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FormalPara Kernaussagen

Zwischen November 2020 und April 2021 wurde im Rahmen der bundesweiten Studie „Hohes Alter in Deutschland“ eine schriftliche Befragung von mehr als 10.000 Personen ab 80 Jahren zu deren Lebenssituation und Lebensqualität durchgeführt. Das vorliegende Kapitel beschreibt die soziale Einbindung der Hochaltrigen. Hierbei werden besonders betrachtet: die Größe des sozialen Netzwerks, die Lebens- bzw. Wohnform, die sozialen Kontakte mit Verwandten, Freund:innen und Bekannten sowie der Erhalt sozialer Unterstützung.

Die meisten Hochaltrigen sind sozial gut eingebunden. 90,9 % haben mindestens zwei Bezugspersonen, die ihnen wichtig sind. 40,5 % verbringen häufig Zeit mit Verwandten, Freund:innen und Bekannten und weitere 37,4 % zumindest manchmal.

Es gibt große Unterschiede in der sozialen Eingebundenheit hochaltriger Menschen. Der Anteil der Personen, die weniger als zwei Bezugspersonen nennen, ist bei Hochaltrigen ab 85 Jahren, bei Männern, bei Heimbewohner:innen und bei Personen mit niedriger formaler Bildung vergleichsweise hoch. Mehr als ein Drittel der Heimbewohner:innen verbringen selten oder nie Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten, während dies von den Personen in Privathaushalten nur etwas mehr als ein Fünftel angibt.

Nicht alle Menschen im hohen Alter erhalten häufig soziale Unterstützung. Besonders häufig erhalten Menschen im Alter von 90 Jahren und älter, Frauen, Heimbewohner:innen, Personen mit geringer formaler Bildung und Menschen mit Migrationserfahrung soziale Unterstützung.

Allein leben 44,5 % der Hochaltrigen, in Mehr-Personen-Haushalten 44,3 % der Hochaltrigen und 11,2 % leben im Heim. Hochaltrige in Mehr-Personen-Haushalten wohnen überwiegend mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen (76,7 %). 13,0 % aller Hochaltrigen in Mehr-Personen-Haushalten wohnen mit (mindestens) einem ihrer Kinder zusammen.

Frauen wohnen im hohen Alter sehr viel häufiger allein als Männer. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen im hohen Alter seltener in einer Partnerschaft leben.

Die Coronapandemie hat die soziale Einbindung von Menschen im hohen Alter verändert. Veränderungen der privaten Kontakte während der Coronapandemie werden überwiegend als negativ bewertet. Heimbewohner:innen erlebten die Veränderungen als besonders stark und auch besonders häufig als eindeutig negativ. Hochaltrige mit einem großen Netzwerk und häufiger sozialer Unterstützung berichten von stärkeren Veränderungen als Hochaltrige mit einem kleineren Netzwerk und seltener sozialer Unterstützung.

Einleitung

Die soziale Eingebundenheit alter und sehr alter Menschen wurde in älteren soziologischen Studien als zunehmende strukturelle Isolation (Parsons 1943), Rollenlosigkeit (Rosow 1967), Desozialisation (König 1965) oder Disengagement (Cumming und Henry 1961) gekennzeichnet (Wagner et al. 1996). Allerdings konnten sich diese Sichtweisen, die unser Bild vom Alter nachhaltig geprägt haben, nicht auf eine angemessene empirische Grundlage stützen. Mit diesem Beitrag verfolgen wir nicht nur das Ziel, diese empirische Lücke deutlich zu verkleinern, sondern wir wollen auch die sozialstrukturellen Bedingungen sozialer Eingebundenheit im hohen Alter näher beschreiben.

Soziale Eingebundenheit lässt sich nicht auf einen Aspekt reduzieren. Unterschieden wird im Allgemeinen zwischen eher objektiven Maßstäben (u. a. Wohnform oder Partnerschaft) und subjektiven Maßstäben (u. a. Einsamkeit) sowie zwischen strukturellen Aspekten sozialer Eingebundenheit (u. a. Netzwerkgröße, Kontakthäufigkeit) und funktionalen Aspekten sozialer Eingebundenheit (u. a. soziale Unterstützung). Bei den funktionalen und strukturellen Aspekten liegt – auch abhängig von der Art der Erhebung – ein unterschiedliches Maß an Subjektivität vor. Um soziale Eingebundenheit im hohen Alter in seiner Vielfältigkeit abzudecken, können diese sehr unterschiedlichen Aspekte berücksichtigt werden (Valtorta et al. 2016; Zavaleta et al. 2017).

Das soziale Netzwerk im hohen Alter hat sich im Lebenslauf konstituiert und sich wie bei einem sozialen Konvoi bis ins hohe Alter bewegt (Kahn und Antonucci 1980). Es sind vor allem enge soziale Beziehungen und solche mit Gleichaltrigen und Jüngeren, die dann das soziale Netzwerk der sehr alten Menschen ausmachen (Wagner et al. 1996). In Abhängigkeit von der Häufigkeit des Kontakts und der Qualität der Beziehung können Partnerschaften, Verwandtschaften und auch Freundschaften Unterstützung bieten und das subjektive Wohlbefinden befördern (Ellwardt und Hank 2019; Pinquart und Sörensen 2000). Regelmäßige soziale Kontakte sind zudem mit einer besseren gesundheitlichen Lage assoziiert (Hawton et al. 2011; Huxhold et al. 2013; Netuveli et al. 2006). Soziale Beziehungen können bei der Verarbeitung kritischer Lebensereignisse hilfreich sein (Antonucci et al. 2014; Cohen und Wills 1985) oder dazu beitragen, kognitive Fähigkeiten zu erhalten (Crooks et al. 2008; Holtzman et al. 2004). Während von diesen Befunden die positiven Seiten sozialer Beziehungen herausgestellt werden (Unterstützung, Zuneigung), darf nicht unbeachtet bleiben, dass soziale Beziehungen auch zu erheblichen Belastungen für die Interaktionspartner (Kritik, Konflikt) führen können (Antonucci et al. 2014). So kann sich die Beziehung zur Partner:in mit zunehmendem Alter auch verschlechtern. Als Gründe wird unter anderem die fehlende Kontrolle über die Kontakthäufigkeit bei zusammenlebenden Partner:innen angenommen (Akiyama et al. 2003).

