Der folgende Text behandelt die Verfahrensbeistandschaft als Interessenvertretung des Kindes in Kinderschutzverfahren. Die Schwerpunkte liegen auf der Bestellung und Aufhebung der Verfahrensbeistandschaft sowie auf deren Aufgaben und Stellung innerhalb des Verfahrens.

1 Notwendigkeit und Voraussetzungen der Bestellung

In Verfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB muss gem. § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend eine/ein Verfahrensbeiständin/-beistand bestellt werden, wenn der teilweise oder vollständige Entzug der Personensorge in Betracht kommt. Eine teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB wird in diesen Verfahren regelmäßig eine in Betracht zu ziehende Möglichkeit darstellen. Kommen nur Maßnahmen nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1–5 BGB in Betracht, findet die Regelbestellung des § 158 Abs. 3 FamFG Anwendung.

Die Bestellung findet durch das Gericht von Amts wegen statt. Sind Geschwister betroffen, hat die Bestellung für jedes Geschwisterkind einzeln zu erfolgen. In der Regel wird es sinnvoll sein, für alle Geschwisterkinder dieselbe Person zu bestellen. Allerdings sind ausnahmsweise verschiedene Personen mit der Verfahrensbeistandschaft zu betrauen, wenn die Geschwisterkinder unterschiedliche bzw. gegenläufige Interessen haben.Footnote 1 Dies kann auch noch nach der Bestellung von Seiten der/des Verfahrensbeiständin/-beistands angeregt werden.Footnote 2 Die Bestellung einer Verfahrensbeistandschaft geht der Bestellung einer Ergänzungspflegschaft grundsätzlich vor, da letztere einen Eingriff in das Sorgerecht der Eltern darstellt.Footnote 3

Eine Bestellung ist für jedes Verfahren einzeln zu prüfen, also sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung sowie im Abänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 2 BGB. Eine Bestellung kann erstmalig auch noch im Beschwerdeverfahren stattfinden.Footnote 4 Bei jedem neuen Verfahren oder einem Wechsel von einem Elternkonfliktverfahren zu einem Kinderschutzverfahren muss stets neu geprüft werden, ob die Bestellung einer/eines Verfahrensbeiständin/-beistands notwendig ist.Footnote 5

Die Bestellung soll gem. § 158 Abs. 1 S. 2 FamFG „so früh wie möglich“ erfolgen. Der genaue Zeitpunkt der Bestellung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Im Zweifel sollte die Bestellung aber noch vor dem frühen Termin erfolgen.Footnote 6 Auch eine konkludente, also nicht ausdrückliche, aber schlüssige Bestellung ist möglich, sofern das Gericht zum Ausdruck bringt, dass es eine Einflussnahme der/des Verfahrensbeiständin/-beistands auf das Verfahren ermöglichen will.Footnote 7

Die Nichtbestellung kann als Verfahrensfehler innerhalb der Beschwerde gegen die Endentscheidung gemäß den §§ 58 ff. FamFG gerügt werden und im Beschwerdefahren zur Aufhebung des Beschlusses führen.Footnote 8

(Negativ-) Beispiele für fehlende Bestellungen

Das Familiengericht Düsseldorf bestellte in einer Umgangssache für das Kind eine Verfahrensbeistandschaft, nicht jedoch für das zusätzlich eingeleitete Kinderschutzverfahren.Footnote 9

Auch im sogenannten Staufener Missbrauchsfall wurde in beiden Rechtsinstanzen von der Bestellung einer Verfahrensbeistandschaft abgesehen.Footnote 10

Die fehlende Bestellung in einem Kinderschutzverfahren vor dem Amtsgericht (AG) Dieburg führte dazu, dass die Entscheidung und das Verfahren vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen wurden, da es noch zu keiner Entscheidung in der Sache kam.Footnote 11

