FormalPara Koordinierende_r Leitautor_in

Barbara Smetschka

FormalPara Leitautor_in

Dominik Wiedenhofer

FormalPara Beitragende_r Autor_in

Ulrike Pröbstl-Haider

FormalPara Revieweditorin

Ines Weller

FormalPara Zitierhinweis

Smetschka, B. und D. Wiedenhofer (2023): Freizeit und Urlaub. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

FormalPara Kernaussagen des Kapitels

Status quo

  • Die Klimafreundlichkeit von Freizeitaktivitäten und Urlaub hängt davon ab, wie klimafreundlich die dafür genutzten Verkehrsmittel, die gewählten Räumlichkeiten und ihre Energieversorgung sind, wie emissionsintensiv die dafür genutzten Sachgüter und Dienstleistungen bereitgestellt werden und welchen konkreten Tätigkeiten nachgegangen wird. (QV Mobilität und Wohnen) (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Der Treibhausgasfußabdruck von Freizeitaktivitäten ist in Bezug auf Einkommensgruppen ungleich verteilt. Wohlhabendere Haushalte sind tendenziell mobiler und haben eine konsumintensivere Freizeit- und Urlaubsgestaltung. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Die Digitalisierung von Freizeitaktivitäten nimmt zu. Die durch Internet- und Kommunikationstechnologien verursachten Klimaemissionen steigen. Für einen Vergleich von digitalen und nichtdigitalen Optionen muss man den gesamten Produktlebenszyklus und die Bereitstellung systematisch vergleichen. (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

  • Freizeitaktivitäten in der Landschaft sind durch den Klimawandel bereits betroffen. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

Notwendige Veränderungen

  • Freizeit und Erholung dienen der Regeneration und haben eine hohe Bedeutung für die wahrgenommene Lebensqualität der Menschen. Es ist wichtig, besonders ressourcen- und energieintensive Aktivitäten mit Erholungswert zu reduzieren und ressourcen- und energieschonende Aktivitäten zu wählen. Die Emissionsintensität von Mobilität stellt die stärkste Belastung für das Klima dar. Aber auch Güter und Dienstleistungen sind ausschlaggebend für die Klimafreundlichkeit von Freizeitaktivitäten und Urlaub. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Dienstleistungen können klimafreundlicher als Sachgüter sein, wenn die dahinterliegenden Produktionsnetzwerke und die Bereitstellung der Dienstleistung klimafreundlich erfolgen. Für Individuen ist die Klimafreundlichkeit einer Dienstleistung oft nicht einschätzbar. Daher braucht es Informationen und Lebenszyklusperspektiven im Design und klimafreundliche Energieversorgung. (hohe Übereinstimmung, schwache Literaturbasis)

Strukturen/Kräfte/Barrieren

  • Zeitdruck durch Erwerbs- und Sorgearbeit und Beschleunigung in Arbeitsleben und Alltag können klimaschädliches Freizeitverhalten als einfacheren und schnelleren Weg erscheinen lassen. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Gesellschaftliche Normen strukturieren Freizeitpraktiken entlang der Aufteilung von bezahlter Arbeitszeit und Sorgearbeit (oft genderspezifisch) und damit einhergehenden Doppelbelastungen bzw. der Bewertung von Work-Life-Balance. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Gesellschaftlich verbreitete Praktiken zu Freizeitgestaltungen sind zentral dafür, was als „normale“ bzw. akzeptable Tätigkeiten betrachtet wird und wie diese durchgeführt werden, z. B. Ferntourismus versus lokale/regionale Erholung oder Radfahren versus Motorradfahren als Hobby. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

Gestaltungsoptionen und Verbindungen zu anderen Handlungsfeldern

  • Effiziente, qualitativ hochwertige und langlebige Produkte, die man auch teilen und reparieren kann, sind für eine klimafreundliche Freizeit ebenso notwendig wie die Abkehr von Geschäftsmodellen, welche auf der Beschleunigung von Produktlebenszyklen basieren, wie beispielsweise „Fast Fashion“ oder die rasche Obsoleszenz von Smartphones. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

  • Zeitsouveränität und mehr Freizeit könnte zu weniger Zeitdruck und mehr Wohlbefinden bei einem niedrigeren Treibhausgasfußabdruck führen, wenn diese Praktiken wenig bzw. emissionsfreie Mobilität benötigen, Wohnräume emissionsfrei betrieben werden und die sonstigen involvierten Produkte effizient sind und lange genutzt bzw. repariert werden. (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis)

9.1 Einleitung

Für den vorliegenden Bericht betrachten wir pragmatisch alle Freizeitaktivitäten, welche Erholung, Unterhaltung, Hobbys, Sport, Geselligkeit, Teilnahme an Kulturveranstaltungen, Gartenarbeit, Haustiere, die Nutzung von Informations- und Kommunikations-Technologien (IKT) und digitalen Dienstleistungen umfassen. Urlaube beschreiben wir als besondere Freizeit, welche hoch klimarelevant sein kann. Zum Thema Urlaub gibt es einen eigenen APCC Special Report „Tourismus und Klimawandel in Österreich“ (Pröbstl-Haider, Lund-Durlacher, et al., 2021), daher geben wir an dieser Stelle eine konzise Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse zur klimafreundlicheren Urlaubsgestaltung komplementiert mit aktueller Review-Literatur. Im Kapitel Sorgearbeit wurde ausgeführt, dass der Kauf von Kleidung, Einrichtungs- und Haushaltsgegenständen sowie von Körperpflegeprodukten notwendig sind für die Versorgung und Pflege von Personen. In diesem Kapitel fokussieren wir auf alle Tätigkeiten, die der Erholung dienen und damit auch wichtig für die persönliche Entwicklung und Reproduktion, für die körperliche und psychische Gesundheit, für die persönliche Horizonterweiterung und den Kulturaustausch sowie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die gemeinschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft sind. Wir fassen zusammen, wie die Literatur die Klimaschädlichkeit von Freizeitaktivitäten sowie von Urlauben beschreibt, und arbeiten heraus, welche Strukturen und Handlungsmöglichkeiten für klimafreundliche Freizeit- und Urlaubsgestaltung identifiziert werden können. Wir beschreiben anhand des aktuellen Standes der Forschungsliteratur die Herausforderungen, Barrieren und Handlungsoptionen für klimafreundliche Freizeitgestaltung und Urlaube.

Die Gestaltung von Freizeit und Urlauben werden stark durch andere Lebensbereiche mitbestimmt, welche in den bisherigen Kapiteln ausführlich diskutiert wurden. Zentrale Herausforderungen und Möglichkeiten für ein klimafreundliches Freizeit-, Urlaubs- und Konsumverhalten finden sich somit auch bei den strukturellen Bedingungen der involvierten Mobilität und Transporte [siehe Kap. 6 Mobilität], der genutzten Räumlichkeiten [Kap. 4 Wohnen] sowie der noch vorhandenen und verfügbaren Zeit nach bezahlter [Kap. 7 Erwerbsarbeit] und unbezahlter [Kap. 8 Sorgearbeit] Arbeit. Die Handlungsfelder werden in ihrer Zuordnung zu Zeitverwendungskategorien und ihren Querverbindungen im Überblick dargestellt [Vergleiche Abb. 3.2 in Kap. 3 Überblick Handlungsfelder].

Die konkreten Mobilitätsinfrastrukturen und Freizeitoptionen im zeitlich, finanziell und räumlich erreichbaren Umfeld der Haushalte sind ebenso wie das noch verbleibende Einkommen für all diese Aktivitäten ausschlaggebend dafür, wie klimafreundlich in Freizeit und Urlaub gelebt werden kann. Der Grad der Verpflichtung bestimmt auch die täglichen Entscheidungen zur Zeitverwendung (siehe Abb. 9.1). Dabei sind auch soziale und kulturelle Faktoren (Normen, Moden, gesellschaftliche Trends und Lebensstile) für eine mehr oder wenige klimafreundliche Gestaltung von Freizeitaktivitäten bestimmend. Daraus ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen. So haben beispielsweise berufstätige Frauen, auch durch die bestehenden sozialen Normen, vielfach mehr Sorgearbeit zu erledigen und damit weniger Dispositionszeit, d. h. weniger Freizeit (Smetschka et al., 2019; Unbehaun, 2017) [QV Kap. 8 Sorgearbeit und Kap. 7 Erwerbsarbeit].

