1 Einleitung

In Kinderschutzverfahren vor dem Familiengericht geht es um viel – für die Kinder und Jugendlichen, für ihre Eltern und für die gesamte Familie. Der Eingriff in ihre Grundrechte ist so wesentlich, dass die Rechtsordnung – mit Ausnahme von Eilfällen bei dringender Gefahr – der Justiz als dritter Gewalt die Entscheidung hierüber vorbehält (§ 8a Abs. 2 S. 2 SGB VIII). Damit Familiengerichte ihrer Verantwortung gerecht werden können, kommt im familiengerichtlichen Verfahren ein interdisziplinärer Kreis an Mitwirkenden zusammen. Dies sichert einerseits, dass die notwendigen Fachkompetenzen und Perspektiven in ihrer Vielfalt verlässlich im Verfahren vorgehalten werden. Andererseits kann die Vielzahl der Akteur*innen, die im Verfahren eine Rolle haben und zusammenwirken sollen, auch die Komplexität der Entscheidungsfindung erhöhen. Denn Kinderschutz findet in einem vielschichtigen Geflecht zwischen Selbstbestimmung und Eingriff statt (Wapler 2015; Deutscher Ethikrat 2018) und betrifft schwer prognostizierbare Einschätzungsaufgaben zur kindlichen Entwicklung und Veränderungen in der elterlichen Erziehung (Urban-Stahl et al. 2018, S. 15 f.).

2 Familiengericht

Das Familiengericht steht im Mittelpunkt der professionellen Akteure des familiengerichtlichen Verfahrens. Das Gesetz weist ihm nicht nur mit der Verfahrensleitung, sondern auch mit den Entscheidungsbefugnissen über Eingriffe in die elterliche Sorge nach §§ 1666, 1666a BGB eine erhebliche Machtposition mit Blick auf den Ablauf und die Ergebnisse des familiengerichtlichen Verfahrens zu. Diese hoch grundrechtsrelevante Aufgabe ist Familienrichter*innen nicht übertragen wegen ihrer fachlichen Kompetenzen in der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung oder einer elterlichen Bereitschaft und Fähigkeit zu deren Abwendung einer solchen (§ 1666 Abs. 1 BGB), sondern wegen ihrer Unabhängigkeit und ihrer qua Rolle vorausgesetzten Unvoreingenommenheit (Art. 97 Abs. 1 GG). Um auf Kindeswohlbelange, Interessen und Vorbringen der Beteiligten aus der Familie eingehen zu können, bedürfen sie allerdings Expertise, die in der juristischen Ausbildung nicht vermittelt wird. Deshalb ist im familiengerichtlichen Verfahren strukturell verbindlich vorgesehen, dass zum einen der Sachverstand des Jugendamts als Fachbehörde einbezogen ist (§ 162 FamFG, § 50 SGB VIII) und zum anderen den Kindern Verfahrensbeiständ*innen an die Seite gestellt werden, um sie im Verfahren zu begleiten und ihre Interessen im Verfahren wahrzunehmen (§ 158b Abs. 1 FamFG). Im Bedarfsfall sind Sachverständige zu bestellen, die über eine „psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen“ (§ 163 Abs. 1 FamFG).

Die richterliche Unabhängigkeit fordert die Familienrichter*innen zudem auf, sowohl in der einzelfallbezogenen Arbeit in den Verfahren als auch in Netzwerken/Arbeitskreisen die erforderliche Distanz zu wahren. In der fallübergreifenden Arbeit bleiben dabei regelmäßiger Erfahrungsaustausch und Absprachen zu Verfahrensweisen auch für Familienrichter*innen jederzeit möglich und sind als Teil der Fachlichkeit des interdisziplinär arbeitenden Familiengerichts unbedingt erstrebenswert (Meysen/Finke 2014, Kap. A Rn. 1 f.). In der einzelfallbezogenen Arbeit hindert die gebotene Unabhängigkeit nicht, dass Familienrichter*innen bspw. im Vorfeld vor Anhörungen mit Fachkräften im Jugendamt, Verfahrensbeiständ*innen oder Sachverständigen Gespräche führen, etwa zur Vorbereitung der Beweiserhebung oder der Anhörung des Kindes. Allerdings ist über solche Gespräche und Kontakte gegenüber allen Beteiligten im Verfahren Transparenz herzustellen und es sind alle Beteiligten über die Inhalte des Besprochenen zu informieren.

