Die steigende Bedeutung von Diskursen zeigt ein wachsendes Bewusstsein der Öffentlichkeit für Sprache im Hinblick auf gesellschaftliche Sinn- und Meinungsbildungsprozesse sowie Entscheidungsprozesse (vgl. Konerding 2009a: 155). Die Verwendung des Diskursbegriffs erzeugt in der Öffentlichkeit zudem eine größer wahrgenommene Rolle von Sprache bei „Wissenskonstruktion, Wissensversicherung, Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen“ (Konerding 2009a: 155) in der Gesellschaft. Sprache konstituiert Wirklichkeit (vgl. Warnke 2009: 116 f.) und ermöglicht über den Diskurs einen Austausch über die Wirklichkeit (vgl. Teubert 2012: 253). Indem über Texte Wirklichkeit kommuniziert, erfahren und angenommen wird, sind die Bedeutungsrelationen der Wörter im Text wichtig für das Verständnis der Wirklichkeitsrepräsentation.

In der Analyse der vorliegenden Arbeit werden keine Einzeltexte, sondern Textkorpora bzw. AussagenkorporaFootnote 1 im Rahmen einer für die Forschungsfrage ausgestalteten diskurslinguistischen Herangehensweise untersucht. Bevor die Korpuskonstitution, die Kategorienbildung und die für die Arbeit angepasste Ausgestaltung der linguistischen Diskursanalyse kombiniert mit einer Frame-Analyse vorgestellt werden, werden in diesem Kapitel die dafür essenziellen theoretischen und methodisch-konzeptionellen Grundlagen zur Beantwortung der Forschungsfragen erläutert. Zuerst werden der Diskursbegriff und die Diskursanalyse dieser Arbeit näher expliziert (2.1). Zweitens widmet sich das Kapitel dem Frame-Begriff und seiner praktischen Anwendung in der vorliegenden Abhandlung (2.2). Anschließend wird der methodische Zugang (inklusive der methodischen Werkzeuge) der vorliegenden Untersuchung vorgestellt, der auf verschiedene Traditionen der Inhaltsanalyse sowie der linguistischen Diskurs- und Frame-Analyse zurückgreift (2.3).

2.1 Diskurs und Diskursanalyse

Die Besonderheit von Diskursen besteht in ihrem dialektischen Charakter: Diskurse konstruieren kollektive Wirklichkeiten und repräsentieren diese zugleich auch. Demnach sind Aussagen innerhalb eines Diskurses nicht nur repräsentational, indem sie auf sogenannte „außersprachliche“ Wirklichkeit Bezug nehmen, sondern weisen gleichzeitig einen konstruktiven Charakter auf, indem sie „systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1973: 74). An diesen Zusammenhang von Konstruktion und Repräsentation sowie den Konnex zwischen diskursiver Praxis und verfestigtem Textarrangement knüpft die Diskursanalyse an (vgl. Warnke 2013: 103).

Die Philologie, die Wissenschaft der Texte, leistet einen wichtigen Beitrag zur Erschließung von sprachlicher Wirklichkeit. Es werden nicht nur Regularitäten der Sprachverwendung beschrieben, sondern es werden – im Rahmen der linguistischen Diskursanalyse –, auch Aspekte der „zeittypischen Formationen des Sprechens und Denkens über die Welt“ (Warnke/Spitzmüller 2008a: 15) erschlossen:

Philologie beschäftigt sich mit der Analyse, Deutung und Edierung weitgehend dekontextualisierter schriftsprachlicher Dokumente, d. h. von ‚Texten‘, und ist bemüht, den jeweiligen Handlungs- und Stellenwert im ursprünglichen diskursiven Zusammenhang und soziohistorischen Umfeld zu rekonstruieren. (Konerding 2007: 108)

Zudem hat der Diskurs eine „zentrale Relevanz für alle Bereiche gesellschaftlicher und kultureller Realität“ (Konerding 2007: 107). In der Linguistik hat die Diskursforschung enorm an Bedeutung gewonnen und die Diskurslinguistik ist zu einem konstitutiven Teilbereich der Linguistik herangewachsen, da darüber neue Einsichten in traditionelle linguistische Problemstellungen erzielt werden können (vgl. Warnke 2013: 98). Die Bedeutung der Untersuchungen von Diskursen in der Linguistik betont etwa auch Spieß (2013):

Dass die Diskurslinguistik u. a. als eine notwendige Erweiterung der Textlinguistik zu interpretieren ist, kann mittlerweile als Grundkonsens konstatiert werden. Auch wenn sich innerhalb der Linguistik im Anschluss an Foucault unterschiedliche Formen linguistischer Diskursanalyse und Diskursbegriffe herausgebildet haben, gilt doch der Zugriff auf Texte, die als materialisierte Diskurse verstanden werden können, als ein zentrales Kennzeichen von Diskursanalysen, wenngleich Diskurse naturgemäß mehr sind als bloße Ansammlungen von Texten. (Spiess 2013: 19)

Im Folgenden wird der Diskursbegriff, der dieser Arbeit zugrunde liegt, geklärt. Daran schließen sich Ausführungen zur linguistischen Diskurs- und Frame-Analyse sowie Korpuskonstitution in dieser Arbeit an.

2.1.1 Der linguistische Diskursbegriff

Nicht nur die Linguistik hat sich seit Ende der 1980er Jahre mit dem Diskursbegriff Foucaults befasst. Vor allem die Sozial-, Geschichts- und auch Medienwissenschaften zeichnet eine rege und dynamische Diskursforschung aus, die sich durch unterschiedliche Akzente fachspezifischer Schwerpunkte charakterisiert (vgl. Spiess 2013: 17). Um bestimmte gesellschaftliche Prozesse zu untersuchen, gewinnt der Diskursbegriff zunehmend an Bedeutung, da er – wie oben erwähnt – den zentralen Einfluss des Mediums Sprache auf Entscheidungsprozesse herausstellt. Aus diesem Grund soll im Folgenden der linguistische Diskursbegriff näher beleuchtet werden, an dem sich die vorliegende Arbeit orientiert. Dieser Diskursbegriff stützt sich auf den hier grundlegenden Vorschlag nach Busse/Teubert 1994. Busse/Teubert (1994) haben einen für die linguistische Operationalisierung verwendbaren Diskursbegriff entwickelt, der kürzlich wieder in Busse/Teubert (2010) erneut abgedruckt wurde. Unter Diskurs wird im forschungspraktischen Sinne dort die Menge aller Texte verstanden, die

  • sich mit einem als Forschungsstand gewählten Gegenstand, Thema, Wissenskomplex oder Konzept befassen, untereinander semantische Beziehungen aufweisen und/oder in einem gemeinsamen Aussage-, Kommunikations-, Funktions- oder Zweckzusammenhang stehen,

  • den als Forschungsprogramm vorgegebenen Eingrenzungen im Hinblick auf Zeitraum/ Zeitschnitte, Areal, Gesellschaftsausschnitt, Kommunikationsbereich, Texttypik und anderen Parametern genügen,

  • und durch explizite oder implizite (text- oder kontextsemantisch erschließbare) Verweisungen aufeinander Bezug nehmen bzw. einen intertextuellen Zusammenhang bilden. (Busse/Teubert 1994: 14)

In der Definition von Busse/Teubert ist der Diskursbegriff intertextuell geprägt und korpuslinguistisch ausgerichtet. Daraus folgt, dass ein Diskurs nur mittels eines geeigneten Textkorpus, das mehrere Texte umfasst, im Rahmen einer Untersuchung zugänglich ist. Nach diesem Diskursverständnis entsprechen diskursanalytische Untersuchungen einer empirisch ausgerichteten Disziplin mit einem ausgeprägten Theorie- und Methodenbewusstsein. Für die wissenschaftliche Untersuchung innerhalb einer Diskursanalyse sind nicht einzelne Texte, sondern Textkorpora entscheidend.

Wichtig für die Korpuskonstitution ist nicht die willkürliche Zusammenstellung von Texten, sondern ein wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren. Im Folgenden werden theoretische Punkte für ein adäquat zusammengestelltes Textkorpus skizziert, da dieses für die Diskursanalyse wichtig ist. Bei der Erstellung eines Textkorpus trifft der Forschende Annahmen und Vorentscheidungen in Bezug auf die Relevanz der Texte für die Korpuskonstitution: „Ob eine bestimmte Textmenge als zugehörig zu einem Diskurs X oder Y aufgefasst wird, ist daher immer Ergebnis von objekt-konstituierenden Akten der wissenschaftlichen Beobachter und Analytiker“ (Busse 2013a: 148).

Für die vorliegende Analyse des Diskurses um „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ wird eine Vielzahl von Texten herangezogen, um einen möglichst repräsentativen und aussagekräftigen Querschnitt zu erhalten. Für die vorliegende Untersuchung wurde das zu untersuchende Textkorpus nach verschiedenen Kriterien zusammengestellt, damit dieses eine optimale Grundlage für die anschließende Analyse bietet (vgl. Lemnitzer/Zinsmeister 2010: 50 ff.). Die Korpuskonstitution erfolgt im Weiteren nach in Konerding (2007) aufgestellten Kriterien, deren theoretische Abhandlung in Kapitel 4 „Forschungsmaterial und Korpuskonstitution“ und im Rahmen der Vorstellung des forschungspraktischen Vorgehens in Kapitel 5 „Diskurslinguistische framebezogene Analyse“ zu finden ist.

