In diesem Kapitel werden zum einen bereits etablierte Funktionsweisen von OKAY vorgestellt, wie sie in Grammatiken und Wörterbüchern vorzufinden sind (Abschnitt 3.1 und 3.2). Zum anderen wird ein Überblick über die zu OKAY existierenden Studien in mündlicher Interaktion präsentiert (Abschnitt 3.3). Ein Einblick in Studien und Untersuchungen zu OKAY in schriftlicher Interaktion rundet das Funktionsspektrum von OKAY ab (Abschnitt 3.4). Es wird dargelegt, welche für diese Arbeit relevanten Vorstudien zu OKAY in schriftlicher Interaktion durchgeführt wurden. In Abschnitt 3.5 werden die vorgestellten vielfältigen OKAY-Funktionsweisen auf diejenigen reduziert, die für die korpusgestützten Untersuchungen dieser Arbeit relevant sind, und in eine schematische Abbildung übertragen.

1 OKAY in der Grammatik der deutschen Sprache (GDS)

OKAY wird in der Grammatik der deutschen Sprache (GDS) neben „ja“ und „nein“ als genuiner Vertreter der Kategorie „Responsive“ beschrieben (vgl. GDS 1997, S. 63)Footnote 1. Unter „Responsiven“ wird „eine Klasse selbständiger funktionaler Einheiten des Diskurses, die keinen eigenen propositionalen Gehalt haben, auf kontextuellen sprachlichen Einheiten [operieren], in dieser Funktion nicht syntaktisch in einen Satz integrierbar sind und nur minimalen Ausbau erlauben“ verstanden (vgl. GDS 1997, S. 367). „Kein eigener propositionaler Gehalt“ bedeutet, dass auf Responsive zurückgegriffen wird, wenn eine bereits vorgegebene Proposition zur Entscheidung steht, sie aber nicht selbst eine Proposition darstellen können (vgl. GDS 1997, S. 104).

Darüber hinaus können Responsive allein einen Gesprächsturn gestalten. Sie dienen dazu, ein Handlungsmuster mit einer dem Muster erwartbaren Reaktion abzuschließen, z. B. eine Frage zu beantworten (vgl. GDS, S. 367). Responsive „[fungieren] als Antwort auf Entscheidungsfragen“ (GS 1997, S. 58). Es ist ihre primäre Funktion (vgl. GDS 1997, S. 112). Hoffmann (2008) fasst zusammen: „Responsive bilden eigenständig nach einem Sprecherwechsel den zweiten interaktiven Zug im Entscheidungsfrage-Muster“ (Hoffmann 2008, S. 7). In der GDS werden umfangreich die Responsive „ja“ und „nein“ beschrieben. Im Folgenden soll aus den Beschreibungen von „ja“ übernommen werden, was auf OKAY übertragbar ist. Dazu gehört zunächst die inhärente Annahme, dass Formen von OKAY eingesetzt werden, um Konvergenz und Kontinuität zu signalisieren (vgl. GDS 1997, S. 372). OKAY, gleich zu „ja“, wird von Sprecher:innen geäußert, um einen positiven Bescheid abzugeben, eine „positive Antwort auf eine Entscheidungsfrage“ zu leisten (GDS 1997, S. 374). Ebenfalls kann mit OKAY die „Übernahme einer durch die Vorgängeräußerung angetragene Handlungsverpflichtung“ durchgeführt werden (GDS 1997, S. 374). In doppelter Äußerung, z. B. „okay okay“, die in der GDS als „intensivierende Varianten“ bezeichnet werden, kann es zur Markierung der Vorgängeräußerung als für die Rezipient:innen überflüssig eingesetzt werden (vgl. GDS 1997, S. 374Footnote 2).

Weiterhin können die Beschreibungen von „ja“ als „reorientierende Anforderung einer konvergenzherstellenden Hörerreaktion“ auf OKAY übertragen werden (vgl. GDS 1997, S. 374). Diese Funktion wird in dieser Arbeit als „Rückversicherungssignal“ nach Schwitalla (2002) definiert und an späterer Stelle definitorisch vorgestelltFootnote 3.

Die Erläuterungen zu „ja“ als äußerungsinterne Form, „um die Kontinuität seines Beitrags und […] die Aufrechterhaltung seines Rederechts zu sichern“, können insofern auf OKAY übertragen werden, als OKAY äußerungseinleitend in Beiträgen verwendet wird, die thematisch abschweifen oder an handlungsstrukturellen Übergängen stehen (vgl. GDS 1997, S. 376). Auf solche Verwendungsweisen wird referiert, wenn in der vorliegenden Arbeit von OKAY als „Startsignal“ gesprochen wird.

Letztlich können die Erläuterungen von „ja“ unter der Kategorie „Turnexterner Gebrauch: Ausdruck von (partieller) Konvergenz“ auf OKAY übertragen werden. Diese Funktion wird in der Arbeit als „Hörersignal“ nach Imo (2013) dargelegt und an späterer Stelle definitorisch vorgestelltFootnote 4.

Abbildung 3.1 zeigt, dass OKAY explizit als Beispiel in zwei Spalten in der GDS aufgeführt wird, in der Funktion als Responsiv (C) und als Rückversicherungssignal (D).

Abb. 3.1
figure 1

(Quelle: GDS 1997, S. 406)

Schaubild „funktionale Systematisierung“.

Responsive gehören gemeinsam mit Interjektionen in der GDS der Klasse der „interaktiven Einheiten“ an (Abb. 3.2 und 3.3).

Abb. 3.2
figure 2

(Quelle: IDS 1997, S. 67)

Ausschnitt des Schaubilds „Wortarten und interaktive Einheiten im Deutschen“.

Abb. 3.3
figure 3

(Quelle: IDS 1997, S. 66)

Ausschnitt des Schaubilds „Überblick über die Wortarten und interaktiven Einheiten“.

Zu „interaktiven Einheiten“ finden sich in der GDS folgende Ausführungen:

Im Unterschied zu Wortarten sind INTERAKTIVE EINHEITEN dadurch gekennzeichnet, daß ihre Elemente als selbständige Einheiten der Interaktion fungieren und nicht zum Aufbau von Sätzen oder kommunikativen Minimaleinheiten beitragen […] (GDS 1997, S. 62).

An dieser Stelle soll angemerkt werden, „dass interaktive Einheiten in Grammatiken vor allem als lautliche Einheiten in Bezug auf ihre Formen und Funktionen im Gespräch beschrieben [werden]. Im Mittelpunkt der grammatischen Systematisierung steht die Zuordnung von intonatorischen Mustern zu funktionalen Kategorien. Schriftliche Verwendungen werden allenfalls am Rande thematisiert und spielen bei der Systematisierung keine Rolle“ (Storrer 2017a, S. 113). Die Ausdifferenzierung von Funktionen unter Einbezug intonatorischer Muster kann nicht auf WP-Daten übertragen werden. Dennoch können die beschriebenen Grundfunktionen der einzelnen Einheiten auf OKAY im interaktionsorientierten Schreiben der WP-Diskussionsseiten übernommen werden.

Interaktive Einheiten werden als selbstständige Einheiten der Interaktion definiert, die nicht in die Satzsyntax integriert werden. Vielmehr fungieren sie als „Steuerungssignale“ (GDS 1997, S. 1578). Positionell finden sie sich in den Außenfeldelementen, „am weitesten links stehen die relativ selbständigen interaktiven Einheiten“ (GDS 1997, S. 1580) bzw. „syntaktisch nicht integriert kommen [sie] hinter der rechten Satzklammer [vor]“ (GDS 1997, S. 1646).

Für die vorliegende Arbeit ist die Benennung von OKAY als „interaktive Einheit“ (= IE) maßgebend. Wenn in Beispielen von „OKAY in Funktion als IE“ bzw. „IE-OKAY“ geschrieben wird, geht dies auf die in der GDS beschriebene funktionale Kategorie der interaktiven Einheiten zurück. Allen Kategorien unter „OKAY als IE“ ist gemein, dass sie nicht in den Satz syntaktisch integrierte OKAYs, „SE-OKAYs“, darstellen. Wenn in Beispielen von „OKAY in Funktion als SE“ bzw. „SE-OKAY“ geschrieben wird, geht dies auf die syntaktisch integrierten OKAY-Verwendungsweisen zurück, wie sie in Abschnitt 3.2 erläutert werden.

Für das Deutsche, Englische und Französische lässt sich damit ein Funktionspool bestehend aus folgenden Kategorien beschreiben: Nomen, Verb, adverbiales, prädikatives und attributives AdjektivFootnote 5. Auch wenn diese Funktionsweisen nicht für alle Sprachen in den Wörterbüchern identifiziert wurden, wird das Funktionsspektrum möglichst breit aufgestellt, um alle möglichen in den WP-Daten vorhandenen syntaktischen Formen abzudecken.