3 Beteiligte aus der Familie

Das Kind und die Eltern sind Beteiligte in Kinderschutzverfahren (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Sie sind diejenigen, um deren Rechte es in erster Linie geht. Im Fokus steht das schutzbedürftige Kind als Beteiligter und damit nicht nur Objekt, sondern – so die Konstruktion – mitgestaltender Akteur im familiengerichtlichen Verfahren. Um dies zur Geltung zu bringen, ist ihnen eine Verfahrensbeiständin bzw. ein Verfahrensbeistand an die Seite gestellt; sie/er bringt die Interessen des Kindes und den geäußerten Willen ins Verfahren ein (Zitelmann 2001). Insgesamt sind alle professionellen Akteur*innen im familiengerichtlichen Verfahren aufgefordert, das Kind zu hören.

An die Eltern wird in Kinderschutzverfahren in erster Linie die Frage gestellt, ob sie ihrer Verantwortung ausreichend gerecht werden, den Schutz des Kindes zu gewährleisten – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen (§ 1666a BGB). Als erwachsene Beteiligte, oft vertreten durch Rechtsanwält*innen als Verfahrensbevollmächtigte, wird von ihnen erwartet, dass sie ihre Rechte im Verfahren selbst vertreten können. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil ist ebenfalls Beteiligter im Kinderschutzverfahren, da bei einem Entzug der elterlichen Sorge zu prüfen ist, ob ihm das Sorgerecht ganz oder zum Teil übertragen werden kann (§ 1680 Abs. 3 S. 2 BGB; OLG Frankfurt a. M. 13.12.2011 – 3 WF 310/11; OLG Schleswig 4.5.2011 – 12 UF 83/11). Mangels unmittelbarer Rechtsbetroffenheit sind Großeltern in der Regel nicht am Verfahren zu beteiligen (OLG Hamm 29.12.2011 – 2 WF 314/11; 7.6.2011 – 2 WF 118/11). Pflegeeltern sind als Beteiligte hinzuzuziehen, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt (§ 151 Abs. 1 S. 1 FamFG; s. a. Anhörung und Mitwirkungspflichten der Beteiligten [Kap. 4]).

4 Verfahrensbevollmächtigte

Rechtsanwält*innen sind Interessenvertreter*innen ihrer Mandant*innen. In Kinderschutzverfahren besteht zwar kein Anwaltszwang, sodass die Beteiligten aus der Familie das Verfahren auch ohne Verfahrensbevollmächtigte betreiben können (§ 10 Abs. 1 FamFG). Da aber bei einem (drohenden) Sorgerechtsentzug der Grundrechtseingriff so weitreichend ist, erscheint eine anwaltliche Vertretung für die Sicherstellung eines fairen Verfahrens regelmäßig wünschenswert, wenn nicht angezeigt. Sind Eltern nicht durch Verfahrensbevollmächtigte vertreten, sollte das Familiengericht dies daher im Rahmen seiner Verfahrensleitung thematisieren, auf die Möglichkeit einer Vertretung und ggf. der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe hinweisen.

Rechtsanwält*innen sind als Verfahrensbevollmächtigte berechtigt, Verfahrenshandlungen für ihre Mandant*innen vorzunehmen, also Beweisanträge zu stellen oder Akteneinsicht zu beantragen. Sie vertreten ihre Mandant*innen, also in Kinderschutzverfahren ganz überwiegend die Eltern (zur anwaltlichen Vertretung des Kindes s. a. Die Rolle der Anwält*innen im Kinderschutzverfahren [Kap. 41]). Diese Rolle bringt mit sich, dass Rechtsanwält*innen mitunter auch Jugendamtshandeln oder sachverständige Begutachtung im Interesse ihrer Mandant*innen kritisieren. Allerdings sind Rechtsanwält*innen standesrechtlich verpflichtet, sich nicht unsachlich zu verhalten, also nicht bewusst Unwahrheiten zu verbreiten oder sich herabsetzend zu äußern (§ 43a Abs. 3 BRAO). Auch für Rechtsanwält*innen als Organ der Rechtspflege bleibt zudem das Kindeswohl übergeordnetes Leitprinzip. Sie können daher in Kinderschutzverfahren möglicherweise aufgefordert sein, sich von Ansinnen der Eltern abzugrenzen, wenn damit eine Gefährdung für das Kind einhergehen kann (zur Rolle der Anwält*innen in Kinderschutzverfahren s. a. Kap. 41).

