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1 Das One Health Konzept

„One Health ist ein integrierter, vereinender Ansatz, der darauf abzielt optimale und nachhaltige Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen zu erreichen. Er erkennt an, dass die Gesundheit von Menschen, Haus- und Wildtieren, Pflanzen und der weiteren Umwelt (unseren Ökosystemen) eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sind.“ So definiert das One Health High Level Expert Panel OHHLEP die Verbindung zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. One Health ist damit ein ganzheitlicher, intersektoraler und transdisziplinärer Ansatz auch zur Vermeidung von Pandemien [1]. Eine sehr eingängige Darstellung zeigt Abb. 1, in der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt durch drei Kreise symbolisiert wird.

Abb. 1.
figure 1

Das One Health Konzept (Thddbfk/Wikimedia Commons)

Diese Kreise weisen bilaterale Überlappungen auf, umfassen aber in einer zentralen Schnittmenge den eigentlichen Bereich One Health. Diese Schnittmenge wird durch das Wachstum der menschlichen Population, die zunehmende Nachfrage nach Nahrung, darunter tierisches Protein, und die damit zusammenhängende Beeinflussung der Umwelt ständig umfangreicher. One Health bezeichnet also die Schnittstelle aller drei Sektoren, wobei die anderen Schnittstellen nicht außer Acht gelassen dürfen: die Schnittstelle Mensch-Tier als One Medicine, die Schnittstelle Tier-Umwelt und die Schnittstelle Mensch-Umwelt.

2 Zoonosen

Im Zentrum von One Health im Kontext von Infektionen stehen antimikrobielle Resistenzen und Zoonosen. Als Zoonosen werden Infektionen bezeichnet, die auf natürliche Weise zwischen Menschen und anderen Wirbeltieren übertragen werden. Der Begriff ‚Zoonose‘ beinhaltet dabei keine Richtung. Er beschreibt also die bidirektionale Infektion von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier. Es wurde immer wieder gefragt, wie es dazu kommt, dass Erreger plötzlich vom Tier auf den Menschen überspringen. Die Gegenfrage ist: Wieso denn nicht? Der Mensch ist biologisch Teil des Tierreichs und damit besteht keine besondere natürliche Barriere zwischen Mensch und Tier. So gesehen verwundert es nicht, dass viele der humanen Infektionen auf Erregern basieren, die aus dem Tierreich stammen.

Etwa 60 % der menschlichen Infektionskrankheiten sind tierischen Ursprungs und etwa 75 % der „Emerging Infections“, also der neu auftretenden Infektionskrankheiten, sind Zoonosen [2]. Laut Report der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services sind es größtenteils domestizierte Tiere – Nutztiere, domestizierte Wildtiere und Haustiere -, die bei der Übertragung von Zoonosen auf den Menschen eine wesentliche Rolle spielen. Dies ist vor allem durch die erhöhte Kontakthäufigkeit zu erklären [3].

COVID-19 ist nicht die erste, durch eine Zoonose ausgelöste Pandemie, sondern in der Menschheitsgeschichte hat es sie schon häufig gegeben. Hier einige Beispiele aus den vergangenen hundert Jahren [4]:

  • Spanische Grippe (1918–1919), die ihren Ursprung im Schwein hat.

  • Schweinegrippe (2009–2010), deren Erreger ebenfalls aus dem Schwein stammen.

  • Asiatische Grippe (1957–1958), bei der die Erreger aus dem Geflügel übergesprungen sind.

  • Hongkong Grippe (1968–1970), die vermutlich ihren Ursprung in Geflügel und Schwein hat.

Diese Beispiele zeigen, dass wir bei der Beobachtung besonders auf die domestizierten Tiere achten müssen, ohne Wildtiere zu vernachlässigen.