2 Geeignetheit der Verfahrensbeistandschaft

Nach § 158 Abs. 1 FamFG muss das Gericht zur Interessenwahrnehmung des Kindes eine/einen persönlich und fachlich geeignete/geeigneten Verfahrensbeiständin/-beistand auswählen und bestellen. Die persönliche und fachliche Eignung wird seit 2022 in § 158a FamFG näher bestimmt.Footnote 12 Mit dieser Neuregelung wurde eine schon lange bestehende Forderung erfüllt.Footnote 13 Nicht umgesetzt wurde hingegen die Forderung nach einer unabhängigen Stelle oder einer anerkannten Ausbildungsstelle, welche die Qualifizierungen prüft und für eine Zulassung zum Beruf der Verfahrensbeistandschaft zuständig ist oder selbst die entsprechende Ausbildung zertifiziert. Nach wie vor können daher die Familiengerichte nicht aus einem bereits geprüften „Pool“ an zertifizierten Verfahrensbeiständ*innen eine persönlich und fachlich geeignete Person auswählen.Footnote 14

§ 158a FamFG

  1. (1)

    Fachlich geeignet im Sinne des § 158 Absatz 1 ist eine Person, die Grundkenntnisse auf den Gebieten des Familienrechts, insbesondere des Kindschaftsrechts, des Verfahrensrechts in Kindschaftssachen und des Kinder- und Jugendhilferechts, sowie Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes hat und über kindgerechte Gesprächstechniken verfügt. […]

  2. (2)

    Persönlich geeignet im Sinne des § 158 Absatz 1 ist eine Person, die Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen. Persönlich ungeeignet ist eine Person stets dann, wenn sie rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 178, 180, 180a, 181a, 182 bis 184c, 184e bis 184g, 184i bis 184k, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist. […]

Die fachliche Eignung ist auf Verlangen des Gerichts nachzuweisen. Die persönliche Eignung kann das Gericht insbesondere durch Einsicht in das erweiterte Führungszeugnis prüfen. Auch über die Erfüllung der Verpflichtung, sich mindestens alle zwei Jahre fortzubilden, kann das Gericht einen Nachweis verlangen.

Die persönliche Eignung betrifft insbesondere die zuverlässige und zeitnahe Erfüllung der übertragenen Aufgaben sowie die eigene IntegritätFootnote 15 und die Unvoreingenommenheit.Footnote 16 Die Anforderung einer persönlichen Eignung soll insbesondere die Bildung eines professionellen Bewusstseins fördern und die Bestellungsentscheidung fundieren sowie das Vertrauen vor allem des Kindes in die/den bestellte/bestellten Verfahrensbeiständin/-beistand erhöhen.Footnote 17 Die Geeignetheit sollte sich in Kinderschutzverfahren auch auf die besondere Situation des Kindes beziehen, insbesondere wenn z. B. Traumatisierungen aufgrund von sexueller Gewalt vorliegen könnten. In der Praxis dürften viele Verfahrensbeiständ*innen in diesen Fällen über keine spezifischen Kenntnisse verfügen.Footnote 18 Vor jeder Übernahme sollte zudem die/der Verfahrensbeiständin/-beistand selbst prüfen, ob sie/er persönlich und fachlich geeignet ist und zeitlich eine geeignete Vertretung gewährleisten kann, bevor der Auftrag angenommen wird.Footnote 19

3 Aufgaben der Verfahrensbeistandschaft

3.1 Interessenvertretung des Kindes

„Ein Verfahrenspfleger unterstützt meine Gefühle und das, was ich will, und teilt es dem Gericht mit – so etwas wie ein Anwalt.“Footnote 20

Zur Wahrung der Interessen des Kindes hat die/der Verfahrensbeiständin/-beistand den Willen des Kindes in das Verfahren einzubringen, aber auch dessen Wohl zu wahren.Footnote 21 Das Interesse des Kindes umfasst demnach sowohl den Willen (subjektives Interesse) als auch das Wohl (objektives Interesse) des Kindes. Diese können übereinstimmen, müssen es aber nicht. Hier kann es zu Spannungen zwischen dem kommen, was das Kind will, und dem, was andere im Verfahren, z. B. das Gericht, die Eltern oder das Jugendamt, als kindeswohlgemäß ansehen. Mit zunehmendem Alter und zunehmender Reife sollte dem Willen des Kindes gegenüber dem objektiv verstandenen Wohl mehr Gewicht beigemessen werden.Footnote 22 Die Missachtung eines selbstbestimmt gebildeten Kindeswillens kann sogar das Wohl des Kindes gefährden (s. a. Berücksichtigung des Kindeswillens in Kinderschutzverfahren [Kap. 6]).Footnote 23