Zunächst wird im folgenden Abschnitt 3.2 das funktionale Bild von OKAY durch die in weiteren Grammatiken und Wörterbüchern beschriebenen Funktionsweisen aufseiten der syntaktisch integrierten OKAYs vervollständigt.

2 OKAY in Wörterbüchern und lexikalischen Datenbanken

Bevor Beschreibungen von OKAY im Englischen und Französischen besprochen werden, stehen die syntaktischen Funktionen von OKAY im Deutschen im Vordergrund. In den folgenden Ausschnitten aus Wörterbüchern ist OKAY in wortartenübergreifenden Einträgen angeordnet.

Abb. 3.4
figure 4

Eintrag „okay“ im Duden1 „Die deutsche Rechtschreibung“ (2020), S. 1071

Abbildung 3.4 zeigt den Wörterbucheintrag des Stichworts „okay“ im Duden1. Neben den Formvarianten mit Abkürzungspunkten und Leerzeichen, „o. k.“ und „O. K.“, sowie der Schreibweise mit -ay, „okay“ und „Okay“, werden drei syntaktisch integrierte Funktionsweisen von OKAY vorgestellt. Dies betrifft zum einen die Verwendung von OKAY als prädikatives Adjektiv („es ist alles okay“), als attributives Adjektiv „eine okaye Arbeit“ sowie als Nomen „sein Okay geben“ (Duden1 2020, S. 1071). An zwei unterschiedlichen Stellen wird auf OKAY als „umgangssprachlich“ hingewiesenFootnote 6: einmal direkt hinter dem Stichworteintrag, durch „ugs.“ markiert, sowie durch den Zusatz „in der Alltagssprache“. Die Entstehungsgeschichte von OKAY spiegelt sich im Zusatz „amerik.“ und dem Verweis „Abk.“ wider (vgl. Duden1 2020, S. 1071).

Abb. 3.5
figure 5

Weitere Bedeutung von „okay“ laut Duden-OnlineFootnote

https://www.duden.de/rechtschreibung/okay_in_ordnung_bestaetigt.

Im Duden-Online findet sich zu „okay“ noch der Hinweis auf dessen Einsatz im FlugwesenFootnote 8 (vgl. Abb. 3.5) in der Primärbedeutung von OKAY im Sinne von „all correct“ sowie ein weiterer Wörterbucheintrag zu „okay“ als Adverb. Auch hier wird OKAY unter der Bedeutung „abgemacht, einverstanden“ gelistetFootnote 9.

Weiterhin werden im Duden-Online zahlreiche Synonyme zu OKAY aufgezählt, vgl. Abb. 3.6.

Abb. 3.6
figure 6

Übersicht der Synonyme von „okay“ laut Duden-OnlineFootnote

https://www.duden.de/synonyme/okay_in_ordnung_bestaetigt.

In dieser Auflistung findet sich auch die Formvariante mit Abkürzungspunkten und Leerzeichen „o. k“ sowie als umgangssprachlich oder salopp markierte Adjektive wie z. B. „gebongt“ oder „geritzt“. Die zwei Felder spiegeln die Synonyme für die in den Wörterbuchartikeln selbst angegebenen Bedeutungen wider. Dies ist hier zum einen die Bedeutung von OKAY im Sinne von „in Ordnung“ und zum anderen die Bedeutung (vgl. Abb. 3.5) von OKAY im Flugwesen. Da diese Unterteilung im Kern auf dieselbe Bedeutung zurückgeht, überschneiden sich viele SynonymeFootnote 11.

Die in Vorstudien zu OKAY herausgestellte beliebte Schreibweise „OK“ (vgl. Herzberg 2016, Herzberg/Storrer 2019) ist im Duden-Online anderweitig belegt, vgl. Abb. 3.7, nämlich als Abkürzung für „Oklahoma“.

Abb. 3.7
figure 7

Stichworteintrag zur Abkürzung „OK“ im Duden-OnlineFootnote

https://www.duden.de/rechtschreibung/ok.

Zusätzlich zu den Beschreibungen in Duden1, „Die deutsche Rechtschreibung“, sind ebenfalls Anmerkungen zu OKAY im Band 4 des Duden, „Grammatik der deutschen Gegenwartssprache“ enthalten.

Diese beziehen sich auf OKAY als IE. OKAY wird als Beispiel bei den Endsignalen aufgelistet, genauer bei den Rückversicherungssignalen, „die beim Hörer eine Reaktion einfordern und die einen steigenden Tonhöhenverlauf tragen“ (Duden4 2016, S. 607). Darüber hinaus wird OKAY unter den Gesprächspartikeln erneut in der gerade beschriebenen Funktion als Endsignal „zur Auflösung einer Gesprächssituation“ dargestellt (Duden4 2016, S. 1232).

Der umfangreichste Eintrag in einer lexikalischen Ressource zu OKAY findet sich im DWDS (vgl. Abb. 3.8). Der Wörterbucheintrag zu „okay“ wurde zuletzt im März 2020 bearbeitet. Die Einleitung im Eintrag zeigt die (mikro-)diachrone Entwicklung von OKAY: „Das Stichwort galt bis vor kurzem als indeklinabel und bildete keine Vergleichsformen. Die attributiven und flektierten Formen werden noch als ungewöhnlich bzw. nicht normgemäß empfunden. Flektierende Formen werden in der abkürzenden Schreibweise nicht dargestellt“Footnote 13.

Abb. 3.8
figure 8

Wörterbuchartikel zu „okay“ im DWDSFootnote

https://www.dwds.de/wb/okay#1.

Weitere Funktionsweisen von „okay“ als Adverb und als Nomen sind in den Reitern „O. K.2“ sowie „O. K.3“ verankertFootnote 15.

Der Eintrag zu OKAY als Adjektiv sowie als Nomen hat den Zusatz „umgangssprachlich“.

Interessant ist im DWDS zu Adjektiv-OKAY die Formulierung der Bedeutungsangabe „einem bestimmten (als geltend vorausgesetzten) Niveau entsprechendFootnote 16“, die anzeigt, dass die Interpretation von OKAY durch seinen unmittelbaren Kontext erschließbar und beeinflusst ist.

Die Bedeutungsangabe zu OKAY als Adverb im DWDS entspricht beiden im Duden angebotenen Begriffserläuterungen zu Adverb-OKAY und Adjektiv-OKAY. Im DWDS wird im Hinblick auf die handlungsspezifische Ebene von OKAY angemerkt, dass OKAY als Adverb „oft einem neuen Thema vorangestellt [bedeuten kann]: […] genug (jetzt); nun denn; drückt einen Themenwechsel (auch Gesprächsabbruch oder Themenbeginn) aus [sowie in Bedeutung von] zugegeben; nun gut; […] einen (möglichen) Widerspruch oder Einwand durch Hinweis auf Zustimmung ab[weist].Footnote 17

Bevor OKAY im Englischen und Französischen beleuchtet wird, folgt auf den nächsten Seiten ein Exkurs zu einem weiteren Online-Wörterbuch, nämlich der korpusbasierten lexikografischen Online-Ressource LeGeDe. Die im Projekt „Lexik des gesprochenen Deutsch“ (LeGeDe) entstandene gleichnamige korpusbasierte Online-Ressource bietet Nutzer:innen einen umfassenden Einblick in Phänomene „des gesprochenen Deutsch auf der Grundlage von Untersuchungen der Besonderheiten von mündlichem vs. schriftlichem Sprachgebrauch“Footnote 18. LeGeDe verfolgt das Ziel, Charakteristika gesprochensprachlicher Lexik herauszustellen und die Besonderheiten des standardnahen gesprochenen Deutsch zu erfassenFootnote 19. In der Online-Ressource sind Wörterbuchartikel beispielsweise zu Diskurspartikeln wie halt und gut enthalten.

In LeGeDe wird OKAY ebenfalls der Gruppe der Diskurspartikeln zugeordnet. Dort heißt es: „Sie werden u. a. dazu eingesetzt, Gesprächsbeginn und -ende zu markieren, Gesprächsbeiträge zu strukturieren, das Rederecht zu erhalten, Rückmeldesignale zu liefern oder Zustimmung und Ablehnung auszudrücken […] Sie stehen syntaktisch desintegriert und können verschiedene Turn-, Äußerungs- und Sequenzpositionen (Sequenz) einnehmen […]“Footnote 20.

Die Innovation des Projekts kommt bei der Erstellung der Stichwortliste zum Vorschein: Über die Ermittlung von Häufigkeitsklassen (HK)Footnote 21 und Häufigkeitsklassendifferenzen (HK Diff) zwischen FOLKFootnote 22 und einem Subkorpus von DeReKoFootnote 23 können diejenigen sprachlichen Phänomene identifiziert werden, die als typisch für die Mündlichkeit angesehen werden (vgl. Meliss/Möhrs 2017, S. 45).