Busse/Teubert (1994) betonen die wechselseitige Verbundenheit von Textkorpora und dem dort thematischen Untersuchungsgegenstand für die Untersuchung eines Diskurses. Der Forschende verfügt bereits vor der Analyse über ein bestimmtes Wissen zu den Themen bzw. Gegenständen eines Diskurses. Entsprechend werden ein spezielles Vor-Wissen und ein weiteres Klärungsinteresse zum Gegenstand eines Diskurses hermeneutisch vorausgesetzt:

Die Einheit eines Diskurses (im Hinblick auf semantische Beziehungen, Thema, Gegenstand, Wissenskomplexe, Funktions- bzw. Zweckzusammenhänge) wird vom Untersuchungsziel, Interesse oder Blickwinkel der Wissenschaftler bestimmt. Diskursive Beziehungen sind – in einem weiten Sinne von Semantik – semantische Beziehungen. Jedenfalls setzt ihre Feststellung und Eingrenzung semantische Akte voraus. Diskursive Beziehungen können erst festgestellt werden, wenn ein Kriterium für die Korpusbildung feststeht. Gleich welcher Art dieses Kriterium auch sein mag, es setzt die Kenntnis des Inhalts der in Frage kommenden Texte voraus. So gesehen setzt also schon die Korpusbildung das Verstehen der Texte voraus. (Busse/Teubert 1994: 16)

Laut Busse/Teubert fundiert die Korpuskonstitution auf Deutungsakten des Analysierenden:

Die Korpusbildung, d.h. die Konstitution einer diskursiven Einheit als prospektiven Untersuchungsgegenstandes der Linguistik, basiert daher auf Deutungsakten. Diskursive Relationen können (wie intertextuelle Relationen jeglicher Art) als Bedeutungsbeziehungen nicht unabhängig von ihrer Deutung bestehen. Die Konstitution des Diskurses, der das Forschungsobjekt bilden soll, setzt daher stets schon Interpretationshandlungen der Forscher voraus. (Busse/Teubert 1994: 16)

Folglich geht der Textauswahl für das Untersuchungskorpus eine Interpretationsleistung des Forschers voraus. Ähnlich wie Busse/Teubert (1994) betonen auch Spitzmüller (2005) und Spieß (2011), dass der Forscher wesentlich zum Diskurs beiträgt, indem er bestimmt, was er unter dem zu untersuchenden Diskurs versteht, die Auswahlkriterien für die Korpuskonstitution festlegt und demnach einen Text als relevant einschätzt. Somit wird er selbst Teil des Diskurses. Laut Spieß (2011) stellt die Korpuskonstitution explizit einen hermeneutischen Prozess dar, da der Forscher das Textkorpus entsprechend sich neu erschließender Erkenntnisse durch intertextuelle Bezüge während der diskursanalytischen Untersuchung immer wieder neu anpasst, also erweitert oder reduziert (ebd. 252). Folglich nimmt Intertextualität bei der Korpuskonstitution eine besondere Stellung ein. Diese ist bei Busse/Teubert (1994) nicht nur in Bezug auf die Korpuskonstitution, sondern auch bezüglich der Begriffsdefinition des Diskurses wichtig, indem die Texte ein gemeinsames Thema aufweisen und gegenseitig aufeinander Bezug nehmen (ebd. 15 f.). Auch Konerding (2005, 2007) geht von Texten im Sinne von Busse/Teubert aus: Texte sind frei zugänglich und über ein gemeinsames Thema miteinander verbunden. Hierbei wird das Thema im Diskurs zwischen den Texten „verhandelt“ (vgl. Konerding 2007: 124), indem die Texte durch Bezugnahme, Wiederaufnahme, Kommentierung und Respondierung intertextuell aufeinander wirken. Zur Untersuchung der Dynamik thematischer Entwicklungen von Diskursen sind die Begriffe „thematische Kongruenz, thematische Variation, thematische Elaboration und thematische Kontrastierung“ (Konerding 2005: 24 ff., Konerding 2007: 124 ff.) relevant.Footnote 2 Durch die intertextuelle Aushandlung der Themen zwischen den Texten wird der Diskurs zu einem virtuellen Ort, der ein „offenes Korpus“ (Busse/Teubert 1994:15) von thematisch zusammengehörigen Texten abbildet. Angewandt auf das Frame-Konzept nach Konerding (1993, 2007) äußert sich Ziem zur Busse/Teubert’schen Definition des Diskurses wie folgt:

Geht man also aus frame-semantischer Sicht der Frage nach, was ein Diskurs ist, so lautet die Antwort: Ein Diskurs ist eine virtuelle Menge von Texten (oder Textsequenzen), in denen Leerstellen eines Frames mit konkreten Füllwerten belegt werden. (Ziem: 2008a: 388 f.)

Auch bei Ziem (2008a) sind die Texte einem Diskurs zugehörig, die ein gemeinsames Thema aufweisen, das über ähnliche Makro-Propositionen (vgl. dazu Konerding 2005, 2007) oder gemeinsame Textinhalte (vgl. dazu Böke 1996, Wengeler 2003a) zwischen den einzelnen Texten nachzuweisen ist.

Die Annahme, dass bei der Korpuskonstitution Einzeltexte eines Diskurses über ein gemeinsames Thema verfügen sollen, kritisiert Jung (1996) und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Busse/Teubert’schen Diskursdefinition. Nicht jeder Text lässt sich ausschließlich einem Thema zuordnen und in jedem Text gibt es Aussagen, die nicht das Diskursthema behandeln. Es stellt sich, so Jung, die Frage, ob ein Text dennoch zum Diskurs gezählt werden kann, auch wenn nicht jeder Textabschnitt das Diskursthema behandelt (Jung 1996: 459 f.). Für Jung ist der Diskurs demnach weniger eine Sammlung von Texten, sondern ein „Aussagengeflecht“ (Jung 1996: 461), wobei Aussagen innerhalb von Texten zueinander in Beziehung zu setzen sind. Jung definiert Diskurs als die „Gesamtheit der Beziehungen zwischen thematisch verknüpften Aussagenkomplexen“ (Jung 1996: 461). Angewandt auf die Diskursanalyse werden demnach nicht Textkorpora, sondern Aussagenkorpora erstellt. Damit hat Jung den Busse/Teubert’schen Diskursbegriff modifiziert. Jung bezieht sich auf den ursprünglichen Diskursbegriff von FoucaultFootnote 3 und die Bedeutung der Aussage (frz.: énoncé). Nach Foucault sind Diskurse aussagengebunden:

Diskurs wird man eine Menge von Aussagen nennen, insoweit sie zur selben diskursiven Formation gehören. Er bildet keine rhetorische oder formale, unbeschränkt wiederholbare Einheit, deren Auftauchen oder Verwendung in der Geschichte man signalisieren (und gegebenenfalls erklären) könnte. Er wird durch eine begrenzte Zahl von Aussagen konstituiert, für die man eine Menge von Existenzbedingungen definieren kann. (Foucault 1973: 170)

Foucaults Werk hat den Diskursbegriff und die Diskursforschung maßgeblich beeinflusst. Viele Linguisten, so auch Busse/Teubert und Jung, greifen auf die ursprüngliche Definition von Foucault zurück. In diesem Sinn spricht Jung nicht von einem Textkorpus, sondern von einem „Aussagenkorpus“ (Jung 1996: 460). Auch in Jungs aussagengeprägtem Korpus erfolgt zuerst die Zusammenstellung des Textkorpus nach thematisch gleichen Texten. Jung misst der Thematizität von Texten ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Korpuskonstitution bei. In Jungs Ansatz werden textlinguistische Analysepunkte, wie Aufbau und Intention, jedoch als zweitrangig bewertet (vgl. Jung 1996: 461), da nur die diskursrelevanten Aussagen, das heißt die thematisch absolut relevanten Textabschnitte, analysiert werden. Dies lässt sich auch auf die vorliegende Untersuchung anwenden, da das zu untersuchende Textkorpus diskursrelevante Texte und deren Aussagen umfasst. Die Ordnung von thematisch ähnlichen Texten für die Zusammenstellung eines zu untersuchenden Textkorpus ist für die anschließende Analyse und Auswertung der Aussagen elementar (vgl. dazu Jung 1996: 463).