Es ist Aufgabe der Verfahrensbeiständ*innen, die Perspektive des Kindes in das Verfahren einzubringen und das Kind bei der Formulierung seiner Wünsche und Interessen zu unterstützen. Dies ist insbesondere innerhalb der gerichtlichen Anhörung des Kindes wichtig, damit das Kind dem Gericht seine Interessen verständlich darlegen kann und das Gefühl hat, dass diese auch gehört und beachtet werden (s. a. Rechtliche Vorgaben zur Kindesanhörung und kindgerechte Anhörung [Kap. 5]). Damit sich das Kind mit allen Fragen und Sorgen bezogen auf das Gerichtsverfahren an die/den Verfahrensbeiständin/-beistand wenden kann, ist es erforderlich, dem Kind zu vermitteln, dass es ihr/ihm voll vertrauen kann, dass sie/er unabhängig von den Interessen der anderen Beteiligten (Eltern, Jugendamt, aber auch Gericht) handelt und allein für das Kind da ist.Footnote 24

Die/der Verfahrensbeiständin/-beistand ist zwar auch berechtigt, eine eigene Kindeswohleinschätzung abzugeben, die Wiedergabe des Kindeswillens stellt jedoch den Schwerpunkt der Verfahrensbeistandschaft dar und darf nicht durch eine eigene Bewertung ersetzt werden. Denn dies könnte dazu führen, dass gerade nicht der Kindeswille, sondern die Überzeugung der/des jeweiligen Verfahrensbeiständin/-beistands als Maßstab genommen wird. Sollte nach deren/dessen Meinung der Wille des Kindes dessen Wohl zuwiderlaufen, kann sie/er dies nach Absprache mit dem Kind äußern, jedoch darf diese Bewertung nicht die Darstellung des Willens des Kindes verdrängen.Footnote 25

3.2 Aufgabenkreise in Kinderschutzverfahren

§ 158b FamFG unterscheidet hinsichtlich der Aufgaben der Verfahrensbeistandschaft zwischen dem originären Aufgabenkreis (Abs. 1) und dem erweiterten Aufgabenkreis (Abs. 2).

  1. (1)

    Im originären Aufgabenkreis (Abs. 1) ist das Interesse des Kindes festzustellen (Erforschung der Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen des Kindes) und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Des Weiteren ist das Kind während des gesamten Gerichtsverfahrens zu begleiten. Hierzu gehört unter anderem die Einsichtnahme in die Akten sowie die Verfolgung aller relevanten Verfahrenshandlungen, die Anlegung einer eigenen Akte, die Gesprächsführung mit dem Kind, die Begleitung des Kindes zur Anhörung und zu den Gerichtsverhandlungen, die aktive Teilnahme an derselbigen sowie die Vorlage einer schriftlichen und gegebenenfalls mündlichen Stellungnahme bezüglich der Interessen des Kindes. Hierbei dürfen grundsätzlich nur die Informationen weitergegeben werden, die das einsichtsfähige Kind in das Verfahren einbringen möchte; ohne Einwilligung des Kindes dürften Informationen nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung weitergegeben werden.

Zudem ist das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Dies beinhaltet die durchgehende Erläuterung der Verfahrensabläufe und der Verfahrenshandlungen der anderen Verfahrensbeteiligten sowie die Erklärung der jeweiligen Rollen.Footnote 26 Wichtig ist dabei, dass das Kind über die Aufgaben, die Stellung und die Bedeutung der Verfahrensbeistandschaft aufgeklärt wird, damit es die unterstützende Rolle versteht und nutzen kann, sich aber auch der Grenzen der Interessenvertretung bewusst ist.Footnote 27 Auch der gerichtliche Beschluss soll mit dem Kind erörtert werden. Dadurch wird das Kind in neutraler und kindgerechter Art über das Ergebnis des Kinderschutzverfahrens informiert. In diesem Zusammenhang kann auch die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung gemeinsam besprochen werden.Footnote 28

