Zusammenfassung
Trotz des schnellen Wachstums des Anteils der Bevölkerung in einem Alter ab 80 Jahren an der Gesamtbevölkerung Deutschlands (Statistisches Bundesamt 2019), ist das Wissen über diese Bevölkerungsgruppe bislang gering. Zwar gibt es thematisch, methodisch und regional spezifische Studien, jedoch keine repräsentative Erfassung der Lebenssituation und Lebensqualität dieser Altersgruppe für den gesamtdeutschen Raum. Die bedeutsamsten bevölkerungsrepräsentativen Umfragen in Deutschland, wie der auf Deutschland bezogene Teil des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE), das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) oder die Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) des Robert-Koch-Instituts bilden zum Teil zwar auch ältere und sehr alte Menschen mit ab, sind dabei aber mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, auch die Anstaltsbevölkerung und Personen mit schlechterem Gesundheitszustand angemessen zu repräsentieren (Fuchs 2009; Gaertner et al. 2019; Schanze und Zins 2019). Auch der Deutsche Alterssurvey (DEAS), der als quer- und längsschnittliche Langzeitstudie die Lebenssituationen und Alternsverläufe von Menschen, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden, umfassend abbildet, hat in den vergangenen Jahren zusätzliche Schritte unternommen, um schwer befragbare Gruppen von älteren Menschen beispielsweise durch Stellvertreterinterviews besser einbeziehen zu können. Darüber hinaus wurden neue Gewichtungskonzepte erarbeitet um generalisierende Aussagen auch für die Bevölkerungsgruppe der 85- bis 90-Jährigen zu treffen, die erst über verschiedene Befragungswellen hinweg dieses sehr hohe Alter erreichen (Schiel et al. 2021). Keine der bislang verfügbaren bundesweiten Studien fokussiert jedoch spezifisch auf das sehr hohe Lebensalter und stellt über eine disproportionale Zufallsziehung schwach vertretener Gruppen sicher, dass auch in diesem Alterssegment differenzierte Analysen nach soziodemografischen Subgruppen mit hoher Teststärke möglich sind. Eine solche gute Datenlage ist jedoch notwendig: Zum einen, um den besonderen Unterstützungsbedarfen im hohen Alter zukünftig besser gerecht werden zu können. Zum anderen, um Lösungsansätze für sozialpolitische Herausforderungen wie die soziale Sicherung im Alter oder im Hinblick auf Generationengerechtigkeit entwickeln zu können.
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Ausgangslage
Trotz des schnellen Wachstums des Anteils der Bevölkerung in einem Alter ab 80 Jahren an der Gesamtbevölkerung Deutschlands (Statistisches Bundesamt 2019), ist das Wissen über diese Bevölkerungsgruppe bislang gering. Zwar gibt es thematisch, methodisch und regional spezifische Studien, jedoch keine repräsentative Erfassung der Lebenssituation und Lebensqualität dieser Altersgruppe für den gesamtdeutschen Raum. Die bedeutsamsten bevölkerungsrepräsentativen Umfragen in Deutschland, wie der auf Deutschland bezogene Teil des Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE), das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) oder die Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) des Robert-Koch-Instituts bilden zum Teil zwar auch ältere und sehr alte Menschen mit ab, sind dabei aber mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, auch die Anstaltsbevölkerung und Personen mit schlechterem Gesundheitszustand angemessen zu repräsentieren (Fuchs 2009; Gaertner et al. 2019; Schanze und Zins 2019). Auch der Deutsche Alterssurvey (DEAS), der als quer- und längsschnittliche Langzeitstudie die Lebenssituationen und Alternsverläufe von Menschen, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden, umfassend abbildet, hat in den vergangenen Jahren zusätzliche Schritte unternommen, um schwer befragbare Gruppen von älteren Menschen beispielsweise durch Stellvertreterinterviews besser einbeziehen zu können. Darüber hinaus wurden neue Gewichtungskonzepte erarbeitet um generalisierende Aussagen auch für die Bevölkerungsgruppe der 85- bis 90-Jährigen zu treffen, die erst über verschiedene Befragungswellen hinweg dieses sehr hohe Alter erreichen (Schiel et al. 2021). Keine der bislang verfügbaren bundesweiten Studien fokussiert jedoch spezifisch auf das sehr hohe Lebensalter und stellt über eine disproportionale Zufallsziehung schwach vertretener Gruppen sicher, dass auch in diesem Alterssegment differenzierte Analysen nach soziodemografischen Subgruppen mit hoher Teststärke möglich sind. Eine solche gute Datenlage ist jedoch notwendig: Zum einen, um den besonderen Unterstützungsbedarfen im hohen Alter zukünftig besser gerecht werden zu können. Zum anderen, um Lösungsansätze für sozialpolitische Herausforderungen wie die soziale Sicherung im Alter oder im Hinblick auf Generationengerechtigkeit entwickeln zu können.
