Zusammenfassung
This article seeks to contextualize a comment by the author Gryphius on the appearance of Mary Stuart in his tragedy Carolus Stuardus (1657/1663). To explain her entry, Gryphius lectures on the historical sources from Buchanan to Camden for the portrayal of Mary Stuart as the sufferer of a trial of injustice. In contrast, there is the literary history of reception, which Gryphius doesn’t mention. Here, after her death, for example in Joost van den Vondel's drama Maria Stuart (1646), Mary Stuart is staged primarily as a Christian Catholic martyr. Gryphius, in turn, according to the central thesis of this article, transforms her Christian martyrdom into a political one by staging Mary as a spirit of the dead. As a dramatic example, Mary thus lends her (ghostly) voice to the historical injustice of the English regicide.
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1 Einleitung
In einer ergänzten Anmerkung für die zweite AusgabeFootnote 1 des Carolus Stuardus (1657/63) ist es dem Autor Andreas Gryphius ein Bedürfnis, den Auftritt einer bestimmten Figur weitläufiger zu kommentieren, denn: „[e]s haben sich etliche verwundert/ daß ich allhir den Geist Mariae eingeführet“.Footnote 2 Gemeint ist die schottische Königin Maria Stuart, die ebenso wie die beiden ehemaligen Gefährten Carl Stuarts, Laud und Strafford, den zweiten Akt als Totengeist einleitet. Nicht aber ihr Auftritt als Totengeist, sondern ihr Auftreten als historische Person hat laut Gryphius bei denjenigen für Verwunderung gesorgt, die Marias’ Gefangenschaft und Tod nur aus den älteren Geschichtsbüchern kennen. Tatsächlich ist die Rezeptionsgeschichte der historischen Maria Stuart eine bereits kurz nach ihrem Tod höchst umstrittene, wie der AutorFootnote 3 selbst anmerkt: „Vber ihrem unglückseligem Tode hat es vil Streitens gegeben.“Footnote 4 Wie man den Tod Marias beurteilen sollte: Dieser Frage nähert sich Gryphius nun über zwei Seiten an. Einerseits paratextuell über ein kurzes, historisches Referat der von ihm reflektierten Quellen von Buchanan bis Camden im Anmerkungsapparat, andererseits textuell über die geisterhaften Eigenaussagen Marias im Trauerspiel. Unerwähnt lässt Gryphius mögliche literarische Vorlagen des historischen Stoffes, sie schwingen aber in der frühneuzeitlichen Rezeption der Figur Maria Stuarts sicherlich mit, wie exemplarisch anhand von Vondels Maria Stuart zu zeigen sein wird.
Ausgehend von diesen Annahmen sehe ich eine dreifache Konzeption der Maria-Stuart-Figur: zunächst als die historische Maria, die bei Buchanan und Thou als infame Tyrannin, bei Camden als Leidtragende mehrfachen Unrechts dargestellt wird. Zweitens als die literarische Maria, wie sie vor allem in jesuitisch-katholischen Trauerspielen als bußfertige Märtyrerin inszeniert wird und drittens als die gespenstische Maria, wie sie Gryphius inszeniert und innerhalb seiner Gespensterpoetologie übersetztFootnote 5. Letztere bietet dabei eine neue dramatische Exposition des Maria-Stuart-MythosFootnote 6: Sie ist bei Gryphius weder eine reine Tyrannin noch Märtyrerin im Zeichen des katholischen Christentums. Im Zentrum der Darstellung steht im Carolus Stuardus vielmehr ihr politisches MartyriumFootnote 7 des unrechten, sich nun in ihrem Enkel Carl wiederholenden Königsmordes, dem sie als emblematisches ExempelFootnote 8 ihre Geisterstimme verleiht.
Dass dies, inspiriert von William Camdens Rerum anglicarum et hibernicarum annales (1615/1639), eine neue Perspektive in der Bewertung von Maria Stuarts Leben und Tod darstellt, erläutert Gryphius selbst in der paratextuellen Anmerkung zu Marias Geisterauftritt im Carolus StuardusFootnote 9.