Strittig ist die Frage, ob innerhalb des originären Aufgabenkreises bei Kleinkindern auch Gespräche mit den Eltern oder weiteren Bezugspersonen des Kindes geführt werden dürfen. Gespräche mit den Eltern zu den Lebensverhältnissen von vor allem kleineren Kindern werden oftmals notwendig sein, um die Aufgaben der Verfahrensbeistandschaft angemessen wahrnehmen zu können.Footnote 29 Daher wird vertreten, dass die Kommunikation mit den Eltern und Gespräche mit dem Kind im Beisein der Eltern (insbesondere bei kleinen Kindern) in den originären Aufgabenkreis fallen, wenn diese zur Feststellung der Kindesinteressen notwendig sind.Footnote 30 Nach anderer Ansicht ist in diesen Fällen die Verfahrensbeistandschaft von vornherein mit dem erweiterten Aufgabenkreis zu bestellen,Footnote 31 wenngleich dies dazu führen kann, dass – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – die Bestellung mit einem erweiterten Aufgabenkreis zum Regelfall wird.Footnote 32

Des Weiteren kann die Verfahrensbeistandschaft dem Gericht gegenüber fordernd bezüglich der Wünsche und des Wohls des Kindes auftreten und sich bei der Auswahl der Maßnahmen einbringen, sofern dies im Rahmen der Vertretung der Kindesinteressen geschieht und nicht die Grenzen der eigenen Rolle und Aufgaben überschreitet.

  1. (2)

    Der erweiterte Aufgabenkreis nach § 158b Abs. 2 FamFG umfasst zusätzlich die Führung von Gesprächen mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes und/oder das Hinwirken auf ein Einvernehmen,Footnote 33 sofern hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht. In Kinderschutzverfahren ist das Hinwirken auf ein Einvernehmen in der Regel nicht Aufgabe der Verfahrensbeistandschaft, da ein Amtsverfahren nur durch Beschluss des Gerichts und nicht durch eine Einigung der Beteiligten beendet werden kann.

Hingegen können Gespräche mit den Eltern oder mit weiteren Bezugspersonen des Kindes gerade in Kinderschutzverfahren erforderlich sein.Footnote 34 Bezugspersonen können insbesondere die sozialen Eltern oder Pflegepersonen sein. Ausnahmsweise können auch Gespräche mit professionellen Fachkräften, z. B. Fachkräfte der Kindertagesstätte oder Lehrer*innen, zur Ermittlung der Kindesinteressen sinnvoll sein. Dabei sind aber der Datenschutz sowie die berufsbezogenen Schweigepflichten zu beachten, von denen die professionellen Fachkräfte bei einem Gespräch mit der Verfahrensbeistandschaft entbunden werden müssen.Footnote 35 Das Erfordernis für die Erweiterung des Aufgabenkreises auf die Führung von Gesprächen mit Bezugspersonen des Kindes kann aber entfallen, wenn diese bereits in den originären Aufgabenbereich anderer Fachkräfte fällt oder wenn eine psychologische Begutachtung für erforderlich gehalten wird.Footnote 36

Die Bestellung einer Verfahrensbeistandschaft mit erweitertem Aufgabenkreis und das Erfordernis hierfür sowie Art und Umfang der Aufgaben müssen durch das Gericht angeordnet und begründet werden.Footnote 37 Die Verfahrensbeiständ*innen sind an die Anordnungen des Gerichts gebunden und können nicht selbst den Aufgabenkreis festlegen beziehungsweise erweitern. Von dem durch das Gericht festgelegten Aufgabenkreis hängt die Vergütung ab, die bei einem erweiterten Aufgabenkreis 550 € statt 350 € beträgt (§ 158c Abs. 1 FamFG).

In der Praxis ist die Bestellung mit dem erweiterten Aufgabenkreis in Kinderschutzverfahren wohl eher die Regel als die Ausnahme.Footnote 38 Es wird aber auch teils gefordert, dass die erweiterte Bestellung restriktiv gehandhabt wird, damit sich die/der Verfahrensbeiständin/-beistand auf ihre/seine originäre Aufgabe, die Geltendmachung der Interessen des Kindes im Verfahren, konzentrieren kann.Footnote 39 Dafür spricht auch die klare Trennung der beiden Aufgaben in § 158b Abs. 1 und 2 FamFG. Dies soll die Unterschiede der beiden Aufgabenkreise verdeutlichen und zu einer Klärung des Rollenverständnisses beitragen.Footnote 40 Ob dieses Ziel allein durch die 2021 neu eingeführte Systematik erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.