Im hohen Alter werden enge und emotional nahstehende Personen wichtiger (Carstensen 1995). Empirische Analysen auf Basis des Sozioökonomischen Panels von Personen im Alter von 17–85 Jahren stützen diese Überlegungen: Während die Kontakthäufigkeit zu Familienmitgliedern eher nicht mit dem Alter variiert, nahm die Kontakthäufigkeit zu Freund:innen und Bekannten mit dem Alter ab (Sander et al. 2017). Hinzu kommt, dass etwa ein Drittel der Personen in Privathaushalten über 65 Jahre allein lebt. Der Anteil der Alleinlebenden nimmt – besonders bei den Frauen – mit dem Alter deutlich zu und liegt bei den Ab-90-Jährigen bei etwa 67,0 % (Tesch-Römer und Engstler 2020). Entscheidend für die Zunahme der Ein-Personen-Haushalte ist die mit dem Alter zunehmende Partnerlosigkeit. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass mit dem Alter auch der Anteil der Personen zunimmt, die zwar in einer Partnerschaft leben, aber nicht mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin in einer gemeinsamen Wohnung zusammenleben (Mauritz und Wagner 2021). Familiale Beziehungen und Unterstützung lassen sich dabei nicht auf partnerschaftliche Kontakte reduzieren, sondern schließen auch die Beziehungen zu Kindern oder Enkelkindern mit ein. Dabei sagt das Vorhandensein von (Enkel-)Kindern noch nichts über die Wichtigkeit, Verbundenheit oder Unterstützung aus, die diese Beziehung ausmacht (Bengtson 2001; Roberts et al. 2014). Kinder (vor allem Töchter) sind dabei wichtige Pflege- und Unterstützungspersonen für ihre hochaltrigen Eltern (Klaus und Mahne 2019; Wagner et al. 2010).

Eine differenzierte Betrachtung hilft, Teilgruppen der hochaltrigen Bevölkerung zu identifizieren, die jeweils in hohem Maße oder aber nur sehr wenig auf soziale Beziehungen und Unterstützung als Ressourcen zurückgreifen können: Analysen, die nach Geschlecht differenzieren, finden in der Regel Unterschiede, die auf häufigere soziale Kontakte und größere Netzwerke von Frauen im Vergleich zu Männern hinweisen – sowohl innerhalb der Familie als auch darüber hinaus (Sander et al. 2017; Schwartz und Litwin 2019). Frauen ist zudem ihre Rolle als Großmutter wichtiger als den Männern ihre Großvaterrolle (Mahne und Klaus 2017). Aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung sind Frauen im hohen Alter häufiger als Männer auf nicht-partnerschaftliche Kontakte angewiesen (Schwartz und Litwin 2019), wobei sich die Verwitwung auch bei Frauen kontinuierlich ins höhere Alter verschiebt (Klaus und Mahne 2019).

Personen mit höherem Bildungsniveau haben größere soziale Netzwerke (Mewes 2010). Bildung hat in erster Linie einen mittelbaren Einfluss auf soziale Kontakte. Personen mit höherer formaler Bildung sind – nicht zuletzt auch aufgrund besserer Gesundheit – im Alter häufiger ehrenamtlich engagiert und gehen unterschiedlicheren Aktivitäten nach, was ihre Möglichkeit erhöht, verschiedene soziale Kontakte einzugehen und zu pflegen (Simonson und Vogel 2019). Je höher das Bildungsniveau ist, desto größer ist die Wohndistanz zu den Kindern. Dies verringert zwar die Möglichkeit praktischer Unterstützung durch die Kinder (Klaus und Mahne 2017), jedoch nicht unbedingt die Kontakthäufigkeit oder die Enge der Beziehung zwischen den Generationen (Mahne und Huxhold 2017).

Der Umzug in ein Pflegeheim ist mit räumlicher Mobilität verbunden, die auch soziale Beziehungen beeinflusst. Nachbarschaftliche oder freundschaftliche Kontakte können nicht immer im gleichen Maße weitergeführt werden und wenn der Umzug ins Heim durch gesundheitliche Einschränkungen ausgelöst wurde, fallen gegebenenfalls auch weitere Aktivitäten weg. Umgekehrt können sich im Heim neue Kontakte ergeben und Isolationen beenden. In einer internationalen Studie wurden die Möglichkeiten und Hindernisse für die soziale Partizipation in Senioreneinrichtungen in Kanada, Norwegen und Deutschland analysiert. Ihre Ergebnisse zeigen, dass eine gute soziale Eingebundenheit von mehreren Faktoren abhängt. Die sozialräumliche Lage der Senior:inneneinrichtung und die Größe der Räumlichkeiten bestimmen, inwiefern die Bewohner:innen Kontakt außerhalb des Heims pflegen und Besuch von außen empfangen. Ein Personalmangel kann die soziale Eingebundenheit ebenfalls beeinflussen. Wenig Personal führt zu einer geringeren Auswahl an Aktivitäten innerhalb der Senioreneinrichtung, wodurch Bewohner:innen im Alltag weniger beschäftigt und sozial eingebunden sind. Ein Angebot geschlechts- und kulturspezifischer Aktivitäten erleichtert die Teilnahme und trägt somit zur sozialen Eingebundenheit verschiedener Subgruppen bei. Erfahrungen zeigen, dass beispielsweise Männer und Personen unterschiedlicher kultureller Herkunft speziell auf sie ausgerichtete Angebote verstärkt annehmen (Lowndes et al. 2021).