2 Maria Stuart – historisch
Für Gryphius ist die Hinrichtung Marias durch das Urteil eines englischen Gerichts ein „unglückselige[r] Tod“.Footnote 10 Die unglücklichen Umstände ihres Todes wurden, so der Vorwurf durch Gryphius, von der Geschichtsschreibung auf ihr Leben umgedeutet und fortgeschrieben:
„Es haben sich etliche verwundert/ daß ich alhir den Geist Mariae eingeführet. Etliche/ schreib ich/ welchen Maria nirgends anders her als aus den Geschicht-Büchern des Hochgelehrten/ aber damals ihren Feinden und Verfolgern zugethanem Buchanans, dem auch Thuanus nachgegangen/ bekant; Andere welche etwas fleissiger sich der Beschaffenheit ihres Lebens erkündiget/ wissen besser von ihrem Gefängnüß und Tode zu urteilen.“Footnote 11
Gryphius teilt also die ihm bekannte Maria-Stuart-Geschichtsschreibung in zwei Lager ein: Diejenigen, die ihr feindlich gesinnt sind, das sind der Schotte George Buchanan sowie der Franzose Auguste de Thou; und diejenigen, die „besser von ihrem Gefängnüß und Tode zu urtheilen“ wissen. Für letztere steht der Engländer William Camden. Damit spielt Gryphius auch die ältere gegen die neuere Geschichtsschreibung aus: Denn während George Buchanan und der ihm folgende Thou ein tendenziöses Geschichtsbild Marias im Stile der mittelalterlichen Vita kreieren, bemüht sich Camden um eine quellenorientierte Darstellung, die meist ohne weitläufige Bewertung der Ereignisse auskommt und Authentizität durch Zitate beansprucht. Gelobt wird der „auffrichtige Cambdenus“Footnote 12 vom Landessyndikus Gryphius auch dafür, dass er die Ereignisse um Maria Stuart immer wieder in einen zeitgenössischen, juristischen Kontext rückbindet. So kritisiert Camden in den von Gryphius zitierten Annalen (1615/1639) die Gefangennahme Maria Stuarts 1568 nach der Flucht aus Schottland, weil diese mit dem (englischen) Kriegsrecht gerechtfertigt wird – obwohl so Gryphius,Footnote 13 „damals Elisabeth keinen offentlichen Krig wider sie [Maria] geführet“. Gryphius’ implizite Kritik richtet sich dabei auch an de Thou und Buchanan, die beide in ihren Historien ein überwiegend negatives Bild Marias als Tyrannin zeichnen.Footnote 14
Ein weiteres juristisch-politisches Skandalon sieht Gryphius nun in der von Camden zitierten Verteidigungsrede William Davisons, dem ehemaligen Privatsekretär Elisabeths. Dieser hatte das Hinrichtungsdekret, das Elisabeth zu Marias Fall unterzeichnete, überhastet dem Kronrat übergeben, wofür er sich nach der Enthauptung Marias vor Gericht zu verantworten hatte. Dabei gibt Davison, so deutet es Gryphius an, heikle Interna preis: „Ists der Warheit gemeß/ was Davison in seiner Schutz-Schrifft außgibet/ so lasse ich jdweden/ der noch bey Vernunfft urtheilen/ welche Stats-Geheimnüsse dadurch entdecket.“Footnote 15 Doch welche Staatsgeheimnisse werden durch Davisons Verteidigungsaussage konkret entdeckt?
Die von Gryphius zitierte Passage der Verteidigungsrede behandelt den dritten Tag der Vollmachtsaffäre um Maria Stuarts Hinrichtungsdekret. Hier berichtet Davison von der verunsicherten Elisabeth, die in der Nacht zuvor von Maria Stuarts Tod geträumt hatte. Er fragte sie daraufhin:
rogavi an sententiam mutarat. Negavit, At, inquit, alia ratio, excogitari poterat
I asked her, if shee had changed her purpose. She answered me, That some other meanes might have beene vsed.
Diese „other meanes“ bzw. „alia ratio“ fällt Elisabeth gleich selbst in den Sinn, wie Davison berichtet:
simulque an a Povvletto aliquid responsi acceptum, quaesivit. Cujus literas cum monstrassem; in quibus planè recusavit id suscipere, quod cum honore & justitia non conjunctum: Illa commotiorFootnote 16
and then inquiring of me, Whether I had received any answer from Sir Ayme Poulet; I shewed her his letters, wherein he refused to vndertake the execution, as vniust: to which, in great choler she replied.Footnote 17
Was Elisabeth laut Davison hier andeutet, ist ein Eingreifen des 1584 als Reaktion auf die Ermordung Wilhelms von Oranien gegründeten Bond of Association. Diesem Bundpakt gehörten mehrere englische Adelige und Bürger an, die sich im Falle eines Anschlages auf Elisabeth zur blutigen Rache, in diesem Fall legitimierte Lynchjustiz, gegenüber den Tätern verschworen haben,Footnote 18 u. a. eben auch Sir Ayme Poulet, der Gefängniswächter Maria Stuarts. Elisabeths Vorschlag, „[t]hat some other meanes might have beene vsed“, bezieht sich also auf die heimliche Hinrichtung Marias – außerhalb des Gerichtsprozesses, den Maria Stuart, so kann man es Camdens Annalen (1615/1639) entnehmen, bei ihrer Selbstverteidigung als illegitim deklassiert. Mit ihren Plänen, Maria per Lynchmord zu beseitigen, führt Elisabeth aber den eigentlichen juristischen Prozess nun wirklich ad absurdum, weshalb Poulet diesen Vorschlag als unvereinbar mit Recht und Ehre sieht.
Mit seiner historischen Quellenstudie möchte Gryphius meiner Ansicht nach nun auf folgenden Punkt hinaus: Diejenigen, die sich über Maria Stuarts Auftritt im Carolus Stuardus wundern, sollen sich bewusst machen, dass ihr Schicksal eine historische Parallele zu Carl Stuart aufweist: Beide unterliegen einer menschlichen Gerichtsbarkeit, die dazu nicht immer zweifelsfrei legitimiert ist, was die Gefangennahme und Hinrichtung bzw. den Königsmord als das entlarvt, was er ist: Ein politisch-juristischer Skandal. Der gespenstische Auftritt Marias in Gryphius’ Trauerspiel unterstreicht dabei auch die historische Entwicklung. Wo zu Beginn noch mit Recht argumentiert wird (Buchanan), kann der historische Abstand, und mithin die Geschichtsschreibung, auch die Unrechtmäßigkeit der zeitigen Ereignisse entlarven (Camden).
