1.1 Ausgangspunkte

Die Sicherung der Ernährungssicherheit und der ökologischen Lebensgrundlagen einer wachsenden Weltbevölkerung ist eine der zentralen gesellschaftlichen und politischen Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Dies ist beispielsweise durch die Sustainable Development Goals und die Agenda 2030 der Vereinten Nationen weltweit anerkannt. Die landwirtschaftliche Produktion gerät dadurch in ein Spannungsfeld. Zum einen ist sie auf funktionierende ökologische Grundlagen wie ertragreiche Böden, sauberes Wasser, biologische Schädlingsregulierung oder Bestäuberleistungen angewiesen. Zugleich ist es unvermeidlich, dass landwirtschaftliche Produktion Umweltressourcen nutzt und verbraucht sowie in die ökologischen Kreisläufe eingreift. Wegen dieser wechselseitigen Abhängigkeit von agrarischer Erzeugung und intakten Naturressourcen sind flächendeckend umweltverträgliche Formen der Landwirtschaft auf Dauer unverzichtbar.

Global steigt der Druck, für eine wachsende Weltbevölkerung ausreichend Nahrungsmittel, Rohstoffe und Energie zu erzeugen (FAO 2008). Daher ist zu erwarten, dass zunehmende Knappheit, vermittelt über steigende Preise, zu einer intensiveren Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen und zu einer übermäßigen Nutzung der Umwelt- und Naturressourcen führt.

In Deutschland und Europa stellt sich die Situation jedoch komplizierter dar. Auf der einen Seite finden sich hoch produktive Regionen, in denen unter intensivem Einsatz von Maschinen, Mineraldünger und chemischem Pflanzenschutz sehr hohe Erträge erzielt werden. Auf der anderen Seite droht in weniger produktiven Regionen die großflächige Aufgabe der Landwirtschaft (EEA – European Environment Agency 2010). Beide Entwicklungen haben bedenkliche Folgen für Umwelt und Natur. In den Intensivregionen kommt es zu einem weitgehenden Verlust von naturnahen Habitaten und biologischer Vielfalt, zu übermäßigen Einträgen von Stickstoff, Phosphor und Schadstoffen in Böden und Gewässer sowie zu hohen Emissionen von Feinstoffen und Klimagasen (siehe Kap. 3). In den weniger produktiven Regionen gehen dagegen durch die Nutzungsaufgabe offene Landschaften verloren und mit ihnen verschwinden mannigfaltige Habitate für viele Tier- und Pflanzenarten. Landschaftsvielfalt und biologische Vielfalt sind also sowohl durch die Intensivierung als auch durch die großflächige Aufgabe der Landbewirtschaftung bedroht (Tscharntke et al. 2005; Kleijn et al. 2009). Die Entwicklung der Agrarlandschaften stellt daher seit den 1980er-Jahren einen Schwerpunkt der Umwelt- und Naturschutzpolitik in Europa dar (SRU 1985; Heißenhuber et al. 2015).

Die sehr unterschiedlichen ökologischen Systeme, in denen in Europa Landwirtschaft betrieben wird, sind ökonomisch durch den gemeinsamen Binnenmarkt der EU eng miteinander verknüpft. Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften 1957 wurde die Einrichtung eines gemeinsames Markts für Agrarerzeugnisse sowie einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vereinbart. Unter dem Eindruck der Nahrungsmittelknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg war die Landwirtschaftspolitik der Gründungsstaaten der EG vorranging darauf ausgerichtet, stabile Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe herzustellen und deren Produktivität und Einkommen zu erhöhen; dieses Paradigma wurde in den Gründungsverträgen der EG und damit in der GAP fest verankert (Tracy 1989). Seit Mitte der 1980er-Jahr wurde zunehmend deutlich, dass die modernen, produktionssteigernden Formen der Landbewirtschaftung oft negative Auswirkungen auf Landschaftsvielfalt, Gewässerqualität, biologische Vielfalt, Bodenfruchtbarkeit und natürliche Regulationsmechanismen haben. Unter dem Leitbegriff „Multifunktionalität“ verbreitete sich die Auffassung, dass auf den landwirtschaftlichen Flächen nicht nur marktgängige Erzeugnisse produziert werden, sondern auch öffentliche Güter (Lowe et al. 2010). Letztere wurden lange Zeit als unvermeidliche Kuppelprodukte der landwirtschaftlichen Produktion angesehen – bei zunehmender Intensivierung wurde aus dem Kopplungs- aber tendenziell ein Konkurrenzverhältnis. Das Ungleichgewicht zwischen entlohnten marktgängigen Erzeugnissen und nicht entlohnten öffentlichen Gütern führt dann zu einem Marktversagen, weil sich aus der einzelwirtschaftlichen Sicht der Betriebe und Konsumenten eigene Investitionen in öffentliche Güter, deren Nutzen breit verteilt ist oder erst langfristig anfällt, nicht lohnen. Diese ökonomische Analyse der ökologischen Konsequenzen der Landwirtschaft trug zu der Auffassung bei, dass umweltpolitische Anliegen nur durch eine Integration in die Agrarpolitik verwirklicht werden könnten (Lowe und Baldock 2000). Die GAP-Reform von 1992 führte Agrarumweltprogramme ein, mit denen seither Landwirte für die Bereitstellung öffentlicher Umweltgüter bzw. für besonders umweltfreundliche Praktiken honoriert werden.