Abb. 9.1
figure 1

Zeit nach Verfügungsgrad. Nach den Verpflichtungen zu bezahlten und unbezahlten Arbeitstätigkeiten, wie Kochen, Körperhygiene und Versorgung Dritter, bleibt zur freien Disposition unterschiedlich viel Freizeit übrig. (Verändert nach (Ammer & Pröbstl, 1991))

Die Bewertung der Klimafreundlichkeit von Freizeit und Urlauben bringt eine Reihe von wissenschaftlichen Herausforderungen mit sich, die sich dadurch ergeben, dass ein Großteil des Energie- und Ressourcenverbrauchs und somit der klimaschädlichen Emissionen indirekt in der Produktion und bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen anfällt [vergleiche Abschn. 1.3, Ivanova, 2017]. Dies macht die notwendige komparative Bewertung von Alternativen methodisch äußerst komplex und Ergebnisse verschiedener Studien und Methoden sind meist nicht direkt vergleichbar (siehe Abschn. 3.1 Einleitung Exkurs Box). Zu berücksichtigen ist jedenfalls, dass Einsparungen von Zeit und/oder Geld oft zu Rebound-Effekten führen („Jevons Paradoxon“). Dies bedeutet, dass eingespartes Geld oder eingesparte Zeit emissionsintensiv verwendet werden kann und damit direkte oder indirekte Problemverlagerungen sowie geringere Emissionseinsparungen als erwartet entstehen können (Gillingham et al., 2016; Sorrell et al., 2020). Dies macht die wissenschaftliche Bewertung der Klimafreundlichkeit konkreter Optionen und vor allem der systemischen Konsequenzen transformativer Interventionen äußerst schwierig, da diese Frage mehrere Forschungsfelder betrifft und eine Vielzahl interdisziplinärer Forschungslücken und blinder Flecken etablierter Ansätze sichtbar werden (Asefi-Najafabady et al., 2021; Creutzig et al., 2021; Keen, 2021; Pauliuk et al., 2017).

9.2 Status quo und Klimaherausforderungen

Die Freizeitforschung zeigt, dass die Aktivitäten in der Freizeit vor allem durch passive Mediennutzung und Telefonie geprägt sind, mit großer Bedeutung von Mobiltelefonie (87 Prozent mehrfach in der Woche) und Fernsehen (84 Prozent mehrfach in der Woche). Bis zur Pandemie konnte auch eine Zunahme von Lokalbesuchen und Essengehen als Aktivitäten in der freien Zeit festgestellt werden. Sportliche Aktivitäten und Radfahren bleiben (mit ihrem Anteil von rund 30 Prozent mehrfach in der Woche) dagegen über die Jahre unverändert. Die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen (Theater, Kino, Konzert, Oper, Museum zwei bis sechs Prozent) nimmt einen sehr geringen Anteil ein, der im langjährigen Vergleich auch tendenziell abgenommen hat (Zellmann & Mayrhofer, 2019).

Freizeitaktivitäten können im Hinblick auf ein klimafreundliches Leben von sehr hoher Relevanz sein, da diese beispielsweise mit sehr hoher oder sehr geringer Emissionsintensität verbracht werden können. Offensichtliche Beispiele sind der Wochenend-Städtetrip mit dem Flugzeug versus Geselligkeit mit Freund_innen und Familie im autofrei erreichbaren Umfeld der Wohnung. Die CO2-Intensität der Freizeit entsteht dabei aus der Kombination der konsumierten Sachgüter und Dienstleistungen, den damit verbundenen globalen Produktionsketten und deren Ressourcenverbrauch (Plank et al., 2020; Steininger et al., 2018), der involvierten Mobilität und dem sonstigen Energieverbrauch, z. B. Strom und Raumwärme. Der Treibhausgasfußabdruck österreichischer Haushalte im Bereich Freizeit, Urlaub und sonstiger Konsum macht etwa 24 Prozent des gesamten Haushalts-Treibhausgasfußabdrucks für das Jahr 2010 aus (Smetschka et al., 2019). Die Konsumbereiche Gastronomie, Sport-, Freizeit- und Kultur-Veranstaltungen sowie Urlaube, Bekleidung und Schuhe machen dabei den Großteil des Fußabdrucks aus (Tab. 9.1). Bekleidung und Schuhe könnten neben dem Konsum in diesem Kapitel auch der notwendigen Versorgung im Abschn. 3.6 zugeordnet werden – eine Unterscheidung nach notwendigen und zusätzlichen Produkten ist methodisch nicht möglich.

Tab. 9.1 CO2-Fußabdruck des Konsums österreichischer Haushalte im Jahr 2010 nach Konsumkategorien im Freizeitbereich. (Eigene Darstellung nach (Smetschka et al., 2019))

Die Klimafreundlichkeit einzelner Freizeitaktivitäten ist in Dimension und Intensität von Konsum- bzw. CO2-Fußabdruck sehr variabel (Abb. 9.2). Für österreichische Haushalte wurde für das Jahr 2010 berechnet, dass der konsumbasierte CO2-Fußabdruck der Alltagsfreizeit sehr unterschiedlich ausfallen kann (Smetschka et al., 2019). Ein vergleichbares Bild zeigt sich auch in der spärlichen internationalen Literatur, die sowohl Zeit als auch Emissionsfußabdruck untersucht (Brenčič & Young, 2009; De Lauretis et al., 2017; Druckman et al., 2012; Jalas, 2002; Jalas & Juntunen, 2015; Schipper et al., 1989; Yu et al., 2019). In der Studie für Österreich wurde der gesamte Haushaltskonsum und dessen globale CO2-Fußabdrücke des Jahres 2010 doppelzählungsfrei verschiedenen Zeitverwendungen zugewiesen; nicht erfasst sind hier jedoch Ausgaben für beispielsweise Geräte oder auch Infrastrukturen aus Vorjahren, genauso wie staatliche Leistungen und indirekt anfallende Investitionstätigkeiten exkludiert sind. Inkludiert sind bei der Berechnung der CO2-Intensität je Stunde alle globalen Emissionen, welche österreichischen Haushalten in einer konsumbasierten Perspektive im Jahr 2010 direkt und indirekt zugewiesen werden können. Der Fußabdruck des Wohnens wurde allen Tätigkeiten, welche zu Hause erfolgen, anteilsmäßig zugeordnet. Emissionen für Mobilität werden hier nicht dargestellt.

Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck pro Stunde verschiedener Aktivitäten durchschnittlicher Österreicher_innen wird somit durch die dafür notwendige Mobilität, den dabei anfallenden Energieverbrauch (z. B. Strom für Geräte) sowie die direkt und indirekt konsumierten Güter und Dienstleistungen bestimmt (z. B. Kauf von Geräten, Kleidung, Nutzung von bestehenden Infrastrukturen, Konsum von freizeitbezogenen Dienstleistungen etc.). Im österreichischen Durchschnitt des Jahres 2010 ergibt sich die Reihung von Freizeitaktivitätsbereichen nach deren durchschnittlicher CO2-Intensität pro Stunde [QV Kap. 3 Überblick Handlungsfelder]: Hobbys und Spiele; (Kultur-)/Veranstaltungen; Lesen; Haustiere; TV, Video, Musik; Zeit mit Freund_innen und Nachbar_innen; Sport/Erholung im Freien, Essengehen. Je nach durchschnittlicher Zeit für diese Tätigkeiten pro Tag ergibt sich ein sehr unterschiedlicher Anteil des CO2-Fußabdrucks. Der prozentuelle Anteil des CO2-Fußabdrucks ist bei Hobbys, Essengehen und (Kultur-)Veranstaltungen viel höher als ihr zeitlicher Anteil (Abb. 9.2). Die insgesamt dafür verwendete Zeit ist jedoch relativ gering. Grundsätzlich zeigt sich hier eine große Forschungslücke, da ein starker Einfluss sozioökonomischer, demografischer und infrastruktureller Faktoren zu erwarten ist und für manche Bereiche somit substanzielle Bandbreiten an Emissionsintensitäten pro Aktivitäten möglich sind.