Die Studie D80+ „Hohes Alter in Deutschland“
„Hohes Alter in Deutschland“ (D80+) ist eine bundesweit repräsentative Querschnittsbefragung der hochaltrigen Menschen in Privathaushalten und in Heimen. Die Studie baut auf dem für das Hochaltrigenpanel NRW80+ (Hansen et al. 2021; Wagner et al. 2018) entwickelten Studienprotokoll und dem interdisziplinär entwickelten Rahmenmodell zur Erklärung von Lebensqualität im hohen Alter (Neise et al. 2019) auf (CHAPO-Modell, s. Abb. 1). Die Studie folgt demnach einem breiten Verständnis von Lebensqualität, nach dem auch gute Ressourcenlagen im Sinne guter Umweltbedingungen (Wohnen, soziale Beziehungen, altersfreundliche Gesellschaft) und guter persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten (Bildung, Gesundheit, Werte, Wahrnehmungsdispositionen) als eine Qualität des Lebens aufgefasst werden. Aufseiten von Lebensergebnissen werden nicht nur die Bewertung der eigenen Lebenssituation durch die Person selbst, sondern auch die (wahrgenommene) Bewertung durch andere Personen oder die Gesellschaft differenziert. Ein besonderes Augenmerk richtet das CHAPO-Modell auf solche Merkmale des Lebensvollzuges, die sich im Spannungsfeld individueller und gesellschaftlicher Zielvorstellungen vom guten Leben im Alter bewegen und beispielsweise im Sinne von erhaltener Autonomie oder gelebter Generativität als Kennzeichen einer auch im hohen Alter gelingenden Lebensführung gelten können.
Die Studie D80+ „Hohes Alter in Deutschland“ wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) für drei Jahre gefördert und gemeinsam vom Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) und dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) durchgeführt. Die Studie vereint Perspektiven der an den beteiligten Institutionen verorteten Disziplinen wie Soziologie, Psychologie, Versorgungswissenschaften, Gerontologie und Medizin.
Methodische Anlage der Befragung
Die Befragung der Studie D80+ baut auf dem in Nordrhein-Westfalen bereits in mehreren Wellen erfolgreich durchgeführten Hochaltrigenpanel NRW80+ des ceres auf (Hansen et al. 2021; Wagner et al. 2018) und weitet den Aussagebereich auf das gesamte Bundesgebiet aus. Zu den Alleinstellungsmerkmalen der am ceres durchgeführten Hochaltrigenstudien zählt einerseits die besonders sorgfältig definierte Zufallsstichprobe, die unabhängig von den jeweiligen Lebensumständen allen Menschen ab einem Alter von 80 Jahren eine Chance gibt, für die Studie ausgewählt zu werden. Dadurch werden auch ältere Menschen in Heimen oder solche, die keine oder wenige digitale Kommunikationskanäle nutzen, berücksichtigt und ein verzerrtes Bild der Hochaltrigkeit vermieden. Zweitens sind die Ansprachewege, Informationsmaterialien und die Durchführung der Befragung selbst spezifisch darauf abgestellt, auch Menschen mit beeinträchtigter Gesundheit, Pflegebedarf oder Unsicherheiten im Kontakt mit den Befragenden eine Teilnahme an der Befragung zu ermöglichen. Aufgrund der Coronapandemie konnte in D80+ jedoch eine persönliche Befragung nicht umgesetzt werden. Stattdessen wurde zunächst eine schriftliche Befragung und darauf aufsetzend eine telefonische Befragung realisiert (sequenzielles Mixed-Mode-Design), um Personen mit unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten und -präferenzen bestmöglich zu adressieren. Dabei wurden auch Fragen zu Erfahrungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie gestellt. Mit der schriftlichen Befragung konnte sichergestellt werden, dass alle zufällig ausgewählten Personen erreicht werden und ohne zeitlichen oder sozialen Druck Rückmeldung zu den wichtigsten Aspekten ihrer Lebenssituation geben können. Durch die nachfolgende telefonische Ansprache konnten auch Personen einbezogen werden, die z. B. aus gesundheitlichen Gründen keinen Fragebogen ausfüllen konnten. Im Rahmen dieser telefonischen Kontakte wurden auch Möglichkeiten von Stellvertreterinterviews geklärt, über die Auskünfte zu besonders stark gesundheitlich eingeschränkten hochaltrigen Menschen eingeholt werden konnten. Im Rahmen der schriftlichen und telefonischen Befragung beteiligten sich insgesamt 10.578 Personen und damit mehr als jede vierte angesprochene hochaltrige Person an der Studie.