3 Maria Stuart – literarisch am Beispiel von Joost van den Vondels Maria Stuart (1646)
Wo Buchanan und Thou Maria in ihrer Geschichtsschreibung als Tyrannin beschreiben, nimmt die literarische Bearbeitung des historischen Maria-Stoffs im katholisch-jesuitischen Milieu nach ihrer Hinrichtung eine frühe Gegenposition ein. Thomas Diecks sieht dabei zwei Grundtypen, die entweder Maria als sterbende Katholikin stilisieren oder den Streit der beiden englischen Königinnen fokussieren,Footnote 19 wie etwa Montchretiens Tragödie L’Ecossaise ou le Desastre (1601), in der Maria als unschuldiges, aber bußfertiges, stoisches Opfer der sie umgebenden Intrigen dargestellt wird.Footnote 20 Quantitativ dominierend sind bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts die lateinisch-jesuitischen Märtyrerdramen, die Maria als sterbende Katholikin zeichnen. Eine erste deutschsprachige Aufführung des Maria-Stuart-Stoffes vermutet Karl KipkaFootnote 21 1644 in Prag mit dem Jesuitendrama Königliche Tragödie. Oder Maria Stuarta, Königin von Schottland und des Königreichs Engellandt Erbin, welche Elisabetha, regierende Königin in Engellandt, auss Hass gegen der katholischen Religion und Ehrgeiz hat enthaupten lassen. Die Tendenz des Stückes ist aus dem Titel ersichtlich.
Zu den Tendenzdramen rechnen darf man auch Joost van den Vondels 1646 zunächst anonym erschienene Maria Stuart of germartelde Majesteit.Footnote 22 Hier wird Maria Stuart als gottesfürchtige, katholische Märtyrerin inszeniert, während Elisabeth, die im Stück nie als Person auftritt, von der gefangenen Maria sowie den Reyen als Tyrannin beschrieben wird. Getragen wird dieser Antagonismus auf Distanz auch von christlicher Bildmetaphorik: So gilt Elisabeth als moderner Herodes, Maria hingegen als Braut Christi, deren Hinrichtung von ihrem Arzt per Botenbericht metaphorisch in die Nähe der Kreuzigung Jesu gerückt wird.Footnote 23 Kein Wunder also, dass das Trauerspiel in den protestantisch-calvinistisch geprägten Niederlanden, die vor Ausbruch des ersten niederländisch-englischen Krieges von 1652 eine verbindende Religions- und Handelspolitik mit England betrieben,Footnote 24 für einen kleinen Skandal sorgte. Als man am Druckort Amsterdam Vondels Autorschaft aufdeckte, wurde dieser, der erst wenige Jahre zuvor zum Katholizismus konvertiert war, zu einer hohen Geldstrafe von 180 Gulden verurteilt, die allerdings sein Verleger für ihn übernahm.Footnote 25
Gryphius nun wird mit aller Wahrscheinlichkeit auch dieses skandalumwitterte Trauerspiel des Autors gekannt haben, dessen De Gebroeders er 1648 aus dem Niederländischen ins Deutsche (Sieben Brüder oder Die Gibeoniter) übersetzte. Stefan KiedronFootnote 26 hat jedoch aufgrund der fehlenden, allgemein-christlichen Haltung Marias sowie der nicht präsenten Antagonistin keine intertextuelle oder überhaupt inhaltliche Verbindung zwischen Vondels Maria Stuart und Gryphius’ Carolus Stuardus erkennen können; Vondels Drama sei viel zu „eintönig, ja eindimensional. Schon deshalb kann es für Gryphius kein Leitbild sein“. Einzig die Ausgangssituation einer ermordeten Majestät biete eine Ähnlichkeit des Stoffes, „[f]ür Gryphius aber ging es bei seinem Drama um eine politische Frage (‚gottgesalbter Fürst‘), für Vondel dagegen um eine religiöse – er sah Maria Stuart als ein Märtyrerin für den Glauben“.Footnote 27 Grundlegend ist das richtig, allerdings gibt es, wie ich im Folgenden en detail zeigen möchte, bei einem genaueren Paratext-Vergleich der beiden Trauerspiele eben doch rezeptionsgeschichtlich interessante Verbindungen, die auch einen (gespenster-poetologischen) Übersetzungsprozess der historisch bekannten zu einer zunehmend literarisch überformten Maria Stuart belegen.
Zunächst zu Vondels Maria Stuart: Hier findet sich eine Vielzahl von Paratexten, die das eigentliche Trauerspiel umschließen.Footnote 28 Besonders interessant erscheint mir im Zusammenhang des historisch-literarischen Übersetzungsprozesses das zweiseitige „Getuigenis uit Kamdeen, Elizabeths Historischryver, een Protestant“Footnote 29. Hier wird ein wichtiger Unterschied zwischen Vondels und Gryphius’ Quellenarbeit ersichtlich. Denn Vondel zitiert William Camden vor allem mit dem Ziel der Authentifizierung: Selbst ein protestantischer Historienschreiber muss vom Leid der katholischen Königin berichten, das belegt Vondel durch das bei Camden überlieferte Grabepitaph Maria Stuarts.Footnote 30 Dabei geht es Vondel weniger um das juristische Unrecht, das Maria widerfahren ist und Gryphius quellenorientiert hervorhebt, sondern um das allgemeine Gefühl der Verfolgung einer katholischen Königin im protestantischen England. Im Trauerspiel selbst konzentriert sich Maria, die insgesamt wenig Redeanteile besitzt, auf ihr Martyrium, das stoische Erdulden der unausweichlichen Hinrichtung. Erst im Paratext, dem von Vondel gewählten Ort der religionspolitischen Debatte, spricht Maria Stuart umfänglich über das ihr widerfahrene Unrecht. Gemeint ist der bei Vondel überschriebene „Triomf van Maria Stuart“. Dieser schließt sich unmittelbar an die letzte Szene des Trauerspiels an, als der Bischof den Tod von Maria Stuart beklagt. Maria aber betritt noch einmal die Bühne. Die erst vor kurzem Hingerichtete blickt auf ihr Leben im Zeichen der irdischen vanitas zurück und bilanziert im zweiten Teil: Erst wer bereit ist, vor Gott zu sterben, kann sich von allem Irdischen, darunter auch die von ihr erlittene Schmach des „schijnrecht[s]“ und „mortkrackeelen[s]“,Footnote 31 lossagen.
