verlassen und die Toilette aufzusuchen. Und dieser Anforderung kommen sie, Leylas vorherige widerständige Praktiken kontrastierend – eben konkludierend, im Modus der Validierung – auch nach.

In der Passage wird – resümierend – sichtbar, dass es nicht ‚gelingt‘, die inkongruenten Orientierungen dahingehend zu bearbeiten, dass sie in ein Passungsverhältnis überführt werden könnten. Vielmehr wird die Deutung der Fachkraft absolut und gegenüber dem – sich oppositionell verhaltenden – Kind (Leyla) durchgesetzt. Die Interaktion vollzieht sich machtstrukturiert bzw. exkludierend. Während im Typ ‚Anerkennung‘ – repräsentiert durch einen Ausschnitt der Sequenz Mittagskreis (Abschnitt 5.2.1) – eine Passung, im Sinne einer reziproken Interaktionsorganisation hervorgebracht resp. rekonstruiert werden kann, wird im vorliegenden Typ ‚Nicht-Anerkennung‘ – eben repräsentiert durch einen Ausschnitt der Sequenz Rutsche – ein ‚Scheitern‘ einer gemeinsamen, aufeinander bezogenen Praxis sichtbar. Eine Passung kann weder konjunktiv (implizit) noch reflexiv (explizit-kommunikativ) hergestellt werden, womit sich agency der Erfahrbarkeit entzieht.