Abb. 9.2
figure 2

Durchschnittlicher CO2-Fußabdruck verschiedener Gruppierungen von Freizeitaktivitäten österreichischer Haushalte für das Jahr 2010 in kg CO2e/Stunde. Je nachdem ob Aktivitäten zu Hause oder woanders stattfinden, kommen Emissionen für das Wohnen bzw. Mobilität dazu. (Eigene Darstellung nach (Smetschka et al., 2019))

Viele der beschriebenen Aktivitäten erfordern Zeit von Einzelpersonen, um sich zwischen den Orten, an denen diese Aktivitäten stattfinden, zu bewegen. Mobilität ist in der Regel kein Ziel an sich, außer beispielsweise beim Radfahren, Wandern oder Joggen, sondern dient meist dem Zugang und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Während Mobilität einen vergleichsweise geringen Anteil am Zeitbudget hat, verursacht sie einen sehr hohen CO2-Fußabdruck pro Stunde (Smetschka et al., 2019). Klimafreundliche Mobilität ist daher auch für Freizeit und Urlaube zentral, worauf wir in Abschn. 3.3 gesondert eingehen [QV Kap. 6 Mobilität]. Die erforderliche Mobilität, um beispielsweise eine Freizeitaktivität wie Spazierengehen im Park auszuüben, ist geringer, wenn die Versorgung mit Grünstrukturen, aber auch mit freizeitrelevanten Strukturen gleichmäßig über den Siedlungsraum verteilt ist. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist vor allem die Versorgung mit Grünflächen als zentraler Beitrag zu Lebensqualität, Freizeitnutzung und Kinderspiel erkannt worden.

Klimafreundliches Wohnen und Energieversorgung, vor allem Strom und Raumwärme, sind weitere zentrale Punkte für eine klimafreundliche Freizeit. Freie Zeit wird überwiegend zu Hause bzw. in Gebäuden verbracht und deren Betrieb, Erhaltung und Bau verursacht substanzielle Emissionen (Smetschka et al., 2019). Auf klimafreundliches Wohnen wird im Abschn. 3.2 gesondert eingegangen [QV Kap. 4 Wohnen].

9.3 Barrieren und Herausforderungen

Wir diskutieren hier aktuelle Literatur, die sich mit Barrieren und Herausforderungen für klimafreundlicheres Alltagsleben und Konsum in verschiedenen freizeitrelevanten Bereichen beschäftigt. Einkaufen und Nutzung vor allem von Bekleidung, Elektronik und Ähnlichem ist für viele Menschen ein wichtiger und teilweise essenzieller Teil ihrer Freizeitbeschäftigung. Zahlen zum Ausmaß variieren aber sehr stark, da die Unterscheidung zwischen „notwendigem“ Einkauf und Einkaufen als Freizeiterlebnis methodisch nicht einfach und eine sehr subjektive Bewertung ist (Statistik Austria, 2009; Zellmann & Mayrhofer, 2019). Die in Abb. 9.2 gezeigten CO2-Fußabdrücke verschiedener Freizeitaktivitäten zeigen einen österreichischen Durchschnitt; je nach konkreter Ausgestaltung der Aktivitäten und deren Konsumintensität sind hohe Bandbreiten an Emissionsintensitäten zu erwarten, welche jedoch bisher nicht systematisch bzw. ganzheitlich untersucht wurden. Die weitere Diskussion von Barrieren und Herausforderungen erfolgt daher nach ausgewählten Konsumbereichen und der Inhalte der jeweils spezifischen Literatur.

9.3.1 Digitalisierung, IKT und TV, Video und Musik

Nachdem im Freizeitbereich die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) erheblich an Bedeutung gewonnen hat, beginnt auch eine Diskussion ihrer Klimafreundlichkeit. Insbesondere die Digitalisierung von Freizeitaktivitäten macht dieses Thema zu einem dynamischen und komplexen Forschungsfeld. Es müssen sowohl hochkomplexe globale Produktions- und Lieferketten, globale Kommunikationsinfrastrukturen, unterschiedlich voranschreitende Dekarbonisierung der nationalen Energieversorgungen und ein rasantes Nachfragewachstum bewertet werden (Belkhir & Elmeligi, 2018). Was IKT-Produkte betrifft, zeigt sich in der Literatur, dass (1) der Betrieb von Datenzentren und Kommunikationsinfrastrukturen, (2) die Produktion von IKT-Produkten und (3) speziell der rasant wachsende Markt für Smartphones zentrale Herausforderungen sind (Belkhir & Elmeligi, 2018; Clément et al., 2020; Cordella et al., 2021). Kurze Produktlebenszyklen und geringe Reparaturfähigkeit sind generell und speziell bei Smartphones ein zentrales Problem, welches zum Teil durch die Geschäftsmodelle der Netzbetreiber verstärkt und stabilisiert wird (Belkhir & Elmeligi, 2018; Cordella et al., 2021). Generell benötigt es also eine rasche Dekarbonisierung der Energieversorgung sowie höhere Standards bezüglich Energieeffizienz, Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und eine Eindämmung von Geschäftsmodellen, welche auf der Beschleunigung von Produktlebenszyklen aufbauen.

Die Digitalisierung einzelner Freizeitaktivitäten ist in Bezug auf ihre Klimafreundlichkeit nicht klar bewertbar, da die Bereitstellung nichtdigitaler Optionen genauso Emissionen verursacht. Die vorhandenen quantitativen Studien nutzen vor allem die Methode der Lebenszyklusanalyse, um den Energiefußabdruck zu vergleichen (siehe QV Kap. 3 Überblick Handlungsfelder für einen kurzen Aufriss der methodischen Limitationen). In einem Review dieser Studien (Court & Sorrell, 2020) wurden folgende fünf Bereiche unterschieden: „e-publications“ (e-books, e-magazines and e-journals), „e-news“, „e-business“, „e-music“ und „e-videos and games“. Potenzielle direkte Energieeinsparungen werden bei e-publications, e-news und e-music gefunden, geringere Potenziale bei e-business und e-videos and games. Zentrale, aber notwendige Annahmen für die Bewertung beeinflussen die Ergebnisse dieser Studien substanziell und können auch Nettoerhöhungen des Energieverbrauchs durch Digitalisierung ergeben („backfire“). Diese Annahmen umfassen die Lebensdauer der Produkte, deren Energieeffizienz, die partielle Substitution von Mobilität sowie die Anzahl der Nutzer_innen, welche sich Dienstleistungen und Sachgüter teilen. Alle begutachteten Studien ignorieren außerdem Rebound-Effekte, was bedeutet, dass potenzielle Energieeinsparungen durch Digitalisierung meist überschätzt sind (Sorrell et al., 2020). Ein direkter Rebound-Effekt für digitalen Medienkonsum wäre beispielsweise, dass Streaming-Dienste aufgrund ihrer Preisgestaltung (Abo statt Einzelkauf) und aufgrund ihrer Effizienz und großen Auswahl viel intensiver und häufiger genutzt werden, als das bei DVDs, CDs, Radio und Kino der Fall war. So kann z. B. Streaming von Internet-Inhalten dazu führen, dass zwar weniger DVDs und CDs produziert werden und eventuell auch etwas Individualverkehr für Einkäufe oder Kinobesuche eingespart wird, jedoch die Menge an konsumierten bzw. gestreamten Medieninhalten massiv zunimmt. Ein indirekter Rebound-Effekt könnte dann beispielsweise sein, dass zusätzlich regelmäßig leistungsfähigere Streaming-Geräte, z. B. in Form eines Heimkinos oder eine Vielzahl von Smartphones und Tablets, gekauft werden (Santarius et al., 2016). Für die Klimafreundlichkeit von Digitalisierung und IKT sind daher die zentralen Faktoren (1) klimafreundliche Energie- bzw. Stromversorgung sowohl der Produktion der Güter und Dienstleistungen als auch von IKT-Infrastrukturen des Internets, (2) die Entschleunigung von Produktlebenszyklen durch Reparaturfähigkeit und Upgrade- und Support-Garantien sowie (3) das Volumen der konsumierten Güter und Dienstleistungen ausschlaggebend (Court & Sorrell, 2020; Reisch et al., 2021).

Der steigende Zeitanteil mit Mediennutzung in der Freizeit in Österreich gehört zu den Herausforderungen des Energieaufwandes im Freizeitbereich. Der Bedarf an Kapazitäten zur Datenverarbeitung ist stetig gewachsen. Die Rundfunk und Telekom Regulierung Österreichs (RTR) berichtet über jährlich starke Anstiege im Datenvolumen. So hat sich das Datenvolumen von 2016 auf 2017 verdreifacht und macht 2020 bereits die 12-fache Menge von 2016 aus (GfK, 2020). Dies zeigt auch der Umfang der Mediennutzung in der Freizeit. Der zunehmende Anteil von Streaming-Diensten und die rasanten Entwicklung und Verbreitung von immer größeren und leistungsstärkeren Endgeräten hat Folgen im Hinblick auf den Energieverbrauch und die Emissionen. Das Video-Streaming nimmt mit einem Anteil von ca. 80 Prozent am Gesamtvolumen des Datenverkehrs die Spitzenposition ein (Cisco, 2019; Cook, 2017). Erhebliche Unterschiede in der Art der Nutzung und dem Verbrauch ergeben sich nach Altersgruppen: Die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland schaut mehr Filme und Videos über das Internet (64,4 Prozent) als im Fernsehen (31,9 Prozent), während sich die 30- bis 49-Jährigen 59,3 Prozent der Filme und Sendungen im Fernsehen ansehen (GfK, 2021).