Diese Szene ist zweifach gespenstisch, auf der Text- und der Figurenebene: Zunächst verschränken sich hier Trauerspiel- und kommentierender Paratext mit der Metalepse der Figur Maria Stuart, die wiederum selbst zwischen Tod und Leben steht, und hier als Sprechende den großen Stumm-Macher des Todes überwindet.Footnote 32 Sie wird dabei, und das mag auch im Hinblick auf die barocke Epitaph-Kultur von Bedeutung sein, zu einem Epitaph ihrer selbst, das sich über das irdische Bühnen- bzw. Weltengeschehen als Wissende an die Schauenden wendet. Die bühnenpräsente Wiederauferstehung Maria Stuarts mag ungewöhnlich sein, sie steht jedoch im weiteren Sinne in der Tradition des Geisterepilogs, wie man ihn etwa aus Senecas TrauerspielenFootnote 33 und vereinzelt auch aus dem JesuitendramaFootnote 34 kennt.
Wie verzahnt sind aber Vondels Geisterepilog und Gryphius’ Geisterprolog über die verbindende Figur der Maria Stuart hinaus? Diese Frage soll in aller Kürze geklärt, und daran anschließend die Funktion des Gespenstischen für Gryphius’ Poetik allgemein erläutert werden.
4 Maria Stuart – gespenstisch
Es ist unklar, ob Gryphius den Geisterepilog aus Vondels Maria Stuart kennt und ihn vielleicht sogar als Inspiration für den Geisterprolog in der A-Fassung seines Trauerspiels Carolus Stuardus nutzt. Auf materieller Ebene, d. h. der bloßen Totengeistererscheinung, mag dies naheliegen, auf textueller Ebene argumentiert Gryphius’ Maria Stuart-Figur jedoch anders als ihre vondelsche Vorgängerin: Gryphius’ Maria Stuart beklagt nicht ihr christliches Martyrium, sondern ihr politisches. Sie ist kein (weiteres) historisches Beispiel einer gequälten Märtyrerin, sondern dramatisches Exempel einer ermordeten Majestät. Auch wenn sich beide Autoren, Vondel und Gryphius, auf dieselbe historische Quelle beziehen, so nutzt Vondel Camdens Geschichtsschreibung als Referenz für das christliche Martyrium der, entsprechend der jeweiligen Doppeltitel, „gemartelde“, d. h. von allen Seiten gequälten und gefolterten, Majestät, Gryphius hingegen als Referenz für das politisch-juristische Martyrium der „ermordeten“ Majestät(-en). Dementsprechend findet sich auch in der Figurenrede der beiden Szenen kein Intertext. Einzig im Streitgespräch mit ihrem Gefängniswächter Paulet spricht Vondels Maria Stuart das Problem des englischen Königsmordes kurz an:
De Koningen des Rijcks zijn meer dan eens gestorven
Een doot, zoo eerelijck voor ’t Koningklijck geslacht,
Als schandelijck voor ’t volck, dat in die boosheit lacht
Wat wonder is het dan, zoo weder een verwoede
’t Getal der Koningen van Engelantschen bloede
Vermeere met mijn lijck? ’t is Engelants manier.Footnote 35
Die Könige des Reiches sind mehr als einmal gestorben.
Ein Tod, so ehrenvoll für das königliche Geschlecht
wie schändlich für das Volk, das über diese Bosheit lacht.
Was Wunder ist es dann, wenn wiederum ein bösartiger [Mensch]
die Zahl der Könige von englischem Blut
um meine Leiche vermehren würde? Es ist Englands Art.Footnote 36
Ähnlichkeiten in der FormulierungFootnote 37 finden sich hierbei in der Figurenrede von Gryphius’ Maria Stuart wieder:
„Des rasenden Gebrüts/ daß die entweihte Hand/
Gewohnt in Fürsten Blutt ohn unterlaß zu baden
Vnd Königs Leich auff Leich‘ und Mord auff Mord zu laden. […]
Was ists den Britten mehr umb eines Königs Haupt?
Es ist der Jnsell Art! […].“Footnote 38
Gryphius verweist aber für den Vers 196 „Es ist der Jnsell Art“ in einer Anmerkung direkt auf Camden: „Dises sind Mariae eigene Worte bey Cambdeno in dem [1586.] Jahre“Footnote 39 und bezieht sich damit, ohne es explizit zu zitieren, auf einen Vorwurf Marias an die englische Nation, der in Camdens Annalen zitiert wird:
Anglos in suos reges subinde caedibus saevisse, ut neutiquam novum nunc sit, si me ex eorum sanguine natam itidem saevierint.Footnote 40
The English have many times mur∣dered their Kings: & it is no strange thing, if they do the like to me, who am derived of their Royall blood.Footnote 41
Bemerkenswerterweise fällt der Satz „Es ist der Jnsell Art“ in dieser syntagmatischen Form bei Camden nicht – eine mögliche Vorlage für Gryphius könnte daher eher in Vondels Formulierung „ʼt is Engelants manier“ liegen. Über diesen ‚Kernsatz‘ sowie die beiderseitige Quellennutzung von Camdens Annalen hinaus gibt es jedoch keine intertextuellen und inhaltlichen Schnittpunkte, denn beide Autoren setzen unterschiedliche argumentatorische Schwerpunkte.