Seit 1992 besteht auch ein Spannungsverhältnis innerhalb der GAP. Auf der einen Seite dient die Unterstützung der öffentlichen Leistungen der Landwirtschaft als Legitimation für die erheblichen Zahlungen der EU-Agrarpolitik. Auf der anderen Seite dient der größte Teil dieser Zahlungen nach wie vor dazu, die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhöhen (Daugbjerg und Swinbank 2016). Das Erbe einer an den Interessen des Agrarsektors und an der Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion ausgerichteten Zielsetzung lebt in der Agrarpolitik der EU nicht nur fort, sondern stellt nach wie vor deren Kern dar (Daugbjerg und Swinbank 2016). Der Verweis auf die besonderen Umweltleistungen der Landwirtschaft dient vorwiegend dazu, den Liberalisierungsdruck abzuwehren, dem sich Wirtschaftssektoren und öffentliche Politiken allgemein ausgesetzt sehen (Daugbjerg und Feindt 2017).

Die Integration von Umweltanliegen in die Agrarpolitik war offensichtlich wenig erfolgreich. Der Zustand der Umwelt- und Naturressourcen in den Agrarlandschaften hat sich seit den 1980er-Jahren größtenteils weiter verschlechtert (EEA – European Environment Agency 2010; Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina et al. 2018; Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim BMELV 2018). Die Kritik an der unzureichenden Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Agrarpolitik erfolgt dabei im Wesentlichen entlang von vier Linien: (i) unzureichende oder fehlende ordnungsrechtliche Mindeststandards (zum Beispiel zur Reinhaltung von Gewässern oder zur Emission von Feinstoffen), (ii) mangelhafte Umsetzung des bestehenden Ordnungsrechts (was beispielsweise zu erhöhten Nitratwerten im Grundwasser oder zu Feinstoffbelastungen oberhalb der Zielwerte führt), (iii) unzureichende Finanzierung von Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes sowie (iv) negative Umweltauswirkungen anderer agrarpolitischer Maßnahmen. Letzteres gilt etwa, wenn die flächenbezogenen Direktzahlungen zu einer Erhöhung der Preise für landwirtschaftliche Flächen und andere Produktionsinputs führen und davon Anreize ausgehen, die Böden noch intensiver zu bewirtschaften. Institutionell ist dabei nicht nur die Agrarpolitik im engeren Sinne angesprochen. Wichtige Teile des ordnungsrechtlichen Rahmens, wie etwa die Vogelschutz- oder die Wasserrahmenrichtlinie oder diverse Kennzeichnungsregeln, entstammen dem Umwelt- und Verbraucherschutzrecht und sind im allgemeinen Binnenmarktrecht der EU verankert.

Abgesehen von ordnungsrechtlichen Initiativen ist die agrarpolitische Reformdiskussion zeitlich von den siebenjährigen Haushaltszyklen der Europäischen Union geprägt. Die innerhalb der GAP möglichen Maßnahmen und der Rahmen für deren finanzielle Ausstattung werden jeweils für sieben Jahre festgelegt. Aufgrund der überragenden Bedeutung der GAP für die Umweltsituation in Agrarlandschaften konzentriert sich die umweltpolitische Kritik an der GAP häufig auf eine Kritik an der Verteilung des Budgets zwischen den flächenbezogenen Direktzahlungen in der sogenannten ersten Säule der GAP und den Natur-, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, die Teil der zweiten Säule sind. Unter dem Leitsatz „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ werden die stärker ergebnis- und leistungsorientierten Maßnahmen der zweiten Säule den vorwiegend auf Einkommenstransfer dienenden Direktzahlungen in der ersten Säule gegenübergestellt.