9.3.2 Urlaub

Die Klimafreundlichkeit von Urlauben wird in der Literatur vor allem aufgrund der dabei anfallenden Mobilität bewertet, daneben auch anhand der direkten und indirekten Emissionen des Gastgewerbes, der konsumierten Lebensmittel sowie sonstiger gekaufter Güter, Dienstleistungen und der genutzten Infrastrukturen (Lenzen et al., 2018). Urlaube zeigen global eine sehr hohe Wachstumsdynamik und werden hauptsächlich durch Menschen aus wohlhabenden Ländern bzw. der sich entwickelnden globalen Mittelschicht konsumiert. Der globale Treibhausgas-Fußabdruck des Tourismus wurde erstmals für das Jahr 2013 mit acht Prozent der globalen Emissionen berechnet, wobei Mobilität inkludiert ist (Lenzen et al., 2018). In der Literatur hat sich inzwischen ein Spektrum an Emissionsstatistiken und Bewertungsmethoden entwickelt (Sun et al., 2020).

Spezifische Urlaubsformen können besonders emissionsintensiv sein, beispielsweise Kreuzfahrten (Eijgelaar et al., 2010; Wondirad, 2019), Flugreisen oder der beginnende Weltraumtourismus (Spector & Higham, 2019). In der Literatur zeigt sich, dass Langstreckenflugreisen hauptsächlich bei wohlhabenden Stadtbewohner_innen bzw. in den oberen Einkommensgruppen konsumiert werden, welche zwar im Alltag klimafreundlich mobil sein können, aber dafür klimaschädliche Urlaube überproportional viel konsumieren (Czepkiewicz et al., 2018). Erklärungsansätze gibt es unter anderem im Rebound-Effekt, beispielsweise durch Geldersparnisse durch automobilarme Alltagsmobilität und dem leichten Zugang zu Flughäfen. Es wird auch eine Kompensationshypothese diskutiert, wo beispielsweise vermeintlich klimafreundlicheres oder „grüneres“ Verhalten im Alltag mit einem urbanen und oft international ausgerichteten Lebensstil kombiniert ist, was dann Langstreckenreisen rechtfertigt (Jourdan & Wertin, 2020; Kim et al., 2020; Sharpley, 2020).

Die Beschleunigung und Verkürzung von Urlauben in Österreich und global steigender Wohlstand bei gleichzeitig wahrgenommenem Zeitdruck intensivieren die Konsum- und Emissionsintensität von Urlauben. Wichtige Segmente des Tourismus sind neben Erholung vor allem Kongress-, Kultur- und Gesundheitstourismus. Diese Bereiche, die mit Alter und Wohlstand der Bevölkerung wachsen, werden mit ihrer Klimawirkung und möglichen Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen erst kürzlich intensiver untersucht (Zheng et al., 2022). Verzerrte Preise der Mobilität und geförderte Tourismusindustrie bzw. Abhängigkeit ganzer Regionen machen Veränderungen schwierig (Gao & Zhang, 2021; Shaheen et al., 2019). In der Literatur wird eine Reihe von Phänomenen thematisiert, welche für die Klimawirkung von Urlauben besonders problematisch sein können, z. B. „last chance tourism“ zu rapide abschmelzenden Antarktis-Gletschern (Eijgelaar et al., 2010) oder anderen schwindenden Naturschauspielen, sowie „overtourism“ an global beworbenen Orten (Rico et al., 2019). Bedenklich ist, dass klimafreundliches Alltagsverhalten im Urlaub teilweise auch schon einmal „pausiert“ wird, da lokales Wissen um Möglichkeiten fehlt und auch Urlaub von der Alltagsdisziplin gesucht wird (Barr et al., 2010). Tourismusspezifische Infrastrukturen und dezidierte Siedlungsgebiete bzw. Wohnformen (Hotelanlagen, Ferienhaussiedlungen etc.) können hier strukturell klimarelevant werden, je nachdem wie die lokalen Rahmenbedingungen (Energieversorgung, Baunormen, Raumplanung, Mobilität etc.) gestaltet sind (Gössling & Lund-Durlacher, 2021). Es zeigt sich insgesamt, dass neben Mobilität auch die Beschleunigung bzw. Intensivierung von Urlauben, d. h. kürzere Aufenthaltsdauern, eine Herausforderung für Klimafreundlichkeit sind.

Der APCC Special Report „Tourismus und Klimawandel in Österreich“ fokussierte auf die Situation in Österreich und die Rolle der Aktivitäten im Sommer und Winter sowie von Events und Veranstaltungen (Pröbstl-Haider, Lund-Durlacher, et al., 2021). Lund-Durlacher et al. (2021) betrachteten dabei auch die Rolle der gastronomischen Services. Gössling & Lund-Durlacher (2021) haben darüber hinaus auch die Bedeutung der Unterbringung in diesem Zusammenhang für Österreich untersucht und erhebliches Energieeinsparungspotenzial aufgezeigt. Generell zeigt sich auch in Österreich, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 4,9 Nächten im Jahr 1990 auf 3,3 Nächte im Jahr 2018 gesunken ist, also um 32 Prozent (Statistik Austria, 2019). Wenn die Bettenauslastung aus wirtschaftlichen Gründen gleichbleiben soll, bedeutet das, dass mehr Menschen anreisen müssen, um eine gleichbleibende Wertschöpfung zu erzielen. Eine wesentliche Ursache dafür, dass die Situation im Tourismus in Österreich als wenig zufriedenstellend eingeschätzt wird, liegt daran, dass es aktuell für die Branche noch kaum verbindliche Vorgaben für eine sukzessive Emissionsreduktion gibt (Prettenthaler et al., 2021).

Neben dem Tourismus sind auch viele Freizeitaktivitäten in der Landschaft durch den Klimawandel betroffen. Wesentliche Betroffenheiten lassen sich wie folgt zusammenfassen (Pröbstl-Haider, Lund-Durlacher, et al., 2021): Die Auswirkungen von kleinräumigen Extremwetterereignissen (Stürmen, Starkregen, Sturzfluten, Überschwemmungen, Hangrutschungen und Murenabgängen) stellen eine unmittelbare Gefahr für die Infrastruktur für Freizeit und Tourismus dar. Weiterhin wurde festgestellt, dass Outdoor-Aktivitäten im Sommer und Winter besonders betroffen sind. So besteht eine hohe Abhängigkeit des wintertouristischen Angebots von Schnee und Eis. Anpassungsmaßnahmen durch Beschneiung sind zukünftig nur eingeschränkt möglich, weil die Zeiträume, in denen die Technik effizient eingesetzt werden kann, kürzer werden. Die Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die Zunahme des Risikos bei sommertouristischen Aktivitäten für den Gast unzureichend erforscht sind. Eine Zunahme an Risiken werden im Bereich Klettern und Hochtouren durch Rückgang des Permafrosts, bei allen Flugsportarten durch kleinräumige Extremereignisse, veränderte Windverhältnisse und Thermik sowie im Bereich der Wassersportarten aufgrund niedriger Wasserstände erwartet. Spezifische Informationen für Gäste sind derzeit nicht verfügbar. Vorsorge- und Rettungseinrichtungen erfordern ebenfalls eine Überprüfung, um den zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können.

Belastungen für den Gast ergeben sich auch durch eine Veränderung der biologischen Verhältnisse, insbesondere durch Zunahme von Schadinsekten, Zunahme von Algenwuchs in erwärmten Gewässern sowie durch die Ausbreitung von Neophyten und allergenen Pflanzen. Bei allen Aktivitäten in der freien Landschaft können erhebliche gesundheitliche Belastungen durch Hitze ausgelöst werden. Dies betrifft in besonderem Maße auch den Städtetourismus und Events im Sommer.