Deutlich wird dies in den jeweiligen ‚Geister-Szenen‘, wo Vondels Maria Stuart als besonderes Exempel der himmlischen Erlösung vom irdischen Leid, Gryphius’ Maria Stuart hingegen als allgemeines Exempel der Zyklenhaftigkeit des (englischen) Königsmordes auftritt. Ihre eigene himmlische Erlösung erwähnt Gryphius’ Maria, anders als ihre literarische Vorgängerin in Vondels „Triomf“, nicht, deutet diese nur vage in ihren letzten Versen für Carl an (CS II, 241‒251)Footnote 42. Sie konzentriert sich vielmehr auf die irdischen Ereignisse des Königsmordes, den vergangenen und eben dem Carl nun zukünftig drohenden. Der Skandal liegt aber nicht in der Ermordung Carls – das ist eben der „Jnsell Art!“ (CS II, 196). Nein, es ist der Richterspruch der bürgerlichen Untertanen über des Königs Hals, der Versuch der Verschiebung der himmlischen auf die irdische Gerichtsbarkeit. Die Rechtssicherheit eines solchen Richterspruchs von Gottgläubigen über Gottgesalbte stellt Maria denn auch offen in Frage.Footnote 43 Doch der Fall ist klar: Wie bereits Maria so wird auch Carl zu Unrecht hingerichtet werden, es ist ein juristischer „Doppelmord“.Footnote 44
Bezüglich der Frage um Rechts- oder Unrechtsprozess konnte bereits gezeigt werden, dass Gryphius über die Figurenrede Maria Stuarts seine eigene Quellenlektüre von Camdens Annalen (1615/1639) wiedergibt. Und auch wenn Camden einer Unrechtmäßigkeit des Prozesses um Maria Stuart nie selbst das Wort redet, so liest es Gryphius aus dessen Aussagen heraus und leistet mithin einen ganz eigenen ‚Übersetzungskniff‘ von historischer Quelle in poetische Verse: indem er seiner poetischen Übertragung eine Geisterstimme verleiht. Angekündigt hat Gryphius das bereits im Vorwort des Carolus Stuardus unter Bezug auf Petrons Satyricon 118,6:
Sane, si ullibi, hic certè obtinet illud Petronii: ‚Non res gestae versibus comprehendendae sunt, quod longe melius historici faciunt: sed per ambages, Deorum‘, adde spectrorum, Larvarumq; ,ministerial, et fabulosum sentantiarum tormentum praecipitandus est liber spiritus, ut potius furentis animi Vaticinatio appareat, quam religiosae orationis sub testibus fides.‘ Quamvis igitur seriem sceleris immutare, aut penitus evertere, mihi haud fuerit integrum: ea tamen Peripetiarum Varietate theatrum hoc instruxi, ut plura me jam olim praedixisse, quàm narrasse non nemo affirmarit.Footnote 45
Nicht die historische Tatsache steht also für den Dichter als poeta vates im Vordergrund, sondern die theatrale, sprachgewaltige Umsetzung des historischen Stoffs in eine geradezu prophetische Poesie.Footnote 46 Ein ideales poetisches Stilmittel der Umsetzung von Historie in Poesie stellen dabei laut Gryphius Gespenster („adde spectrorum, Larvarumq“) in ihrer Verschleierung dar: In ihrer Liminalität von Zeit, Raum und Stimme eröffnen sie einen ambigen Spielraum zwischen Wahrheit und Dichtung. Wer Geister und Gespenster nur „als Tand und Mährlin oder traurige Einbildung verlach[t]“, wie Gryphius im Vorwort von Cardenio und Celinde mahnt,Footnote 47 unterminiert die poetische Kraft des Ambigen, die der arkane, göttliche Kosmos bereithält.Footnote 48 Geister und Gespenster, in Gryphius’ Trauerspielen oft unentscheidbar changierend zwischen entrücktem Wahn und göttlicher Wahrheit, erhalten schließlich in der Dichtkunst einen Legitimationsraum als Figuration des Überzeitlichen und Personifikation des letztrichterlichen Eingriffs der Götter. Anders als der Gott aus dem Gerüste ist der gryphsche Geist aus dem Grabe aber kein Weltenumwälzer. In der Geisterstimme wird im Carolus Stuardus vielmehr der barocken ‚Enttragisierung‘ der Tragödie vorgegriffen: der kommende Tod stellt keinen Untergang des Monarchen, der Monarchin, dar; er ist vielmehr der Auftakt der seelischen Erhöhung und Überwindung des irdischen Unrechts durch den Tod.
Und so wird Maria Stuart im Carolus Stuardus in ihrem Bild, ihrer pictura, als ein zyklisches Exempel des (eigenen) vergangenen, aber auch des zukünftigen bürgerlich-juristischen Königsmordes inszeniert. Und wer sonst als Maria Stuart könnte diesem Skandal ein emblematisches Exempel geben? In ihrer Geistererscheinung personalisiert sie die den Justizskandal des Königsmordes als eine die irdische Vernunft übersteigende, verkehrte Rechtsprechung,Footnote 49 und unterschreibt das novellistische, nun in Carl wiederholte, Skandalon in ihrer eigenen, sprachgewaltigen Geisterstimme gleich mit: „So/ wie Maria fil/ wird unser Sohns Sohn leiden. Der Greuel sol anitzt vil tausend Augen weiden [d]en Foudringen verbarg.“Footnote 50 Über biographische Andeutungen geht Marias Klage jedoch nie hinaus. Im Fokus steht nicht ihr persönliches oder christliches, sondern ihr politisches, sich nun in Carl wiederholendes Martyrium: der, dank William Camdens Annalen ins Bewusstsein gerufene, durch Recht beschönigte Doppelmord an ihr und ihrem Enkel.