Bei der Erstellung des Subkorpus wurden neben anderen Korpora ebenfalls die sonst im W-Archiv enthaltenen Wikipedia-Korpora ausgeschlossen (vgl. Meliss/Möhrs 2017, S. 51). Unter Berücksichtigung weiterer Aufbereitungsschritte und manueller Klassifikationen entstand die in Abbildung 3.9 dargestellte Kandidatenliste.

Abb. 3.9
figure 9

(Quelle: Meliss 2019, S. 37)

Top-5-Kandidaten in LeGeDe, sortiert nach HK Diff.

Abbildung 3.9 zeigt die fünf Stichwörter, bei denen die Häufigkeitsklassendifferenzen am größten sind, d. h. die um ein Vielfaches häufiger (bei HK Diff 10 um den Faktor 2^10 = 1024Footnote 24) in den mündlichen FOLK-Daten als in den schriftlichen DeReKo-Subkorpus-Daten enthalten sind. Zur Erklärung der Zahlen in der Tabelle: Die Spalten FOLK HK und DeReKo HK zeigen an, in welcher Häufigkeitsklasse sich das Wort befindet. Die Spalte HK Diff errechnet die Differenz dieser ersten beiden Spalten. Mit PoS (Part-of-Speech(-tag)) wird die Wortart angegeben; PTK bedeutet Partikel und NG kürzt nicht-grammatisches Element ab. Ein Wort der Häufigkeitsklasse 0, wie in der Abbildung 3.9 dargestellt das Stichwort ja, zählt zu den häufigsten Elementen des betrachteten Korpus. Beispiele für Wörter der Häufigkeitsklasse 0 in DeReKo sind die Artikel der/die/das. Entscheidend ist aber nicht die reine Häufigkeit, sondern die Differenz der Häufigkeiten (HK Diff). Dies ist auch der Grund dafür, dass anstelle von ja, OKAY, mit gleicher HK Diff wie ah, die Tabelle anführt und somit die größte Differenz in der Häufigkeit zwischen den mündlichen und schriftlichen Untersuchungsdaten aufweistFootnote 25. Dies unterstreicht den Stellenwert von OKAY als sprachliches Phänomen der Mündlichkeit und zeigt, wie fest es in alltägliche Kommunikationssituationen integriert ist.

Um zu erforschen, wie sich die untersuchten Wikipedia-Daten in dieses Spannungsfeld einordnen lassen, wurde die Häufigkeitsklasse von OKAY ebenfalls für deutsche Wikipedia (= WP)-Diskussionen berechnet. Da WP-Diskussionsseiten als Vertreter interaktionsorientierter und demnach nähesprachlicher Schriftlichkeit in IBK angesehen werden können, müsste sich die Häufigkeitsklasse von OKAY zwischen denen von FOLK und DeReKo ansiedeln. Es wird in schriftlichen WP-Diskussionen somit weniger häufig gebraucht als im Mündlichen, jedoch um einiges häufiger als in den schriftlichen DeReKo-Daten. Die Berechnung des Häufigkeitsmaßes ist als Option im Bereich Ergebnispräsentation in COSMAS IIweb auswählbarFootnote 26. Für die deutschen Wikipedia-Diskussionen ergibt sich eine Häufigkeitsklasse von 9Footnote 27. Die Häufigkeitsklasse von OKAY in WP-Diskussionsseiten siedelt sich somit mittig zwischen FOLK (HK 4) und DeReKo (HK 14) an. Mithilfe von Ressourcen wie LeGeDe können somit nicht nur einzelne sprachliche Phänomene detailliert analysiert werden. Der Vergleich zwischen den zugrundeliegenden mündlichen bzw. schriftlichen Daten unterstreicht auch das Spannungsfeld von IBK, Gespräch und Text, mit IBK als „ein Drittes neben Interaktion und TextFootnote 28“ (Beißwenger 2020, S. 313).

Im Folgenden werden lexikographische Beschreibungen aus weiteren Ressourcen und Nachschlagewerken herangezogen, um OKAYs Bedeutungsnuancen in den untersuchten Sprachen darzustellenFootnote 29.

Zunächst folgen Beschreibungen für das Englische: Abbildung 3.10 zeigt den Wörterbucheintrag zum Stichwort „OK“ in der gedruckten Version des „Oxford Advanced Learner’s Dictionary of Current English“.

Abb. 3.10
figure 10

Eintrag „OK“ im englischen Wörterbuch „Oxford Advanced Learner’s Dictionary of Current English“ (2015), S. 1071

Auffällig ist zunächst die Schreibweise mit den Großbuchstaben O und K. Es wird auch auf die Formvariante mit „-ay“ verwiesen. Als Funktionen wird OKAY als Adjektiv, Adverb, Nomen, Verb und Interjektion beschrieben. Die hier mit Interjektion (= „exclamation“) beschriebene OKAY-Verwendung entspricht in der vorliegenden Arbeit OKAY-IE.

Alle angegebenen Funktionsweisen sind durch den Zusatz „informal“ gekennzeichnet. Im Eintrag zur Interjektion stehen Verwendungsweisen, die in Abschnitt 3.3 in gesprochensprachlichen Daten als Diskursmarker beschrieben wurden. Neben den Funktionen als Responsiv ist auch ein Beispiel für OKAY als Rückversicherungssignal abgebildet. In der Funktionsweise eines Adverbs bzw. Adjektivs wird es als Äquivalent zu „accept“, „in an acceptable way“ verwendet. In nominaler Verwendungsweise wird es beschrieben im Kontext der Erlaubniserteilung, z. B. in dem Satz „… waiting for the boss to give me the OK“. Als Verb gibt es die Zeitformen der Gegenwart, der Verlaufsform der Gegenwart und der Vergangenheit. Die syntaktische Funktion von OKAY als Verb wurde in den deutschen Regelwerken nicht beschrieben. Am Ende der AbbildungFootnote 30 steht das Stichwort „okey-doke“, das als einzige OKAY-Formvariante noch in das Wörterbuch aufgenommen wurde. Solche Stichworteinträge lassen sich in den deutschen oder französischen Nachschlagewerken nicht finden.

Zu „okey-doke“ bzw. der Abwandlung „okey-dokey“ wurde lediglich angegeben, dass es sich um ein Synonym von „OK“ handelt und informell in Interaktionen genutzt wird, um Zustimmung auszudrücken.

Wird „OK“ in der Online-Version des OED nachgeschlagen, sind drei Wörterbucheinträge verzeichnet, vgl. Abb. 3.11.

Abb. 3.11
figure 11

Übersicht der Artikel zu „OK“ mit Angabe des Entstehungsjahres im OED-Online

In Abbildung 3.11 sind die drei Wörterbucheinträge dargestellt und zur besseren Identifizierung in den folgenden Ausführungen mit 1–3 nummeriert. Die Jahreszahlen am rechten Ende zeigen, aus welchem Jahr die im OED verfügbaren, ersten Belege zu der jeweiligen Funktionsweise stammen. In diesen drei Einträgen sind ausführlich verschiedene Belege aus den Jahrzehnten seit der Entstehung von OKAY den jeweiligen Bedeutungsangaben hinzugefügt. Die dargestellten Funktionsweisen entsprechen denen der gedruckten OED-Version: OKAY in nominaler, adverbialer und attributiver Funktion sowie OKAY als Verb und als Interjektion; Letzteres fasst erneut die in dieser Arbeit als IE-OKAY gruppierten Verwendungsweisen zusammen. Dies passt auch mit Blick auf die vom OED vorgegebene Definition von OKAY als „Interjektion“ zusammen: „expressing assent, concession, or approval, esp. with regard to a previous statement or question“Footnote 31.

Für die Formvariante mit Abkürzungspunkten ohne Leerzeichen (Wörterbucheintrag 1), „O.K.“, werden die Funktionsweisen Interjektion und Nomen identifiziert. Für die Formvariante „OK“ werden die Funktionen Adjektiv, Nomen, Interjektion und Adverb angegeben (Wörterbucheintrag 2). Zu dieser Form ist ebenfalls ein separater Eintrag mit OKAY in Verbfunktion angelegt (Wörterbucheintrag 3).

In Wörterbucheintrag 1 sind Erläuterungen zu „O.K.“ aufgeführt. Diese Form wird in der gedruckten OED-Version nicht erwähnt. Sie kann als Nomen oder Interjektion verwendet werden. Im OED wird der Ursprung dieser Form als Abkürzung der Initialen von „Old Kinderhook“, dem Spitznamen des Präsidentschaftskandidaten Martin Van Buren, angegeben. Die Bedeutung von „O.K.“ als Interaktion ist aus dem Slogan „Old Kinderhook is O.K.“ abgeleitet. Dementsprechend ist der erste Beleg aus 1840, dem Jahr der Präsidentschaftskampagne von Van Buren, angeführt. Diese Formvariante wird also ausschließlich mit den historischen Ereignissen rund um die US-Wahl von 1840 in Verbindung gebrachtFootnote 32.