9.3.3 Gastronomie

Zu Freizeitaktivitäten rund um das Essen, Essengehen und kulturelle Veranstaltungen zeigt sich: Während sich die internationale freizeitbezogene Energieforschung vor allem im englischsprachigen Raum in den letzten zehn Jahren mit den Folgen des Auswärtsessens („trend to eating-out“) beschäftigte, setzt sich die aktuelle Forschung mit den Konsequenzen des zunehmenden Essenslieferservices und dessen Umweltauswirkungen auseinander. Forschungsarbeiten aus Japan (Kanemoto et al., 2019) zeigen, dass durch das Essengehen mehr Emissionen entstehen als durch den Fleischkonsum selbst (770 kg versus 280 kg Treibhausgas-Fußabdruck pro Jahr). Der Trend, einen Lieferservice in Anspruch zu nehmen, hat durch die Pandemie erheblich zugenommen und ist Teil eines urbanen Lebensstils, dessen Wirkungen vielfach unbekannt sind. Laut einer Forsa-Umfrage kaufen in Deutschland zwei Drittel der Menschen unter 30 Jahren mindestens einmal im Monat Essen zum Mitnehmen in Einwegverpackungen in Restaurants oder bei Lieferservices (Forsa, 2021).

Der Beitrag der Gastronomie zu nachhaltiger gesellschaftlicher Entwicklung aufgrund der Forderung an Unternehmen, Verantwortung für die sozialen und ökologischen Bedingungen entlang der Wertschöpfungskette zu übernehmen, wird in einem Leitbild beschrieben (Göbel et al., 2017).

9.3.4 Bekleidung

Bekleidung und speziell die rasante Entwicklung von Fast-Fashion-Geschäftsmodellen in Österreich und international verursachen etwa zwei Prozent des globalen Ressourcenverbrauchs und der klimaschädlichen Emissionen, speziell in den produzierenden Ländern des globalen Südens (Niinimäki et al., 2020; Peters et al., 2021). Über verschiedene methodische Ansätze und Publikationen hinweg zeigt sich, dass der eindeutige Großteil der Emissionen und des Ressourcenverbrauchs während der Produktion von Bekleidung anfällt; Transporte und Abfallmanagement fallen bisher wenig ins Gewicht, während das Waschen und Trocknen durch Haushalte einen mittleren Anteil hat (Niinimäki et al., 2020; Peters et al., 2021). Während die Energie- und Materialeffizienz in globalen Produktionsketten substanziell gesteigert werden konnte, ist der Verbrauch bzw. Konsum von Bekleidung viel stärker gewachsen (Niinimäki et al., 2020; Peters et al., 2021). Hierbei spielt speziell das Phänomen „Fast Fashion“ eine zentrale Rolle, da wachsender Konsum und immer kürzere Lebenszeiten von Bekleidungsprodukten bei geringer Haltbarkeit und Reparierbarkeit das Volumen der Produktion und somit der anfallenden Emissionen insgesamt antreibt (Niinimäki et al., 2020; Peters et al., 2021). Dies bedeutet, dass für klimafreundliche Bekleidung eine Dekarbonisierung der Energieversorgung in der Produktion, die weitere Steigerung der Produktionseffizienz, eine Vermeidung von Flugtransporten und Abkehr von Fast-Fashion-Geschäftsmodellen sowie Schwerpunktsetzungen auf weniger, aber dafür qualitativ hochwertigere und langlebigere Bekleidungsprodukte zentral sind.

9.3.5 Haustiere

Haustiere erfreuen sich einer hohen Beliebtheit, können jedoch einen substanziellen CO2-Fußabdruck verursachen. In der Literatur wurden bisher hauptsächlich der „Umwelt- und Klima-Pfotenabdruck“ („pawprint“) von Katzen und Hunde für wenige ausgewählte Länder sowie global untersucht. Es zeigt sich, dass die Emissionen aufgrund der Menge an gefüttertem Fleisch der zentrale Faktor für Klima, Land, Wasser und Umwelt sind (Alexander et al., 2020; Martens et al., 2019; Okin, 2017; Su et al., 2018). So können speziell größere Hunde, die viel Fleisch gefüttert bekommen, ähnlich hohe Emissionen verursachen, wie der eigene Umstieg auf vegetarische bzw. vegane Ernährung oder der Verzicht auf einen Mittelstreckenflug sparen würde (Ivanova et al., 2020) [Kap. 3, Abb. 3.1)]. Studien spezifisch für Österreich fehlen bzw. sind diese auch für Mitteleuropa rar. Informationen zu Haustierfutter werden bei Weitem nicht in derselben Qualität erhoben wie für andere Bereiche der Landnutzung und Lebensmittelproduktion und des Konsums (Alexander et al., 2020). Die Klimawirkung anderer Ausgaben für Haustiere, wie beispielsweise für tierische Gesundheit, wurde kaum untersucht, dürfte aber eine kleinere Rolle spielen. Einige wenige Studien untersuchen auch die durch Hunde induzierte Mobilität, beispielsweise um mit dem Auto zu einem hundefreundlichen Park zu gelangen (MacKenzie & Cho, 2020). Ein wachsendes Forschungsfeld beschäftigt sich mit den positiven Effekten auf mentale und körperliche Gesundheit bzw. mehr aktivere Bewegung von Hunde- und Haustierbesitzer_innen im Vergleich zu Nicht-Haustierbesitzer_innen (Christian et al., 2013; Zijlema et al., 2019). Beide Aspekte, mehr Mobilität und mehr Bewegung, dürften bei Hundebesitzer_innen eine gewisse verstärkende Rolle spielen; jedoch ist die Literatur hier meist nicht auf Klimafragen bezogen bzw. nicht für Österreich spezifisch. Für ein klimafreundliches Leben wird in der Literatur hauptsächlich diskutiert (Alexander et al., 2020; Martens et al., 2019; Okin, 2017; Su et al., 2018), wie die positiven Aspekte von Haustieren mit weniger Fleischfutter erreicht werden können, beispielsweise über weniger und/oder kleinere Hunde und Katzen bzw. Haustiere, die pflanzlich ernährt werden können. Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch alternative Proteinquellen statt Fleisch, die Reduktion von weit verbreiteter Überfütterung sowie verstärkte Adoption von bereits lebenden Haustieren statt Neuzüchtungen. Dafür benötigt es Maßnahmen, die sowohl Produzent_innen als auch Haustierbesitzer_innen adressieren.

9.3.6 Sport und Hobbys

Der Bereich Sport und Hobbys ist vielfältig und die Bewertung der Klimafreundlichkeit zerfällt in verschiedenste Forschungsbereiche, wobei oft die Verbindungen mit Tourismus bzw. Alltagsmobilität untersucht wurden (Mascarenhas et al., 2021). Eine aktuelle Studie für Deutschland untersuchte beispielsweise Emissionen aufgrund des Mobilitätsverhalten von Hobby-Sportler_innen und fand eine hohe Korrelation zwischen höherem Einkommen und mehr Emissionen sowie substanziell höhere Emissionen von Individualsportler_innen sowie naturbezogenen Sportarten im Vergleich zu Teamsport (Wicker, 2019). Studien zu den bei Sport und Hobbys genutzten Gütern und Dienstleistungen sind teilweise produktspezifisch auffindbar, eine systemische Betrachtung der Klimafreundlichkeit verschiedener Hobbys und Sportarten, welche auch die gesamten Implikationen für Emissionen erfassen, fehlen bisher. Da sich ein Großteil des CO2-Fußabdrucks der gesamten Zeit, die mit Hobbys und Sport verbracht wird, bei Dienstleistungen findet (Abb. 9.2; Smetschka et al., 2019), ist hier die Frage nach Konsumintensität und Klimafreundlichkeit der Bereitstellung zu stellen bzw. zu beforschen.

9.3.7 Veranstaltungen

Die Möglichkeiten zur Einsparung von Treibhausgasemissionen bei Veranstaltungen werden vielfach unternehmerisch wahrgenommen und müssen auf dieser Ebene diskutiert werden (Holzbaur, 2020). Für Kund_innen zentral sind die dafür notwendige Mobilität sowie etwaige zusätzliche Besuche in Gastronomie und Hotels. Direkt bei Veranstaltungen können Labels und Standards zu „Green Events“ informieren und etwaige Besuchsentscheidungen beeinflussen. Zu den Wegen zur Klimafreundlichkeit von Veranstaltungen und Freizeitevents, deren Angebot, Organisation und Nachfrage und deren Analyse bezüglich Klimawirksamkeit siehe APCC Special Report Tourismus (Pröbstl-Haider, Lund-Durlacher, et al., 2021) und die folgende Zusammenfassung.