5 Fazit
Ausgangspunkt dieses Beitrags war eine Anmerkung von Gryphius zur Figur der Maria Stuart: Etliche hätten sich demnach über ihren Auftritt verwundert. Nicht aber ihr Zustand als Totengeist sorgte für Verwunderung, – das dramatische Mittel des Totengeistes ist im Barock bekannt und wird vielfach genutztFootnote 51 – sondern ihre politisierte Darstellung als ein Exempel des englischen Königsmordes. Gryphius nennt als Grund der Verwunderung die hermeneutische Vorbelastung derjenigen, welche nur die ‚alte‘ Geschichtsschreibung, also mit Buchanan und de Thou Maria Stuart als ränkeschmiedende, unreflektierte Tyrannin, kennen, und setzt die neuere Geschichtsdarstellung William Camdens gewissermaßen als ‚Antidot‘ dagegen ein. Camdens Quellenstudie, die spätestens mit der durch Jakob Stuart I. beauftragten Schrift The Life and Death of Mary Stuart Queene of Scotland eine Rehabilitierung des historischen Urteils über Maria Stuart beabsichtigt, greift Gryphius in ihrer grundlegenden Argumentation exemplarisch auf. Er ‚übersetzt‘ sie aber nicht einfach nur in Dramenverse, sondern überträgt das Element des historischen Fehlurteils eines irdischen Gerichts über Maria Stuart auf eine poetisch vermittelte, zukünftige Geschichtsschreibung über ihren Enkel Carl Stuart und dessen Hinrichtung. Damit leistet der Poet Gryphius auch einen neuen Beitrag in einem literarischen Feld, das vor allem im jesuitisch-katholischen Milieu Maria Stuart als eher unpolitische, bußfertige Märtyrerin inszeniert hat.
Diese Versatilität des Maria-Stuart-Stoffes liegt in der historischen Person begründet. Man könnte auch sagen: Im Sujet ihrer polarisierenden Person ist das Potenzial zur literarischen Figur bereits eingeschrieben. Wie schwierig allein die Bewertung der historischen Ereignisse rund um Maria Stuart ist, zeigt die historische Debatte um die von Gryphius’ angesprochenen Autoren Buchanan, de Thou und Camden, deren Geschichtsschreibungen alle aus einer jeweils unterschiedlichen Auftragslage und politischen Konstellation heraus entstanden sind. Gryphius installiert nun den für ihn „auffrichtigen Cambdenus“ aus zwei Gründen als bevorzugte Referenzquelle für Maria Stuart: Erstens kann dessen neue Form der zitierenden Quellenstudie im Vergleich zu seinen Vorgängern als ‚authentischer‘ gelten, zweitens liefern Camdens Annalen Argumente für Gryphius’ eigene historische Bewertung, dass Maria Stuarts Gefangennahme und Hinrichtung juristisch unhaltbar war, d. h. mithin einen Königsmord des Volkes, in dessen Namen Recht gesprochen wurde, darstellt.
Wie auch Gryphius hat sich bereits Vondel für die Gestaltung seiner Maria Stuart-Figur auf Camdens Annalen (1615/1639) gestützt. Während Vondel aber die Rezeptionsleerstellen bzw. Fragen um die Ermordung der schottischen Königin in ein mythisches Exempel der katholischen Märtyrerin überführt, nutzt Gryphius das narrative Potenzial eher für die Darstellung Maria Stuarts als Exempel des fortwährenden Königsmordes in England. Bedingt ist das auch durch die Grundkonzeption der beiden Trauerspiele, bei Vondel ist Maria Stuart Haupt-, bei Gryphius Nebenfigur. Dementsprechend steht bei Gryphius auch nicht, wie bei Vondel, das persönliche Leiden der lebenden Maria Stuart im Fokus der Trauerspielhandlung, sondern das Beispiel der verstorbenen Maria Stuart als einer zu Unrecht Hingerichteten, wie es auch noch ihrem Enkel Carl Stuart im gleichnamigen Trauerspiel droht.
Das Gespenstische leistet dabei, wie es bei Vondel nur (para-)textuell angedeutet wurde, einen geschichtsrevisionistischen Übersetzungsprozess: Als Totengeist schwebt Maria Stuart zwischen Vergangenheit und Zukunft, irdischer Körperlast und himmlischer Seelenbefreiung und besetzt als dramatische Erscheinung einer historisch identifizierbaren Königin einen Raum zwischen Dichtung und Wahrheit. Die Poesie hat daher mit ihren poetischen Mitteln, und hier insbesondere der phantastischen Geister und Gespenster, der Geschichtsschreibung etwas voraus, wie Gryphius nicht ohne Stolz im Vorwort des Carolus Stuardus anmerkt: „mihi haud fuerit integrum: ea tamen Peripetiarum Varietate theatrum hoc instruxi, ut plura me jam olim praedixisse, quàm narrasse non nemo affirmarit."Footnote 52 Wer die Geschichte nacherzählt, verbleibt in der Vergangenheit der Historia. Erst die Poesie vermag durch ihre theatralen Mittel sich der Zukunft zuzuneigen. Auf diese Weise wird auch Maria Stuart nicht einfach nur in ein historisches Beispiel in Versen übersetzt. Sie ist in ihrer Geisterstimme ein dramatisches Exempel des ungerechtfertigten, englischen Königsmordes – eine gespenstische Schwellenfigur zwischen Historia und Fabula.