Im Wörterbucheintrag 3 wird die Formvariante „OK“ in der Funktion eines Verbs erläutert. Es werden die gängigen Flexionsformen angegeben, wobei erläutert wird, dass die Vergangenheitsform „OK’d“ neben der Grundform am häufigsten auftritt. Als Ursprung wird „formed within English, by conversion“ angegeben. Ein Beleg für OKAY in Verbfunktion ist im OED von 1882 aufgeführt, interessanterweise auch hier in der Formvariante „O.K.“Footnote 33.

Wörterbucheintrag 2, „OK, adj., int.1, n.2, and adv.“ ist mit Abstand der umfangreichste und ausführlichste Eintrag, der zu OKAY vorliegt, auch im Vergleich zu den deutschen und französischen RegelwerkenFootnote 34. In Bezug auf die Etymologie wird hier auf Read (1963) verwiesen und den vermutlichen Ursprung von OKAY als Abkürzung von „all correct“. Es werden aber auch weitere „Competing theories“ vorgestellt. Bei der „OK“-Schreibweise, Read (1963) folgend, ist der erste im OED zitierte OKAY-Beleg auf 1839 datiert, wie es bereits im etymologischen Teil dieser Arbeit beschrieben wurde. Der Wörterbucheintrag ist insbesondere deswegen so umfangreich, weil zu jeder einzelnen Funktionsweise eine Vielzahl von Beispielen aufgelistet ist, aus Zeitungen, Zeitschriften, aus der Belletristik und aus Briefkorrespondenz über den Zeitraum von 1839 bis 2020Footnote 35.

Die Verwendung als Adjektiv ist durch „colloquial“ (= „umgangssprachlich“) gekennzeichnet. Adjektiv-OKAY kann synonym zu „all correct, all right; satisfactory, good; well, in good health or order“ verwendet werden. Darüber hinaus finden sich auch Beispiele von OKAY als Rückversicherungssignal, beschrieben als „appended as an interrogative to a clause, phrase, etc., in expectation of agreement or approval“. Ein weiterer Abschnitt des Beitrags widmet sich der im britischen Englisch geläufigen Verwendung von „XY rules OK“, wie „schoolgirl chic rules OK!“Footnote 36. In einer weiteren Verwendungsweise wird OKAY beschrieben als sprachliches Mittel, um Aufmerksamkeit auf die Folgeäußerung zu lenken, ähnlich wie „well“ oder „so“ dies tun. Diese Funktionsweise wird in der GDS für „ja“ beschrieben und aus diesem Grund an entsprechender Stelle als für die vorliegende Untersuchung von OKAY in Wikipedia-Beiträgen übertragbar identifiziert.

Nach diesen ausführlichen Beschreibungen von OKAY in deutschen und englischen Grammatiken und Wörterbüchern folgen nun Erläuterungen zu OKAY aus französischen Regelwerken

Abb. 3.12
figure 12

Eintrag „O. K.“ im französischen Wörterbuch „Petit Robert“ (2018), S. 1736

In Abbildung 3.12 wird der Wörterbucheintrag zu „O.K.“ aus dem französischen Wörterbuch „Petit Robert“ dargestellt. Als syntaktische OKAY-Verwendungsweisen werden Adverb und Adjektiv angegeben, wobei beide durch den Zusatz „invariable“ (= „unveränderbar“) gekennzeichnet sind.

Als Jahr des Erstbelegs im Französischen wird 1869Footnote 37 angegeben, mit dem Zusatz, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg weiterverbreitet wurde. Der Ursprung des Wortes liegt im amerikanischen Englisch als Abkürzung von „oll korrect“, einer Abwandlung der Schreibweise „all correct“. Es handelt sich um einen als umgangssprachlich markierten Anglizismus. Zu Bedeutungsangaben steht „entendu, bien“. Auch wird die nominale Verwendung von OKAY als Mittel der Zustimmung vorgestellt. Prädikative Adjektiv-OKAYs finden sich in Beispielen wie „C’est O.K.“.

Die Bedeutung von OKAY im Sinne von „alles ist in Ordnung/korrekt“ wird durch den Zusatz „régional“ ausgebaut. „régional“ im Petit Robert bedeutet, dass es je nach Region andere Bedeutungsentsprechungen für OKAY geben kann. Auf welche geografischen Regionen sich dies erstreckt und welche Entsprechungen, z. B. „d’accord“, „bien“, etc., besonders häufig eingesetzt werden, konnte nicht nachvollzogen werdenFootnote 38. Hinweise auf OKAY-Bedeutungen als Regionalismus sind weder in den deutschen noch in den englischen Regelwerken vorhanden.

Die Informationen zu OKAY in der Online-Version des Petit Robert, Le Robert, sind weniger ausführlich als in der gedruckten Version. Neben den bereits erläuterten Ausführungen finden sich noch zwei Zeilen zu Synonymen, vgl. Abb. 3.13.

Abb. 3.13
figure 13

Synonyme zu OKAY im Le Robert-OnlineFootnote

https://dictionnaire.lerobert.com/definition/ok.

Für OKAY in Funktion eines Adverbs werden „oui, d’accord, entendu, ça marche“ angegeben, in der Funktion eines Adjektivs werden die französischen Synonyme „bien, bon, correct, passable“ vorgeschlagen.

Den Einträgen zu OKAY aus allen Regelwerken ist gemein, dass es als umgangssprachlich markiert wird. Es wird als ein Wort beschrieben, das im Mündlichen weit verbreitet ist und eher in nicht-standardsprachlichen Kommunikationssituationen verwendet wird. In den Einträgen zu OKAY im Deutschen wird dies auch an den im Duden-Online angegebenen Synonymen deutlich, die fast alle als „umgangssprachlich“ oder sogar als „salopp“ markiert sind. Auch gibt es in allen Einträgen Hinweise darauf, dass OKAY sowohl syntaktisch integriert als auch interaktiv verwendet werden kann. Im Deutschen und Französischen ist in den Regelwerken lediglich die Anmerkung aufgeführt, dass es sich um ein Wort aus dem amerikanischen Englisch handelt. Weitere etymologische Beschreibungen sind nicht vorhanden. In den englischen OED-Artikeln werden verschiedene etymologische Ursprünge von OKAY vorgestellt. Je nachdem, welche Formvariante betrachtet wird, „O.K.“ bzw. „OK“, wird dies entweder auf die Abkürzung des Spitznamens „Old Kinderhook“ oder auf die von Read (1963) identifizierte Ursprungsform „oll korrect“ zurückgeführt.

3 OKAY als Untersuchungsgegenstand in mündlicher Kommunikation

In diesem Kapitel werden Forschungsarbeiten vorgestellt, in denen OKAY als Untersuchungsgegenstand analysiert wurde. Bevor diese im Detail beschrieben werden, sollen die angesprochenen Funktionen von IE-OKAY als Hörersignal und Rückversicherungssignal dargestellt werden.

Imo (2013) beschreibt die Funktion eines HörersignalsFootnote 40 an der Partikel „ja“. Seine Beschreibungen können auf OKAY übertragen werden. OKAY als Hörersignal geäußert zeigt und signalisiert die Aufmerksamkeit des Zuhörers, es gibt weder akustische noch inhaltliche Verständigungsprobleme (vgl. Imo 2013, S. 198). Hörersignale besitzen eine „kontinuierende Funktion im Sinne eines ich habe verstanden, mach weiter“ (Imo 2013, S. 66). Imo (2013) zufolge ist der Übergang vom Hörersignal zum Responsiv fließend, kann aber anhand der Sprecherbeiträge voneinander abgegrenzt werden: „Der Prototyp eines Hörersignals stellt dagegen gerade keinen eigenen Sprecherbeitrag dar, sondern wird parallel zu einem laufenden kommunikativen Projekt einer Person als stützendes Signal produziert“ (Imo 2013, S. 174). Zu den häufigsten Hörersignalen im Deutschen zählen „ja“ und „hm“ (vgl. Imo 2013, S. 175). In Imos Beispielen wird neben „ja“ und „hm“ auch OKAY als Hörersignal eingesetzt. Zu dieser Verwendung merkt Imo (2013) an, „dass okay hier als stützendes, mitlaufendes Signal und nicht als eigene Handlung wahrgenommen wird“ (Imo 2013, S. 175). Für OKAY als Hörersignal, wie Imo (2013) für „ja“ treffend zusammengefasst hat, gilt gleichermaßen die in Abbildung 3.14 dargestellte Funktionsbeschreibung.