An dem oben vorgestellten Ansatz orientiert sich die vorliegende Arbeit. Der zu untersuchende Diskurs wird als ein Korpus von Texten verstanden, dessen Inhalt sich auf einen intertextuellen „Dialog“ in einer Sprachgemeinschaft bezieht. Die Äußerungen bzw. Aussagen innerhalb des Diskurses konstituieren und differenzieren das spezifische und bedeutende Thema „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ und nehmen durch thematische KonzepteFootnote 4 Bezug zueinander. Für die Arbeit ist ein Bezug auf Konerdings Diskursverständnis zentral: „Bei einem ‚Diskurs‘ handelt es sich um ein Ensemble von öffentlich zugänglichen Texten, die über ein gemeinsames Thema verbunden sind“ (Konerding 2005: 21 f.). Die diskurskonstituierenden Texte können hierbei auch als „Aussagengeflechte“ (vgl. Jung) verstanden werden. „Diskursthemen als strittige oder defizitäre spezifikationsbedürftige Wissensbestände lassen sich über Makro-Propositionen repräsentieren“ (Konerding 2007: 122). Für die Erstellung des Textkorpus im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erfolgt im vorliegenden Fall eine Anknüpfung an Konerdings thematisch bestimmte Kriterien und deren Zugriffsweisen, die an die grundlegenden klassischen Begrifflichkeiten nach Teun van Dijk anschließen:

Ausgehend von der zuvor genannten Bedingung dafür, dass ein Text Bestandteil eines spezifischen Diskurses wird, ist, dass der betreffende Text zu wesentlichen Teilen gerade dasjenige Thema oder ein Thema aus demjenigen Themenkomplex behandelt, welches bzw. welcher für den betreffenden Diskurs konstitutiv ist. Ist diese zentrale Bedingung für eine Diskursbindung erfüllt, so sind nach den bisherigen Ausführungen auch die folgenden Bedingungen erfüllt: Der betreffende Text – bzw. der einschlägige Teiltext – weist bezüglich des jeweils relevanten Themas die gleiche oder doch sehr ähnliche Makro-Proposition wie die übrigen diskurskonstitutiven Texte auf. Die Texte können dann entsprechend durch einen gemeinsamen Makro-Rahmen im vorgenannten Sinne analysiert werden, und die in den Texten präsentierten Prädikationen müssen zugehörigen Makro-Rollen als jeweilige Rollenwerte zugeordnet werden können. (Konerding 2007: 124)

Für das methodische Vorgehen der Analyse ist der Konzeptbegriff zentral, der Semantik und Weltwissen verbindet. Die Explikation des Konzeptbegriffs und dessen praktische Anwendung für die Diskursanalyse (Konerding 2005, 2007) erfolgt in Abschnitt 2.2 „Linguistische Frame-Analyse“. Zuvor werden im folgenden Kapitel die übergeordneten Aspekte der linguistischen Zugangsweise der vorliegenden Arbeit vorgestellt.

2.1.2 Linguistische Diskursanalyse

Die vorliegende Untersuchung ist, wie bereits festgestellt, dem Bereich der sich stetig weiterentwickelnden diskurslinguistischen Ansätze und Methoden zuzuordnen. In der Forschungslandschaft hat ein diskursanalytisches Vorgehen in vielen Bereichen Verbreitung gefunden, da verschiedene Akteure, Institutionen, Organisationen, Gemeinschaften und deren verbale Handlungsakte in verschiedenen Kontexten analysiert und interpretiert werden können.

Da es kein einheitliches Vorgehen oder Mindeststandards zu diskurswissenschaftlichen Arbeiten gibt, ist eine Klassifikation diskursanalytischer Arbeiten jedoch schwierig:

Die linguistische Diskursanalyse ist kein homogenes, sprachwissenschaftliches Programm, sie ist ein Sammelbegriff, hinter dem sich zahlreiche, nicht immer miteinander harmonierende Varianten verbergen, welche wiederum jeweils unterschiedliche Erkenntnisinteressen und -ziele verfolgen. (Spitzmüller/Warnke 2011: 4)

Die Diversität von unterschiedlichen theoretischen und methodischen Ansätzen kann als steigendes Interesse an diesem Bereich gewertet werden (vgl. de Beaugrande/Dressler 1981: 29). In der Wissenschaftsliteratur gibt es weite und eng gefasste Definitionen zur Diskursanalyse, die je nach kulturellem Raum und Zeit variieren. Allen Ansätzen und Traditionen ist ein Diskursbegriff gemein, der von Donati wie folgt beschrieben wird und die Relevanz der Diskursanalyse für die Forschung in der Linguistik zum Ausdruck bringt:

Alle diskursanalytischen Ansätze haben ihre Wurzeln in einer mehr oder weniger klaren linguistischen Perspektive, die Diskurse als ‚sprachliche Ereignisse‘ begreift, als eine Handlung, durch die ideelle und symbolische Konstrukte in der sozialen Welt aktualisiert und ‚realisiert‘ werden. (Donati 2006: 147)

Foucault und Derrida beschäftigten sich damit, welche Rolle Sprache bei der Konstruktion von komplexen Wissenssystemen einnimmt. Foucaults „Archäologie des Wissens“ (1969) und „Die Ordnung des Diskurses“ (1974) werden in diesem Sinne als Grundlagenwerke für die linguistische Diskurstheorie verstanden (vgl. Auer 2013, Warnke 2007, Warnke/Spitzmüller 2008a und 2008b). In Foucaults Arbeiten wird Diskurs als System von Beziehungen zwischen Macht und Wissen verstanden, was in einem spezifischen Kontext, Raum und zu einer bestimmten Zeit situiert ist. Dieser Ansatz prägt bis heute die sozialwissenschaftliche ForschungslandschaftFootnote 5 und die Linguistik. Daraus entwickelte sich ein zunehmend transdisziplinäres, sich stetig weiter entwickelndes Forschungsfeld.

Was das methodisch-praktische Vorgehen diskurslinguistischer Arbeiten anbelangt, so muss die linguistische Diskursanalyse von nicht-linguistischen und nicht-semantischen Konzeptionen der Diskursanalyse abgegrenzt werden (vgl. Busse 2008a: 58). Die Diskurslinguistik lässt sich als Bereich der Sprachwissenschaft beschreiben. Sie versteht sprachliche Formen als Werkzeuge der Wissenskonstituierung (vgl. Warnke 2013: 79) und beschäftigt sich mit Aussagen- und Äußerungskomplexen, in denen Sprache als symbolische Form rekurrent verwendet wird oder beteiligt ist. Somit ist eine linguistische Diskursanalyse eine primär sprachbezogene Analyse. Eine Übersicht zur Entwicklung diskursanalytischer Methoden speziell im Bereich der germanistischen Linguistik bieten die Arbeiten von Bluhm u. a. (2000), Konerding (2009a), Busse (2013a, 2013b), die Sammelbände von Warnke (2007, 2012) sowie Warnke und Spitzmüller (2008a und 2008b). In dem von Busse/Teubert geprägten Forschungsfeld (vgl. Busse/Teubert 1994) hat unter anderem Konerding durch seinen Beitrag praktisch-methodologischer Instrumentarien eine bedeutende Weiterentwicklung diskurslinguistischer Forschung und Methodik geleistet (Konerding 1993, 2005, 2007, 2008a, 2009a). Diesem Ansatz folgten unter anderem Fraas (1996), Klein (1999, 2002a und 2002b), Klein und Meißner (1999), Holly (2001), Habscheid (2003), Lönneker (2003), Ziem (2008a), Wengeler (2010), Stein (2012) und Kalwa (2013), auf deren Arbeiten in Abschnitt 2.2.2 „Linguistische Frame-Analyse nach Konerding“ näher eingegangen werden soll.

Die unterschiedlichen linguistischen Ansätze zur Untersuchung von Diskursen weisen je nach Untersuchungsziel und -tradition besondere Merkmale auf: Die „Kritische Diskursanalyse“, die darauf abzielt, Kommunikationsprozesse zu politischen Themen unter Berücksichtigung des sozio-historischen und ideologischen Kontexts zu erforschen, erfreut sich besonderer Beliebtheit. Hier sind die Arbeiten von Wodak (1999) und Jäger (2012) zu nennen. Gegenstand von Jägers Arbeiten (2007, 2012) ist die Beziehung von Denken, Sprache und Interaktion zwischen Menschen in spezifischen Kontexten. Jägers methodisches Vorgehen stützt sich auf Instrumente der empirischen Sozialforschung, kombiniert mit linguistischen Analysetechniken unter Rückbezug auf Foucaults Ansatz. Mediendiskurse sind dabei aufgrund ihrer einfachen Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von besonderer Bedeutung: In ihnen können Themenkarrieren sowie deren Be- und Verhandlung über einen bestimmten Zeitraum untersucht werden, die in den prominenten Leitmedien einer Gesellschaft vorzufinden sind und somit das Bewusstsein der Öffentlichkeit für ein bestimmtes Thema schärfen (vgl. Konerding 2009a).

Die vorliegende Arbeit orientiert sich an drei zentralen Forschungstraditionen, die sich in den 1990er Jahren in Deutschland entwickelt haben. Die erste Forschungstradition ist die „Heidelberg-Mannheimer-Schule“, deren Forschungsschwerpunkt in der historischen Diskurssemantik zu finden ist. Ihre Anhänger, Busse, Hermanns und Teubert, leisteten die erste erfolgreiche linguistische Operationalisierung des Diskursbegriffs mit dem Einsatz von konkreten Textkorpora und zugehörigen Verfahren (vgl. Konerding 2009a). In der Tradition der „Heidelberg-Mannheimer-Schule“ werden diskursrelevante Texte thematisch bestimmt und danach thematische Korpora gebildet. Die zweite Tradition, die „Düsseldorfer Schule“, gründet auf Arbeiten aus der Forschungsgruppe der „Heidelberg-Mannheimer-Schule“. Als Vertreter sind Stötzel, Jung, Wengeler und Böke zu nennen. Diese Forschungsgruppe entwickelte die diskursanalytischen Methoden durch forschungspragmatische Fragen weiter, beispielsweise durch das Untersuchen von Metaphern (Böke 1996). Als dritte Forschungstradition ist die „Oldenburger Gruppe“ um Gloy aufzuführen, wobei das Aufzeigen von intertextuellen Beziehungen zwischen den Texten im Forschungsinteresse steht.