3 COVID-19, eine Zoonose

COVID-19, der Erreger der gegenwärtigen Pandemie, stammt wohl aus einem tierischen Reservoir aus Südchina. Höchstwahrscheinlich sind Hufeisennasen-Fledermäuse die ursprünglichen Wirte, da die genetisch engsten Verwandten von SARS-CoV-2 in diesen Tieren gefunden wurden. Wann, wie und wo die Viren auf den Menschen übertragen wurden, ist allerdings bisher nicht bekannt. Außerdem ist unklar, ob tierische Brückenwirte eine Rolle gespielt haben. Nach dem Übertritt in die menschliche Population hat sich der Erreger zunächst lokal ausgebreitet. Der internationale Reiseverkehr führte dann zu einer Menschen-gebundenen Pandemie.

Verschiedene Tierarten sind empfänglich für SARS-CoV-2 [5]. Infizierte Menschen können ihn somit wieder in das Tierreich zurück übertragen. Von da kann er dann erneut auf den Menschen überspringen. Dies ist ein Kreislauf wie bei vielen Zoonosen: ein Überspringen aus dem tierischen Reservoir auf den Menschen, Anpassung an den Menschen und nachfolgend die epidemische oder pandemische Ausbreitung mit einer Rückübertragung auf empfängliche Tiere.

Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat vor allem drei Fragen untersucht:

  • Sind Nutztiere empfänglich für das SARS-CoV-2-Virus und werden sie krank?

  • Können Tiere den Menschen anstecken?

  • Können Tiere als Modell für die Infektion des Menschen dienen? Die Antwort ist wichtig für die Entwicklung und Prüfung von Impfstoffen und Therapeutika.

Die Empfänglichkeit der verschiedenen Tiere für SARS-CoV-2 ist in Abb. 2 schematisch dargestellt. Die Tiere, die häufigen Kontakt zu Menschen haben, also Haus- oder Nutztiere, sind tendenziell eher auf der linken (grünen) Seite des Spektrums zu finden, also weniger empfänglich und damit „weniger gefährlich“ [6].

Abb. 2.
figure 2

Je weiter rechts sich ein Tier auf dieser Abbildung befindet, umso empfänglicher ist es für eine Infektion mit SARS-CoV-2 (Michelitsch et al. 2021: Advances in Virus Research) [2]

Für die Pandemie bedeutsam sind beispielsweise Nerze: Durch den Eintrag des Virus in Nerzpopulationen, die zur Pelzgewinnung gehalten werden, haben sich regionale Epizootien entwickelt, insbesondere in den Niederlanden und in Dänemark. Diese wurden mit den Mitteln der Tierseuchenbekämpfung bekämpft. Dokumentiert ist, dass Menschen durch Nerze, die den COVID-19-Erreger in sich trugen, infiziert wurden [7]. Dieser Virus wies Veränderungen auf, die sich – zum Glück – im Nachhinein als nicht so gravierend in der Ausprägung herausstellten, aber natürlich die Sorge wachsen ließ: Entwickelt sich in einer Nebenpopulation jetzt plötzlich eine neue Variante?

Ein ähnliches Beispiel war die Einfuhr von Goldhamstern von den Niederlanden nach Hongkong. Dort haben sich Menschen an infizierten Tieren mit der Delta-Variante angesteckt [8]. Das letzte Beispiel sind Populationen von wilden Hirschen in den USA, insbesondere Weißwedelhirsche, die mit SARS-CoV-2 durchseucht sind [9]. Da keine offensichtlichen Anpassungen des Virus stattgefunden zu haben scheinen, sind die Forscher noch nicht in großer Sorge [10]. Dies zeigt aber, dass auf diesen Bereich Tier und damit auch auf den Bereich Umwelt-Tier geachtet werden muss.

Der Mensch infiziert sich nicht nur mit Erregern aus dem Tierreich, sondern er überträgt auch Erreger zurück an die Tiere. Die Schweinegrippe von 2009 zum Beispiel, eine rein humane Pandemie, wurde von infizierten Menschen auf Schweine rückübertragen. Der Erreger (H1pdmN1pdm) trifft dort auf andere vorliegende (Schweine-)Influenzaviren. Es kommt zu einer Vermischung, das heißt, es entstehen neue Reassortanten (Varianten) – durchaus auch solche, die gefährlich werden könnten (Variants of concern) [11].