Die Erwartungen hinsichtlich sozialer Eingebundenheit für Menschen mit und ohne Migrationserfahrung im Alter sind je nach theoretischer Perspektive unterschiedlich. Nach der sogenannten Solidaritätsthese wird angenommen, dass sich Familienbeziehungen nach der Einwanderung intensivieren (Vogel 2012). Ein Grund dafür könnten geringere Alternativen beim Aufbau sozialer Beziehungen und beim Erhalt von Unterstützungsleistungen sein (Vogel 2012). Personen mit Migrationserfahrung leben häufiger in einer Partnerschaft und in Mehr-Personen-Haushalten und haben häufiger Geschwister, was direkt Einfluss auf ihre sozialen Kontakte und die Möglichkeit sozialer Unterstützung hat (Baykara-Krumme et al. 2012; Blum 2021; Hoffmann und Romeu Gordo 2016). Ältere Migrant:innen leben häufiger mit ihren Kindern zusammen als Nicht-Migrant:innen (Klaus und Baykara-Krumme 2017). Für 50-jährige und ältere Migrant:innen in Europa, die Kinder haben, konnte eine höhere Kontakthäufigkeit (persönlich, telefonisch oder schriftlich) zum Kind nachgewiesen werden als für die einheimische Bevölkerung (Bordone und Valk 2016). Im Gegensatz dazu nimmt die Entsolidarisierungsthese an, dass Familienbeziehungen nach der Einwanderung an Bedeutung verlieren. Die Solidarität zwischen den Generationen wird durch Familientrennungen aufgrund der räumlichen Distanz gelockert sowie durch innerfamiliale Konflikte belastet, die durch unterschiedlich starke Anpassungen der Generationen an die Einstellungen im Zielland entstehen. Inwiefern dies für Hochaltrige im Alter von über 80 Jahren zutrifft, wurde jedoch nicht empirisch geprüft (Vogel 2012).

Unterschiede in den Lebenslagen und der sozialen Eingebundenheit zwischen Ost- und Westdeutschland spiegeln unter anderem verschiedene demografische und sozialstrukturelle Kontexte wider. Ergebnisse des Deutschen Alterssurveys konnten zeigen, dass ältere Menschen in strukturschwachen Regionen – zu denen viele Gebiete in Ostdeutschland zählen – weniger soziale Aktivitäten und kleinere soziale Netzwerke hatten (Wiest et al. 2015). Auch die unterschiedliche Ausgestaltung der Kleinkinderbetreuung macht sich bemerkbar: In Westdeutschland sind Großeltern häufiger in die Betreuung der Enkelkinder eingebunden als in Ostdeutschland (Mahne und Klaus 2017).

Die Coronapandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen könnten erheblichen Einfluss auf die sozialen Beziehungen gehabt haben. Erste empirische Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass sich das Einsamkeitsempfinden in allen Altersgruppen während der Coronapandemie erhöht hat (Berger et al. 2021; Huxhold und Tesch-Römer 2021). Angesichts der Besuchsverbote und der hohen Infektionsraten in Altenpflegeheimen ist von deutlichen Auswirkungen auf die sozialen Kontakte insbesondere unter Heimbewohner:innen auszugehen (Wolf-Ostermann und Rothgang 2020). Doch auch für pflegebedürftige Personen, die zuhause von ihren Angehörigen oder von ambulanten Pflegediensten versorgt werden, hat die Coronapandemie Belastungen und Einschränkungen mit sich gebracht (Gaertner et al. 2021; Wolf-Ostermann und Rothgang 2020). Eine Befragung von 500 Personen im Alter zwischen 75 und 100 Jahren im September und Oktober 2020 kam zu dem Ergebnis, dass viele Hochaltrige ihre Kontakte deutlich eingeschränkt haben. Die Einschränkungen betrafen dabei insbesondere öffentliche Veranstaltungen bzw. Orte und weniger die Kontakte zur (engeren) Familie (Horn und Schweppe 2020).

Ziel

Ziel des Kapitels ist es, die soziale Eingebundenheit Hochaltriger in Deutschland zu beleuchten. Mit den D80+-Daten liegen erstmals deutschlandweit ausführliche Informationen zu den sozialen Beziehungen Hochaltriger vor, die differenziert nach verschiedenen Kontextmerkmalen analysiert werden können. Grundlage der Analysen sind die Angaben von 10.372 Hochaltrigen, die an der schriftlichen Befragung teilgenommen haben. Da die Befragung während der Coronapandemie stattgefunden hat, spiegeln die Ergebnisse insbesondere auch die Situation Hochaltriger während der Coronapandemie wider. Die soziale Eingebundenheit wird dabei anhand der Wohnform, des Partnerschaftsstatus, der Größe des sozialen Netzwerkes, der Häufigkeit sozialer Kontakte und der sozialen Unterstützung analysiert. Berücksichtigt wurde auch die subjektive Veränderung sozialer Kontakte während der Coronapandemie.

Methoden

Als objektive Maße sozialer Eingebundenheit werden die Lebens- oder Wohnform und der Partnerschaftsstatus analysiert. Bei der Lebens- oder Wohnform wird zwischen Ein-Personen-Haushalt, Mehr-Personen-Haushalt und dem Wohnen in einem Heim unterschieden. Für einige Auswertungen werden auch lediglich alle Personen in Privathaushalten der Heimbevölkerung gegenübergestellt. Für Mehr-Personen-Haushalte wurde zudem erhoben, wer neben den Hochaltrigen noch im Haushalt lebt. Die genannten Personen wurden in vier Kategorien zusammengefasst (Mehrfachnennungen möglich): wohnt mit Partner:in zusammen, wohnt mit (mindestens einem) Kind zusammen, wohnt mit weiteren Verwandten zusammen und wohnt mit Nicht-Verwandten zusammen. Beim Partnerschaftsstatus werden sowohl verheiratete als auch nicht verheiratete Paare berücksichtigt. Bei der Lebens- oder Wohnform fehlen Angaben von 1301 Personen (12,5 %) und beim Partnerschaftsstatus von 149 Personen (1,4 %).

Als strukturelle Aspekte werden die Größe des sozialen Netzwerks und die Kontakthäufigkeit berücksichtigt. Grundlage der Analysen zur Größe des sozialen Netzwerks sind Angaben der Befragten zu den Personen, die ihnen wichtig sind. Sie konnten für bis zu sechs Personen ausführliche Angaben machen und darüber hinaus angeben, wie viele Personen ihnen außerdem noch wichtig sind. Die Kategorisierung erfolgt in Anlehnung an die Lubben Social Network Scale (Lubben et al. 2006), wobei die unteren Kategorien aufgrund der wenigen Fälle zusammengefasst wurden. Folgende Kategorien zur Anzahl der Bezugspersonen wurden für die Analyse verwendet: weniger als zwei (sehr kleines Netzwerk), zwei bis vier (kleines Netzwerk), fünf bis acht (mittelgroßes Netzwerk) oder mehr als acht Bezugspersonen (großes Netzwerk).