Entsprechend der Forschungsfrage erfolgt in der vorliegenden Arbeit die methodische Ausrichtung. Zur Zeit der Erstellung der Arbeit ist das elaborierteste semantisch basierte Modell für eine linguistische diskursanalytische Vorgehensweise das von Konerding zur Themaentwicklung und deren intertextuellen Bezügen, das einen Zugang zum Untersuchungsgegenstand über lexikalsemantische Frames ermöglicht. Mithilfe der linguistischen Frame-Analyse nach Konerding kann für jedes Thema seine thematische Entfaltung untersucht werden. Dabei werden über den Makro-Rahmen und seine entsprechenden Makro-Rollen Bündel von offenen Propositionen konstruiert, mit denen handlungssemantisch die Kontextualisierungspotenziale nominalisierter Makropropositionen korrespondieren. Die einzelnen Slots (Leerstellen) der offenen Propositionen werden im Rahmen der thematischen Entfaltung sukzessive mit spezifischen Fillern (Füllwörter) in den jeweiligen Aussagen des Diskurses belegt.

Auf der Grundlage dieses Modells, das für die nachfolgende Untersuchung leicht modifiziert wurde, soll nun im Folgenden kontrastiv die thematische Behandlung bzw. Verhandlung des Themas „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ an einem zentralen Diskursauschnitt betrachtet werden. Dabei erfolgt die thematische Behandlung und Veränderung des Nachhaltigkeitsbegriffs im Personalmanagement auf drei Ebenen: 1. über die historische Dimension, 2. im Spiegel der Medien und 3. in einzelnen Wirtschaftsbranchen.

Schlüsselwörter oder Ausdrücke, die die thematische Struktur eines Textes tragen, bilden die zentrale Sinnstruktur des Diskurses. Sie bestimmen zugleich typspezifische semantische Frames und darüber das Kontextualisierungspotenzial in Form der offenen Propositionen (vgl. Konerding 1993, 2008), das als Analyseraster fungiert: Die offenen Propositionen bilden gewissermaßen ein komplexes semantisch bestimmtes Netz, in dessen Maschen bzw. Slots die relevanten Aussagenbestandteile der diskurszugehörigen Aussagen, gesteuert durch allgemeine semantisch-systematische Relationen, „eingefangen“ werden (dies geschieht – technischer gesprochen – über einen speziellen, merkmalsgestützten Unifikationsmechanismus). Die korpusgestützte Suche nach Schlüsselwörtern oder Ausdrücken erfolgt mithilfe computergestützter Suchanfragen, um die großen Untersuchungskorpora bearbeiten zu können. In der anschließenden qualitativ-textanalytischen Untersuchung können dann konkrete Realisierungen lexikalischer Phänomene eruiert werden. Für die Auswahl des Diskursausschnitts und die Korpuskonstitution nach Konnektoren ist laut Felder Folgendes zu beachten:

Die große theoretische und methodische Schwierigkeit besteht darin, Einzelphänomene – die für sich genommen ausgesprochen aufschlussreich und erhellend sind – in der Form in einen Untersuchungszusammenhang zu integrieren, dass sie nicht als beliebige Einzelbeobachtung unverbunden dastehen, sondern dass ihre systematische Verortung im gesamten Untersuchungsansatz und ihr epistemisches Potential innerhalb der Gesamtanalyse deutlich werden. Das ist die große Herausforderung, die die linguistische Diskursanalyse gleich welcher Feindifferenzierung zu beantworten hat. Letztlich wird sich auch die Rezeption und Wirkung der linguistischen Ansätze in anderen diskursanalytisch interessierten Wissensdomänen genau an dieser Frage orientieren. (Felder 2012: 131)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass diskurslinguistische Ansätze auf die diskurstheoretische Tradition von Foucault zurückgehen und entsprechend ihrer fachspezifischen Herangehensweise modifiziert wurden. Diskurse als Analysegegenstand werden in Anlehnung an die Definition von Busse/Teubert (2013) für eine linguistische Herangehensweise operationalisierbar gemacht – so auch in dieser Arbeit. Ein linguistisch-diskursanalytischer Vergleich der beiden UntersuchungskorporaFootnote 6 ermöglicht eine systematische diachrone und synchrone Analyse, deren übergeordneter methodischer Zugang im Wesentlichen auf Konerding (1993, 2005, 2007) zurückzuführen ist. Das folgende Kapitel widmet sich nun eingehender dem Frame-Begriff (Konerding 1993, 2005, 2007) und dem der Arbeit zugrundeliegenden methodischen frame-analytischen Vorgehen.

2.2 Linguistische Frame-Analyse

Ein frametheoretischer Ansatz ist für diskursanalytische Untersuchungen von besonderer Bedeutung (vgl. Konerding 2009a), da dieser für Verstehens- und Interpretationsprozesse zentral ist. Ein frameanalytischer Zugang ermöglicht die Rekonstruktion und das Verständnis von semantischen Verknüpfungen im Diskurszusammenhang. Die Frame-gestütze Analyse von Diskursen nach Konerding (1993) ist ein geeignetes Instrument für die vorliegenden Analyseziele. Das methodische Vorgehen bei der Analyse unter Rückbezug auf Konerdings Ansatz wird im Folgenden vorgestellt.

2.2.1 Der linguistische Frame-Begriff

Konerding (1993, 2005, 2007, 2008) hat mit seinen Arbeiten zum framebasierten Zugang zur linguistischen Diskursanalyse wesentlich zur methodischen Operationalisierbarkeit derselben beigetragen. Entsprechend der unterschiedlichen Forschungstraditionen werden Frames (dt.: Rahmen) auch als „Wissens-“ oder „Deutungsrahmen“ bezeichnet, die methodisch gewinnbringend sind, insbesondere durch die Anwendung einer rahmengeleiteten Kontextualisierung und Kontextkonstitution für sprachliche Äußerungen. In der kognitiven Psychologie wie auch in der Linguistik und künstlichen Intelligenz spielen Frames eine wichtige Rolle. Sie sind ein wichtiges methodisches Instrument zur Klärung sprachlicher und kognitiver Phänomene (vgl. Konerding 1993: IV). Das Konzept Frame bietet in seiner methodischen Operationalisierung einen transdisziplinären Zugriff zur Erschließung von unterschiedlich kommunizierten und vielfältig organisierten Wissensinhalten. „So greifen nicht nur kognitionswissenschaftliche und linguistische Ansätze auf das Frame-Konzept zurück, sondern auch sozialwissenschaftliche Forschungen“ (Fraas/Meier 2013: 137). In der Linguistik heben sich Deutungsrahmen davon ab, da sie

in unmittelbarer Korrespondenz mit der Tradition der klassischen Logik, Rhetorik und Topik auf (kognitions-)linguistischer Grundlage theorie- und methodengeleitet expliziert und für die Diskursanalyse fruchtbar gemacht werden können. (Konerding 2008: 146)

Konerding (1993) bezeichnet Frames als komplexe kognitive Strukturen, in denen Wissen zu einem bestimmten Thema gespeichert ist:

Frames sind themenbestimmte komplexe kognitive Strukturen, die das allgemeine, stereo- bzw. prototypische Wissen in Form kulturell erzeugter und kollektiv geteilter kognitiver Konzeptstrukturen zu einem Thema bzw. thematisierten Gegenstand umfassen bzw. modellieren. (Konerding 2009a: 171)

Diese komplexen Wissensstrukturen werden von der Diskursgemeinschaft konstituiert: „Deutungsrahmen respektieren die sortalen bzw. ontologischen Grundentscheidungen einer Diskursgemeinschaft, die in Diskurstraditionen emergieren und sich dort auch sprachlich manifestieren“ (Konerding 2008: 133).

Aufbauend auf den grundlegenden Überlegungen von Konerding stellt Ziem (vgl. 2008a) fest, dass Frames zur Erschließung von Wissen dienen, allerdings selbst keine mentalen Einheiten darstellen: „Als Analyseinstrumente […] bilden Frames inhaltsleere Formate, die Möglichkeiten der Wissensspezifikation (Prädikatoren) anzeigen“ (Ziem 2008a: 374). Der Sprachnutzer versucht mittels semantischer Konstruktion die Wissenslücken, die Leerstellen des Frames, zu schließen (vgl. Fillmore 1986; Ziem 2008a).