Es gibt nur Schätzungen, wie viele unerkannte Viren in der tierischen Population – nur den Säugetieren – noch schlummern. Diese reichen von rund 300.000 bis zu über 1.000.000. Auch hierzulande werden völlig neue, bisher unbekannte Seuchenerreger gefunden, wie etwa das Schmallenberg-Virus, das 2011 zum ersten Mal identifiziert wurde und sich in kurzer Zeit epizootisch über Europa ausgebreitet hat [12]. Glücklicherweise ist es ein reines Tierpathogen. Auch exotische Tiere können exotische Erreger tragen. Beispielsweise wurde am Friedrich-Loeffler-Institut vor sieben Jahren bei Bunthörnchen ein neuartiges Bornavirus entdeckt, das beim Menschen tödliche Enzephalitiden hervorrufen kann [13]. Bunthörnchen stammen ursprünglich aus Mittelamerika.

4 Prävention und Preparedness

Prävention bedeutet, dass die Übertragung von Viren von Tier auf Mensch – sogenannte spill-over events – inhibiert werden müsste. Dann könnte es nicht zu einer zoonotischen Infektion des Menschen kommen. Ich halte dieses Szenario für ausgeschlossen: Zoonotische Übergänge passieren ständig, da sie Teil der Natur sind. Erreger versuchen neue Wirtspopulationen zu erschließen, um sich weiter zu verbreiten. Der Mensch ist dabei ein äußerst attraktiver Wirt: Acht Milliarden Individuen, die sich durch den Prozess der Urbanisierung zu großen Ansammlungen zusammenfinden und die zudem sehr mobil sind, bieten optimale Bedingungen für eine großräumige Vermehrung. Es ist eine globale Herausforderung, diesen Prozess zu minimieren.

Der nächste Schritt zum besseren Umgang mit einer künftigen Pandemie wäre die Preparedness. Preparedness bedeutet: Vorbereitet sein, wenn es doch wieder passiert – und es wird wieder passieren.

5 One Health Initiativen in der Pandemie

Es gab in den letzten Jahren eine Vielzahl von Initiativen zur Etablierung des One Health Konzepts:

  • Das One Health High Level Expert Panel (OHHLEP) wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Welternährungsorganisation FAO, der Weltorganisation für Tiergesundheit WOAH (früher OIE) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP gegründet: Dieses internationale Gremium soll als zentrale Ansprechstelle und Hilfe dienen. Als erste Errungenschaft haben wir eine cosmozentrische One-Health Definition entworfen und an Stelle eines anthropozentrischen Weltbildes gesetzt.

  • Das Helmholtz-Institut für One Health (HIOH) in Greifswald wurde am 26.04. 2022 eröffnet. Es handelt sich um eine Institution, die von Gründung an das Prinzip One Health integriert und nicht erst später versucht, dieses Konzept zu bedienen.

  • Am FLI wurde im April 2020 ein Fachinstitut für Internationale Tiergesundheit/One Health gegründet.

  • Das Tiermedizinischen Zentrum für Resistenzforschung (TZR) an der Freien Universität Berlin ging an den Start: Auch das ist ein Zentrum für die Erforschung von One Health, unter Betrachtung vor allem der Problematik der Antibiotikaresistenzen.

  • Auch auf politischer Ebene wird das One Health Konzept behandelt. Während der G7 und G20 Präsidentschaften verschiedener Länder gab es Stellungnahmen zu diesem Thema, auch kürzlich von den G-7 Akademien Empfehlungen an die deutsche Ratspräsidentschaft.

  • Es existierte bereits eine Tripartite (Zusammenarbeit dreier Institutionen) für antibakterielle Resistenzen. Nun wurde auch ein Quadripartite für One Health aus WHO, WOAH, FAO und UNEP gegründet.