  1. (3)

    Nicht zum Aufgabenbereich der Verfahrensbeistandschaft gehört die Geltendmachung der Interessen der Eltern. Zudem ist eine klare Grenze zu den Aufgabenbereichen der anderen Verfahrensbeteiligten zu ziehen. So ist es nicht Aufgabe der Verfahrensbeistandschaft, den Sachverhalt aufzuklären. Auch eine Begutachtung des Kindes oder die Unterstützung des Jugendamtes gehört nicht zu den Aufgaben der Verfahrensbeistandschaft.Footnote 41 Problematisch können auch vorherige Absprachen mit dem Jugendamt und dem Gericht sein,Footnote 42 weil dabei die eigentliche Aufgabe, die Interessen des Kindes im Verfahren zu wahren, aus dem Blick geraten kann. Umgekehrt ist es aber auch nicht Aufgabe des Jugendamtes, die Interessenvertretung des Kindes wahrzunehmen.Footnote 43

4 Stellung und Rechte der Verfahrensbeistandschaft

Die Verfahrensbeistandschaft ist ein Institut eigener Art und soll einen Ausgleich schaffen zwischen den Grundrechten und Interessen des Kindes und dem aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG resultierenden Elternrecht.Footnote 44 An diesem Ausgleich orientieren sich die gesetzlichen Regelungen zur Stellung und zu den Rechten der Verfahrensbeistandschaft.

Nach § 158b Abs. 3 S. 3 FamFG ist die/der Verfahrensbeiständin/-beistand keine/kein gesetzliche/gesetzlicher Vertreter*in des Kindes. Sie/er handelt daher in eigenem Namen und nicht im Namen des Kindes. Hierdurch soll der Eingriff in die Elternrechte so gering wie möglich gehalten werden. Diese Entscheidung für einen geringstmöglichen Eingriff in das Elternrecht bedeutet aber auch, dass die Eltern ein Zusammentreffen des Kindes mit der/dem Verfahrensbeiständin/-beistand außerhalb des Gerichtstermins verhindern können.Footnote 45

Für die Interessenwahrnehmung ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Verfahrensbeiständin/-beistand wichtig, weshalb dieser/diesem ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (Zivilprozessordnung) zusteht. Eine Schweigepflicht gegenüber Dritten ergibt sich bei einem einsichtsfähigen Kind aus dessen Persönlichkeitsrecht. Dieses muss daher die/den Verfahrensbeiständin/-beistand von der Schweigepflicht entbinden;Footnote 46 bei nicht einsichtsfähigen Kindern sind für die Entbindung von der Schweigepflicht die sorgeberechtigten Eltern zuständig. Eine Verletzung der Schweigepflicht ist jedoch nicht nach § 203 StGB (Strafgesetzbuch) strafbewehrt.Footnote 47 Allerdings finden hinsichtlich des Datenschutzes die Vorschriften der DSGVO und des BDSG Anwendung. Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c und e DSGVO ist die Erhebung und Verarbeitung von Daten zur Wahrnehmung der vom Gericht übertragenen Aufgaben beim Kind zulässig. Dies gilt jedoch nicht für die Ermittlung von personenbezogenen Daten bei Dritten, die von ihren Schweigepflichten entbunden werden müssten.Footnote 48

Als Beteiligte des Verfahrens (§ 158b Abs. 3 S. 1 FamFG) haben Verfahrensbeiständ*innen unter anderem das Recht auf Akteneinsicht (§ 13 Abs. 1 FamFG) und das Recht, Anträge und Erklärungen dem Gericht gegenüber abzugeben (§ 25 FamFG). Außerdem hat das Gericht den Beteiligten Beschlüsse bekannt zu geben (§ 40 Abs. 1 FamFG).