Umfang und Anlage der Studie erlauben erstmals einen differenzierten Blick auf die Lebenssituation von Männern und Frauen sowie von verschiedenen Gruppen sehr alter Menschen (80–84 Jahre, 85–89 Jahre, 90 Jahre und älter) in Deutschland. Die gewichteten Daten berücksichtigen die unterschiedlichen Auswahl- und Teilnahmewahrscheinlichkeiten in Subgruppen und sind mit Blick auf wesentliche demografische Daten wie Alters- und Geschlechtsstruktur, Familienstand, Haushaltsgröße, Institutionalisierung, Gemeindegröße und Bundesland für die 80-Jährigen und Älteren in Deutschland repräsentativ.
Für diese Möglichkeit gebührt allen Personen, die an der Studie teilgenommen oder eine Teilnahme unterstützt haben, sowie allen Interviewenden, die persönlich das Gespräch mit den so vielfältigen älteren Menschen in Deutschland gesucht haben, ein herzlicher Dank.
Organisation und thematische Schwerpunkte der Berichtlegung
Die Berichtlegung der Befragungsergebnisse wurde an die außergewöhnliche und dynamische Situation hochaltriger Menschen in der Coronapandemie angepasst. Um der Politik auch für dieses Populationssegment zeitnah belastbare empirische Befunde bereitzustellen, wurde die Berichtlegung thematisch gestaffelt. Im Rahmen von insgesamt zehn inhaltlich fokussierten Kurzberichten wurde die aktuelle Lebenslage älterer Menschen in Deutschland, auf der Basis der in den sukzessiven Erhebungsphasen jeweils verfügbaren Daten, beschrieben. Zu den zeitlich priorisierten Themen gehörten die Untersuchung des Einflusses der Coronapandemie auf die Lebenssituation und Lebensqualität älterer Menschen, soziale Ungleichheit, Gesundheits- und Krankheitserleben, soziales Netzwerk und Unterstützung sowie Einsamkeit im hohen Alter. Aussagen zu Wertvorstellungen, Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden sehr alter Menschen sollten dagegen nach Abschluss aller empirischen Erhebungsphasen auf der Grundlage der Gesamtdaten getroffen werden. Aussagen zu den Themen Digitalisierung, Kognition und Wohnumfeld beruhen ausschließlich auf telefonisch erhobenen Daten, da diese Befragungsinhalte wegen ihrer Komplexität (z. B. Tests der kognitiven Leistungsfähigkeit) nicht im Rahmen der schriftlichen Fragebogenerhebung erfasst werden konnten.
Da durch das sequenzielle Mixed-Mode-Design über verschiedene Wege der Ansprache und Teilnahmemodi sukzessive auch schwerer befragbare ältere Menschen adressiert wurden, bieten sich die besten Möglichkeiten für generalisierende Aussagen auf der Grundlage der ab Mai 2022 zur Verfügung stehenden Gesamtstichprobe von 10.578 Teilnehmer:innen. Die Verteilung wesentlicher soziodemografischer Merkmale der Hochaltrigenpopulation in Deutschland konnte nach erfolgter Gewichtung der Stichprobe jedoch bereits mit den 10.372 Teilnehmer:innen der schriftlichen Befragung und auch in der Teilgruppe der 3233 Personen, die telefonisch zu weitergehenden Themen befragt wurden, angemessen repräsentiert werden (s. Tab. 1).
Differenzierte Analyse nach soziodemografischen Merkmalen
Im Sinne einer möglichst zielgruppenspezifischen Altersberichterstattung werden die Lebenssituation und die Lebensqualität sehr alter Menschen in Deutschland im vorliegenden Sammelband einheitlich nach den Differenzierungsmerkmalen Geschlecht (Männer, Frauen), Alter (80–84, 85–89, 90+ Jahre), Wohnform (Heim, Privat), Bundesland (Ost, West) und Bildung (niedrig, mittel, hoch nach der International Standard Classification of Education, ISCED) dargestellt. Die Lebensphase hohes Alter ist dabei sowohl historisch bedingt als auch bezogen auf die erhaltene Gesundheit durch große Ungleichheiten bestimmt.