Das hier vorliegende Buch verfolgt einen anderen Ansatz. Ausgehend von einer Besorgnis erregenden, teilweise sogar dramatischen Bestandsaufnahme der Umweltwirkungen der Landwirtschaft in Deutschland und Europa wird zunächst die Frage gestellt, warum die GAP und das Ordnungsrecht die Herausforderungen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutz nur langsam und unzureichend aufgreifen und selbst die politisch vereinbarten und gesetzlich festgelegten Ziele nicht in angemessener Weise umsetzen. Daraus wird eine Stärken-Schwächen-Analyse des bestehenden Steuerungsrahmens abgeleitet, die Schwächen sowohl auf der Ebene der Ziele wie der Instrumente und ihrer Umsetzung aufzeigt. Als Beitrag zur Problemlösung wird ein Leitbild für eine nachhaltige Agrarpolitik entwickelt, die konsequent die Anforderungen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes berücksichtigt. Mit dieser Zielorientierung werden Ansätze diskutiert, die agrarpolitischen und ordnungsrechtlichen Instrumente zu verbessern. Auf dieser Basis werden drei Optionen für eine Weiterentwicklung der GAP formuliert und zum Entwurf einer neuen Architektur für die Gemeinsame Agrarpolitik verdichtet.

Das Konzept eines Gesellschaftsvertrags für den Agrarsektor soll dabei einen Ansatzpunkt bieten um zu klären, was die Gesellschaft und die Landwirtschaft voneinander erwarten können. Der Begriff wurde vom Projektkoordinator im Laufe der Arbeiten eingeführt, um über ein angemessenes Verhältnis zwischen den Produktionsleistungen, den öffentlichen Leistungen und den Bedürfnissen der Landwirtschaft zu reflektieren. Die Grundidee ist, dass die Gesellschaft möglichst präzise formuliert, welche Leistungen sie von der Landwirtschaft erhalten möchte. Neben gesunden und preiswerten Nahrungsmitteln und Rohstoffen gehören hierzu die verschiedenen öffentlichen Leistungen wie biodiversitätsfreundliche Landschaften, Erhalt des agrarkulturellen Erbes und Tierwohl. Im Gegenzug ist zu klären, unter welchen Bedingungen die Landwirtschaft diese Leistungen erbringen kann – wie müssen Märkte, Ordnungsrecht sowie gesellschaftliche und finanzielle Unterstützung zusammenspielen? Eine solch umfassende Betrachtung soll eine realistische Perspektive für eine integrative Agrarpolitik eröffnen und letztlich die Entwicklung hin zu einem ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen Agrarsektor ermöglichen. Während die Natur-, Umwelt- und Klimawirkungen der Landwirtschaft also der Ausgangspunkt der hier vorgelegten Arbeiten sind, stellt das Konzept eines Gesellschaftsvertrags für die Landwirtschaft den Versuch dar, die Antwort auf die ökologischen Fragen des Agrarsektors in eine umfassendere Antwort auf die vielfältigen, komplexen und dringenden Herausforderungen der deutschen und europäischen Landwirtschaft im 21. Jahrhundert einzubetten.

1.2 Das ZA-NExUS-Projekt: Ziele und Projektverbund

Das hier vorgelegte Buch stellt die Ergebnisse des Projekts „Zukunftsfähige Agrarpolitik – Natur erhalten, Umwelt schützen (ZA-NExUS)“ vor. ZA-NExUS wurde von November 2015 bis März 2017 durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Kooperation mit dem Umweltbundesamt (UBA) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert. Ziel war es, wissenschaftlich basierte Optionen für die künftige Ausgestaltung der Agrarpolitik aus der Perspektive des Natur- und Umweltschutzes zu formulieren und in die öffentliche und politische Diskussion einzubringen.