Zusammenfassung aus dem APCC Special Report Tourismus & Klimawandel: Barrieren, Herausforderungen und Anpassungsoptionen (Pröbstl-Haider, Lund-Durlacher, et al., 2021; Pröbstl-Haider, Wanner, et al., 2021)

Um das Pariser Klimaziel einer Beschränkung der globalen Erwärmung von zumindest weniger als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter einzuhalten, sind weitreichende Maßnahmen erforderlich.

  • In Österreich trägt vor allem der An- und Abreiseverkehr mit einem hohem Anteil an PKW- und Flugverkehr zur Belastung bei. Klimaschonende Anreiseoptionen in ausreichendem Umfang zum Beispiel mit Bahn oder Bus bestehen derzeit nicht.

  • Der Energieverbrauch für Klimatisierung und Komfort in Beherbergungsbetrieben steigt. Daher kommt energiesparenden Lösungen für Heizung und Kühlung, aber auch der Gebäudeisolierung eine besondere Bedeutung zu.

  • Eine umfassende Förderung der zumeist kleinen und mittleren Betriebe kann die rasche Umsetzung energieproduzierender und -einsparender Technologien sowie bautechnischer Lösungen begünstigen. Eine Darstellung der erreichten, geringen Emissionsbelastungen auf Buchungsplattformen und Zertifizierungen können die Umsetzung fördern.

  • Aufgrund der hohen Nachfrage nach Wellness-Angeboten kommt der Umsetzung technischer Möglichkeiten, um Energie- und Wärmeverluste von Indoor-Anlagen zu minimieren, aber auch um den Wasserverbrauch und Strombedarf zu reduzieren, ebenfalls eine hohe Bedeutung zu.

  • Die Gastronomie hat insbesondere auch durch den Einsatz landwirtschaftlicher Produkte einen erheblichen Einfluss auf den Klimawandel. Neben den in der Lebensmittelproduktion in unterschiedlicher Intensität anfallenden Treibhausgasemissionen entstehen auch bei der Lebensmittelverarbeitung, Transport, Kühlung, Lagerung, bei der Speisenzubereitung und durch Lebensmittelabfälle Treibhausgase. Daher bestehen vielfältige Handlungsoptionen im Bereich des Einkaufs, einer energieeffizienten Küchentechnik, Einsparung von Abfall und Verpackung, aber auch in einer Anpassung des Speisenangebotes.

  • Energieeinsparungen im Bereich Beherbergung und Gastronomie setzen in vielen Fällen eine aktive Beteiligung des Gastes voraus. Möglichkeiten, diese Beteiligung ohne negative Auswirkungen auf das Erlebnis zu erreichen, erfordern zusätzliche verhaltensökonomische Forschungsarbeiten und neue Ansatzpunkte in der Kommunikation.

9.4 Handlungsoptionen: veränderte Strukturen und nachhaltiger Konsum

Strukturelle Änderungen für den Freizeitbereich können über (1) ein verändertes Angebot, (2) Regulation, Standards und Verbote, (3) finanzielle Anreize und (4) Information und Werte befördert werden. Optionen für klimafreundliche Freizeitaktivitäten können idealerweise über ein Zusammenspiel aus Veränderungen in Angebot und Nachfrage entwickelt werden. Mögliche Wege dorthin werden im Folgenden aus den vier vorgestellten Perspektiven [QV Kap. 2] diskutiert. Sowohl unterschiedliche Lebensstile und individuelle Präferenzen als auch vorhandene Informationen und Wissen, relative Kosten und Einkommensentwicklungen sowie gesellschaftliche Normen und Trends spielen eine wichtige Rolle bei der Nachfrage und der Entscheidung, welchen Aktivitäten nachgegangen und wie der dabei anfallende Konsum gestaltet wird (O’Rourke & Lollo, 2015). Spezifischer Konsum und konkrete Aktivitäten signalisieren und reproduzieren sozialen Status und Identitäten, was sowohl hinderlich als auch förderlich für ein klimafreundliches Leben sein kann (O’Rourke & Lollo, 2015).

Die Diskussion um nachhaltigeren Konsum spielt bei Freizeitaktivitäten eine wichtige Rolle, da hier individuelle Entscheidungen als zentral erachtet werden: „Nachhaltiger Konsum bezeichnet ein Verbraucherverhalten, welches gezielt ökologische und soziale Auswirkungen bei Kaufentscheidungen einbezieht. Hierzu zählt sowohl die Reduzierung des eigenen Konsums als auch der Kauf von Sachgütern und Dienstleistungen, welche über eine höhere Nachhaltigkeitsleistung verfügen. Aufgrund der Einheit von Konsum und Produktion zählt nachhaltiger Konsum theoretisch zu den stärksten Stellhebeln für eine nachhaltige Entwicklung. Mit ihrem Einkaufsverhalten beeinflussen Konsumierende nicht nur, welche Produkte im Markt bereitgestellt werden, sondern auch, unter welchen (ökologischen und sozialen) Bedingungen die Produktion erfolgt.“ (Definition Online Lexikon, Lin-Hi, 2021). Die Tatsache, dass Konsument_innen in Befragungen regelmäßig angeben, dass ihnen ökologische und soziale Faktoren beim Einkauf wichtig sind, zeigt sich bedingt auch im faktischen Kaufverhalten und wird als Value-Action Gap oder Knowledge-Action Gap untersucht (Barr, 2006) [QV Kap. 21 Bildung]. Laut einer neuen Studie in Österreich wurden Personen am ehesten „durch intrapersonelle Faktoren (wie die eigene Bequemlichkeit oder Gewohnheiten) und strukturelle Rahmenbedingungen (wie Zeit- und Kostenfaktoren, fehlendes Angebot)“ davon abgehalten, klimafreundlicher zu handeln (Klösch, 2019).

In den letzten Jahren etablieren sich auch verstärkt Forschungsbereiche, die die klimafreundlichere Gestaltung von Rahmenbedingungen ins Zentrum stellen, was eine wichtige Verbreiterung über die Perspektive auf nachhaltigen Konsum und das Individuum hinaus bedeutet und näher an die Frage nach klimafreundlichen Strukturen heranreicht (Creutzig et al., 2021; O’Rourke & Lollo, 2015; Shove, 2010; Wiedenhofer et al., 2018). Zentraler Ausgangspunkt dieser Forschungen ist, dass Menschen nicht nur als individuelle Konsument_innen bzw. als Sündenböcke für die Klimakrise betrachtet werden dürfen (Akenji, 2014; Shove, 2010). Aus diesen Arbeiten lässt sich zusammenfassen, dass es für die klimafreundliche Änderung von Freizeitverhalten Veränderungen in Infrastrukturen, Regulierungen, Normen und Werten sowie klimafreundlichere Angebote, andere soziale Praktiken, veränderte Zeitnutzung sowie auch finanzielle Möglichkeiten und Wissen benötigt.

9.4.1 Bereitstellungsperspektive – öffentliche Angebote

Die Bereitstellung von Infrastruktur und Services für Erholung im öffentlichen Raum, die kostenlos und zu Fuß erreichbar sind, gilt als wichtiger Faktor für die Änderung der Praktiken bei der Freizeitgestaltung. Öffentliche Dienstleistungen und kommunale Infrastruktur – z. B. Grünflächen, Sport- und Freizeiteinrichtungen mit geringen Kosten und CO2-Emissionen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in kurzer Zeit erreichbar sind – erleichtern es, Freizeitpraktiken CO2-arm zu machen (Druckman & Jackson, 2009; Jalas & Juntunen, 2015; Rau, 2015).

Die öffentliche Bereitstellung von Freizeitmöglichkeiten ist jedoch nicht per se klimafreundlicher als Freizeitdienstleistungen, welche durch Unternehmen bereitgestellt werden. Hier ist weitere Forschung zu Produkt- und Konsumzyklen bzw. zum Ressourcenverbrauch verschiedener Bereitstellungsmodelle empirisch zu erforschen und zu fragen, ob Inwertsetzung ein Problem für Klimafreundlichkeit darstellt. Direkte und indirekte Rebound-Effekte können auch entstehen, wenn Freizeitangebote öffentlich zur Verfügung gestellt werden und somit mehr Einkommen für andere Aktivitäten verfügbar wird (Ottelin et al., 2018). Laut einem aktuellen systematischen Review (Reimers et al., 2021) gibt es keine eindeutigen Trends bei diesen Rebound-Effekten. Wir brauchen dazu weitere mikroökonomische Studien. Ebenso fehlen qualitative Erhebungen zum Phänomen „moralische Lizenz“, welches es Personen erleichtert, aufgrund von vorherigen als nachhaltig gut eingestuften Handlungen das Recht auf folgende klimaschädigende Handlungen für sich in Anspruch zu nehmen.