Mit Blick auf den formalen Bildungsstand der heute Ab-80-Jährigen zeigen sich vergleichsweise hohe Anteile von Menschen mit geringeren oder mittleren Bildungsniveaus (s. Tab. 1). Bildungs- und Berufsbiografien waren in der hier betrachteten Kohorte von vor 1938 geborenen Menschen stark auch durch traditionelle Rollenverständnisse und sozioökonomische Lagen mitbestimmt und für viele Heranwachsende ganz wesentlich durch Nationalsozialismus und die Kriegsgeschehnisse geprägt. Zwar boten sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre auch neue Möglichkeiten für den sozialen Aufstieg; insbesondere Frauen waren diese Optionen jedoch häufig vorenthalten. So lassen sich noch heute in der Verteilung von formalen Bildungsabschlüssen und in der Folge häufig auch im soziökonomischen Status oder den finanziellen Mitteln starke Geschlechterunterschiede in der Gruppe der ältesten Menschen in Deutschland zuungunsten der Frauen beobachten. Dabei muss selbstverständlich berücksichtigt werden, dass die Gruppe der heute Ab-80-Jährigen eine spezifische Gruppe von außergewöhnlich lange Zeit Überlebenden darstellt, und die historischen Geburtskohorten nurmehr unvollständig repräsentieren kann.
Durch die unterschiedlichen Bildungs- und Berufsbiografien, lebenslang ausgeübten sozialen und gesellschaftlichen Rollen und nicht zuletzt durch die höhere Lebenserwartung von Frauen gegenüber Männern werden in der Gruppe der heutigen Ab-80-Jährigen Frauen gegenüber den gleichaltrigen Männern deutlich ungünstigere Ressourcenlagen beobachtet. So haben sehr alte Frauen z. B. häufiger Gesundheitseinbußen, seltener lebende Ehepartner und geringere finanzielle Mittel. Dennoch ist das hohe Lebensalter in Deutschland mit 62 Prozent Frauen in der Population der 80-Jährigen und Älteren gegenwärtig noch „weiblich“ geprägt. Durch den kleineren Anteil in diesem Alterssegment und die kürzere Lebenserwartung von Männern sinkt der Anteil sehr alter Männer über verschiedene Altersgruppen innerhalb der Hochaltrigkeit hinweg schnell deutlich ab. Die Studie D80+ trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie im Stichprobenplan eine hohe Anzahl auch von Männern jenseits der 90 Jahre vorsieht, um auch in dieser Gruppe statistisch zuverlässig Geschlechtsunterschiede abschätzen zu können.
Eine weitere Differenzierung der Lebensphase hohes Alter erscheint für diesen Bericht aus mehreren Gründen unverzichtbar. Erstens besteht auch international Uneinigkeit darüber, ab welchem Lebensalter Menschen hochaltrig sind und durch welche biologischen, psychologischen oder sozialen Merkmale sich eine solche Hochaltrigkeit von früheren Lebensphasen beispielsweise dem „jungen Alter“ abhebt (Baltes 1998). Es kann angenommen werden, dass sich eine solche mögliche chronologische Altersgrenze mit dem gesellschaftlichen Wandel immer weiter nach hinten verschiebt. Es wird aber erwartet, dass dem Lebensende auch zukünftig in vielen Fällen eine längere Zeit vorangeht, die deutlich auch durch Krankheit und soziale Verluste bestimmt ist (Tesch-Römer und Wahl 2017). Zweitens gilt auch für die Untersuchung von Altersgruppen das, was bereits mit Blick auf die Populationsverhältnisse zwischen Frauen und Männern gesagt wurde: Die Anzahl von Menschen in der Gesamtbevölkerung mit einem sehr hohen Lebensalter nimmt mit zunehmendem Alter stark ab (Tab. 1). Für zuverlässige Aussagen zu Altersunterschieden auch innerhalb der Population der Ab-80-Jährigen ist es darum nötig, eine angemessene Anzahl auch von Menschen jenseits des 90. Lebensjahres sicherzustellen. Dies ist im Rahmen von D80+ möglich.
Das hohe Alter in Deutschland ist auch 32 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung durch die in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlichen Biografien älterer Menschen mitbestimmt. Daneben bestehen auch aktuell (noch) erkennbare Unterschiede beispielsweise in der Sozialstruktur, den Versorgungsleistungen, der Bevölkerungsentwicklung oder der politischen Interessenvertretung zwischen Bundesländern in Ost und West, die sich auf Lebenssituation und Lebensqualität hochaltriger Menschen auswirken können.