Zu diesem Zweck wurden

  • mittels eines systematischen Literaturberichts die für den Natur- und Umweltschutz relevanten systemischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Entwicklung aufbereitet und der Beitrag der bisherigen Agrarpolitik zur Ver- oder Entschärfung von Problemlagen sowie zur Ermutigung oder Behinderung positiver Ansätze und Entwicklungen aufgezeigt (siehe Kap. 3 und 4);

  • Stärken und Schwächen der gegenwärtigen Agrarpolitik aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes in Form einer SWOT-Analyse herausgearbeitet (siehe Kap. 5);

  • ein Leitbild für eine multifunktionale, natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft entwickelt, das eine politisch hinreichend breite Akteurskonstellation ansprechen kann, sowie Differenzen zwischen dem Leitbild und der gegenwärtigen Agrarpolitik herausgearbeitet (Kap. 6);

  • politische Optionen („Bausteine“) für das künftige Policy Design entwickelt und deren Vor- und Nachteile abgeschätzt (siehe Kap. 7);

  • alternative agrarpolitische Strategieoptionen entwickelt und bewertet (siehe Kap. 8) sowie

  • die Ergebnisse mittels eines Policy-Papers (Kap. 2) und eines Pressegesprächs mit der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in die öffentliche und politische Diskussion eingebracht.

Gegenstand des Projekts waren im Kern die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) sowie das deutsche und europäische Ordnungsrecht. Darüber hinaus wurde versucht, auch weitere relevante nationale und europäische Instrumente und Regulierungen, die den Agrarsektor betreffen, einzubeziehen. Die Handlungsempfehlungen sollen einen innovativen konzeptionellen Beitrag für die Transformation zu einer nachhaltigen und natur- und umweltverträglichen Agrarpolitik leisten.

Es wurde insbesondere angestrebt, Bausteine und Optionen zu erarbeiten, die neue, breitere Koalitionen ermöglichen, um die von der Landwirtschaft verursachten Natur- und Umweltschutzprobleme zu vermindern. Dazu sollten die zu erarbeitenden Optionen eine Vielzahl einflussreicher Akteure berücksichtigen (aus dem Bereich der Politik, Vertreter der Branche, relevante gesellschaftliche Gruppen), möglichst viele Brücken bauen und breite Expertise einbeziehen.

Im Vergleich zu früheren Arbeiten zur Agrarpolitik hat ZA-NExUS versucht, bei der Analyse und der Strategieentwicklung auch neuere integrative, systemische Ansätze wie Ökosystemdienstleistungen, Resilienz, Nexus-Ansätze und Adaptive Management/Adaptive Governance sowie verhaltenswissenschaftliche Ansätze (Behavioural Governance) mit einzubeziehen. Dies hat das Projekt gelegentlich in ein Spannungsverhältnis zum aktuellen Stand der agrarpolitischen Diskussion gebracht, in der diese Konzeptionen noch nicht durchgehend etabliert sind. Etwas zugespitzt könnte man von einem allgemeinen Dilemma zwischen politischer Anschlussfähigkeit der Projektergebnisse und der Innovationshöhe der im Projekt verfolgten Ansätze sprechen.

Das ZA-NExUS-Projekt wurde in einem Verbund von vier Partnern bearbeitet: Wageningen University (Strategic Communication und Law), Justus-Liebig-Universität Gießen (Professur für Tierökologie), Technische Universität München-Weihenstephan (Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie) sowie Universität Osnabrück (Institut für Umweltsystemforschung). Die Projektkoordination lag bei der Wageningen University. Die verschiedenen Teile in Kap. 3 und 4, welche eine Synthese der vorliegenden Literatur darstellen, wurden arbeitsteilig nach fachlicher Nähe, jedoch in enger Abstimmung erstellt. Die anderen Kapitel entstanden in intensiver Kooperation aller Autorinnen und Autoren.

1.3 Konzeptioneller Ansatz und Vorgehensweise

Dieses Buch verfolgt einen inter- und transdisziplinären Ansatz, der durch eine praxisbezogene Problemorientierung integriert wird. Die Praxisorientierung wird gleich im folgenden Kap. 2 sichtbar. Dieses enthält das Policy-Paper, welches das politisch-praktische Zielprodukt des ZA-NExUS-Projekts war und in einer Pressekonferenz mit der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das Policy-Paper baut auf den Ergebnissen auf, die in den nachfolgenden Kapiteln dargestellt sind.