5 Jugendamt

Jugendämter treten in familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren in drei Rollen auf. Sie wirken als sozialpädagogische Fachbehörde in der Rolle der Beteiligten im Verfahren mit (§ 50 SGB VIII, § 162 FamFG), sie sind Sozialleistungsträger (§ 79 SGB VIII) und als Berechtigter zur Vornahme von Rechtshandlungen für das Kind beteiligt im Rahmen einer Inobhutnahme (§ 42 Abs. 2 S. 4 SGB VIII) oder als gesetzliche Vertreter*in in der Rolle des/der Amtsvormund*in bzw. Amtspfleger*in (§§ 1791b, 1791c BGB) (Abb. 35.1).

Abb. 35.1
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Jugendamt

Das Jugendamt wirkt im familiengerichtlichen Verfahren als Fachbehörde mit. Es ist weder weisungsgebunden noch in einer dienenden Rolle im Sinne einer „Familiengerichtshilfe“. Die Mitwirkung steht unter dem Vorbehalt des Hilfeauftrags im Rahmen der Zielbestimmung, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Eltern und Erziehungsberechtigte bei der Erziehung zu beraten und unterstützen sowie Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen (§ 1 Abs. 1 bis 3 SGB VIII). Das Jugendamt hat bei der Wahrnehmung seines Schutzauftrags die Pflicht, das Familiengericht anzurufen, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderlich ist oder wenn die Erziehungsberechtigten nicht an der Gefährdungseinschätzung mitwirken (§ 8a Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Nach einer Inobhutnahme hat das Jugendamt die Pflicht, unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen, wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme widersprechen und ihnen ihr Kind nach Einschätzung des Jugendamts aufgrund einer Kindeswohlgefährdung nicht wieder übergeben werden kann (§ 42 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB VIII). Im Rahmen der Mitwirkung hat das Jugendamt insbesondere über angebotene und erbrachte Leistungen zu unterrichten, soziale und erzieherische Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes oder der/des Jugendlichen einzubringen und auf Möglichkeiten der Hilfe hinzuweisen (§ 50 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Dies wird gespiegelt im Familienverfahrensrecht, wonach das Jugendamt automatisch formell Beteiligter in Kinderschutzverfahren, stets anzuhören und von den Terminen zu benachrichtigen ist. Die Entscheidungen sind ihm bekannt zu machen und das Jugendamt hat ein eigenständiges Beschwerderecht (§ 162 FamFG; zum Jugendamt als Fachbehörde s. a. Das Jugendamt als Fachbehörde – Rolle und Aufgaben im Verfahren nach § 1666 BGB [Kap. 36]).

Gleichzeitig ist mit dem Jugendamt der Sozialleistungsträger in das Verfahren eingebunden, der für die Gewährung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist. Dies betrifft in erster Linie die Gewährung von Leistungen der Hilfen zur Erziehung in ambulanter, teilstationärer oder stationärer Form (§§ 27 bis 35 SGB VIII) und der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung (§ 35a SGB VIII) (hierzu s. a. Hilfe- und Fördermöglichkeiten dies- und jenseits der Kinder- und Jugendhilfe [Kap. 29]). Für Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung sind die Träger der Eingliederungshilfe nach SGB IX vorrangig oder allein zuständig (§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII). Die Kommune als Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist in der sog. Gesamtverantwortung, dass die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen nach SGB VIII den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (§ 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VIII). Bei der Gewährung von Hilfen ist das Jugendamt verantwortlich für die Hilfeplanung, hat die Beteiligten aus der Familie und die (potenziellen) Leistungserbringer an der Auswahl der Hilfe sowie des konkreten Leistungserbringers, den Feststellungen zum Bedarf und zu den Zielen in einem partizipativen Prozess zu beteiligen und einen Hilfeplan aufzustellen (§ 36 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VIII). Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte, voraussichtlich für längere Zeit zu leistende Hilfe ist innerhalb des Jugendamts verpflichtend im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte zu treffen (§ 36 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Als Querschnittsaufgabe hat insbesondere auch das Jugendamt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben einen Schutzauftrag bei Gefährdung des Kindeswohls (§ 8a SGB VIII) – vor, während und nach einem familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren.