Auf die Bedeutung der Frame-Theorie für linguistische UntersuchungenFootnote 7 hat erstmals Fillmore (1975, 1977a, 1977b)Footnote 8 aufmerksam gemacht, der in seiner Forschung mithilfe großer Textkorpora auf Valenzstellen hingewiesen hat. Im Gegensatz zu Fillmores verbbezogenem Ansatz steht Konerdings nominalbezogenes Vorgehen. Konerdings lexikologisch orientierter Ansatz ist für diskursanalytische Untersuchungen fruchtbar, da so „‚Wissen‘ im Sinne kleiner kompakter ‚Pakete‘, d. h. im Sinne von Frames bestimmt werden kann, und [verdeutlicht,] welche Rolle die Sprache bei dieser Bestimmung spielt“ (Konerding 1993: 87, vgl. dazu auch Konerding 2008). Konerdings Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass Frames hier eine theoretische und methodische Fundierung im Rahmen der Linguistik erfahren haben und weitergehend für eine Operationalisierung der linguistischen Diskursanalyse fruchtbar gemacht wurden.

2.2.2 Linguistische Frame-Analyse nach Konerding

Die Anwendung frametheoretischer Vorgehensweisen in linguistischen Diskursanalysen ermöglicht es, umfangreiche Untersuchungskorpora zu bearbeiten und die Texte den Diskursthemen zuzuordnen. Die Verknüpfung von Diskursthema, seiner thematischen Entfaltung, Textthema sowie der diskursiven Entwicklung wird – wie bereits erwähnt – über Konerdings (1993) Konzept der Matrixframes und den intertextuellen thematischen Kohärenzbeziehungen (Konerding 2005) realisiert.

Das Konzept Nachhaltigkeit wird in den untersuchten Texten thematisiert, ohne explizit als Textthema „Nachhaltigkeit“ ausdrucksseitig zu sein. Die Texte werden dem Diskursausschnitt zugeordnet, wenn Nachhaltigkeit als Konzeptframe untersucht wird, in dem sich die Textthemen als Filler von Slots modellieren lassen (vgl. Konerding 2005). Unter Einbezug von Matrixframes werden Aussagen bzw. Prädikationen von Äußerungsprodukten bzw. Texten als potenzielle Füllwerte den Leerstellen der offenen Propositionen eines Matrix- bzw. Makro-Rahmens zugeordnet. Dies geschieht auf der Grundlage von Hyperonym-Relationen von Nominalgruppen. Die Leerstellen des Makro-Rahmens definiert Konerding als Makro-Rollen, die sich den offenen Propositionen der Rahmen zuordnen lassen (zur Konstruktion der Makrorahmen bzw. Matrixframes vgl. Konerding 1993, 2008). Diese Propositionen dienen wiederum als Präsuppositionen für valenzorientierte Fragen als heuristische Suchanweisungen, die für die Bestimmung der relevanten Ähnlichkeitsmerkmale im Rahmen der Analyse fungieren: „Die Frames werden also als Listen ‚strategisch entscheidender‘ Fragen […] konzipiert“ (Konerding 1993: 169). Mögliche Fragen sind zum Beispiel, was, wann, wie und warum etwas stattgefunden hat oder nicht und was dabei ein- oder ausgeschlossen wird (vgl. Konerding 1993: 212). Über die Slot-Filler-Relation des zugehörigen Matrixframes wird in den Texten das identifizierte Subthema spezifiziert und offengelegt. Die einzelnen Texte bzw. einzelnen thematisch zum Diskursthema passenden Sätze oder Absätze werden so dem Diskursausschnitt zugeordnet.

Ziem (2008b) betont, hier gestützt auf Konerding 2003, dass ein sprachlicher Zugang zu Wissen, das in konzeptuellen Einheiten verfügbar ist, nur über Prädikationen möglich ist, wie sie in einer Sprachgemeinschaft angewandt werden. Dabei wird das Potenzial der Prädikationen durch die Anzahl der Leerstellen derjenigen Propositionen bestimmt, die von einem thematischen Ausdruck bzw. von einem über ihn identifizierten Referenzgegenstand dem ontologisch-semantischen Typ nach prädizierbar sind (qua Merkmalsunifikation). Folglich werden mithilfe von Frames Kontextualisierungsmöglichkeiten eines Konzepts dargestellt und so sind Frames konstitutiv für das Erschließen von Wissenslücken (vgl. Konerding 1993, Konerding 2007, 2008 und Ziem 2008b). Zur Ermittlung der offenen Propositionen und ihren Slots alias „Attributen“ eines Frames entwickelte Konerding die Hyperonymtypenreduktion. Auf diese Art und Weise kann jedes nominale Wort dem höchsten Hyperonym und dem darauf bezogenen Matrixframe mit seinem dazugehörigen Propositionsbündel bzw. Fragenkatalog zugeordnet werden (vgl. Konerding 1993, 2007). Nominale sind wichtig, da nur diese Prädikationsbasen repräsentieren können, und so wird bei der Bestimmung von Frames von nominalen Wörtern ausgegangen. Die Hyponyme und Hyperonyme beziehen sich auf einen gleichen Frame, allerdings werden die Leerstellen mit Füllwerten unterschiedlichen Abstraktions- und Spezifikationsgrades besetzt (vgl. Ziem 2008a: 310 f. und Ziem 2008b: 103). Konerding unterscheidet zwischen zwölf unterschiedlichen nominalen Sorten, die als sprachbestimmte ontologische Typologie für die Erstellung der Matrixframes dienen wie „Gegenstand“, „Organismus“, „Person/Aktant“, „Institution“, „Ereignis“, „Handlung“, „Zustand“, „Teil und Ganzes“ (vgl. Konerding 1993: 184). Diese Konzepte bieten einen geeigneten Zugriff für das Verständnis und die Verarbeitung eines Textes.

In der vorliegenden Arbeit kommt der Matrixframe Zustand zum Einsatz. Dabei wird das signifikante Vorkommen von Prädikatoren zum Nachhaltigkeitsbegriff untersucht, indem Muster durch bestimmte Slots (Leerstellen) und zugehörige Filler (Füllwörter bzw. Aussagebestandteile alias Prädikationen) definiert werden.Footnote 9 Es wird der Matrixframe Zustand (vgl. Konerding 1993: 169–199, 473) herangezogen, da es sich bei dem Diskursthema „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ um einen gewünschten Soll-Zustand handelt, der mithilfe konkreter Handlungen den Ist-Zustand, also das bisher traditionelle Personalmanagement, ablöst.Footnote 10 Ausgehend vom Makro-Rahmen Zustand „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ lassen sich hier Sub-Makro-Rahmen, wie Ursachen, Bewertungen oder Forderungen, ableiten. Die im Anhang im elektronischen Zusatzmaterial aufgeführte Abbildung „Frame für den Substantivtyp Zustand in gekürzter Fassung (Quelle: Konerding 1993: 196–199)“ stellt den Frame für den Substantivtyp Zustand sowie die entsprechenden Fragen bzw. die diesen zugrundeliegenden offenen Propositionen (als grundlegenden Kontextualisierungspotenzialen) detailliert dar. Die Reduktion auf die für die Arbeit relevanten Fragen erfolgt bei der Vorstellung des praktisch-analytischen Vorgehens in Abschnitt 5.1 „Methodisches Vorgehen“.

Die Bedeutung und Wichtigkeit von Konerdings (1993) Vorgehen bei der Erforschung konzeptgebundenen Wissens und seiner Theorie der Hyperonymtypenreduktion findet in der Forschung mittlerweile umfassende Beachtung (vgl. Ziem 2008b). Ziem äußert hierzu, dass das von Konerding entwickelte Verfahren der Hyperonymtypenreduktion zur Erschließung von Leerstellen von Frames die „einzige systematische und linguistisch fundierte“ (Ziem 2008a: 310) Methode ist, bei der die Leerstellen in Form von Fragen ermittelt werden.

Eine entscheidende Frage in der Arbeit lautet, welchen Beitrag Sprache liefert, dass Wissen zum Nachhaltigkeitsbegriff im Personalmanagement der Öffentlichkeit in einer ganz bestimmten Form zugänglich ist. Der Zugriff über Matrixframes bietet dafür eine wissenserschließende Methode, die die Ermittlung konzeptgebundenen Wissen ermöglicht (vgl. Konerding 1993; Ziem 2008b). Konerding betont die besondere Eignung von Frame-Analysen für die Erschließung von Wissen, da es sich dabei um eine „theoretisch überzeugende, methodisch begründete und empirisch adäquate Fundierung der Repräsentation stereotypischen Wissens“ (Konerding 1993: 221 f.) handelt. Im Rahmen der Frame-Analyse können – wie oben ausgeführt – für jeden Matrixframe die offenen Propositionen bzw. Fragen formuliert werden, aufgrund derer die Leerstellen spezifiziert werden können (vgl. Konerding 2007). Dabei handelt es sich um Leerstellen, die für den Diskurs potenziell relevant sind und mit entsprechenden Füllwerten der diskurskonstituierenden Textaussagen (Prädikationen) belegt werden können. In der Analyse werden die Füllwerte mithilfe der offenen Propositionen (bzw. Fragen) aus dem Untersuchungstextkorpus eruiert (vgl. dazu Wengeler 2010:140).