Die Häufigkeit sozialer Kontakte wurde mit der Frage „Wie häufig verbringen Sie Zeit mit anderen Menschen (Verwandten, Bekannten oder Freunden), tauschen sich aus oder machen etwas gemeinsam?“ erhoben. Mögliche Antwortkategorien waren „nie“, „selten“, „manchmal“, „häufig“ und „sehr häufig“. Für die Analysen wurden die Kategorien „nie“ und „selten“ sowie die Kategorien „häufig“ und „sehr häufig“ zusammengefasst. 431 Personen (4,2 %) haben hierzu keine Angaben gemacht.

Mit der empfangenen sozialen Unterstützung wird ein funktionaler Aspekt sozialer Eingebundenheit einbezogen. Grundlage ist hier die Frage „Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten bei Aufgaben und Erledigungen Hilfe von anderen Personen erhalten?“ mit dem Hinweis, bezahlte Dienstleistungen bitte nicht dazu zu zählen. Als Antwortkategorien waren „nie“, „selten“, „manchmal“, „häufig“ und „immer“ vorgegeben. Für die Auswertung wurden die Kategorien „nie“, „selten“ und „manchmal“ sowie die Kategorien „häufig“ und „immer“ zusammengefasst. Für 746 Personen (7,2 %) liegen keine Angaben vor.

Mit dem bereits veröffentlichten Kurzbericht zum Thema „Einsamkeit“ wurde bereits ein wichtiger subjektiver Indikator sozialer Eingebundenheit ausführlich analysiert (Kaspar et al. 2022). Als weiteren subjektiven Aspekt berücksichtigen wir hier daher nur noch die erlebte Veränderung privater Kontakte während der Coronapandemie. Gefragt wurde „Wie stark hat die Coronapandemie ihre privaten Kontakte beeinflusst?“. Als Antwortkategorien waren „gar nicht“, „ein wenig“, „mäßig“, „stark“ und „sehr stark“ vorgegeben. Für die Analysen wurden die Kategorien „stark“ und „sehr stark“ sowie die Kategorien „gar nicht“, „ein wenig“ und „mäßig“ zusammengefasst. Für 352 Personen (3,4 %) liegen hierzu keine Angaben vor. Des Weiteren wurde gefragt, inwiefern die Veränderungen positiv, negativ oder insgesamt ausgeglichen waren. 802 Personen (7,7 %) haben hierzu keine Angaben gemacht.

Wir unterscheiden durchgängig nach der Altersgruppe (80–84/85–89/90+ Jahre), dem Geschlecht (männlich/weiblich), dem Bildungsniveau (niedrig/mittel/hoch), der Region (Ost/West) sowie der Migrationserfahrung (ja/nein). Eine Migrationserfahrung wird für alle angenommen, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik geboren wurden, unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzugs.

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieses Berichtes basieren auf folgenden Fallzahlen für die dargestellten Subgruppen hochaltriger Menschen in Deutschland: Männer (n = 3932, 37,9 %), Frauen (n = 6440, 62,1 %); 80–84 Jahre (n = 6123, 59,0 %), 85–89 Jahre (n = 2793, 26,9 %), 90 Jahre und älter (n = 1456, 14,1 %); Bildung hoch (n = 1682, 16,8 %), mittel (n = 5935, 59,2 %), niedrig (n = 2402, 24,0 %); Privathaushalt (n = 9324, 89,9 %), Heim (n = 1048, 10,1 %); West (n = 8095, 78,0 %), Ost (n = 2277, 22,0 %).

Heimbevölkerung, Alleinlebende und Mehr-Personen-Haushalte im Vergleich

Übersicht

Allein leben 44,5 % der Hochaltrigen, in Mehr-Personen-Haushalten 44,3 % der Hochaltrigen und 11,2 %Footnote 1 leben im Heim. Hochaltrige in Mehr-Personen-Haushalten wohnen überwiegend mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen (76,7 %). 13,0 % aller Hochaltrigen in Mehr-Personen-Haushalten wohnen mit (mindestens) einem ihrer Kinder zusammen. Frauen wohnen im hohen Alter sehr viel häufiger allein als Männer. Dieser Geschlechterunterschied ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen im hohen Alter seltener in einer Partnerschaft leben.

Die Lebens- und Wohnform ist ein wichtiger Aspekt der sozialen Eingebundenheit. Ihre Relevanz ergibt sich jedoch in besonderer Weise für die Zeit der Coronapandemie, die für Personen in Heimen mit deutlichen Einschränkungen einherging. Zudem wurde bei Kontaktbeschränkungen häufig zwischen Angehörigen eines Haushaltes und weiteren Personen unterschieden. Die Analyse zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Hochaltrigen in Privathaushalten lebt (88,8 %) und dort zu etwa gleichen Teilen in Ein-Personen- und Mehr-Personen-Haushalten (44,5 % und 44,3 %). In Mehr-Personen-Haushalten leben am häufigsten Partner:innen zusammen (76,7 %). Selten leben auch Kinder (13,0 %), sonstige Verwandte (7,6 %) oder Nicht-Verwandte (z. B. Bekannte oder professionelle Pflegekräfte) mit im Haushalt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zusammensetzung von Mehr-Personen-Haushalten nach dem Geschlecht der befragten Person. (Mehrfachnennungen möglich, Heimbevölkerung nicht berücksichtigt)

11,2 % der Hochaltrigen leben in einem Heim. Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil der Personen in Heimen deutlich zu und der Anteil der Mehr-Personen-Haushalte ab. Zudem zeigt sich ein deutlicher Geschlechterunterschied in der Wohnform. Frauen leben fast doppelt so häufig im Heim wie Männer und Männer leben mehr als doppelt so häufig in einem Mehr-Personen-Haushalt wie Frauen. Auch zwischen dem Bildungsniveau und der Wohnform besteht ein signifikanter Zusammenhang. Mit zunehmender Bildung nimmt der Anteil der Personen in Mehr-Personen-Haushalten zu und der Anteil der Personen in Heimen und der Alleinlebenden ab. Kein Unterschied hingegen lässt sich zwischen Personen mit und ohne Migrationserfahrung sowie zwischen Ost- und Westdeutschland feststellen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Lebens- und Wohnform nach soziodemografischen Merkmalen