Die wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen der Kap. 3 und 4 sind vorwiegend interdisziplinär ausgerichtet, indem sie den Kenntnisstand verschiedener Disziplinen zusammenführen. Die Synthese zu einer SWOT-Analyse der GAP (Kap. 5), die Entwicklung eines Leitbilds (Kap. 6) sowie die Ausarbeitung und Bewertung von agrarpolitischen „Bausteinen“ und Strategien (Kap. 7 und 8) folgen vorwiegend einer transdisziplinären Logik, welche neben den wissenschaftlichen Befunden die Problemwahrnehmungen im agrarpolitischen Handlungskontext einbezieht. Die inter- und transdiziplinäre Sichtweise wurde in allen Phasen des Projekts durch eine Projektbegleitende Arbeitsgruppe gestärkt. Dieser gehörten Vertreter des BfN, des UBA und des BMUB sowie fünf wissenschaftliche Peer Reviewer mit Expertise in Agrarökonomie, Agrarwissenschaften, Agrarlandschafts- und Agrarsystemforschung sowie Agrarumweltwissenschaften an.

Die Bestandsaufnahme der Wirkungen der Landwirtschaft auf Natur- und Umweltgüter in Kap. 3 erfolgte aus ökologischer und umweltwissenschaftlicher Sicht. In Kap. 4 werden die agrarpolitischen Rahmenbedingungen zum einen im Hinblick auf die institutionelle und ideelle Entwicklungslogik der GAP analysiert, wobei Ansätze des historischen Institutionalismus erkenntnisleitend waren (Abschn. 4.1). Zum anderen werden aus juristischer und rechtspolitischer Sicht neuere Veränderungen des europapolitischen Rahmens dargestellt (Abschn. 4.2). Weiterhin werden neuere Ansätze zur Integration von Umweltanliegen in den Governance-Rahmen eingeführt (Abschn. 4.3), die in der Agrarpolitik derzeit eher in Nischen implementiert werden, aber ein erhebliches Potenzial für einen stärker systemischen und integrativen Ansatz besitzen.

Auswahl und Auswertung der Literatur erfolgten nach den Regeln einer systematischen Literaturanalyse. Zunächst wurden für jeden Teilbereich von den jeweiligen Bearbeitern Suchbegriffe vorgeschlagen. Diese wurden im Projektteam diskutiert und gegebenenfalls revidiert. Mit Hilfe der Suchbegriffe wurde dann in einschlägigen Literaturdatenbanken (Web of Science, Scopus, Datenbanken der Universitätsbibliotheken) eine erste Abfrage durchgeführt. Diese ergab zumeist sehr hohe Trefferzahlen. Die Suche wurde dann mit Hilfe zusätzlicher Schlagworte verfeinert. Anschließend wurde eine manuelle Auswahl der Beiträge nach Relevanz für die Leitfragen des Projekts vorgenommen.

Zunächst war vorgesehen, die Literatur anhand der folgenden fünf Oberdimensionen aufzubereiten:

  1. 1.

    behandelte landwirtschaftliche Aktivitäten;

  2. 2.

    Aussagen zu Umweltauswirkungen in den verschiedenen Problemdimensionen;

  3. 3.

    Aussagen zur ökonomischen Vorteilhaftigkeit landwirtschaftlicher Aktivitäten, Betriebsformen usw.;

  4. 4.

    Aussagen zu Governance, Policy Design und Anreizmechanismen;

  5. 5.

    konzeptionelle Integrationsansätze und deren Anwendung.

Diese Gliederung wurde wegen unterschiedlicher Schwerpunkte in der Literatur zu den einzelnen Teilbereichen nicht strikt eingehalten, diente aber der erkenntnisleitenden Orientierung.

Weiterhin war zunächst geplant gewesen, die Veröffentlichungen getrennt nach sechs Publikationstypen auszuwerten:

  1. 1.

    wissenschaftliche Fachzeitschriften mit Peer Review;

  2. 2.

    Buchbeträge und Fachzeitschriften ohne Peer Review;

  3. 3.

    Projektberichte;

  4. 4.

    Gutachten von wissenschaftlichen Sachverständigenräten;

  5. 5.

    Arbeitspapiere, zum Beispiel aus der Ressortforschung;

  6. 6.

    Policy-Papers von NGOs, Interessengruppen und politischen Institutionen.