Konerdings Konzept der Matrixframes (1993) ist einschlägig in der deutschen Forschungslandschaft manifestiert, insbesondere durch den Rückbezug auf seine Arbeiten und die praktische Anwendung seiner Theorie in zahlreichen diskurs- und korpusanalytischen Untersuchungen. Dazu zählen beispielsweise die Arbeiten von Fraas (1996), Klein und Meißner (1999), Holly (2001), Klein (2002a, 2002b), Lönneker (2003), Ziem (2008a), Wengeler (2010), Stein (2012) und Kalwa (2013). Die einzelnen Korpusanalysen weisen unterschiedliche inhaltlich-thematische Schwerpunkte auf: Fraas (1996) untersucht in Anlehnung an Konerding (1993) mithilfe von Fragen die einzelnen Frame-Elemente der Konzepte „Identität“ und „Deutsche“ im Diskurs zur deutschen Wiedervereinigung. In den Korpusanalysen von Klein und Meißner (1999) werden Frames zur Untersuchung von konzeptuellem Wissen von jungen Erwachsenen zu ökonomischen Themen im Medienkontext eingesetzt. Klein setzt Konerdings methodisches Vorgehen in seinen Untersuchungen zur Konzeptualisierung von Politik in der Weg-Metapher (2002a) sowie im Kolonialdiskurs (2002b) ein. Holly (2001) setzt die Frame-Analyse bei Untersuchungen zu politischen Diskursen ein. Lönneker (2003) knüpft bei ihrer Untersuchung von semantischen Fragen von Übersetzern zu Begriffen und Übersetzungsproblemen an Konerdings Modell der Matrixframes an und entwickelt dieses weiter. Dazu werden mithilfe eines Computerprogramms automatisiert Textstellen ermittelt, aus denen anschließend ebenfalls voll- oder halbautomatisiert das begriffsbezogene „Weltwissen“ abgeleitet werden kann. Für Lönnekers begriffs-klassifikatorische Arbeit eigneten sich Konerdings Prädikatorenklassen (Leerstellentypen) für Korpusanalysen, die eine Modifizierung der Matrixframes erfuhren, an die auch Ziem (2008a) anknüpft. In der Untersuchung von lexikalischer Bedeutung und Metaphern ermittelt Ziem mithilfe von Matrixframes „Standardwerte“ und definiert wie Konerding (1993) einen Frame als eine semantische Organisationseinheit, die konzeptgebundenes Wissen abbildet und organisiert sowie für die Interpretation von Ausdrücken verfügbar macht (vgl. Ziem 2008a). Wengeler (2010) setzt die Frame-Analyse zur linguistischen Untersuchung der Wirtschaftskrise 2008/2009 ein. Gegenstand in Steins Korpusanalyse (2012) ist die Untersuchung von diskursgebundenen Stereotypen als Wissenselemente und die Konzeptualisierung der Thematik „Integration“. Die Untersuchung zeigt, dass von einem Begriff ausgehend ein ganzes Geflecht an verstehensrelevanten Wissenselementen ermittelt werden kann. Kalwa (2013) führte eine Hyperonymtypenreduktion zum Thema „Islam“ durch und ermittelte die verschiedenen zugehörigen Matrixframes und deren Präsuppositionen. Neben den aufgeführten Arbeiten gibt es eine Vielzahl von Einzeltexten, in denen Matrixframes methodisch eingesetzt wurden, beispielsweise bei Klein (2002) und Holly (2002) (Näheres dazu vgl. Ziem 2008a: 269 f.).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die qualitative Analyse von komplexen Themen die Grundlage für weitere linguistische Untersuchungen bildet. Mithilfe der framesemantischen Analyse kann die Zuordnung von (Sub-)Themen zu den zu untersuchenden Medientexten erfolgen und folglich können sprachliche Strategien offengelegt werden. Die Spezifikation des Themas (Konerding 1993, 2005, 2007) als theoretischer Rahmen zur Analyse sowie das Vorgehen der Kategorienbildung als Grundlage für die Analyse erfolgt im folgenden Kapitel.

2.3 Linguistische Diskursanalyse in dieser Arbeit

Das von Konerding entwickelte methodisch-operationalisierte Verfahren der Rahmen-gestützten Diskurs-Analyse bietet bis zum Zeitpunkt des Entstehens der vorliegenden Abhandlung das elaborierteste verfügbare Modell zur Untersuchung der Themenbe- und verhandlung in Diskursen. Konerding (2005) zeigt unter Rückbezug auf seinen Ansatz zu Konzept- bzw. Matrixframes (1993) auf, wie Diskursthema, Textthema und die thematische Entfaltung verbunden werden können. Ausgehend vom Diskursthema wird die Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung bestimmt (top-down). Dabei sind Konerdings Ausführungen zum Diskursthema zentral, wobei „Thema als spezifikationsbedürftiger Konzeptframe“ (vgl. Abschnitt 2.2) verstanden und für die Abbildung von thematischen Korpora berücksichtigt wird. Dem übergeordneten Diskursthema „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“, verstanden als spezifikationsbedürftiger Konzeptframe einer nominalisierten Makroposition, wird ein allgemeiner sortal bestimmter Matrixframe – Zustand (vgl. dazu Abschnitt 2.2) – zugeordnet (Konerding 1993, 2005). Auf dieser Grundlage werden diskurskonstituierende Medientexte recherchiert, die über die Differenzierungstypen der thematischen Kohärenzbeziehungen – Kongruenz, Variation, Elaboration und Kontrastierung – miteinander verbunden sind, auf die in Abschnitt 2.3.1 näher eingegangen wird. Konerdings thematische Frame-Analyse lässt sich mit dem sozialwissenschaftlichen Ansatz der qualitativen Inhaltsanalyse nach Früh (2001, 2007, 2011) vereinen, die in Abschnitt 2.3.2 vorgestellt wird. Ausgehend von den Texten erfolgt die Erschließung und Typisierung der Themen (bottom-up), die schließlich zentral für die Kategorienbildung mit den zugehörigen Codes sind.

2.3.1 Handlungsanweisungen für eine Diskursanalyse nach Konerding

Für die Untersuchung wird ein thematisches Korpus (vgl. Busse/Teubert 1994) erstellt, weshalb im Folgenden der „Thema-Begriff“ näher bestimmt wird. Ein Diskurs verbindet Texte, die ein gemeinsames Thema behandeln (vgl. Konerding 2007: 124). In Anlehnung an Konerding ist entsprechend ein Rückgriff auf den Themenbegriff für eine erfolgreiche Diskursanalyse sinnvoll (Konerding 2005: 21).

Der Thema-Begriff ist ein komplexer Begriff, dessen theoretische Abhandlungen bibliothekenfüllend sind. Hier wird der Versuch unternommen, den Begriff unter Bezugnahme auf Konerding zu spezifizieren: Ohne Thema gibt es keinen Diskurs, denn das Thema bestimmt die thematische Ausrichtung innerhalb von Texten wie auch intertextuell (vgl. Konerding 2007: 108). Konerding (2005, 2007) betont, dass der linguistische Themabegriff untrennbar mit dem Wissensbegriff, insbesondere mit dem semantisch spezifizierten konzeptuellen Wissen, verbunden ist, und bezeichnet Themen als „spezifikationsbedürftige Wissensbestände“, die sprachlich sichtbar werden:

Wissen findet zur Bezeichnung eines handlungs- bzw. verhaltensrelevanten mentalen Zustands einer Person Verwendung, wobei sich dieser Zustand entweder über ein bestimmtes sprachliches oder anderweitiges Verhalten ‚zeigt‘. Mentale Zustände sind […] nicht direkt beobachtbar. Mentale Zustände sind offensichtlich nur anhand von sprachlich vermittelten Modellen dem Bewußtsein spezifiziert verfügbar. (Konerding 1993: 83 f.)

Die sprachliche Untersuchung zur thematischen Eingebundenheit von Texten in Diskursen erfolgt sprachpragmatisch über Fragehandlungen, die als Suchanweisungen für betreffende Wissensspezifikationen dienen (Konerding 2007): In diesem Zusammenhang ist auf das Quaestio-Konzept zu verweisen (vgl. Stutterheim 1997). Dabei wird aus sprachpsychologischer und textlinguistischer Herangehensweise die kommunikative Aufgabe, die Quaestio, einer Äußerung bzw. eines Textes mithilfe der klassischen w-Fragen spezifiziert. „Jede w-Frage setzt semantisch eine offene Proposition als Präsupposition voraus“ (Konerding 2007: 110). Eine Definition zum Themabegriff gibt Konerding in Anlehnung an aktuelle Forschungsergebnisse aus der Linguistik, der kognitiven Psychologie und den Informationswissenschaften:

Jeder Wissenskomplex lässt sich nominal identifizieren, damit pauschal abstrakt klassifizieren und nachfolgend prädikativ spezifizieren. In der Regel vollzieht sich eine solche Spezifikation in Form einer multiproportionalen sprachlichen Struktur, d. h. mit Hilfe mehrerer Sätze, bzw. mit Hilfe eines mehr oder weniger umfangreichen Textes. (Konerding 2005: 13)

Demnach entwickelt sich das Thema ausgehend vom Einzeltext der Untersuchung. Dabei lässt sich jeder Wissenskomplex nominal identifizieren, klassifizieren und folglich prädikativ spezifizieren:

Mit der nominalen Identifikation und Klassifikation der Makroproposition verbindet sich zugleich ein allgemeiner, sortal bestimmter Relevanzrahmen, in dem grundlegende Beschreibungsdimensionen für eine prädikative Spezifizierung potentiell bereitgestellt werden. Jede Makroproposition lässt sich nominalisieren. (Konerding 2005: 13)