Der deutliche Geschlechterunterschied erklärt sich fast ausschließlich über das Zusammenleben mit einem Partner bzw. einer Partnerin. Insgesamt gibt etwas mehr als die Hälfte der Befragten an, keinen Partner bzw. keine Partnerin zu haben (55,8 %). Während von Personen in einer Partnerschaft nur 6,2 % allein leben, trifft dies auf 73,0 % der Personen ohne Partnerschaft zu. Vergleicht man Männer und Frauen mit gleichem Partnerschaftsstatus, so lässt sich kein signifikanter Unterschied in der Wohnform mehr identifizieren. Die Altersunterschiede schwächen sich ebenfalls durch eine Berücksichtigung der Partnerschaft ab, allerdings nimmt mit dem Alter sowohl bei Personen mit als auch ohne Partnerschaft der Anteil der Heimbevölkerung zu und der Anteil der Mehr-Personen-Haushalte ab (Abb. 3 und 4).

Abb. 3
figure 3

Lebens- und Wohnform nach Alter und Partnerschaftsstatus

Abb. 4
figure 4

Lebens- und Wohnform nach Geschlecht und Partnerschaftsstatus

Soziales Netzwerk

Übersicht

Die meisten Hochaltrigen (90,9 %) haben mindestens zwei Bezugspersonen, die ihnen wichtig sind. Der Anteil der Personen, die weniger als zwei Bezugspersonen nennen, ist bei Hochaltrigen ab 85 Jahren, bei Männern, bei Heimbewohner:innen und bei Personen mit niedriger formaler Bildung vergleichsweise hoch.

Von den Befragten haben 9,1 % weniger als zwei Bezugspersonen angegeben. Ihr Netzwerk ist somit sehr klein und das Risiko sozialer Isolation ist groß. Die übrigen 90,9 % hingegen nennen mindestens zwei Bezugspersonen, die ihnen wichtig sind. 31,1 % haben zwei bis vier Bezugspersonen, die ihnen wichtig sind. Weitere 27,8 % nennen zwischen fünf und acht Bezugspersonen und 32,0 % nennen neun Personen oder mehr, die ihnen wichtig sind. Der Anteil der Personen mit sehr kleinen Netzwerken nimmt signifikant mit dem Alter zu. Er beträgt bei Personen im Alter von 80 bis 84 Jahren 8,6 %, von 85 bis 89 Jahren 10,0 % und im Alter von 90 Jahren und älter 9,8 % (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Größe des sozialen Netzwerks nach soziodemografischen Merkmalen

Eine detaillierte Analyse zeigt, dass es eine sehr große Spannweite der Netzwerkgröße gibt und dass insbesondere sehr große Netzwerke (> 20 Personen) mit zunehmendem Alter sowohl bei Männern als auch bei Frauen äußerst selten werden (Abb. 6). Während insgesamt die Geschlechterunterschiede gering und nicht signifikant sind (Abb. 6), ist jedoch der Anteil der Personen mit sehr kleinen Netzwerken bei Männern etwas höher als bei Frauen (10,3 % vs. 8,4 %). Außerdem nimmt mit abnehmendem Bildungsgrad auch die Netzwerkgröße ab. Nur 5,5 % der Personen mit hoher formaler Bildung haben ein sehr kleines Netzwerk. Bei Personen mit mittlerer Bildung beträgt dieser Anteil bereits 9,6 % und steigt auf 9,9 % bei Personen mit niedriger formaler Bildung. Ebenfalls deutlich unterscheidet sich die Netzwerkgröße zwischen Hochaltrigen in Heimen und in Privathaushalten. Personen, die im Heim leben, haben deutlich häufiger nur ein sehr kleines Netzwerk (12,5 %) als Personen, die nicht im Heim leben (8,8 %).

Abb. 6
figure 6

Größe des sozialen Netzwerks nach Alter bei Frauen (r = −0,096, p < 0,01) und Männern (r = −0,081, p < 0,01) (Ausreißer mit Netzwerkgrößen über 50 Personen oder Personen mit ungenauer Angabe ausgeschlossen)

Keine signifikanten Unterschiede in der Netzwerkgröße lassen sich für die Region (Ost- und Westdeutschland) und Migrationserfahrung beobachten. Insgesamt ist jedoch über alle Subgruppen hinweg der Anteil der Personen mit sehr kleinen Netzwerken gering (Abb. 5).

Häufigkeit sozialer Kontakte

Übersicht

40,5 % der Hochaltrigen verbringen häufig Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten und weitere 37,4 % zumindest manchmal.

Mehr als ein Drittel der Heimbewohner:innen verbringen selten oder nie Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten, während dies von den Personen in Privathaushalten nur etwas mehr als ein Fünftel angab.

Befragt nach der Häufigkeit sozialer Kontakte geben 40,5 % an, häufig Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Weitere 37,4 % geben an, dass dies lediglich manchmal der Fall war und immerhin gut jede fünfte Person (22,1 %) berichtet, dass sie selten oder nie Zeit mit anderen Menschen verbringt. Besonders hoch war der Anteil der Personen, die selten oder nie Zeit mit anderen Menschen verbringen in der Heimbevölkerung. Von Personen, die im Heim leben, verbringen 35,1 % selten oder nie Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten. Ebenfalls signifikante Unterschiede in der Häufigkeit sozialer Kontakte zeigten sich zwischen den Altersgruppen, zwischen Männern und Frauen, den Bildungsgruppen und nach der Migrationserfahrung. Jüngere Personen, Frauen, Personen mit höherer formaler Bildung und Personen ohne Migrationserfahrung verbringen signifikant häufiger Zeit mit anderen Menschen. Ein Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland konnte nicht beobachtet werden (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Häufigkeit sozialer Kontakte nach soziodemografischen Merkmalen

Soziale Unterstützung

Übersicht

Nicht alle Menschen im hohen Alter erhalten häufig soziale Unterstützung. Besonders häufig erhalten Menschen im Alter von 90 Jahren und älter, Frauen, Heimbewohner:innen, Personen mit geringer formaler Bildung und Menschen mit Migrationserfahrung soziale Unterstützung. Unterschiede in der Häufigkeit sozialer Unterstützung weisen sowohl auf einen höheren Bedarf als auch auf größere Unterstützungsmöglichkeiten im sozialen Umfeld hin.