9.4.2 Marktperspektive – grüner Konsum von souveränen Konsument_innen

9.4.2.1 Verhalten und Werte: Nudge and boost (Überreden und Verstärken)

Für die Überwindung von Barrieren bei notwendige Verhaltensänderungen zur Eindämmung des Klimawandels in Haushalten nennt ein aktuelles Review als wichtigste Punkte: mehr Bildung und Information sowie die Verbindung von klimafreundlichem Leben mit Gesundheitsthemen (Stankuniene et al., 2020). Die Bedeutung von sozialen Normen und gesellschaftlichen Werten und deren Auswirkungen auf klimafreundliches Verhalten wird auch in weiteren Reviews hervorgehoben (Farrow et al., 2017; Tolppanen & Kang, 2021). Konsument_innen brauchen Unterstützung dabei, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist es, klimafreundliches Verhalten zu einem einfachen und attraktiven Verhalten zu machen. Dies kann gefördert werden durch eine Spiegelung des Fußabdrucks in den Preisen, ein Angebot an klimafreundlichen Produkten, die attraktiver sind als vergleichbare klimaschädliche Produkte, und eine Kennzeichnung des CO2-Fußabdrucks (Thøgersen, 2021).

Sogenannte Nudges sind verhaltensökonomische Strategien, die den Entscheidungskontext gestalten und die Auswahl beeinflussen sollen (Enste & Potthoff, 2021). Mit Boosts soll klimafreundliches Verhalten weiter verstärkt werden (Thøgersen, 2021). Umweltpolitik wird dabei von Verhaltensökonomie beraten [QV Verhaltensökonomische Ansätze] und entwickelt Instrumente, die Verbraucher_innen zu klimafreundlichem Verhalten bewegen sollen, als „Green Nudges“ (Carlsson et al., 2021). In einer kritischen Bewertung wird darauf hingewiesen, dass Nudges nur ergänzend zu Anreizen und Regulierung zu denken sind und dass Nudges schon längst eingesetzt werden, um gewisses Kaufverhalten zu verstärken: „Eine grundlegende Transparenz und die Bedingung, dass sie zuverlässig dauerhafte Verhaltensänderungen bewirken, sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, Green Nudges wirksam und ethisch vertretbar zu machen.“ (Schubert, 2017)

Der Veblen-Effekt, auch als „Güterverbrauch aus Geltungsdrang (conspicuous consumption)“ bezeichnet, erklärt, dass Produkte weniger wegen ihres Nutzens denn wegen einer Statuserhöhung durch ihren Erwerb gekauft werden (Bourdieu, 1986; Eaton & Matheson, 2013; Veblen, 1899). In der Klima- und Umweltdiskussion wird verstärkt das Zusammentreffen von hoher Ungleichheit und der Vorbildwirkung von Individuen mit hohem Status untersucht (Nielsen et al., 2021). In einem systematischen Review zur Bedeutung von Status bei Energiekonsum zeigt sich eine Forschungslücke bei statusbezogenen Entscheidungen zum Konsum von Produkten mit hohem CO2-Fußabdruck (Ramakrishnan & Creutzig, 2021). Das Review zeigt, dass Status bis zu 20 Prozent der Veränderungen im Verbrauchsniveau oder der Zahlungsbereitschaft für einen kohlenstoffreduzierten Verbrauch erklären kann. Demnach wäre es eine vielversprechende Strategie zur Emissionsreduzierung, energiesparendes Verhalten mit hohem Status zu verbinden. Die Autor_innen folgern: „Eine progressive Besteuerung von Statusfaktoren kann die externen Effekte abfangen und soziale Unerwünschtheit signalisieren, aber auch Emissionen reduzieren“ (Ramakrishnan & Creutzig, 2021) [QV Verhaltensökonomische Ansätze, QV Kap. 15 Globalisierung].

9.4.2.2 Regelungen und Standards: Label und Information

Freizeitaktivitäten verursachen hauptsächlich indirekte Emissionen durch Konsum von Gütern und Dienstleistungen. Direkte strukturelle Eingriffe für ein klimafreundliches Freizeitverhalten können kritisch gesehen werden, weil hier individuelle Freiheiten der Nachfrage angegriffen werden. Solche Regelungen können aber analog zu Regelungen, die Sicherheit und Gesundheit betreffen, als gesellschaftlich notwendig erachtet werden. Die „upstream emissions“ der indirekten Emissionen sollten jedenfalls strukturell geregelt werden, und zwar durch Dekarbonisierung des Energiesystems, Produkteffizienzstandards, Auflagen für Betriebe und Kostenwahrheit (Schubert, 2017).

Komplementär dazu zeigt sich, dass einfache, präzise Informationen zur Energieeffizienz von Produkten die Kaufentscheidung der Verbraucher_innen positiv beeinflussen, dass „die Kund_innen, obwohl sie die Etiketten nicht genau verstehen, dennoch nahezu optimale Entscheidungen auf der Grundlage der groben Signale der Etiketten treffen. Dies ist aus politischer Sicht ermutigend, da die Etiketten den Entscheidungsprozess vereinfachen und die wirtschaftliche Effizienz nicht beeinträchtigen“ (d’Adda et al., 2021).

9.4.3 Innovationsperspektive – Freizeit neu erfinden

Innovative Wege umfassen die Entwicklung von langlebigen und reparaturfähigen Produkten ebenso wie die Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten mit einem klimafreundlichen Umgang mit Produkten neu zu erfinden, und zwar immer auf Basis einer klimaneutralen Energieversorgung bzw. Mobilität [Kap. 14 Wirtschaft, Kap. 6 Mobilität].

Die Lebensdauer von Produkten ist ausschlaggebend für die Bewertung der Klimafreundlichkeit. Ein Vergleich der Reduzierungspotenziale von Treibhausgasemissionen bei der Nutzung von Kühlschränken und Smartphones zeigt, dass es wichtig ist, Produkte einzeln und über ihre Lebensdauer (Produktion, Nutzung, Entsorgung) zu analysieren (Glöser-Chahoud et al., 2021). Laut diesem Berechnungsmodell ist es bei Kühlschränken emissionssparender, die Geräte länger zu nutzen, als neue energiesparende Geräte zu kaufen. Bei Smartphones hingegen ist der größte Effekt mit einer Verkürzung der ungenutzten Zeit zwischen 1. und 2. Nutzung (Hibernation) am zielführendsten. Wenn Smartphones schneller in Zweitnutzung gehen, sinkt der Bedarf an neuproduzierten Geräten und senkt die hohen Emissionen, die bei der Produktion anfallen.

Sowohl die Reparaturfähigkeit von Produkten als auch die Bereitschaft und Kompetenz zum Reparieren oder Selbermachen sind wichtige Faktoren zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Sharing-Initiativen von Freizeitgeräten und Freizeitorten werden aktuell von lokalen Gruppen und Initiativen entwickelt. Urban Gardening, Leihshops, Näh- und Repair-Cafés sind Ansätze „von unten“ für Teilen und Subsistenzproduktion und bieten damit gleichermaßen Beispiele für eine neue Nutzung von freier Zeit und die Neuerfindung von gemeinschaftsorientierter Freizeit (Jonas et al., 2021; Schor, 2016) [QV zu ehrenamtlichen Tätigkeiten im Kap. 8 Sorgearbeit]. Die daraus entstandenen Geschäftsideen der Sharing Economy müssen sowohl auf ihre sozialen als auch auf ihre klimarelevanten Wirkungen weiter untersucht werden (Frenken & Schor, 2017) [QV zu kritischer Bewertung des Trends zur Prosumption in Kap. 8 Sorgearbeit; QV Kap. 14 Wirtschaft].

Innovative Konzepte entstehen auch im Tourismusbereich (Pröbstl-Haider et al., 2021a, 2021b, siehe Infokasten). So wird die Transformation von Destinationen zu Lebensräumen bzw. von Destinationsmanagementorganisationen zu Lebensraummanagementorganisationen als notwendig erachtet (Pechlaner, 2019). Die Zukunft von Events benötigt hohe Aufmerksamkeit und innovative Ideen um klimafreundliche Urlaube zu ermöglichen (Fritz et al., 2019) und die damit verbundene Flächenversiegelung zu begrenzen (Bätzing, 2017). Der Masterplan für den österreichischen Tourismus (BMNT, 2019) beinhaltet das Thema Klimawandel im Rahmen des Handlungsfelds 6 „Lebensgrundlage nachhaltig sichern“ und skizziert neben Anpassungs- auch Minderungsmaßnahmen für touristische Betriebe. Die Verbindung von Gesundheitstourismus mit Fragen des Klimawandels kann nicht nur zu Klimawandelkommunikation genutzt werden, sondern auch neue Ideen für naturnahen und Resonanztourismus ermöglichen (Schmude, 2021).