Unter Rückgriff auf Matrixframes, die qua semantischer Typisierung der Nominale denselben systematisch zugeordnet werden können, stehen Makrorahmen mit offenen Propositionen als Suchraster und Spezifikationsbasen für die Wissensspezifikation bereit:

Entsprechend steht für jede [nominalisierte] Makroproposition ein allgemeiner, sortal bestimmter Beschreibungsrahmen bereit, der die nachfolgende Spezifikation des Wissenskomplexes und damit die ‚thematische Entfaltung‘ sowie die Beantwortung der ‚Textfrage‘ global leitet. (vgl. Konerding 2005: 13)

Die Bestimmung und Klassifikation der nominalisierten Makroproposition bzw. des Themas sind von einer multipropositionalen Struktur gekennzeichnet, die in einem „Beschreibungsrahmen“ organisiert ist:

Das Wesentliche der Nominalisierung und bisher nur unzureichend beachtete Faktum ist: Es gibt überzeugende Argumente dafür, dass sich mit der nominalen Klassifikation einer (Makro-)Proposition konventionell zugleich ein allgemeiner, semantisch kodierter, sortal bestimmter Relevanzrahmen verbindet. (Konerding 2007: 111)

Der Relevanz- bzw. Beschreibungsrahmen ist allgemein und sortal bestimmt, da ihm je nach Konzepttyp (im vorliegenden Fall: Zustand) die zugehörigen Frame-Slot-Relationen (vgl. Konerding 1993) zugeordnet werden, die in den zu untersuchenden Texten als subthematische Einheiten (Slot-Filler-Relationen) behandelt werden können. Die eruierten Subthemen spezifizieren über die Slot-Filler-Relation das Text- und Diskursthema sowie den entsprechenden Konzept- bzw. Matrixframe.

Zentral für die vorliegende Untersuchung ist, dass sich die in den Texten behandelten Themen dem übergeordneten Matrixframe Zustand zuordnen lassen, um die Beziehung der Texte untereinander aufzeigen zu können. Das Thema wird im Diskurs intertextuell „verhandelt“ (vgl. Fraas 1996). Konerdings (2005, 2007) spezifische und differenzierte Themadefinition bzw. -abgrenzung im Diskurs ist untrennbar mit seinem linguistischen intertextuellen Modell der semantisch-thematischen Kohärenz verknüpft. Das Modell der „intertextuellen thematischen Kohärenzbeziehungen“ (vgl. Konerding 2005: 23 ff., 2007:125 ff.) ermöglicht die systematische diachrone und synchrone Untersuchung der thematischen Einbindung von Texten im Diskurs und deren Beziehung untereinander. Das Modell stellt ein praxisorientiertes linguistisches Mittel für eine rahmen- bzw. frameorientierte Untersuchung auf makrostruktureller Ebene dar. Die vorliegende Analyse knüpft an dieses Vorgehen an, indem die intertextuelle Erforschung des Themas „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ durch „Wiederaufnahme, Bezugnahme, Kommentierung und (kontroverse) Respondierung in den jeweiligen Texten“ (Konerding 207: 124) erfolgt. Folgende Themenentwicklungen bzw. -verhandlungen lassen sich intertextuell unterscheiden: thematische Kongruenz, thematische Variation, thematische Elaboration und thematische Kontrastierung (Konerding 2005: 23 ff. und 2007: 125 ff.).

1 Thematische Kongruenz

Thematische Kongruenz „liegt dann zwischen zwei (oder mehreren) Texten vor, wenn – intuitiv gesprochen – über die gleichen ‚Aspekte‘ eines Themas gesprochen/geschrieben wird“ (Konerding 2007: 125). Sie bezeichnet die „Realisierung von jeweils gleichen Makro-Rollen“ (Konerding 2007: 126) des entsprechenden Makro-Rahmens durch textspezifische Prädikationen für die konkreten Rollenwerte (Füllwerte). In dem Diskurs zu „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ könnten in den untersuchten Texten bzw. in den relevanten Aussagen Informationen zu Bewertungen des Schwerpunktthemas Frauenförderung aufgeführt werden. Dabei können die einzelnen Aussagen inhaltlich divergieren. Folgende Bewertungen könnten beispielsweise in den untersuchten Texten bzw. Textsegmenten thematisch behandelt werden: die Kritik an einem geringen Frauenanteil in Führungspositionen, das Lob für das Eigenengagement der Frauen sowie die Kritik am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und der Frauenquote.

2 Thematische Variation

Bei der thematischen Variation werden unterschiedliche „Aspekte“ eines gemeinsamen Themas in den diskurskonstituierenden Texten bzw. Textsegmenten besprochen. Thematische Variation benennt folglich die „Realisierung von wechselseitig verschiedenen Rollen“ (Konerding 2007: 126) durch textspezifische Prädikationen. Für die vorliegende Arbeit bedeutet das, dass in bestimmten Texten etwas zu dem gewünschten Zielzustand geäußert wird, in anderen Texten jedoch nicht. Beispielsweise in Bezug auf das Schwerpunktthema Frauenförderung könnten in den Texten bzw. Textsegmenten folgende gewünschte Zielzustände geäußert werden: Arbeitnehmerbindung und -gewinnung sowie Sabbatjahr als Anreiz für weibliche Arbeitnehmer. Dies kann beispielsweise durch Investitionen in betriebliche Kindertagesstätten, durch das Ermöglichen eines Sabbatjahrs oder über ein Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen erreicht werden.

3 Thematische Elaboration

Thematische Elaboration liegt zwischen Texten bzw. relevanten Textsegmenten vor, wenn gleiche „Aspekte“ eines Themas dargelegt werden, allerdings in unterschiedlicher Ausführlichkeit und Intensität. Sie beschreibt die „Realisierung von gleichen Makro-Rollen mit gleichen Rollenwerten, aber unterschiedlich umfassend ausgeführt“ (Konerding 2007: 127). Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass ein Text bzw. Aussagekomplex beispielsweise etwas zu den einzelnen Prozessen zu Nachhaltigkeitsaktivitäten aufführt, ein anderer Text bzw. Aussagekomplex die gleichen Punkte erwähnt, allerdings viel umfangreicher und detaillierter. Für das Schwerpunktthema Frauenförderung wird zum Beispiel in einem Text bzw. Textsegment ausführlich zu einer bestimmten Handlung informiert, während ein anderer Text bzw. ein anderes Textsegment diese nur kurz anführt. Zu den möglichen Handlungen zählen beispielsweise: diverse Maßnahmen zur Frauenförderung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Telearbeit, die Förderung von Teilzeit auf allen Unternehmensebenen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Reintegration, Fortbildung und Wiedereinstellungsgarantie.

4 Thematische Kontrastierung

Bei der thematischen Kontrastierung werden die gleichen „Aspekte“ eines Themas in den Texten bzw. Aussagekomplexen präsentiert, jedoch mit wechselseitig verschiedenen inhaltlichen Informationen:

Thematische Kontrastierung zwischen zwei (oder mehreren) Texten liegt dann vor, wenn die Realisierung bzw. Füllung von gleichen Rollen des zugehörigen Makro-Rahmens durch textspezifische Prädikationen erfolgt, die wechselseitig verschiedene Informationen bzw. Argumente präsentieren. (Konerding 2007: 127)

Das heißt, die gleichen Slots desselben Makro-Rahmens sind auf unterschiedliche Weise belegt. Für die vorliegende Arbeit hieße das, dass ein Text etwas zu einer Forderung sagt, während ein anderer Text etwas Konträres dazu äußert. Bezogen auf das Beispiel Frauenförderung könnten beispielsweise folgende Forderungen thematisiert werden: der Ruf nach mehr Frauen in Führungspositionen, die Kritik an der Frauenquote sowie der Ruf nach mehr Frauenförderung durch die Selbstverpflichtung der Unternehmen.

Aus diesem Modell der intertextuellen Kohärenzbeziehungen lassen sich konkrete Handlungsanweisungen für die vorliegende linguistische Diskursanalyse ableiten. Konerdings (2005, 2007) Modell zeichnet sich durch den Rückgriff auf seine Theorie der Matrixframes (vgl. 1993) aus, die die thematischen Makro-Rahmen strukturiert. Die von Konerding aufgestellten HandlungsanweisungenFootnote 11 werden für die Analyse der vorliegenden Arbeit eingesetzt:

Wie in Konerding (2007) ausgeführt wurde, bietet der methodische Zugriff über Frames ein unvergleichlich starkes und zugleich kohärentes Instrument, um auf der Grundlage einer Operationalisierung von forschungspraktischen Begriffen wie ‚thematischer Kongruenz‘, ‚thematischer Variation‘, ‚thematischer Elaboration‘ und ‚thematischer Kontrastierung‘ die Dynamik einer Diskursentwicklung detailliert zu erschließen und in ihrem Verlauf methodisch kontrolliert zu modellieren. (Konerding 2009a: 172)

Die vorliegende Diskursanalyse knüpft, wie oben erwähnt, an das theoretische und methodische Fundament einer Diskursanalyse nach Konerding (2005, 2007) unter Einbezug eines korpusbasierten Ansatzes an. Die Handlungsanweisungen und damit konkreten Verfahrensschritte wurden entsprechend der Forschungsfrage wie folgt modifiziert und formuliert:

  1. 1.