Aufgrund der hohen Trefferzahlen allein bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften beschränkt sich die hier vorgestellte Analyse nun weitgehend auf wissenschaftliche Publikationen, und dabei vorwiegend auf solche mit Peer Review. Projektberichte und Gutachten von wissenschaftlichen Sachverständigenräten wurden v. a. dort berücksichtigt, wo sie einen guten und zuverlässigen Überblick zu einzelnen Problembereichen geben. Arbeitspapiere und Policy-Papiere von NGOs, Interessengruppen und politischen Institutionen wurden angesichts der Materialfülle und der beschränkten Projektlaufzeit in der Regel nicht berücksichtigt. Entsprechend dem Fortgang der Projektarbeiten sind Publikationen berücksichtigt, die bis zum Frühjahr 2016 erschienen sind.

Zur Strukturierung der Darstellung wurden zu Beginn des Projekts von den jeweils federführenden Bearbeitern erkenntnisleitende Hypothesen zu den verschiedenen Teilbereichen der Bestandsaufnahme formuliert. Die Hypothesen wurden im Projektteam und auf der ersten Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe im November 2015 diskutiert und anschließend teilweise modifiziert. Sie betrafen das Verhältnis von agrarpolitischem und ordnungsrechtlichem Rahmen, Umfang und Formen der Landbewirtschaftung sowie Auswirkungen auf Ziele des Natur- und Umweltschutzes. Eine kondensierte Version einiger dieser Hypothesen ist in Abschn. 5.6.2 enthalten.

Die auf die Literaturauswertung folgende SWOT-Analyse (Kap. 5) diente als heuristischer Ansatz zur Erarbeitung einer Synthese der Problembeschreibungen. Sie fasst die Stärken, Schwächen, Chancen und Gefährdungen der gegenwärtigen Agrarpolitik aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes zusammen. Das methodische Vorgehen entsprach dabei einem iterativen interdisziplinären Dialog. Die vorliegende SWOT-Analyse ist das Ergebnis intensiver Diskussionen im Projektteam mit dem Ziel einer verdichteten Beschreibung der vorrangigen Problemlagen aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes. Auf Basis von schriftlichen Entwürfen wurde auf einem gemeinsamen Workshop des gesamten Projektteams im April 2016 eine erste Fassung erstellt. Diese wurde auf Grundlage der Rückmeldungen der Peer Reviewer und der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe überarbeitet.

Bei der Formulierung eines Leitbilds für eine zukunftsfähige Agrarpolitik (Kap. 6) wurde zunächst eine Liste mit Leitprinzipien aus bestehenden, demokratisch legitimierten und international vereinbarten Rechtsnormen erstellt. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das Leitbild im bestehenden gesellschaftlichen und internationalen Normkonsens verankert ist. Anschließend wurden die Problemlagen aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes priorisiert, um später prüfen zu können, inwiefern das vorgeschlagene Leitbild auch die wirklich relevanten Entwicklungen adressiert. Das hier nun vorgelegte Leitbild ist das Ergebnis intensiver Diskussionen im Projektteam. Dabei wurde insbesondere versucht, den Kern des Leitbilds auf eine kleine Anzahl greifbarer Leitlinien zu verdichten, die gewissermaßen als Kompass dienen können. Spezifische qualitative und quantitative Zielwerte wurden aus der umweltwissenschaftlichen Diskussion abgeleitet. Der Soll-Ist-Vergleich erfolgte durch Abgleich der Zielwerte mit der tatsächlichen Situation, die in der Literaturanalyse dargestellt ist.