Abb. 3.14
figure 14

(Quelle: Imo 2013, S. 195)

Zusammenfassung der Beschreibungen zum Hörersignal „ja“, die auf OKAY übertragen wird.

Eine weitere Funktionsweise von IE-OKAY stellt die des RückversicherungssignalsFootnote 41 dar. Nach Schwitalla (2002) handelt es sich dabei um Signale, „mit denen man die Aufmerksamkeit auf das zuvor Gesagte einklagt“ (Schwitalla 2002, S. 265). Es wird mit ihnen überprüft, ob der Hörer zustimmt oder nicht. Die Zustimmung gilt als präferierte Handlung. Neben „nicht?“ und dessen Variationen, z. B. „ne?“, gibt es auch regionale Varianten in dieser Funktion, wie „gell?“. Bei mehrfachen Wiederholungen von Rückversicherungssignalen, z. B. dem immer wieder verwendeten „nich?“ in langen Erzählungen einer Person, wird die Funktion der Übereinstimmungskontrolle durch die eines Gliederungssignals ersetzt (vgl. Schwitalla 2002, S. 265).

OKAY kann gleichermaßen am Ende von Aussagen als Frageanhängsel auftreten, um sich die Bestätigung des Gegenübers zu sichern. Im Englischen wird OKAY in dieser Funktion als „tag“ bezeichnet, „attached to the end of a request/proposal/offer, where [OKAY] solicits uptake“ (Couper-Kuhlen 2021a, S. 38).

Eine weitere Funktionsweise von IE-OKAY sind Reaktive. Die Bezeichnung „Reaktiv“ geht auf Sieberg (2016) zurück, der diese Kategorie als Erweiterung der in der GDS beschriebenen Responsive entwickelt hat. Zu Responsiven hält Sieberg (216) fest, dass diese in der GDS „voranging als Reaktion auf vorhergehende Fragen, also auf den Sprechakttyp der Direktive, [verstanden werden]“ (Sieberg 2016, S. 105). OKAY als Responsiv wird somit definiert als Einheit, die als Bestätigung bzw. Zustimmung auf Entscheidungs- oder Bestätigungsfragen folgt. Dieser Kontext ist für die vorliegende Arbeit zu einschränkend. Durch den Rückgriff auf die von Sieberg (2016) eingeführte Kategorie der Reaktive können vielfältigere Handlungsaufforderungen abgegriffen werden. Reaktive stellen laut Sieberg (2016) eine Untergruppe der Kategorie der Nähezeichen, im Zusammenhang des Nähe- und Distanzsprechens, darFootnote 42. „Sprecher [gebrauchen] Reaktive als verbale Reaktion auf alle möglichen in der vorhergehenden Äußerung realisierten Typen von Sprechakten“ (Sieberg 2016, S. 105). Weiter heißt es bei Sieberg (2016):

Reaktive [sind] Ausdrücke, die einem Sprecher zur Verfügung stehen, wenn er sich in einem Dialog mit direkt vorgehenden Behauptungen, Vermutungen, Aufforderungen, Fragen, Bitten, Versprechen, Danksagungen und Entschuldigungen konfrontiert sieht und darauf verbal angemessen reagieren möchte. Angemessen bedeutet meinem Verständnis nach, dass es ihm mittels dieser Ausdrücke gelingt, im weiteren Verlauf des Dialogs seine eigenen Interessen zu vertreten (Sieberg 2016, S. 106).

Die funktionale Kategorie der Responsive in der vorliegenden Arbeit wird bei Frage-Antwort-Mustern ausgezeichnet, während die der Reaktive bei OKAY-Verwendungsweisen kategorisiert wird, in denen OKAY als Reaktion auf beispielsweise Behauptungen, Aufforderungen und Bitten ausgedrückt wurde. Die Kategorie der Reaktive stellt damit eine weitere IE-Kategorie dar, anhand derer WP-OKAYs kategorisiert werden.

Bevor im nächsten Abschnitt 3.4 auf explorative Vorstudien zu schriftlichem OKAY in WP eingegangen wird, soll an dieser Stelle das funktionale Spektrum von OKAY im Mündlichen zusammenfassend vorgestellt werden. Der Skopus dieser Arbeit liegt auf der Herausstellung von OKAY-Funktionsweisen in schriftlicher Interaktion. Dennoch lässt sich eine Nähe zwischen Daten schriftlicher internetbasierter Kommunikationsformen und mündlichen Gesprächen feststellen. Beißwenger (2016) hält dazu fest: „[F]ür die Analyse schriftlicher internetbasierter Kommunikation [hat sich] der Vergleich mit Formen des Gesprächs als grundsätzlich fruchtbarer erwiesen als der Vergleich mit Textformen“ (Beißwenger 2016, S. 280). Storrer (2018) fügt hinzu, dass „die Produkte der Netzkommunikation sowohl Merkmale mündlicher Gespräche als auch Merkmale schriftlicher Texte aufweisen“. Weiterhin führt die Autorin aus, dass diese Produkte „darüber hinaus eigenständige Eigenschaften haben, für die es weder im Gespräch noch im prädigitalen Text eine direkte Entsprechung gibt“ (Storrer 2018, S. 220). Die für die Wikipedia-Daten herauszustellenden OKAY-Funktionsweisen sollen denen für die Mündlichkeit beschriebenen OKAY-Funktionsweisen nebengeordnet werden. Dafür ist eine Zusammenfassung Letzterer nötig.

OKAY in mündlichen Interaktionen wurde insbesondere im Englischen umfassend untersucht, und das bereits seit den 1970er-Jahren. Die folgende Tabelle 3.1 fasst zusammen, welche Funktionen in für die vorliegende Arbeit relevanten Untersuchungen zu OKAY herausgestellt wurdenFootnote 43.

Tabelle 3.1 Überblick über Studien mit OKAY als Untersuchungsgegenstand im Mündlichen

Die folgenden Studien lassen sich dem funktionalen Feld 1 zuordnen, OKAY wird in Zweitposition betrachtet und klassifiziert. Delahaie (2009) untersucht OKAY als Diskursmarker im Französisch-als-Fremdsprache-Unterricht. Sie zieht Vergleiche zur französischen Partikel „voilà“ und stellt fest, dass eine wichtige Funktion von OKAY in der Gesprächsbeendigung sowie im Bereitstellen von Feedback liegt.

In einer Studie von Cirko (2016) zu „Phatische[n] Signale[n] in deutschen, englischen und polnischen Prüfungsgesprächen“ konnten für OKAY im Deutschen und Englischen folgende Funktionen identifiziert werden: als „Aufmunterungssignale“, die vom Prüfer geäußert werden, (2) als „Aufmerksamkeitssignale“, (3) als „Verstehenssignale“ (z. B. „ah okay“) sowie als (4) „Bestätigungssignale“ (vgl. Cirko 2016, S. 7).

Stivers (2018) klassifiziert in englischen Gesprächen okay, alright, fine und sure als zustimmende Interjektionen bei der Beantwortung von W-Fragen. Sie stellt fest, dass OKAY eine semantische Ebene der Akzeptanz in sich trägt und darstellt, dass man mit der Äußerung des Gegenübers „mitgeht“.

Delahaie und Solís García (2019) vergleichen in ihrer Studie OKAY mit den Diskursmarkern „d’accord“ und „vale“ im gesprochenen Französisch und Spanisch von L1- und L2-Sprechern mit dem Ziel, spezifische pragmatische und semantische Funktionen von OKAY im Französischen herauszustellen. Sie stellen einen funktionalen Unterschied im Gebrauch von OKAY zu „d’accord“ fest, auch wenn beide Marker im selben Kontext verwendet werden.

Knutsen und Petit (2019) analysieren OKAY als Diskursmarker in französischen Gesprächen. Sie entwickeln ein Kontinuum, auf dem OKAY an verschiedenen Stellen zwischen den Polen Verstehen und Missverstehen steht. Auch stellen sie Funktionsunterschiede in der Nutzung von OKAY heraus, die auf die prosodische Realisierung von OKAY zurückgehen.

Oloff (2019) untersucht die Verwendung von OKAY in Alltagsgesprächen im Deutschen als Responsiv bzw. in Kombination mit „change-of-state tokens“Footnote 46 wie „ah“ und „achso“. Sie analysiert, wie OKAY mit dem interaktionalen Wissensstand der Sprecher:innen zusammenhängt. Die Autorin stellt heraus, dass OKAY zur Anzeige von Akzeptanz bei solchen Informationen genutzt wird, die die Sprecher:innen selbst nicht verifizieren oder überprüfen können. Oloff (2019) hält weiterhin fest, dass die Verwendung von OKAY in Kombination mit einem Erkenntnisprozessmarker zeigt, dass mit OKAY selbst vorhergehende Informationen nicht als neu eingestuft werden und man mit der Äußerung von OKAY in diesem Zusammenhang eine Art neutrale (= „non-agreeing“) Position gegenüber einer bestimmten Information einnimmt.