9.4.4 Gesellschaft-Natur-Perspektive – Freizeit und Arbeit neu denken

Freizeit neu zu erfinden bedeutet auch eine Neubewertung von Arbeit. Ansätze zur Arbeitszeitreduktion und Aufwertung von Sorgearbeit und Ehrenamt werden in Kap. 7 Erwerbsarbeit und in Kap. 8 Sorgearbeit diskutiert. Klima- und Verteilungsgerechtigkeit können ebenso wie mehr Wohlbefinden und höhere Gesundheit als Co-Benefits dieser Ziele verstanden werden.

In einem systematischen Review der sozialen Effekte bestehender politischer Maßnahmen zur Dekarbonisierung fanden die Autor_innen wenig Übereinstimmung bei den Ergebnissen. Sie weisen darauf hin, dass Verteilungsgerechtigkeit in der Gestaltung der Maßnahmen vorab eingeplant und unterstützt werden muss und ein Politikmix aus steuerlichen und preislichen Instrumenten vorteilhaft ist (Peñasco et al., 2021).

Initiativen auf kommunaler Ebene werden eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Treibhausgasreduktionsziele spielen. In einer Studie zur Förderung von Verhaltensänderungen auf lokaler Ebene in der Stadt York (Großbritannien) wurden Erfahrungen gesammelt. Gemeindeteams erhielten über einen Zeitraum von sechs Monaten Informationen, Ratschläge und Anleitung zur Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks. Es wurde eine statistisch signifikante Reduzierung der Kohlenstoffemissionen erreicht. Jede_r Teilnehmer_in erreichte eine durchschnittliche Verringerung ihres/seines CO2-Fußabdrucks um 2,0 Tonnen CO2e pro Jahr. Die größten Einsparungen wurden in den Bereichen Einkaufen und Hausenergie erzielt (Haq et al., 2013). Solche sozialen Innovationen werden z. B. in Ökodörfern (Hausknost et al., 2018) und lokalen Initiativen untersucht (Jonas et al., 2021).

Insgesamt sehen wir, dass es eine Vielzahl an Hebeln gibt, die strukturell, verhaltensökonomisch, finanziell, technologisch, regulativ und bewusstseinsbildend in Richtung emissionsarmes Freizeitverhalten und emissionsarmer Konsum wirken. Für die Förderung von klimafreundlichem Freizeitverhalten in Österreich braucht es eine passende Mischung an Maßnahmen für strukturelle Änderungen und eine gute Datenlage für das Monitoring dieser Maßnahmen.

Synthese aus dem APCC SR Tourismus & Klimawandel: Handlungsoptionen (Pröbstl-Haider et al., 2021a, 2021b)

Tourismus kann als Chance für einen neuen Lebensstil („Paris Lifestyle“) genutzt werden.

  • Um die Klimaziele, die in Paris vereinbart wurden, erreichen zu können, ist ein veränderter Lebensstil erforderlich. Bezogen auf den Tourismus betrifft dies unter anderem bei den Gästen eine Berücksichtigung des Klimawandels bei der Buchung, der Anreise sowie bei Unterkunft- und Verpflegungsarrangements und bei den Anbietern eine entsprechende Angebotsentwicklung.

  • Will man die Pariser Klimaziele erreichen, ist es notwendig, dass die Politik aktiv regulierend eingreift, insbesondere im Bereich der Mobilität und der Unternehmensförderung. Darüber hinaus brauchen die Destinationen Unterstützung auf dem Weg zu einer proaktiven und systematisch klimaschonenden Angebotsentwicklung.

  • Eine hohe Wirksamkeit von Maßnahmen kann dann erreicht werden, wenn die Handlungsoptionen und Anpassungsstrategien auf nationaler Ebene, auf Destinationsebene und auf betrieblicher Ebene sektorenübergreifend aufeinander abgestimmt werden. Eine zusätzliche Unterstützung könnte dadurch erreicht werden, dass der Gast aktiv in die Adaptionsprozesse eingebunden wird.

9.5 Fazit – klimafreundliche Erholung für alle

Freizeit ist ein Lebensbereich mit sehr vielfältigen individuellen Handlungsoptionen, der aber stark strukturellen Bedingungen unterliegt. So wirken etwa gesellschaftliche Normierungen und verbreitete Praktiken oder die vorhandenen Infrastrukturen und Möglichkeiten auf individuelle Entscheidungen. Die Hauptantriebskräfte der Zeitnutzungsmuster sind die Arrangements rund um bezahlte und unbezahlte Arbeit, Bildung, Wohnort und die vorhandene (Mobilitäts-)Infrastrukturen sowie die räumlich-zeitliche Erreichbarkeit von Freizeitmöglichkeiten. Die Menge der Arbeitsstunden und ihre zeitliche Gestaltung sowie die Betriebszeiten von Bildungseinrichtungen und die für das Pendeln benötigte Zeit formen, beschränken und ermöglichen andere Zeitnutzungsaktivitäten.

Zeitknappheit aufgrund von Betriebszeiten, niedrige Work-Life-Balance und Doppelbelastungen (hauptsächlich von Frauen) beeinflussen die CO2-Intensität aller anderen Aktivitäten durch Entscheidungen über Verkehrsmittel (Individualverkehr versus öffentlicher Verkehr) und Konsummuster (z. B. Fast Food). Ein Fokus auf Zeitwohlstand für alle bietet die Chance, klimafreundliches Leben mit dem Ziel „viel Freizeit selbstbestimmt und mit klimafreundlichen Tätigkeiten verbringen“ zu definieren anstatt die Forderung an Individuen nach Verzicht und Konsumexpertise im Sinne von „weniger und anders konsumieren“ in den Vordergrund zu stellen (Schor, 2016). Zeitpolitische Maßnahmen (Reisch, 2015) wurden als transsektoraler Rahmen positioniert, um Lösungen für soziale und wirtschaftliche Probleme zu finden. Wenn sie Umweltfragen miteinschließen, können sie auch ein Beitrag zu einer klimafreundlichen Entwicklung sein.

Die Bereitstellung von Infrastruktur und Services für Erholung im öffentlichen Raum, die kostenlos und zu Fuß erreichbar sind, trägt zu Änderungen der Praktiken bei der Freizeitgestaltung bei. Öffentliche Dienstleistungen und kommunale Infrastruktur – z. B. Grünflächen, Sport- und Freizeiteinrichtungen mit geringen Kosten und CO2-Emissionen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in kurzer Zeit erreichbar sind – ermöglichen CO2-leichtere Freizeitpraktiken (Druckman & Jackson, 2009; Jalas & Juntunen, 2015; Rau, 2015).

Da die Klimaproblematik der Freizeit, der Urlaube und des sonstigen Konsums abseits von Mobilität und Wohnen hauptsächlich indirekt durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen entsteht, welche von einer wachsenden Nachfrage angetrieben werden, benötigt es eine Kombination aus Maßnahmen. Ganz klar muss die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen und deren Produktion klimafreundlicher gestaltet werden. Es benötigt auch Schritte hin zu einer Neubewertung von Arbeit und Freizeit mit dem Fokus auf Entschleunigung und Zeitwohlstand, mit dem Ziel, die Nachfrage bzw. Freizeit zu entschleunigen und Möglichkeiten zu schaffen, die Freizeit weniger konsumintensiv zu leben und dadurch weniger Emissionen zu produzieren und Ressourcen zu verbrauchen (Creutzig et al., 2021). Einigkeit gibt es in der in diesem Kapitel vorgestellten Literatur darüber, dass ein Mix an Maßnahmen (Kostenwahrheit, Emissionsbepreisung, Ressourcensteuern, verbindliche Standards und Auflagen) zur Erreichung dieser Ziele notwendig ist:

  • strukturellen Änderungen, die Entschleunigung und ein gutes Leben für alle fördern,

  • eine rasche Dekarbonisierung der Energieversorgung und der Mobilität,

  • eine rasche Dekarbonisierung der globalisierten Produktion von Gütern und Dienstleistungen,

  • die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz von Produkten,

  • mehr Produkte mit entschleunigten und verlängerten Produktlebenszyklen und

  • innovative Produkte, die häufiger repariert werden und deren Nutzung von mehreren Personen geteilt wird.