Notes
- 1.
Generell zu den Unterschieden von A- und B-Fassung des Carolus Stuardus (1657/1663) vgl. Powells Anmerkungen in: Gryphius (1964).
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
Der Übersetzungsbegriff wird hier im Kontext einer ‚interkulturellen Kommunikation‘ verstanden, das heißt: „Die Übersetzungsbeziehung zwischen Texten wird in ihren Untersuchungen auf die Beziehung zwischen den beteiligten Literaturen und Kulturen ausgeweitet.“ Vgl. Apel und Kopetzki (2003), S. 53–55.
- 6.
Zum aitiologischen Verfahren und den narrativen Strukturen des Mythos, unter welche auch der Maria-Stuart-Stoff rezeptionsgeschichtlich geformt wird, empfehlenswert: Wilhelmy (2004), hier S. 39–47 und S. 68–80.
- 7.
Vgl. Kiedron (1993), S. 76–78. Bereits Kiedron hat im Vergleich von Vondels Maria Stuart und Gryphius’ Carolus Stuardus auf die inhaltliche Verschiebung der religiösen (Vondel) auf eine politische Frage (Gryphius) hingewiesen. Bei Gryphius wäre demnach aber Maria Stuart „keine Märtyrerin, sondern eine politisch denkende Königin“ (Kiedron 1993, S. 78). In Abgrenzung zu Kiedron möchte ich nun darauf verweisen, dass das eine das andere nicht ausschließen muss, sondern im Element des Gespenstischen zusammengeführt wird, die Figur Maria Stuart im Carolus Stuardus also zur politischen Märtyrerin als Exempel des unrechten Königsmordes wird.
- 8.
Zur Definition von ‚Exempel‘ als Fall allgemein: vgl. Pethes et al. (2007), S. 8: „Das Exemplarische und seine narrative Ausformung, so die bisherige Bilanz der Forschung, lässt sich als epistemische Figur verstehen, die über das Beispiel-Geben eine ihr eigene Formen der Wissensvermittlung erzeugt. So scheint das Exemplarische vor allem dort zum Einsatz zu kommen, wo nicht direkt oder systematisch erklärt werden kann, sondern mithilfe einer Transferleistung ein einzelner Fall als paradigmatisch für weitere Fälle gesetzt werden muss.“ Zur frühneuzeitlichen Exempelfigur als induktives Lehrbeispiel (locus) und Mittel der Welterkenntnis vgl. Bergengruen (2007), S. 124–127; ebenso am Beispiel von Erasmus und Shakespeare vgl. Müller (1995), S. 79–95; speziell zur literarischen Übertragung von der ‚Historia‘ biblischer oder historischer Personen in ‚Exempla‘ im protestantischen Bibeldrama: vgl. Washof (2007), S. 68–81.
- 9.
Im Folgenden wird der Titel Carolus Stuardus bei Zitaten mit der Sigle CS abgekürzt.
- 10.
- 11.
- 12.
- 13.
- 14.
- 15.
- 16.
- 17.
Übersetzungen von Camdens lateinischen Annalen gab es zeitnah. Die hier zitierte englische Version entnehme ich: William Camden (1625), S. 216. In der von Maria Stuarts Sohn Jakob beauftragten englischsprachigen Version mit dem Titel Historie of the Life and Death of Mary Stuart Queene of Scotland (1636), S. 484–485, wird die Szene folgendermaßen beschrieben: „The third day after, when I perceived that her minde wavered, hearing her tell a dreame of the death of the Queene of Scotland, I asked her, if shee had changed her minde; She said no, but, said she, another way might have beene invented: and withall asked if any answer were come from Powlet. And when I shewed his letters, wherein, in plaine termes, he refused to take upon him that which was neither honourable nor just; shee chafing, said, that he and others, who had taken the oath of the Association, were perjured and forsworne men, as they had promised many things, but would performe nothing.“
- 18.
Vgl. Suerbaum (1989), S. 177.
- 19.
Diecks (1990), S. 233–234.
- 20.
Vgl. dazu auch Robertson (2011), S. 322.
- 21.
- 22.
- 23.
Vgl. den fünften Akt in: Vondel (1931), S. 226–232, etwa Vers 1489 f.: „Zy [Maria] draeght den Bruidegom, aen ’t heiligh Kruis ontslapen, En onze Lieve Vrouws getyboeck in de hant. Men ziet aen haren riem, van gout en diamant, Den Roozenhoet gehecht, tot een gebedeteken,Van hare zachte hant gesleten en gestreken.Dus volght Marie vast den Heilant op Kalvaer, En torst met hem zijn kruis, heur opgeleit zoo zwaer“. Zur Darstellung als Kreuzigung sowie Elisabeth als Herodes vgl. Robertson (2011), S. 322.
- 24.
Vgl. Parry (1967).
- 25.
- 26.
Kiedron (1993), S. 73.
- 27.
Kiedron (1993), S. 76.
- 28.