Ist in familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren die elterliche Sorge bereits vorläufig entzogen oder ist die Mutter minderjährig, ist neben dem Jugendamt als Fachbehörde außerdem das Jugendamt als Amtsvormund*in bzw. Amtspfleger*in Beteiligter im Verfahren (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), wenn nicht eine/ein Vereins-, Berufs- oder ehrenamtliche/ehrenamtlicher Vormund*in bestellt ist. Die/der Vormund*in nimmt die rechtliche Vertretung des Kindes oder Jugendlichen im Verfahren wahr (§ 1800 i. V. m. §§ 1631 bis 1632 BGB) und hat die umfassende Aufgabe, die Pflege und Erziehung persönlich zu fördern und zu gewährleisten (§ 1800 S. 2 BGB). Hierbei können Einschätzungen und Vorstellungen über die Sicherstellung von Schutz und Förderung des Kindes zwischen Jugendamt als Sozialleistungsträger und Jugendamt als Amtsvormund*in auseinandergehen und Verfahrenshandlungen sowie Anträge auch in Widerspruch zueinander stehen (BVerfG 24.8.2020, 1 BvR 1780/20). Nicht so strikt getrennt vom Jugendamt als Sozialleistungsträger ist die Berechtigung des Jugendamts während einer Inobhutnahme alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder der/des jugendlichen notwendig sind; hierzu zählen die Sorge für das Wohl, die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts und die Krankenhilfe (§ 42 Abs. 2 S. 3 und 4 SGB VIII). Auch die Entscheidung über den Aufenthalt und die geeignete Unterbringung obliegt in der Zeit der Inobhutnahme allein dem Jugendamt – unabhängig davon, ob ein familiengerichtliches Eil- oder Hauptsacheverfahren anhängig ist oder nicht. Zu beachten ist, dass die örtliche Zuständigkeit für die einzelnen Aufgaben des Jugendamts auseinanderfallen kann (vgl. §§ 86 ff. SGB VIII) und gegebenenfalls verschiedene Jugendämter im Fall involviert sind, bspw. wenn das für die Inobhutnahme zuständige Jugendamt am Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Kindes oder der/des Jugendlichen mit dem leistungszuständigen Jugendamt am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Personensorgeberechtigten auseinanderfallen.

6 Verfahrensbeistandschaft

Die Verfahrensbeistandschaft soll sicherstellen, „dass die eigenständigen Interessen des Kindes in das Verfahren eingebracht werden und das Kind nicht zu einem Verfahrensobjekt wird“ (BT-Drs. 13/4899, S. 76). Wesentliches Ziel ist die Sicherung der Grundrechte des Kindes. Diesen ist zwar auch das Jugendamt verpflichtet (§ 1 Abs. 1 SGB VIII), aber die Arbeit zum Schutz und zur Förderung des Kindeswohls ist dort familiensystemisch und in den Kontext eines Sozialleistungsträgers eingebettet. Zugang und Perspektiven unterscheiden sich somit zwischen Verfahrensbeiständ*innen und Jugendamt, für das bspw. die Zusammenarbeit mit den Eltern und die Beachtung innerbehördlicher Vorgaben wichtige weitere Werte sind.

Verfahrensbeiständ*innen haben bei der Feststellung und Wahrnehmung der Interessen des Kindes bzw. der/des Jugendlichen (§ 158b Abs. 1 S. 1 FamFG) zunächst den Kindeswillen differenziert zu ergründen und darzustellen. Der Kindeswillen ist außerdem im Lichte des Alters und der Reife des Kindes in den Lebenszusammenhang einzuordnen, um von dort aus die Interessen des Kindes zu bewerten (s. a. Aufgaben und Stellung der Verfahrensbeistandschaft im Kinderschutzverfahren [Kap. 37]). Die Verfahrensbeistände vertreten somit Kindeswille und Kindeswohl (Zitelmann 2001, S. 393). Sie sind damit aber nicht einfach weitere Institution zur Bestimmung des Kindeswohls (Eginhard & Walter 2002), sondern informieren das Kind darüber, welche Richtungsentscheidungen gerade familiengerichtlich für ihr weiteres Leben verhandelt wird (§ 158b Abs. 1 S. 3 FamFG). Sie sichern somit vor allem auch die Mitgestaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in familiengerichtlichen Verfahren. Hierbei kann Verfahrensbeiständ*innen vom Familiengericht die zusätzliche Aufgabe übertragen werden, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen zu führen (§ 158b Abs. 2 S. 1 FamFG).