Wie eingangs bereits erwähnt, fehlt es derzeit insbesondere an Studien, welche die Lebenssituation von älteren Menschen sowohl in Privathaushalten als auch in Heimen zuverlässig abbilden können. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich einerseits zwar Sonderwohnformen mit der Möglichkeit von auch pflegerischer Versorgung in gemeinschaftlich oder intergenerationell orientierten Settings kontinuierlich ausdifferenziert, andererseits haben sich die Bewohnerschaft und die Organisation der stationären Pflege verändert. Hierdurch könnten Unterschiede zum Privatwohnen noch deutlicher hervortreten. Auch im hohen Alter werden die meisten pflegebedürftigen Menschen in Privathaushalten versorgt. Eine stationäre Versorgung ist dagegen vor allem bei schwereren Einbußen der Alltagsselbstständigkeit, Demenz oder bei geringen sozialen Ressourcen wahrscheinlicher. Die Einbeziehung der Heimbevölkerung in standardisierte Befragungen stellt eine große Herausforderung dar (Feskens 2009; Gaertner et al. 2019). Wegen der deutlich ungünstigeren Lebenslagen von Menschen in Heimen muss aber davon ausgegangen werden, dass deren Exklusion zu einem deutlich positiv verzerrten Bild der Lebensrealität älterer Menschen führt (Kelfve 2019; Schanze und Zins 2019). Als ein Instrument für die Einbeziehung von Heimbewohner:innen mit schweren Gesundheitseinbußen haben sich Stellvertreterinterviews bewährt. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass die in D80+ einbezogenen Heimbewohner:innen keine reine Zufallsauswahl aller Menschen in Heimen darstellen und insbesondere Personen mit geringen Kommunikationsmöglichkeiten und weniger sozialen Ressourcen (z. B. Angehörige für Proxyinterview) darum zu selten einbezogen werden konnten. Die Berücksichtigung von Menschen in Heimen in D80+ trägt also zur Verringerung positiv verzerrter Bilder des hohen Alters in Deutschland bei, kann diese jedoch nicht vollständig ausschließen.
Alle Aussagen zu überzufälligen Merkmalsunterschieden oder Merkmalszusammenhängen, die in nachfolgenden Kapiteln gemacht werden, sind mit einem konventionellen statistischen Fehlerniveau (α = 0,05) abgesichert und berücksichtigen die komplexe Stichprobenstruktur (Gemeinden als Untersuchungscluster) mit. Bei solcherart auf statistische Signifikanz getesteten Ergebnissen kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende Unterschiede oder Zusammenhänge auch in der Grundgesamtheit vorliegen.
Ressourcen für die wissenschaftliche Nachnutzung der Daten D80+
Aktuelle Informationen zur Studie D80+ „Hohes Alter in Deutschland“ finden sich auf der Projekthomepage des ceres (https://ceres.uni-koeln.de/forschung/d80). Die pseudonymisierten Befragungsdaten sind kostenfrei über das Forschungsdatenzentrum des DZA (https://www.dza.de/forschung/fdz) zur wissenschaftlichen Nachnutzung verfügbar.
Literatur
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Feskens RCW (2009) Difficult groups in survey research and the development of tailor-made approach strategies [Dissertation]. University of Utrecht, Utrecht
Fuchs M (2009) Item-Nonresponse in einer Befragung von Alten und Hochbetagten: Der Einfluss von Lebensalter und kognitiven Fähigkeiten. In: Weichbold M, Wacher J, Wolf C (Hrsg) Umfrageforschung: Herausforderungen und Grenzen, Österreichische Zeitschrift für Soziologie/Sonderheft, Bd 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 333–349
Gaertner B, Koschollek C, Grube MM, Lüdtke D, Fuchs J, Scheidt-Nave C, Gößwald A, Wetzstein M (2019) Including nursing home residents in a general population health survey in Germany. Survey Methods: Insights from the Field (SMIF). https://doi.org/10.13094/SMIF-2019-00010
Hansen S, Kaspar R, Wagner M, Woopen C, Zank S (2021) The NRW80+ study: Conceptual background and study groups [Die NRW80+ Hochaltrigenstudie: Konzeptueller Hintergrund und Untersuchungsgruppen]. Z Gerontol Geriatr 54(2):76–84. https://doi.org/10.1007/s00391-021-01970-z
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Kaspar, R., Simonson, J., Tesch-Römer, C., Wagner, M., Zank, S. (2023). Einleitung. In: Kaspar, R., Simonson, J., Tesch-Römer, C., Wagner, M., Zank, S. (eds) Hohes Alter in Deutschland. Schriften zu Gesundheit und Gesellschaft - Studies on Health and Society, vol 8. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66630-2_1
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