Im Sammelband „OKAY across languages, toward a comparative approach to its use in talk-in-interaction“ (Betz et al. 2021) wird OKAY in 13 Sprachen in vielseitigen IE-Funktionen analysiertFootnote 47. Mit OKAY können Sprecher:innen markieren, dass sie vorausgehende Äußerungen verstanden haben. Mit OKAY kann darüber hinaus signalisiert werden, dass keine weiteren Informationen von Gesprächspartner:innen nötig sind. OKAY kann Sequenzen abschließen bzw. deren Abschließung einleiten und an Übergangsstellen auftreten, um neue Themen einzuleiten. Außerdem stellen die Autor:innen fest, dass OKAY auch genutzt werden kann, um die vorherige Information als vorläufig oder noch nicht vollständig zu markieren und damit die Gesprächspartner:innen aufzufordern, weitere Informationen nachzuliefern. Am Ende einer Äußerung kann es auftreten, um vom Gegenüber eine Bestätigung der eigenen Aussage zu erhalten (vgl. Betz et al. 2021, S. 56). Die genannten Verwendungsweisen von OKAY sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt aus der umfassenden Aufarbeitung der Verwendung von OKAY im Mündlichen, der in dem Sammelband gezeigt wird.

Im Übersichtskapitel von Betz und Deppermann (2021) stellen die Autor:innen heraus, dass die sequentiellen Auswirkungen von responsiven OKAYs auf die Kombination von kontextuellen, prosodischen und sequentiellen Faktoren sowie der Positionierung innerhalb der gesamten Gesprächssequenz zurückgehen. Weiterhin stellen sie fest, dass OKAY auf einem Kontinuum im Hinblick auf das Anzeigen von Zustimmung operiert: OKAY in zweiter oder dritter Position, das eine Frage-Antwort bzw. eine andere Nachbarschaftspaar-Sequenz abschließt sowie mit fallender Intonation produziert wurde, kann als Hinweis auf ausreichendes Verstehen interpretiert werden. OKAY mit gleichbleibender oder ansteigender Intonation zeigt jedoch an, dass eine Handlung oder eine neue Information registriert wurde, die aber für pragmatische Belange noch nicht ausreichend ist. In solchen Fällen wird mit durch OKAY signalisiert, dass weitere Informationen nötig sind.

Couper-Kuhlen (2021a) untersucht responsive OKAYs in alltäglicher Interaktion im amerikanischen Englisch. Sie stellt Verwendungsweisen von OKAY, die in den 1960er-Jahren untersucht wurden, neueren Gebrauchsweisen von OKAY aus den 2000er-Jahren gegenüber. Demnach wird OKAY in beiden Zeitscheiben unterschiedlich verwendet. Für die jüngere Zeitscheibe stellt die Autorin eine neue OKAY-Funktion heraus: „non-consequential OKAY“. Mit OKAY wird eine Information akzeptiert, ohne dass sich aus dieser Akzeptanz Konsequenzen in Bezug auf einzulösende Handlungsaufforderungen für die am Gespräch beteiligten Personen ergeben würden.

DeSouza et al. (2021) untersuchen Gebrauchsweisen von OKAY in englischen Gesprächen, in denen es der eigentlichen Antwort, z. B. in Frage-Antwort-Sequenzen, vorgeschaltet wird. In ihre Analysen beziehen sie auch Pausen, Blickrichtungen und Gesten der Sprecher:innen ein. Mit Letzteren wird angezeigt, dass sich die Sprecher:innen am Übergang zur Übernahme der Sprecherrolle bzw. zur Beantwortung der Frage befinden. Durch die Äußerung von OKAY projizieren sie, dass ihre Antwort folgt.

Helmer et al. (2021) stellen in ihrer Untersuchung von OKAY in Verbindung mit Mimik und Gestik in deutschen Mehrpersonen-Kontexten drei Funktionen fest: (1) OKAY wird als Behauptung ausreichenden Verstehens typischerweise von aufwärts gerichtetem Nicken begleitet; (2) OKAY nach „change-of-state tokens“ ist durch ein wiederkehrendes Muster von Auf- und Abwärtsnicken geprägt; und (3) OKAY ist zum Abschluss größerer Gesprächsaktivitäten mit Blickabwendung vom vorherigen Sprecher verbunden.

Die folgenden Studien lassen sich dem funktionalen Feld 2 aus Tabelle 1 zuordnen, OKAY wird in Endsequenzen betrachtet und klassifiziert. OKAY als Einleitung von Endsequenzen wird in Schegloff und Sacks (1973) thematisiert. So kann OKAY in der Position des „pre-closing uptakes“ sowohl als Annahme des Pre-Closings gebraucht als auch in der Endsequenz selbst zur Beendigung eines Gesprächs genutzt werden.

Beach (1995) untersucht OKAY in englischen Gesprächen. Er unterstreicht, dass OKAY-Verwendungen nicht zufällig gewählt erscheinen, sondern von allen Gesprächsbeteiligten an bestimmten Momenten innerhalb ihrer Gesprächsbeteiligung eingesetzt werden. Unter anderem analysiert er OKAY als Endsignal, um ein Gespräch abzuschließen, sowie als Transitionsmarker, dessen Tragweite insbesondere an Übergangsstellen innerhalb eines Gesprächs sichtbar wird.

In Schegloff (2007) werden OKAY-Funktionsweisen in minimalen Postexpansionen in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. OKAY wird als „sequence-closing third“ bezeichnet. Mit OKAY wird angezeigt, dass die Beendigung des Gesprächs akzeptiert wird. In solchen Kontexten tritt OKAY häufig nach bereits geäußerten Verabschiedungsformeln bzw. Äquivalenten davon auf, z. B. „A: alright – B: good – A: OK“. Neben ganzen Gesprächssequenzen können auch einzelne Teilsequenzen innerhalb eines Gesprächs abgeschlossen werden. Dies ist insbesondere in Frage-Antwort-Sequenzen geläufig, wo Sprecher:in A eine Frage stellt, Sprecher:in B antwortet und darauf A mit OKAY die von B gegebene Antwort als für sich ausreichend markiert.

Stivers (2013) beschreibt ebenfalls die Verwendung von OKAY in minimalen Postexpansionen. In den von ihr angeführten Beispielen wird OKAY nach dem second-pair-Part geäußert und vervollständigt damit eine bereits abgeschlossene Sequenz, z. B. „A: Bist du fertig? – B: Ja – A: OK“. A signalisiert hier erneut, dass die von B gelieferte Antwort kein Fortführen der Sequenz vonseiten As bedarf und sie somit abgeschlossen werden kann.

Mondada und Sorjonen (2021) untersuchen OKAY an Übergangsstellen im Gespräch in einer Vielzahl von Sprachen, u. a. Deutsch, Englisch und Französisch. Sie stellen fest, dass es in allen Sprachen ähnliche Funktionen übernehmen kann. In verschiedenen Funktionen kommt es an folgenden Positionen vor: in Sequenzabschlüssen, in Aktivitätsabschlüssen, an Übergängen zwischen Aktivitäten oder Themen und als Abschluss eines ganzen Gesprächs.

In Funktionsfeld 3 aus Tabelle 1 werden OKAY-Verwendungsweisen als Transitionsmarker beschrieben. Bereits in den 1980er-Jahren haben Levin und Gray (1983) die Funktion von OKAY als Transitionsmarker im Englischen herausgestellt. Sie untersuchen hierbei keine englischen Telefongespräche, sondern analysieren OKAY im Rahmen von akademischen Vorträgen und Vorlesungen (von den Autor:innen als LOK = lecturer’s OKAY bezeichnet). Sie stellen fest, dass OKAY ausschließlich an dem Punkt im Vortrag eingesetzt wird, an welchem zu einem neuen Thema übergegangen wird bzw. ein Thema abgeschlossen und ein neues Thema eingeleitet werden soll. In dieser Verwendung erinnert OKAY an „genau“Footnote 48, das ebenfalls in akademischen Vorträgen genutzt wird, um zwischen einzelnen Aspekten des Vortrags bzw. der Vorlesung zu navigieren. Gleichzeitig zeigen die Vortragenden damit an, dass ein bestimmter Aspekt für sie thematisch abgeschlossen ist. Sie gleichen ihren Gedankenprozess mit dem ab, was sie auf dem Papier oder Bildschirm vor sich sehenFootnote 49.