Mehr als die Hälfte (58,1 %) der Hochaltrigen erhält nur manchmal, selten oder nie soziale Unterstützung bei Aufgaben oder Erledigungen. Die übrigen 41,9 % hingegen erhalten hierbei häufig oder immer Unterstützung. Empfangene soziale Unterstützung hängt stark mit dem jeweiligen Unterstützungsbedarf zusammen. So zeigt sich eine deutliche Zunahme sozialer Unterstützung mit dem Alter. Von den 80–84-Jährigen berichten 32,5 % häufig oder immer Unterstützung bei Aufgaben und Erledigungen erhalten zu haben. Der Anteil steigt signifikant auf 50,7 % bei den 85–89-Jährigen und auf 67,5 % bei den Ab-90-Jährigen an. Ein sehr deutlicher Unterschied in der Häufigkeit sozialer Unterstützung zeigt sich auch zwischen Personen in Heimen und in Privatwohnungen. 62,4 % der Personen, die in einem Heim leben, geben an, häufig oder immer Unterstützung zu erhalten, während dies nur auf 39,5 % der Personen in Privatwohnungen zutrifft. Frauen erhalten deutlich mehr Unterstützung als Männer (48,8 % versus 30,7 %). Niedrigere formale Bildung und eine Migrationserfahrung gehen ebenfalls mit häufigerer sozialer Unterstützung einher (Abb. 8). Wie auch zuvor konnten keine Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland beobachtet werden.

Abb. 8
figure 8

Empfangene soziale Unterstützung nach soziodemografischen Merkmalen

Auswirkungen der Coronapandemie

Übersicht

Die Coronapandemie hat die soziale Einbindung von Menschen im hohen Alter verändert. Veränderungen der privaten Kontakte während der Coronapandemie werden überwiegend als negativ bewertet. Heimbewohner:innen erlebten die Veränderungen als besonders stark und auch besonders häufig als eindeutig negativ. Hochaltrige mit einem großen Netzwerk und häufiger sozialer Unterstützung berichten von stärkeren Veränderungen als Hochaltrige mit einem kleineren Netzwerk und nur seltener sozialer Unterstützung.

Im ersten D80+-Kurzbericht wurde die wahrgenommene Auswirkung der Coronapandemie auf die Lebenssituation älterer Menschen thematisiert (Hansen et al., 2021). Die Coronapandemie sorgt für Veränderungen in verschiedenen Lebensbereichen der hochaltrigen Befragten. Die stärkste wahrgenommene Veränderung erleben die Befragten in Bezug auf private Kontakte, Alltagsgestaltung und Freizeit ebenso wie auf das Verhältnis zur Gesellschaft. 36,1 % der Hochaltrigen berichten von (sehr) starken Veränderungen ihrer privaten Kontakte. An diese Analysen anknüpfend, wurde für den hier vorliegenden Bericht untersucht, inwiefern sich die wahrgenommenen Veränderungen im Bereich der privaten Kontakte zwischen Subgruppen unterscheiden.

Signifikante Unterschiede zeigen sich für Geschlecht, Bildung, Region und Wohnform. Frauen gaben zu 38,7 % an, dass sie die Veränderungen ihrer privaten Kontakte während der Coronapandemie als (eher) stark empfanden. Bei Männern war dieser Anteil mit 31,9 % signifikant niedriger. Von Personen mit niedriger Bildung wurden die Veränderungen häufiger als stark empfunden als von Personen mit höherer Bildung. Die bisher berichteten Ergebnisse haben durchweg keine Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ergeben. In Bezug auf die Coronapandemie hingegen zeigte sich, dass die Veränderungen in Westdeutschland als stärker wahrgenommen wurden als in Ostdeutschland (37,3 % versus 31,9 %). In keiner Gruppe wurden die Veränderungen jedoch so deutlich erlebt wie in der Heimbevölkerung. Hier gaben 53,6 % an, dass sich im Bereich der privaten Kontakte starke Veränderungen ergeben haben. Im Vergleich dazu lag dieser Anteil bei Alleinlebenden bei 33,9 % und bei Personen in Mehr-Personen-Haushalten bei 35,5 %. Keine Unterschiede in der Wahrnehmung der Veränderung zeigten sich für Alter und Migrationserfahrung (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Erlebte Veränderung durch die Coronapandemie im Bereich privater Kontakte nach soziodemografischen Merkmalen

Die Veränderung der privaten Kontakte während der Coronapandemie wird von 54,3 % als überwiegend negativ empfunden. Lediglich 2 % haben die Veränderungen als überwiegend positiv empfunden. Die übrigen 43,7 % bewerten die Veränderungen als insgesamt ausgeglichen.

Die Bewertung der wahrgenommenen Veränderung der privaten Kontakte wird signifikant von Alter, Geschlecht, Region und Wohnform beeinflusst. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der überwiegend negativ Beeinflussten von 51,7 % bei den 80–84-Jährigen auf 62,1 % bei den Ab-90-Jährigen. Frauen beurteilen die wahrgenommene Veränderung zu 56,4 % als überwiegend negativ, während 50,7 % der Männer sie so beurteilen. 69,8 % der im Heim lebenden Personen haben die Veränderungen als überwiegend negativ erlebt gegenüber 53,1 % der Personen in Mehr-Personen-Haushalten und 52,7 % der Alleinlebenden. Ostdeutsche bewerten die wahrgenommene Veränderung mit 47,5 % signifikant häufiger als insgesamt ausgeglichen als Westdeutsche mit 42,6 % (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Bewertung der Veränderung im Bereich privater Kontakte durch die Coronapandemie nach soziodemografischen Merkmalen

Neben den Unterschieden zwischen sozio-demografischen Gruppen hat sich auch gezeigt, dass die soziale Eingebundenheit selbst im Zusammenhang mit der wahrgenommenen Stärke der Veränderung steht. So haben Personen mit einem kleinen sozialen Netzwerk die Veränderungen im Schnitt seltener als stark wahrgenommen (27,3 %) als Personen mit durchschnittlichem (36,3 %) oder großem (45,0 %) Netzwerk. Auch bei einer differenzierten Betrachtung nach Alter, Geschlecht und Wohnform bestätigt sich dieses Ergebnis.