    Bestimmung der Hauptthemen der diskurskonstituierenden Texte (als Makro-Proposition) und des dazugehörigen Matrixframes als Makro-Rahmen in Form von Nominalisierung sowie Zuordnung eines Matrixframes zur nominalisierten Makro-Proposition.

  2. 2.

    Bestimmung der Prädikationstypen (Makro-Rollen) des Makro-Rahmens.

  3. 3.

    Bestimmung der gemeinsamen Prädikationstypen (Makro-Rollen) und der konkreten Realisierung in Form von Prädikationsausprägungen (Rollenwerten) für die Makro-Propositionen (Hauptthemen) des Makro-Rahmens auf der Grundlage von Hyperonym-Relationen.

  4. 4.

    Bestimmung wechselseitig gemeinsamer und verschiedener Realisierungen (Rollenwerte) von gemeinsamen Prädikationstypen (Makro-Rollen).

  5. 5.

    Wiederholung des Verfahrens zur Überprüfung und Bestimmung von Prädikationstypen (Makro-Rollen) und Realisierungen (Rollenwerte) mit unterschiedlichen Hauptthemen sowie Ursachenforschung für diese unterschiedlichen Thematisierungen und Subthematisierungen. (In Anlehnung an Konerding 2005: 26 und 2007: 123, 128)

Die HandlungsanweisungenFootnote 12 dienen dazu, die zur Analyse ausgewählten Texte anhand des relevanten Makro-Rahmens vergleichend zu untersuchen. Im Rahmen der nachfolgenden Analyse soll Reduktion für Übersicht sorgen. Nachhaltigkeit als Untersuchungsgegenstand ist ein abstraktes Diskursthema, das in verschiedene Unterthemen unterteilt werden kann. Den einzelnen Unterthemen sind weitere Subthemen (beispielsweise Ereignisse und Handlungen) zuzuordnen, die zur Erreichung des gewünschten Zielzustands von Nachhaltigkeit führen sollen. Die Subthemen der Medientexte können entsprechend der Frame-Slot- bzw. Slot-Filler-Relationen des Matrixframes Zustand zum übergeordneten Thema in Beziehung gesetzt werden. Das heißt, die Texte und ihre Inhalte werden mithilfe des übergeordneten Matrixframes gebündelt und sortiert.

Die gemeinsame Themenspezifikation der Untersuchungstexte ermöglicht es, sprachliche Handlungen wie Bewertungen herauszuarbeiten. Zudem ist für die Recherche zentral, dass die recherchierten Texte die von Konerding aufgestellten intertextuellen thematischen Kohärenzbeziehungen aufweisen, was in den Untersuchungskorpora der vorliegenden Arbeit der Fall ist. Für die vorliegende Untersuchung werden Unternehmen ausgewählt, zu denen ausreichend unternehmerisches und mediales Forschungsmaterial vorhanden ist,Footnote 13 sodass das Untersuchungskorpus in Bezug auf die Verfügbarkeit und die Zugänglichkeit der Unternehmenstexte quasi vorbestimmt ist. Für die Konstitution des Medientextkorpus werden Suchanfragen (entsprechend des Diskursthemas und der eruierten Themen in den Unternehmenstexten) in den Archiven der Printmedien gestellt.Footnote 14 In der diskursanalytischen Frame-Analyse wird untersucht, wie sich herausgearbeitete Aspekte in den Texten manifestieren. Dabei wird die Frage nach thematischen Bezügen – wie oben aufgeführt – besonders berücksichtigt. Die Klärung der Kategorienbildung für die Korpuskonstitution und Analyse der Texte erfolgt im folgenden Kapitel.

2.3.2 Inhaltsanalyse: Explorationsphase und „Basiswissengeleitete offene Kategorienbildung“ nach Früh

Für die vorliegende Untersuchung wird die qualitative Textanalyse durch weitere Verfahren ergänzt, die entsprechend der Forschungsfrage modifiziert und weiterentwickelt werden. In der Untersuchung kommen Frames (vgl. dazu Abschnitt 2.2) sowie das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Früh (2007, 2011) zum Einsatz, das für die Korpuskonstitution und die zugehörige Kategorienbildung zentral ist.

In den Sozialwissenschaften werden komplexe inhaltliche Forschungsprojekte auf der Grundlage großer und aufwendiger Untersuchungskorpora durchgeführt, deren Diskurs- und Inhaltsanalysen auch für die Linguistik bedeutende Aspekte zur praktischen Umsetzung liefern. Daher wird in Anlehnung an Früh (2011) eine sozialwissenschaftlich geprägte Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand berücksichtigt. Bei Frühs Kategorienbildung handelt es sich zwar nicht um linguistische Kategorien, jedoch können sie für eine linguistische Vorgehensweise bei der Analyse von Themen nach Konerding (2005, 2007) angewandt werden. Die Kategorien können induktiv ermittelt werden, wobei ein strukturiertes Vorgehen erfolgt, das im Folgenden vorgestellt wird. Zentrale Arbeitsschritte bei der KorpuskonstitutionFootnote 15 sind die von Früh (2001, 2007) entwickelte „vorgeschaltete Explorationsphase“ der Inhaltsanalyse sowie die „Basiswissengeleitete offene Kategorienfindung“ (Bok).

Die BoK ermöglicht eine theoriegeleitete Kategorienbildung, wobei das Medientextkorpus ebenfalls materialgeleitet erstellt wird, indem das zur Verfügung stehende Datenmaterial aufgrund allgemeinen Basiswissens ausgewählt und reduziert wird. Es werden zuerst mithilfe des Basiswissens, also des allgemeinen Hintergrundwissens, der Forscherin zum Forschungsgegenstand bzw. zur Forschungsfrage erste Kategorien erstellt, die als Orientierung im Untersuchungsbereich dienen und bei der weiteren Korpuskonstitution für neue Suchanfragen angepasst werden (Früh 2007: 78 f.). Diese ersten erstellten Kategorien werden auf eine repräsentative Auswahl des Datenmaterials angewandt und daraus ableitend werden neue Unterkategorien erstellt und spezifiziert. Die empiriegeleitete Kategorienbildung ermöglicht eine Auswahl bzw. Erweiterung, Spezifizierung und Differenzierung der ersten Kategorien in Hauptkategorien und deren Unterkategorien, die das finale Kategorien- und Unterkategoriensystem bilden (vgl. Früh 2007).

Das von Früh (2001, 2007, 2011) entwickelte Verfahren ist für korpuslinguistische Arbeiten gewinnbringend, da es über den Ansatz von korpusbasierten (corpus-based) und korpusgesteuerten (corpus-driven) VerfahrenFootnote 16 hinausgeht (vgl. Bubenhofer 2009a, 2009b). Spitzmüller und Warnke (2011) zeigen, inwieweit eine korpusbasierte oder korpusgesteuerte Herangehensweise vorliegt. Die Kombination beider Möglichkeiten des Vorgehens – korpusbasiert und korpusgesteuert – ist bei der Korpuskonstitution sinnvoll (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 39). So werden Forschungshypothesen im Textkorpus überprüft (korpusbasiert) und umgekehrt beeinflusst das Datenmaterial die Kategorienbildung (korpusgesteuert) und berücksichtigt diskurskonstituierende Merkmale, die bei der vorherigen Kategorienbildung vielleicht nicht berücksichtigt wurden. Dies wird auch von Bubenhofer (2009) bekräftigt, der vorschlägt, zuerst korpusgesteuert das Textkorpus zu konstituieren, um anschließend Kategorien zu bilden. Dieses Vorgehen entspricht der von Früh (2001, 2007) aufgeführten Herangehensweise und wird daher auch bei der Kategorienbildung in dieser ArbeitFootnote 17 angewandt: Es wird zuerst korpusgesteuert das Textkorpus erstellt und in der anschließenden Analyse korpusbasiert vorgegangen. Auf diese Weise werden Kategorien gebildet, aus denen sinnstiftende Muster abgeleitet werden können, die es wiederum ermöglichen, thematisch relevante Äußerungen der Diskursteilnehmer zu rekonstruieren, vorausgesetzt sie sind in den Texten manifestiert. Mithilfe der Kategorienbildung kann die Komplexität des Untersuchungsthemas sinnvoll reduziert und das analytische Vorgehen durchführbar gemacht werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich bei der von Früh entwickelten Vorgehensweise um ein induktives Vorgehen handelt, das mit theoretischem Vorwissen zur Themabehandlung (Konerding 2005, 2007) umgesetzt wird. Die induktive Kategorienbildung ist die Grundlage für die anschließende systematisierte Analysebeschreibung. In Kapitel 2 wurden die theoretischen und forschungspraktischen Grundlagen zur Untersuchung des Diskursthemas „Nachhaltigkeit im Personalmanagement“ vorgestellt. Die Entstehung und Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs sowie dessen Bedeutung für nachhaltiges unternehmerisches Handeln, insbesondere in personalrelevanten Bereichen, werden im folgenden Kapitel erläutert.