Beach (1993) beschreibt OKAY als Transitionsmarker an wichtigen Übergangspunkten („transition relevant points“) in englischen Gesprächen. OKAY kann von allen Gesprächsbeteiligten an Übergangspunkten innerhalb eines Gesprächs verwendet werden, um beispielsweise zu signalisieren, dass keine weiteren Informationen nötig sind, eine Teilsequenz oder auch eine komplette Sequenz somit abgeschlossen ist und zum nächsten thematischen Schwerpunkt übergegangen werden kann. In diesem Zusammenhang spricht Beach (1993) auch die Dualität von OKAY an: Es kann die vorhergehende Sequenz in Funktion eines Responsivs als ausreichend informativ abschließen und dadurch gleichzeitig die Folgesequenz eröffnen. Diese Funktion schreibt Beach (1993) insbesondere OKAY-Doppellungen zu, in denen das erste OKAY den vorhergehenden Turn akzeptiert und das zweite OKAY den Folgeturn initiiert.

Bangerter et al. (2003) untersuchen den Gebrauch von „project-markers“ in englischen Telefongesprächen. Sie schreiben OKAY eine navigierende Funktion zu, indem es koordinierend als „vertical navigation“-Marker vor allem an relevanten Übergangsstellen verwendet wird. Die Autor:innen resümieren, dass OKAY insbesondere an diesen Übergangsstellen verwendet wird und weniger in der Mitte einzelner Sequenzen. Auch schreiben sie OKAY eine besondere Funktion am Ende von Gesprächen zu, wenn es darum geht, aus einem „festgefahrenen“ Gesprächsabschnitt herauszunavigieren und zum Abschluss desselbigen zu führen.

Col et al. (2019) untersuchen die Rolle von OKAY als Marker in vertikaler Navigation im Kontext französischer Gespräche. Die Autor:innen zeigen an mündlichen Daten des Französischen, dass OKAY Übergänge in Gesprächen markiert und strukturiert und die prosodische Realisierung von OKAY vorgibt, wie sich diese Strukturierung manifestiert.

De Stefani und Mondada (2021) analysieren das französische „oké“ und das italienische „occhei“ in institutionellen Interaktionen wie Arbeitstreffen, politischen Versammlungen und Stadtführungen. Sie stellen heraus, dass die Teilnehmenden in diesen Settings OKAY im Zusammenspiel komplexer multimodaler Gesprächsereignisse nutzen, wenn sie von einer zur anderen Aktivität überleiten.

OKAY u. a. in der Funktion eines Rückversicherungssignals (Funktionsfeld 4 in Tabelle 1) analysiert Couper-Kuhlen (2021b). Die Autorin zeigt verschiedene Funktionsweisen von OKAY anhand unterschiedlicher Realisierungsformen im Hinblick auf Prosodie in englischen Alltagsgesprächen auf. Couper-Kuhlen (2021b) stellt dabei verschiedene Muster heraus, die sie als mehr oder weniger fest charakterisiert. Zum Letzteren gehört z. B. die Verwendung von OKAY als Frageanhängsel am Ende von Aussagen. Sie hält fest, dass nicht alle OKAYs, die ein Thema abschließen oder ein Gespräch vorzeitig beenden, prosodisch inszeniert werden. Falls dies doch der Fall ist, dann wird dem Gegenüber unmissverständlich deutlich, dass besagte Handlung (z. B. Gespräch beenden, Übereinstimmung einfordern) durch OKAY ausgeführt wird.

Das Funktionsfeld 5 aus Tabelle 3.1 enthält Beschreibungen von OKAY als „continuer“. Die von Schegloff (1982) eingeführte funktionale Bestimmung des „continuer“Footnote 50, das geäußert wird, um dem Gegenüber anzuzeigen, dass kein Rederecht eingefordert wird, insbesondere bei längeren Erzählungen einer Person, kann ebenfalls von OKAY übernommen werden. In der vorliegenden Arbeit wird diese Funktion als „Hörersignal“ bezeichnet.

Der Forschungsüberblick zu OKAY zeigt, dass OKAY eine Vielzahl von Funktionen im Mündlichen zukommt. Dabei gibt es insbesondere zu gesprochensprachlichen OKAY-Verwendungen im Englischen zahlreiche und vielfältige Studien. An sprachvergleichenden Studien, die z. B. auch deutsche und französische Daten aus Gesprächen einbeziehen, wird sichtbar, dass viele der beschriebenen Funktionen sprachübergreifend Anwendung finden. Zusätzlich gibt es prosodische Muster in Kombination mit bestimmten Mimik- und Gestik-Abfolgen, die kultur- und sprachspezifisch sind. Aus den dargestellten Studien soll für die vorliegende Arbeit übernommen werden, dass OKAY zielführend am Übergang und an Schnittstellen zu neuen Themen bzw. zum Abschluss von bereits vollständig erörterten Themen eingesetzt werden kann. In diesen Funktionsweisen kommt OKAY darüber hinaus ein strukturierender Charakter zu. Die Kombination dieser Eigenschaften scheint für einen Gebrauch auf WP-Diskussionsseiten besonders fruchtbar.

Für die Funktionsübersicht von OKAY, die auf WP-Daten übertragen werden kann, seien folgende Kategorien festgehalten: Responsiv, Reaktiv und Rückversicherungssignal als IE-OKAY. OKAY als Hörersignal kann für die zum Vergleich angeführten Belege der FOLK-Stichproben festgehalten werden. OKAY in der Funktion als „transition marker“ bzw. „vertical navigation“-Marker werden vorübergehend in der Kategorie „Strukturierung“ zusammengefasst. Diese Kategorie sowie weitere Funktionen von OKAY im Schriftlichen werden im Folgekapitel 2.4 erläutert.

4 OKAY als Untersuchungsgegenstand in der Schrift

Im Folgenden werden die für diese Arbeit relevanten, schriftlichen Untersuchungen zu OKAY in internetbasierter Kommunikation vorgestelltFootnote 51. Systematische Untersuchungen von OKAY in der Schriftlichkeit sind rar. Sprachvergleichende Studien zu Verwendungs- und Funktionsweisen von OKAY in der Schrift sind nicht bekannt. Im Anschluss werden die Vorstudien zu OKAY in WP, die die Grundlage diese Arbeit bilden, präsentiert.

Jaffel (2019) untersucht Tweets im Französischen. Im Fokus ihrer Studie steht die Kombination von OKAY und Emojis in Tweets. Jaffel (2019) hält fest, dass Emojis die Bedeutungsnuancen von OKAY modalisieren. In Tweets mit dem Emoji (= „Upside-Down Face“Footnote 52), das an finaler Position auftritt, während OKAY initial verwendet wurde, fungiert das Emoji als Antonym zu diesem OKAY: Es ist als Äquivalent von „nicht OKAY“ zu verstehen (vgl. Jaffel 2019, S. 84). Außerdem ordnet Jaffel (2019) den Emojis eine strukturierende Funktion zu.

Bibie (2019) analysiert OKAY in Bezug auf die Position in französischen Tweets und stellt Funktionen von OKAY, das in der Untersuchung als Diskurspartikel beschrieben wird, heraus. Initial wird es laut Autorin gleich einem Diskursmarker verwendet, um Zustimmung zu signalisieren. Ebenfalls kann sie syntaktisch integrierte OKAYs in Tweets belegen. Die von ihr beschriebenen Funktionen erinnern an die in der Mündlichkeit als Transitionsmarker dargestellten OKAY-Verwendungsweisen, d. h., es tritt an thematischen Übergangs- und Schnittstellen auf. Tweet-einleitend als Startsignal-OKAY wirkt es aufmerksamkeitslenkend. OKAY in Randpositionen beschreibt Bibie (2019) als „fonction de stabilisateur monologal“ (Bibie 2019, S. 74). Tweets bezeichnet Bibie (2019) als monologisch, da zum Zeitpunkt des Verfassens nicht klar ist, ob eine andere Person auf den Tweet reagiert und somit überhaupt ein Dialog entstehen könnte.

Letztlich ist die Studie von Condon und Čech (2007) darzustellen, die die Nutzung von OKAY zwischen „face-to-face interaction“ und „computer-mediated interaction“ vergleichen (vgl. Condon/Čech 2007, S. 18). Sie analysieren die Verwendungsweise von OKAY in Entscheidungsroutinen, die in einem Setting direkt im Gespräch und in einem anderen Setting gemeinschaftlich am Computer von Proband:innen durchgeführt wurden. Condon und Čech (2007) stellen fest, dass OKAY als Markierung vertikaler Übergänge in Entscheidungsroutinen in beiden Settings verwendet wird. Ebenso können sie seine Funktion als Transitionsmarker identifizieren. Gleichermaßen schreiben sie OKAY eine strukturierende Funktion zu.