Für soziale Unterstützung lässt sich ein sehr ähnlicher Effekt beobachten. Personen, die häufig oder immer soziale Unterstützung erhalten, haben die Veränderungen häufiger als (sehr) stark erlebt als Personen, die manchmal, selten oder nie Unterstützung erhalten. Dieser Zusammenhang lässt sich auch dann noch beobachten, wenn Geschlecht, Alter und die Wohnform berücksichtigt werden (vgl. Abb. 11 und 12). Für die anderen Indikatoren sozialer Eingebundenheit (Partnerschaft oder Häufigkeit sozialer Kontakte) lässt sich kein so eindeutiger Zusammenhang beobachten.

Abb. 11
figure 11

Als (sehr) stark erlebte Veränderung durch die Coronapandemie im Bereich privater Kontakte nach soziodemografischen Merkmalen und Netzwerkgröße

Abb. 12
figure 12

Als (sehr) stark erlebte Veränderung durch die Coronapandemie im Bereich privater Kontakte nach soziodemografischen Merkmalen und der Häufigkeit sozialer Unterstützung

Diskussion und Fazit

Soziale Eingebundenheit ist für viele Menschen von hoher Bedeutung. Fehlende soziale Eingebundenheit kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken, zu Einsamkeit führen und die Möglichkeiten sozialer Unterstützung reduzieren (Ellwardt und Hank 2019; Pinquart und Sörensen 2000; Hawton et al. 2011; Huxhold et al. 2013; Netuveli et al. 2006). Sie ist damit auch im hohen Alter von großer Bedeutung.

Die Ergebnisse zu den Lebens- und Wohnformen zeigen, dass Hochaltrige überwiegend in Privatwohnungen leben und hier in etwa gleichen Teilen allein oder in Mehr-Personen-Haushalten. Nur 11,2 % leben in einem Heim. Hochaltrige leben vor allem dann allein, wenn sie nicht in einer Partnerschaft sind. Frauen sind sehr viel seltener in einer Partnerschaft und leben daher auch häufiger allein. In Mehr-Personen-Haushalten leben über dreiviertel mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen. Etwa 13,0 % leben mit (mindestens) einem ihrer Kinder zusammen.

Insbesondere während der Coronapandemie und den damit verbundenen Einschränkungen waren soziale Kontakte teilweise erheblich eingeschränkt oder mit dem Risiko einer Infektion verbunden. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass auch während der Coronapandemie viele Hochaltrige (40,5 %) häufig Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten verbracht haben. Allerdings hat auch gut jede fünfte Person (22,1 %) selten oder nie Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten verbracht. Vergleichbare Zahlen von vor der Coronapandemie liegen aus der Studie zu Lebensqualität und Wohlbefinden hochaltriger Menschen in NRW (NRW80+) vor. Der Anteil der Hochaltrigen, die (sehr) häufig Zeit mit anderen Menschen verbracht haben, lag dort bei knapp 60,0 % und somit deutlich höher als in den vorliegenden Daten. Umgekehrt war der Anteil der Personen, die selten oder nie Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten verbringen, in der NRW80+-Studie bei ca. 15,0 % und somit deutlich niedriger (Geithner und Wagner 2021).

Ebenfalls für eine gute soziale Eingebundenheit spricht der geringe Anteil von nur 9,1 % der Hochaltrigen, die weniger als zwei enge Bezugspersonen angeben können. Anders als bei der Frage nach der Häufigkeit sozialer Kontakte, ist bei der Abfrage der Netzwerkgröße nicht nach konkret verbrachter Zeit mit diesen Personen gefragt worden. Die Häufigkeit und die Art des Kontaktes (persönlich, telefonisch, virtuell) war nicht ausschlaggebend. Die Abfrage bezog sich auch nicht explizit auf einen spezifischen Zeitraum, sodass davon auszugehen ist, dass temporäre Einschränkungen (z. B. während des Lockdowns) zur Zeit der Befragung eher weniger Einfluss auf die Auswahl und Anzahl der angegebenen Personen genommen haben. Entsprechend ist die hier identifizierte Netzwerkgröße vergleichbar mit Daten aus der Zeit vor der Coronapandemie (Ellwardt und Hank 2019; Schmitz et al. 2021). Nichtsdestotrotz hat sich gezeigt, dass die Netzwerkgröße für die Wahrnehmung der mit der Coronapandemie verbundenen Veränderungen entscheidend war. Personen mit großen Netzwerken haben hier von stärkeren Veränderungen berichtet als Personen mit kleinen Netzwerken.

Über die Hälfte der Hochaltrigen erhält nur manchmal, selten oder nie soziale Unterstützung bei Aufgaben oder Erledigungen. Die Ergebnisse zur sozialen Unterstützung, die Hochaltrige erfahren, weisen auch während der Coronapandemie auf erhebliche Unterschiede hin. Sie spiegelt dabei erwartbare Unterschiede im anzunehmenden Bedarf wider. So steigt mit dem Alter die empfangene Unterstützung an und erfolgt insbesondere bei Hochaltrigen in Heimen sehr häufig. Da der tatsächliche Bedarf und der Wunsch nach sozialer Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben hier nicht berücksichtigt wurde, kann nicht überprüft werden, ob die empfangene Unterstützung dem jeweiligen individuellen Bedarf entspricht.

Die nach Subgruppen differenzierte Betrachtung der sozialen Eingebundenheit hat gezeigt, dass Personen in Heimen, Ab-90-Jährige, Männer und Personen mit niedriger formaler Bildung häufiger über kleine Netzwerke verfügen und weniger soziale Kontakte haben. Mit Blick auf die Migrationserfahrung finden sich nur Unterschiede in der Häufigkeit sozialer Kontakte, nicht jedoch für die Netzwerkgröße.