Die im Projekt entwickelten strategischen Politik-Optionen sind ebenfalls das Ergebnis eines iterativen Deliberationsprozesses zwischen den Projektpartnern unter Einbeziehung der Rückmeldungen der Peer Reviewer und der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe. Die Diskussionen basierten dabei auf den Ergebnissen des Literaturberichts sowie auf einer Bewertung laufender agrarpolitischer Debatten. In die Bewertung gingen auch die Erkenntnisse aus Hintergrundgesprächen mit agrarpolitischen Akteuren ein. Zunächst wurden von den Projektpartnern drei „agrarpolitische Optionen“ formuliert und im Projektteam sowie auf der zweiten Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe im Februar 2016 in Bonn zur Diskussion gestellt. Diese drei Optionen fokussierten auf ein weiteres „Greening“ der Ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (Option 1), einen Ausbau der Zweiten Säule (Option 2) bzw. eine Anhebung der gesetzlichen Mindeststandards in Kombination mit zunehmend anspruchsvolleren privaten Standards (ursprüngliche Option 3). Diese Optionen wurden auf einem Workshop des Projektteams im April 2016 in Osnabrück intensiv diskutiert und anschließend in drei Richtungen weiterentwickelt: Zum einen wurden die unterschiedlichen politischen Handlungslogiken geschärft, zum zweiten wurde eine neue Option 3 mit einer neuen, integrierten Systematik entwickelt, und zum dritten wurden die jeweiligen Entwicklungsmöglichkeiten im Zeitablauf verdeutlicht. Weiterhin wurde eine vierte Option hinzugefügt, die eine Umstellung des Verhältnisses zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben und den staatlichen Stellen auf eine „prinzipienbasierte Regulierung“ vorsieht (siehe dazu jetzt Purnhagen und Feindt 2017). Diese vier Optionen wurden im Ersten Zwischenbericht dargestellt und intensiv auf der dritten Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Peer Reviewer im April 2016 in Bonn diskutiert. Dabei wurde die Option einer radikalen Umstellung der umweltpolitischen Regulation des Agrarsektors auf eine „prinzipienbasierte Regulation“ als interessant, aber nicht hinreichend anschlussfähig an die aktuelle agrarpolitische Diskussion eingeschätzt. Die weitere Ausarbeitung von strategischen Handlungsalternativen konzentrierte sich daher auf die drei in Kap. 8 dargestellten Optionen: Weiterentwicklung des Greenings in der Ersten Säule der GAP, Stärkung der Zweiten Säule der GAP sowie ein neues „Integriertes Modell“ der Agrarförderung. Weiterhin kam das Projektteam in Reaktion auf das Feedback zu dem Schluss, dass die agrarpolitischen Optionen besser auf zwei Ebenen dargestellt werden sollten:

  • zum einen auf der Instrumentenebene alternativer Ansätze für die Weiterentwicklung der einzelnen Elemente der Agrarpolitik, die wir im Folgenden als „Bausteine“ bezeichnen;

  • zum anderen auf der Ebene strategischer Entwicklungsrichtungen, die sich in ihren politischen Handlungslogiken unterscheiden und verschiedene Gewichtungen und Ausprägungen der einzelnen „Bausteine“ beinhalten. Diese strategischen Entwicklungsrichtungen bezeichnen wir als „agrarpolitische Optionen“.

Die „Bausteine“ wurden im Wesentlichen auf Basis einer Auswertung der wissenschaftlichen Literatur formuliert und dann im Hinblick auf die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie mögliche Ansätze der Weiterentwicklung bewertet (siehe Kap. 7). Die weitere Diskussion der strategischen agrarpolitischen Optionen folgte in einem iterativen Prozess im Projektteam, der auf zwei ganztägigen Team-Workshops im Mai und Juli 2016, jeweils in Frankfurt, kulminierte. Auf dem Workshop im Mai wurde die Diskussion zur Ausrichtung der strategischen Optionen weitgehend abgeschlossen. Der Workshop im Juli diente vor allem der Diskussion der Voraussetzungen und Implikationen dieser Optionen. Im Ergebnis stellen die Optionen eine konzeptionelle Konfiguration des agrarpolitischen Strategieraums dar, die nach Kriterien der politisch-praktischen Plausibilität und der Nützlichkeit für die Konzeption von Politik, zu beurteilen sind. Bei der Darstellung der Voraussetzungen und Implikationen der Optionen handelt es sich nicht um Szenarien oder Prognosen, sondern um eine qualitative Abschätzung auf Basis des Hintergrundwissens der Mitglieder des Projektteams. Diese Abschätzungen haben den Charakter von Hypothesen, die durch präzisere, aber auch wesentlich aufwändigere Verfahren, wie etwa Szenario-Analysen oder Modellrechnungen, und ggf. durch empirische Analysen zu validieren wären.

Die Optionen stellen verschiedene strategische Entwicklungslinien für die künftige Agrarpolitik aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes dar, welche zum einen unterschiedliche Grade von Kontinuität mit der bisherigen Agrarpolitik repräsentieren und zum anderen jeweils verschiedene Aspekte der derzeitigen agrarpolitischen Architektur in den Mittelpunkt stellen. Die Optionen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile, die letztendlich Gegenstand einer politischen und gesellschaftlichen Bewertung sein müssen. Das Projektteam hat den Auftraggebern daher statt der im Projektantrag vorgesehenen einen Option mehrere Optionen angeboten, um eine umfassendere Bewertung des strategischen Optionenraums zu ermöglichen.