Die für die vorliegende Arbeit relevanten Vorstudien zu OKAY zielen auf die Herausstellung von Form und Funktion von OKAY auf den deutschen Wikipedia-Artikelseiten im Vergleich zu den deutschen Wikipedia-Diskussionsseiten (vgl. Herzberg 2016). In Herzberg (2016) konnte eine Vielzahl von Formvarianten von OKAY in Diskussionsbeiträgen herausgestellt werden. Gleichermaßen wurde festgestellt, dass in den textorientierten Artikelseiten OKAY fast nicht belegt ist (25 Belege in 796.638.747 Tokens, vgl. Herzberg 2016, S. 38). Erste SE- und IE-Funktionen konnten ebenfalls festgestellt werden, z. B. OKAY in der Funktion als Prädikativ und Responsiv. Diese erste Identifizierung von OKAY als häufig verwendete Einheit in Wikipedia-Diskussionsbeiträgen wurde um den Faktor des Sprachvergleichs erweitert (vgl. Herzberg/Storrer 2019).

In Herzberg/Storrer (2019) zu OKAY im Deutschen und Französischen der jeweiligen WP-Sprachversionen konnten erste Unterschiede festgestellt werden, was den sprachspezifischen Gebrauch von OKAY betrifft. Auch wurden Formvarianten und Position sprachvergleichend analysiert. OKAY wird im Französischen weniger häufig in die Syntax integriert (vgl. Herzberg/Storrer 2019, S. 19). Die funktionalen Unterschiede zwischen den untersuchten OKAY-WP-Belegen wurden zu diesem Zeitpunkt ebenfalls um Vergleiche zu mündlichen OKAYs erweitert. Dabei wurde festgestellt, dass OKAY gesprächsspezifisch als Hörersignal verwendet wird, eine Funktion, die bis dahin verbal häufig von „ja“ bzw. „hm“ und nonverbal von Kopfnicken übernommen wurde. Herzberg und Storrer (2019) stellten fest, dass sich bestimmte OKAY-Verwendungsweisen nicht ohne weiteres den bis dahin herausgestellten Funktionskategorien zuordnen lassen, es bedarf einer Erweiterung.

In Herzberg (2020) stand die Herausstellung sprachlicher OKAY-Muster in deutschen und französischen WP-Belegen im Vordergrund. Während in deutschen WP-Belegen OKAY in vielfältigen Verwendungskontexten auftritt, fällt für das Französische die Verwendung von OKAY in präpositionalen Konstruktionen auf.

In Storrer und Herzberg (2022) werden solche Konstruktionen, z. B. „ok pour“, in der Funktionskategorie „andere“ zusammengefasst. Neben dieser Kategorie wird ebenfalls die Sammelkategorie „Strukturierung“ benannt, die OKAY-Verwendungen in Strukturgeber-Funktion innerhalb der WP-Beiträge beinhaltet. In der Kategorie „Strukturierung“ wurden OKAY-Verwendungsweisen zusammengefasst, in denen OKAY, ähnlich zu den im Mündlichen beschriebenen Funktionen als „transition marker“ bzw. „vertical navigation“ WP-Beiträge unterteilt. Diese kategorialen Vorklassifizierungen wurden getroffen, um OKAY-Verwendungsweisen zu berücksichtigen, die häufig in ähnlicher Funktion auftreten, sich jedoch mit den bisher in der Literatur dargestellten Funktionsweisen nicht vollumfänglich beschreiben lassen.

An folgende Untersuchungsergebnisse knüpft die vorliegende Arbeit damit an: OKAY kommt in vielfältigen Funktionen im Deutschen und Französischen vor. Französische OKAYs sind weniger häufig syntaktisch integriert. In beiden Sprachen lässt sich eine Vielfalt von Formvarianten feststellen. Es gibt einen funktionalen Bereich von schriftlichen OKAYs in Wikipedia, die sich mit OKAY-Beschreibungen im Mündlichen überschneiden, aber Sequenz- und Zeitlichkeitsbedingungen schriftlicher Interaktion unterliegen. Die vorliegende Arbeit erweitert und vervollständigt die vorhandene Forschungslücke zu OKAY in schriftlicher Interaktion folgendermaßen: Der Sprachvergleich wird um OKAY-Belege des Englischen erweitert. Durch das Einbeziehen englischer OKAYs bzw. der englischen WP-Sprachversion soll herausgestellt werden, ob OKAY in seiner „Ursprungssprache“ anderen Regularitäten folgt als im Deutschen und Französischen.

Der Aspekt der Funktionserweiterung soll auch auf Form- und Positionsanalysen übertragen werden, indem englische OKAY-Formvarianten und Positionen den deutschen und französischen OKAYs gegenübergestellt werden. Die Untersuchung sprachspezifischer OKAY-Muster wird in qualitativen Detailanalysen von OKAY-Belegen sowie unterstützend durch Konkurrenzanalysen erforscht. Überdies werden die Sammelkategorien „andere“ und „Strukturierung“ über die drei Sprachen hinweg aufgeschlüsselt.

OKAY-Verwendungsweisen gesprochensprachlicher Daten werden zu Vergleichszwecken in den qualitativen Detailanalysen herangezogen. Dafür werden zwei Stichproben zu OKAY-Verwendungen im Gespräch analysiert. Bevor diese Forschungsvorhaben im Detail ausgeführt und beschrieben werden, soll in Abschnitt 3.5 zusammenfassend vorgestellt werden, welche Kategorien zum aktuellen Zeitpunkt zu OKAY vorliegen und wie sie im Spannungsfeld zueinander zu betrachten sind.

5 Zusammenfassung

Aus den im vorherigen Kapitel vorgestellten OKAY-Funktionen in der Literatur ergibt sich folgendes Schaubild, vgl. Abb. 3.15.

Abb. 3.15
figure 15

Schematische Darstellung der in der Literatur und explorativen Vorstudien analysierten OKAY-Funktionskategorien in WP und FOLK

Die Funktionen von OKAY in WP-Beiträgen (vgl. Abb. 3.15) lassen sich in zwei Felder unterteilen: OKAY als syntaktische Einheit (SE) sowie OKAY als interaktive Einheit (IE).

Die beiden Funktionsfelder überschneiden sich nicht. Das syntaktische Funktionsfeld links stellt die grammatischen Funktionen von OKAY dar, die in Abschnitt 3.1 und Abschnitt 3.2 aus den Grammatiken und Wörterbüchern übernommen wurden: Nomen, Verb, adverbiales, prädikatives und attributives Adjektiv.

Auf dem rechten IE-Funktionsfeld sind die Verwendungsweisen von IE-OKAY dargestellt. Aus der GDS wird die Kategorie der Responsive übernommen, die in Abschnitt 3.1 erläutert wurde. Das Kategorienspektrum von OKAY als IE vervollständigt die Kategorien der Reaktive und Rückversicherungssignale, die in Abschnitt 3.3 definiert wurden. Dass diese drei genannten IE-Funktionen auf die untersuchten WP-Daten übertragen werden können, haben die Vorstudien zu OKAY in Wikipedia, vgl. Abschnitt 3.4, gezeigt. Ein umstandsloses Übertragen weiterer gesprochensprachlicher Funktionen von OKAY, die in Abschnitt 3.3 vorgestellt wurden, ist nicht zu erwarten, da viele von ihnen zum einen über Prosodie, zum anderen über präzise, an die Mündlichkeit gebundene Sequenz- und Zeitlichkeitsbedingungen, die so in schriftlichen Interaktionen nicht existieren, klassifiziert werden. Die in Herzberg und Storrer (2019) sowie Storrer und Herzberg (2022) herausgestellten Sammelkategorien „Strukturierung“ und „andere“ sind keinem Funktionsfeld zugeordnet, befinden sich aber auf der rechten Seite der interaktiven Einheiten, da die Mehrzahl der beiden Kategorien zugerechneten OKAY-Verwendungen nicht in die Syntax integriert sind. Ziel dieser Arbeit ist es, die Kategorien so aufzuschlüsseln, dass sie dem Schema zugeordnet werden können.

Um diesen Funktionen bei der Vergleichsanalyse zu OKAY in den FOLK-Stichproben gerecht zu werden, wurde dem IE-Funktionsfeld der Bereich der gesprächsspezifischen Funktionen hinzugefügt. Das Hörersignal führt die Kategorie der gesprächsspezifischen Funktionsweisen stellvertretend an. Die Funktionsfeldfläche der gesprochensprachlichen Funktionen von OKAY ist kleiner, da keine zusätzlichen OKAY-Funktionsweisen im Mündlichen herausgestellt werden sollen. Das gesprächsspezifische Funktionsfeld überschneidet sich mit dem Funktionsfeld von OKAY als IE, da die dort zusammengefassten OKAY-Verwendungen gleichermaßen nicht in die Syntax integriert sind.