Dass Frauen häufiger Zeit mit Verwandten, Freund:innen oder Bekannten verbringen, ist vor allem vor dem Hintergrund ihrer Wohnsituation und ihres Partnerschaftsstatus interessant. Sie verbringen häufiger Zeit mit anderen Menschen, obwohl sie häufiger allein oder in einem Heim leben und auch seltener als Männer in einer Partnerschaft sind. Frauen erhalten auch häufiger als Männer Unterstützung im Alltag – entweder aufgrund eines höheren Bedarfs oder aufgrund besserer Unterstützungsmöglichkeiten durch das soziale Umfeld. Damit stellen soziale Beziehungen eine wichtige Ressource hochaltriger Frauen dar. In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen haben Frauen die Veränderungen der Coronapandemie im Bereich der privaten Kontakte auch als stärker wahrgenommen als Männer.

Personen mit Migrationserfahrung haben seltener soziale Kontakte, erhalten aber häufiger soziale Unterstützung als Personen ohne Migrationserfahrung. Die Unterschiede sind insgesamt geringer, als dies aufgrund der vorhandenen Literatur zu erwarten war (Baykara-Krumme et al. 2012; Blum 2021; Hoffmann und Romeu Gordo 2016). Eine mögliche Erklärung ist, dass die grobe Einteilung (z. B. ohne Berücksichtigung des Herkunftslandes) nicht ausreichend die Vielfalt der Migrationserfahrungen und familialen oder sozialen Lebensumstände abbildet. Auch handelt es sich bei den hier eingeschlossenen Personen mit Migrationserfahrung mehrheitlich um Migrant:innen, die schon sehr lange in Deutschland leben und auch schon früh in ihrem Leben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Diskriminierungserfahrungen und sozio-ökonomische Benachteiligung wirken sich daher unter Umständen weniger aus (Klaus und Baykara-Krumme 2017; Schenk et al. 2020). Verzerrungen durch eine selektive Teilnahme von Migrant:innen sind ebenfalls anzunehmen, da nur Fragebögen auf Deutsch verschickt wurden.

Die Ergebnisse zu Bildungsunterschieden machen deutlich, dass sich soziale Ungleichheit in der sozialen Eingebundenheit im hohen Alter widerspiegelt. Je niedriger die formale Bildung, umso kleiner die sozialen Netzwerke, umso seltener die sozialen Kontakte und umso höher der Anteil der Alleinlebenden und der Personen im Heim. Die soziale Unterstützung ist jedoch bei niedrigerer Bildung etwas höher – mutmaßlich aufgrund eines ebenfalls deutlich höheren Bedarfs.

Zwischen Ost- und Westdeutschland konnten insgesamt keine signifikanten Unterschiede in der sozialen Eingebundenheit identifiziert werden. Allerdings bewerteten Hochaltrige aus Westdeutschland die Veränderungen der Coronapandemie im Bereich ihrer privaten Kontakte häufiger als (sehr) stark als Hochaltrige aus Ostdeutschland. Ob sich dahinter eine andere Wahrnehmung bzw. Bewertung oder auch tatsächliche Unterschiede in den Pandemiemaßnahmen oder ihrer lokalen Durchsetzung verbirgt, lässt sich mit den vorhandenen Daten nicht klären.

Keine Gruppe hat jedoch die Veränderungen der privaten Kontakte während der Pandemie als so stark und so häufig negativ empfunden wie Personen in Heimen. Von ihnen gibt über die Hälfte an, die Veränderungen als (sehr) stark erlebt zu haben und über zwei Drittel bewerten diese Veränderung als eindeutig negativ. Dieses Ergebnis spiegelt damit die teilweise sehr restriktiven Kontaktregelungen in Heimen wider. Worin genau die Veränderung jeweils besteht, konnte im Rahmen dieser Querschnittsbefragung jedoch nicht ermittelt werden.

Über die betrachteten sozio-demografischen Gruppen hinweg zeigt sich, dass jeweils Personen mit einem großen sozialen Netzwerk die Veränderungen als stärker erlebt haben als Personen mit mittleren und kleinen Netzwerken. Gleiches gilt auch für soziale Unterstützung: Personen, die häufig soziale Unterstützung erhalten, haben die Veränderungen als stärker erlebt als Personen, die eher selten soziale Unterstützung erhalten.

Die Ergebnisse können als Ausgangspunkt weiterführender Analysen und zielgerichteter Interventionen dienen. Die überwiegend gute soziale Eingebundenheit macht deutlich, dass soziale Kontakte und Unterstützung wichtige Ressourcen sind, auf die viele der Hochaltrigen in Deutschland zurückgreifen können. Mit zunehmendem Alter und beim Umzug in ein Heim nimmt die Netzwerkgröße und die Kontakthäufigkeit ab. Allerdings nimmt die erhaltene soziale Unterstützung zu. Näher betrachtet werden sollte, inwiefern Hochaltrige mit ihrer sozialen Eingebundenheit zufrieden sind, d. h. ob ihre Wohnsituation, ihr soziales Netzwerk, die Häufigkeit ihrer sozialen Kontakte und die soziale Unterstützung ihren Vorstellungen entsprechen. Wenn Personen sich beispielsweise einsam fühlen, ist dies ein wichtiger Hinweis auf fehlende soziale Eingebundenheit und die Notwendigkeit von Interventionen. Wie im D80+-Kurzbericht zum Thema Einsamkeit ausführlich analysiert, haben 12,1 % der hochaltrigen Menschen in Deutschland angegeben, sich häufig oder immer einsam zu fühlen (Kaspar et al. 2022). Neben der subjektiven Perspektive ist auch der Aspekt sozialer Ungleichheit bei Maßnahmen oder Interventionen zu berücksichtigen. Die beobachteten Bildungsunterschiede weisen darauf hin, dass sich soziale Ungleichheit bis ins hohe Alter auswirkt und Personen mit niedriger Bildung benachteiligt sind. Die geringere soziale Einbindung von Personen in Heimen und die von ihnen angegebene deutliche und negative Veränderung im Bereich der privaten Kontakte während der Coronapandemie sprechen außerdem dafür, dass Kontaktbeschränkungen und weitere Maßnahmen der Pandemie-Eindämmung in dieser Altersgruppe gut abgewogen werden sollten.