Neben dem obligatorischen Widmungsschreiben (an den Pfalzgrafen Eduard) sowie dem Inhalts- und Personenverzeichnis finden sich eine dem Trauerspiel vorausgesetzte „Byschrift op d’afbeelinge van Koningin“, welche Maria hier bereits als erbberechtigte Königin ausweist. Danach folgen im Stichel-Druck (1646) chronologisch der „Triomf van Maria Stuart“, das „Getuigenis uit Kamdeen, Elizabeths Historischryver, een Protestant“, die „Grafschrift en Grafdicht door Koning JAKOBUS […]“, eine „Klaghte over de weêrspannelingen In Groot Britanje aen de zelve“ sowie abschließend eine weitere „Grafschrift“ auf Maria Stuart. Die angehängten Texte, die zumeist Grabschriften darstellen und das Leid Marias in Schottland und England beklagen, umfassen insgesamt 13 Seiten.
- 29.
Vgl. Vondel (1646), S. 70 f. sowie zur Einbettung in die Paratext-Struktur die vorhergehende Fußnote. Vondel nutzt Camdens Geschichtsschreibung vor allem als Referenzquelle für das Grabepitaph. Davor schaltet er nach den biographischen Grunddaten zu Maria Stuart eine eigenständige Bewertung der historischen Ereignisse, etwa Maria als Gejagte Englands oder ihres Halbbruders James Stewart Moray, der als „bastertbroeder“ bezeichnet wird und so in dieser Schärfe in Camdens Annalen nicht vorkommen.
- 30.
Dieses Grabepitaph wurde laut Camden zunächst an Maria Stuarts Grabstätte angebracht, dann aber wieder weggenommen. Camden zitiert es sowohl in seinen Annalen auf Latein (1583), S. 207, als auch in seiner Historie of the Life and Death of Mary Stuart auf Latein sowie übersetzt in Englisch (1636), S. 472–473. Vondel zitiert nicht das lateinische Original, er übersetzt den Inhalt mit großer Worttreue direkt ins Niederländische.
- 31.
Vondel (1931), S. 239–240.
- 32.
Vgl. generell zum Thema der Sprachmacht über den Tod hinaus in Gryphius’ Epigrammen und Trauerspielen: Benthien (2003).
- 33.
- 34.
Bis heute liegt noch keine Einzelstudie zu Geistern und Gespenstern in Jesuitendramen vor. Einzig Treppmann (1954/1999), S. 59–66, bietet einen ersten Überblick über Geisterpassagen in Jesuitendramen, ohne diese weiter zu systematisieren. Speziell zu Gryphius und dem Jesuitendrama immer noch hilfreich: Harring (1907).
- 35.
Vondel (1931), MS II, Vers 684–689, S. 194.
- 36.
Für die Korrektur der Übersetzung möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Heinz Eickmans danken.
- 37.
- 38.
- 39.
- 40.
Camden (1615/1639), S. 473.
- 41.
Camden (1625), S. 178.
- 42.
- 43.
- 44.
- 45.
Gryphius (1991a, b), S. 446. Eine Übersetzung bietet Eberhard Mannack im Stellenkommentar zu Gryphius (1991a, b), S. 1102: „Freilich gilt hier mit Sicherheit jenes Diktums Petrons: ‚Historische Tatsachen sind nicht einfach in Verse zu bringen, weil das die Historiker weit besser machen, sondern durch die Retardierung und Verwendung mythologischer Figuren‘ – dazu füge noch Geistererscheinungen und Masken – ‚und die sentenziöse Prägnanz des Stils erscheint der poetische Geist, damit eher die Weissagung eines Rasenden offenbar werde als ein religiöses Vertrauen durch Zeugnisse einer Rede.‘ Wie sehr auch die Kette des Verbrechens geändert oder völlig umgekehrt wurde, so ist mir zugute zu halten: daß ich mit Hilfe der Veränderung der Umschwünge durch das Theater belehrt habe, so daß jeder bekräftige, daß ich schon einmal mehr vorausgesagt als erzählt hatte." Eine Neu-Übersetzung bietet auch Maximilian Bergengruen in seinem Beitrag zu diesem Band. s. Kap. 17
- 46.
Bereits Aristoteles hat in seiner Poetik (1451a–1451b) darauf verwiesen, dass die Dichtung in ihrem Kern des Mythos bzw. der Fabel nicht mitteilen solle, „was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, daß sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt […]; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, daß der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte.“ (Aristoteles 2014, S. 29)
- 47.
Gryphius im Vorwort von Cardenio und Celinde (1991), S. 235.
- 48.
Zur Semiologie und Funktion der Gespenster bei Gryphius als Handlungskatalysatoren vgl. Wesche 2005, S. 69–90.
- 49.
Vgl. Bach (2014), S. 554–558.
- 50.
- 51.
Vgl. allgemein zu Geister- und Gespenstererscheinungen im barocken Drama: Egon Treppmann. (1954/1999).
- 52.
Gryphius (1991a, b), S. 446. In deutscher Übersetzung von Mannack im Stellenkommentar zu Gryphius (1991a, b), S. 1102: „so ist mir zugute zu halten: daß ich mit Hilfe der Veränderung der Umschwünge durch das Theater belehrt habe, so daß jeder bekräftige, daß ich schon einmal mehr vorausgesagt als erzählt hätte."
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Fischer, C. (2024). Zwischen Historia und Fabula. Maria Stuart als gespenstische Schwellenfigur in Andreas Gryphius’ Carolus Stuardus. In: Wesche, J., Tschopp, S.S., Fromholzer, F. (eds) Neues von der Insel. Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit, vol 2. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66949-5_18
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