Nach § 158b Abs. 3 S. 2 FamFG sind Verfahrensbeiständ*innen zur Einlegung von Rechtsmitteln unabhängig von den Wünschen des Kindes berechtigt, und zwar auch dann, wenn das mindestens 14 Jahre alte Kind nach § 60 FamFG selbst Beschwerde einlegt oder die sorgeberechtigten Eltern als gesetzliche Vertreter*innen für das Kind Beschwerde einlegen.Footnote 49 In der Praxis machen Verfahrensbeiständ*innen von dieser Möglichkeit bislang jedoch nur selten Gebrauch.Footnote 50 Darüber hinaus besteht das Recht, Verfassungsbeschwerde für das Kind einzulegen.Footnote 51

5 Beendigung der Verfahrensbeistandschaft

Die Bestellung in Kinderschutzverfahren endet mit der Aufhebung der Bestellung oder mit der Rechtskraft der abschließenden Entscheidung, § 158 Abs. 4 S. 1 FamFG. 2021 wurden zwei neue Aufhebungsgründe eingeführt: Nach § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 FamFG hebt das Familiengericht die Bestellung auf, wenn die/der Verfahrensbeiständin/-beistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen. Erhebliche Gründe können z. B. vorliegen, wenn der Antrag zur Unzeit (z. B. kurz vor Verfahrensabschluss) gestellt wird.Footnote 52 Nach § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung aufzuheben, wenn die Fortführung des Amtes die Kindesinteressen gefährdet. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Amt krankheitsbedingt nicht weiter ausgeführt werden kann, wenn es unzureichend oder sehr unzuverlässig ausgeübt wird oder die Wahrnehmung des Amtes offenkundig und erheblich die Kindesinteressen verkennt oder missachtet.Footnote 53 Aufgrund der besonderen und unabhängigen Rolle der Verfahrensbeistandschaft sollte das Gericht jedoch eine Gefährdung der Kindesinteressen nur ausnahmsweise annehmen. Footnote 54

Die Entscheidung über die Bestellung, Aufhebung oder Nichtbestellung einer Verfahrensbeistandschaft ist nicht isoliert anfechtbar (§ 158 Abs. 5 FamFG). Als Grund wird hierfür insbesondere eine für das Kind möglicherweise nachteilige Verfahrensverzögerung angegeben,Footnote 55 welche mit dem Beschleunigungsgebot kollidieren und sich daher kindeswohlschädlich auswirken könnte. Zudem bestünde im Fall einer isolierten Anfechtungsmöglichkeit die Gefahr, dass Eltern ihr Kind entsprechend instrumentalisieren.Footnote 56 Eine Bestellung oder Nichtbestellung kann nur innerhalb des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung gerügt werden.Footnote 57 Auch eine Ablehnung der/des Verfahrensbeiständin/-beistands wegen Befangenheit ist nicht möglich. Dass die Verfahrensbeistandschaft nicht ohne weiteres beendet werden kann, trägt dazu bei, dass die Interessen des Kindes unabhängig und effektiv im Verfahren gewahrt werden können.Footnote 58 Allerdings können die Beteiligten bei Gericht anregen, die Aufhebung der Bestellung zu prüfen. Das Gericht ist dann verpflichtet, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen und diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen.Footnote 59

Mit der Reform 2021 wurde § 158 Abs. 5 FamFG a. F., nach dem die Bestellung unterbleiben oder aufgehoben werden sollte, wenn die Kindesinteressen von einer/einem Rechtsanwältin/-anwalt oder einer anderen verfahrensbevollmächtigten Person angemessen vertreten werden, ersatzlos gestrichen. Dies hängt einerseits mit den neuen Anforderungen an die fachliche Eignung der Verfahrensbeiständ*innen (§ 158a Abs. 1 FamFG) zusammen und soll andererseits den Sorgeberechtigten die Möglichkeit nehmen, die Bestellung einer/eines Verfahrensbeiständin/-beistands durch Beauftragung einer/eines Rechtsanwältin/-anwalts für das Kind zu verhindern.Footnote 60

6 Fazit

Das Institut der Verfahrensbeistandschaft ist dazu da, die Subjektstellung des Kindes zu sichern und für die Beachtung der Kindesinteressen innerhalb des gesamten Kinderschutzverfahrens zu sorgen. Dies muss die Richtschnur allen Handelns darstellen. Das Kind und seine Interessen, sprich sein Wille, aber auch sein Wohl, stehen im Mittelpunkt. Hierbei sollte vor allem auf die wachsende Selbstbestimmung des Kindes und die Relevanz des Willens mit zunehmendem Alter geachtet werden, wofür insbesondere die altersgerechte Information des Kindes bezüglich und während des gesamten Verfahrens eine wichtige Komponente darstellt.