Verfahrensbeiständ*innen werden durch ihre Bestellung als formell Beteiligte zum Verfahren hinzugezogen (§ 158b Abs. 3 S. 1 FamFG). Sie haben Beschwerderecht, werden damit aber nicht zu gesetzlichen Vertreter*innen des Kindes (§ 158b Abs. 3 S. 2 und 3 FamFG), dürfen somit zwar im familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren Verfahrenshandlungen im Interesse des Kindes vornehmen, aber nicht im Namen des Kindes handeln. Ihre Bestellung endet mit Abschluss des Verfahrens, also in der Regel mit Ablauf der Rechtsmittelfrist. Dies gibt die Gelegenheit, dem Kind bzw. der/dem Jugendlichen die Entscheidung oder den sonstigen Ausgang des Verfahrens zu vermitteln (mehr zur Verfahrensbeistandschaft s. a. Kap. 37).

7 Sachverständige

Sachverständige in Kinderschutzverfahren bringen neben der sozialpädagogischen Expertise des Jugendamts vor allem tatsachenwissenschaftlichen Sachverstand ins Verfahren ein. Das Gesetz beschränkt diesen auf Personen mit psychologischer, psychotherapeutischer, kinder- und jugendpsychiatrischer, psychiatrischer oder ärztlicher sowie auf Personen mit pädagogischer oder sozialpädagogischer Berufsqualifikation. Bei Letzteren ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen (§ 163 Abs. 1 FamFG).

Das Familiengericht kann somit je nach tatsachenwissenschaftlich zu klärender Beweisfragen eine/einen passende/passenden Sachverständige*n bestellen. Diese/dieser wird mit der Bestellung zum weisungsgebundenen Hilfsorgan des Gerichts (§ 404a Abs. 1 ZPO; näher Familienpsychologische Sachverständigengutachten im Kinderschutz [Kap. 39]). Rechtsfragen sind von Sachverständigen nicht zu klären. Bei entsprechenden Aufträgen haben sie die juristischen Fragen in handhabbare psychologische Fragestellungen umzuformulieren. Für die Bearbeitung hat eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht erarbeitet (BMJV 2019). Danach begutachten Sachverständige im Kindschaftsrecht in der Regel ein Zusammenwirken von mindestens zwei Personen (mindestens einem Elternteil und einem Kind). Gerade in Kinderschutzverfahren kann auch das weitere Umfeld miteinzubeziehen sein, so das familiäre Umfeld, aber auch das Jugendamt und die/der Verfahrensbeistand*Verfahrensbeiständin. Datenschutzrechtlich steht dem in der Regel nichts entgegen (s. a. Praxisfragen zur Schweigepflicht und zum Datenschutz im Kinderschutzverfahren [Kap. 42]). Wollen Gerichte von den Wertungen eines Sachverständigengutachtens abweichen, bedarf dies einer sorgfältigen Begründung (siehe etwa BVerfG 3.2.2017 – 1 BvR 2569/16), was den Sachverständigengutachten häufig besonderes Gewicht verleiht. In jedem Fall hat das Familiengericht das Gutachten zu bewerten und zu prüfen, inwieweit die Ausführungen Grundlage der Entscheidung sein können.

8 Ringen um Schutz und Hilfe für Kinder

Die handelnden Akteur*innen im familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren sind sich der Tragweite und Verantwortung ihres Handelns regelmäßig sehr bewusst. Sie ringen mit sich um möglichst treffende Einschätzungen und miteinander um Deutungsmacht über das Kindeswohl. Klarheit über die eigenen Aufgaben und die Rolle im familiengerichtlichen Verfahren sowie über diejenige der Anderen, kann dabei helfen, dieses Ringen nicht in ein Gegen- oder Nebeneinander, sondern in ein funktionales Zusammenwirken zu bringen (s. a. Einschätzungsunterschiede konstruktiv ins Gespräch bringen [Kap. 44]).