Die in einer ersten Fassung des Projektberichts enthaltenen Optionen wurden auf einer Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe Anfang September 2016 in Bonn sowie auf einem Workshop mit den Peer Reviewern Mitte September 2016 in Hannover diskutiert. Seitens der Auftraggeber wurde Option 3 als die interessanteste Grundlage für das Policy-Paper ausgewählt.

Eine erste Fassung des Policy-Papers wurde auf der folgenden Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe Anfang Oktober 2016 in Bonn diskutiert. Dabei wurde beschlossen, die vorgelegte, mehr als 10 Seiten lange Fassung zu einem Hintergrundpapier zu machen, das ein möglichst kurzes Policy-Paper flankieren könnte. Weiterhin wurde der Vorschlag konkretisiert, die Ergebnisse des Projekts im Vorfeld der Grünen Woche im Rahmen eines großen Agrarkongresses in Berlin zu präsentieren.

Zwei Fassungen des ca. fünfseitigen Policy-Papers wurden auf zwei Sitzungen der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe Anfang November und Anfang Dezember 2016 in Bonn diskutiert. Parallel dazu gaben drei der Peer Reviewer Rückmeldung zur Langfassung des Politik-Papiers.

Die endgültige Version des Policy-Papers (Kap. 2 dieses Berichts) wurde am 9. Januar 2017 den Auftraggebern übermittelt. Das Papier wurde am 17. Januar 2017 in Berlin im Rahmen eines Pressegesprächs mit der Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks der breiteren Öffentlichkeit vorgestellt und anschließend im Rahmen des vom BMUB veranstalteten Kongresses „Landwirtschaft mit Zukunft“ in Berlin der Fachöffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Eine vom Projektteam ins Englische übertragene Version des Papiers wurde im Februar 2017 auf Research Gate eingestellt und ist dort frei zugänglich (Feindt et al. 2017). Das Papier sowie der Kongress fanden bundesweit ein breites und positives Medienecho.

1.4 Überblick über das Buch und Danksagung

Das hier vorgelegte Buch stellt eine redaktionell überarbeitete Fassung des Projektberichts dar, der im April 2017 den Auftraggebern vorgelegt wurde. Kap. 2 enthält das Hauptergebnis des Projekts: das im Januar 2017 vorgestellte Policy-Paper. Die weiteren Kapitel enthalten die wissenschaftlichen Arbeiten, auf denen das Policy-Paper aufbaut. Die Darstellung beginnt mit einer Übersicht über die gegenwärtige Ausgangssituation bezüglich der Umweltauswirkungen der Landwirtschaft (Kap. 3). Es folgt eine Analyse der Logik der derzeitigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen (Kap. 4). Beide Teile basieren auf einer umfassenden Literaturanalyse. Die Darstellung der Ausgangslage bündeln wir in einer SWOT-Analyse der derzeitigen Agrarpolitik aus der Perspektive des Natur- und Umweltschutzes (Kap. 5). Anschließend stellen wir Grundlinien eines zeitgemäßen Leitbilds für die Agrarpolitik vor, welches neben der Produktionsfunktion der Landwirtschaft auch die Natur- und Umweltauswirkungen effektiv in den Blick nimmt (Kap. 6). Darauf aufbauend präsentieren wir Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der verschiedenen Elemente der Agrarpolitik, die wir als „Bausteine“ einer zukunftsfähigen Agrar-Umweltpolitik verstehen (Kap. 7). Es folgt die Entwicklung und Bewertung von alternativen politischen Optionen zur besseren Integration des Natur- und Umweltschutzes in die zukünftige Agrarpolitik (Kap. 8). Eine Schlussbetrachtung rundet die Darstellung ab (Kap. 9). Zwei Anhänge enthalten ergänzende Informationen, deren Ausführlichkeit den Gang der Argumentation im Haupttext nicht unnötig unterbrechen soll.

Die Autorinnen und Autoren bedanken sich für die konstruktive und offene Zusammenarbeit mit den Auftraggebern, die hervorragenden Rückmeldungen der Peer Reviewer sowie die wichtigen Beiträge und kritischen Kommentare der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Projektworkshops. Ebenfalls danken wir Kerstin Oertel und Dr. Astrid Häger für die unermüdliche Unterstützung bei der Überarbeitung und Fertigstellung des Manuskripts. All dies hat wesentlich zur Qualität des vorliegenden Buches beigetragen. Die Verantwortung für alle verbliebenen Fehler liegt selbstverständlich bei den Autorinnen und Autoren.