FormalPara Zusammenfassung

Bei einer Ambulantisierung vormals stationär erbrachter Leistungen rechnet man vor allem mit einer Kostenreduktion. Diese Reduktion sollte jedoch nicht mit einer Qualitätsminderung bis hin zur Gefährdung der Patientensicherheit einhergehen. Deshalb muss die Qualität der ambulantisierten Versorgung kontinuierlich überwacht werden. Dazu dient ein Qualitätsmonitoring, das auf Qualitätsindikatoren beruht, die wiederum wesentliche Qualitätskriterien operationalisieren. Diese Kriterien berücksichtigen typischerweise die Effektivität, Patientenzentrierung, Sicherheit und Gerechtigkeit der Versorgung. Qualitätsindikatoren, die den Erfüllungsgrad der Kriterien bewerten, können aus der Literatur abgeleitet oder de novo formuliert werden. Letztlich muss damit bewertet werden, ob die zur Durchführung der ambulantisierten Behandlung essenziellen personellen und sachlichen Strukturen vorgehalten werden, die Behandlung selbst fachgerecht indiziert und durchgeführt wird und die klinischen sowie von Patientinnen und Patienten berichteten Ergebnisse und Behandlungserfahrungen positiv und ohne Sicherheitsgefährdung ausfallen.

Providing services on an outpatient basis that were previously provided on an inpatient basis is primarily expected to reduce costs. However, this reduction should not be accompanied by a reduction in quality or even jeopardise patient safety. The quality of outpatient care must therefore be continuously monitored. Quality monitoring based on quality indicators, which in turn operationalise key quality criteria, serves this purpose. These criteria typically consider the effectiveness, patient-centeredness, safety and equity of care. Quality indicators that evaluate the degree of fulfillment of the criteria can be derived from the literature or formulated de novo. Ultimately, it must be assessed whether the essential personnel and material structures for the provision of outpatient treatment are available, whether the treatment itself is properly indicated and carried out and whether the clinical and patient-reported outcomes and treatment experiences are positive and do not pose a safety risk.

1 Einleitung

Internationale Vergleiche der stationären Inanspruchnahme verdeutlichen, dass in Deutschland viele Patientinnen und Patienten stationär behandelt werden, die in anderen Ländern ambulant versorgt werden. Das „Ambulantisierungs-Potenzial“ besteht also zum einen darin, vormals stationär erbrachte Leistungen wenn möglich ambulant zu erbringen. Zum anderen sollten Krankenhausaufenthalte durch eine optimale ambulante Versorgung möglichst vermieden werden. Bei diesen „ambulant-sensitiven Krankenhausfällen“ scheint das Potenzial in Deutschland groß zu sein: Geschätzt gelten rund 20 % dieser Fälle durch eine optimale ambulante Versorgung als vermeidbar (Sundmacher et al. 2015). Zum Teil wird das Ambulantisierungs-Potenzial in Deutschland bei ambulanten Operationen ausgeschöpft, während Programme zur Verhinderung von Krankenhauseinweisungen bei akuter Verschlechterung chronischer Krankheiten wenig oder die schon seit Ende der 70er Jahre beispielsweise in Großbritannien, Kanada, Australien und Israel etablierten „hospital at home“-Programme in Deutschland nicht zu finden sind (Patel und West 2021).

Mit der Ambulantisierung, also der Verlagerung vormals stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich, wird hauptsächlich eine Kostenreduktion erwartet und vielfach auch realisiert (Friedlander et al. 2021). Theoretisch dürfte es sich dabei nur um die Verlagerung der Kosten für die Unterbringung handeln. Denn die für die Erbringung diagnostischer oder therapeutischer Leistungen notwendigen Kosten für Personal sowie Sachmittel müssten eigentlich in beiden Sektoren in etwa gleich hoch sein, wenn man von Skaleneffekten absieht. In der Realität unterscheiden sich jedoch die Kosten und die Vergütung gleicher Leistungen im ambulanten und stationären Bereich, wobei oftmals höhere Vorhaltekosten als ursächlich genannt werden. Schenk et al. (2023) lieferten kürzlich Hinweise dafür, dass organisatorische Mängel für höhere Kosten bei stationärer Behandlung ursächlich sein könnten.

Neben der Kostenreduktion als Hauptziel der Ambulantisierung sind potenziell andere positive Effekte zu erwarten. Darunter ist zunächst die Vermeidung nosokomialer Infektionen zu nennen, deren Inzidenz mit der Länge eines Krankenhausaufenthaltes zunimmt (Loke et al. 2019). Weiterhin lässt sich bei ambulanter Behandlung gerade bei älteren Patientinnen und Patienten eher ein Delirium vermeiden (Whittington et al. 2023). Darüber hinaus kann eine ambulante Behandlung mit positiven Erfahrungen derjenigen Patienten einhergehen, die sich lieber in Ruhe zu Hause als in einer hektischen Krankenhausumgebung mit Mehrbettzimmern erholen wollen. Zudem wird ein potenzieller Informationsbruch vermieden, wenn in nur einem Versorgungssektor die Diagnostik, Therapie und Nachsorge stattfindet.

Die positiven Erwartungen einer Ambulantisierung müssen jedoch gegen die potenziell negativen Effekte abgewogen werden (vgl. Fig. 16.1). Hierbei dominiert die Gefährdung der Patientensicherheit durch eine im Vergleich zur stationären Behandlung weniger kontinuierliche Überwachung der Patienten durch Fachpersonal. Das Erkennen akuter Verschlechterungen des Gesundheitszustands und deren fachgerechte Behandlung, die regelmäßige Prüfung wesentlicher Überwachungsparameter, eine korrekte Medikamenteneinnahme, das richtige Ausmaß einer (Wieder-)Belastung oder Mobilisierung lassen sich unter optimalen stationären Bedingungen zumindest theoretisch leichter garantieren. Für ambulante Operationseinheiten liegen Vorschläge dazu vor, wie Patientengefährdungen vermieden werden können (Karlsson und Jakobsson 2021). Beivers und Kramer (2022) betonen hierbei die wichtige Rolle eines funktionierenden Entlass- und Casemanagements. Daneben sollte beachtet werden, dass bei der Behandlung in nur einem Sektor wie auch bei belegärztlicher Tätigkeit die implizite Zweitmeinung entfällt, die bei der Indikationsstellung für eine Prozedur im ambulanten Sektor, anschließender Einweisung zur stationären Behandlung und dort regelhaft notwendiger Überprüfung der Indikationsstellung vor der Durchführung einer Prozedur etabliert ist.

Abb. 16.1
figure 1

Einige potenzielle Vor- und Nachteile einer Ambulantisierung

2 Vergleiche der Qualität ambulanter und stationärer Versorgung

Auf der Basis einer selektiven Literaturrecherche, die nur aktuelle (ab 2020) Metaanalysen oder systematische Reviews umfasst, die eine ambulante mit stationärer Versorgung verglichen haben, lassen sich Belege sowohl für Vor- als auch für Nachteile einer ambulantisierten Versorgung finden.

Martin et al. stellten beispielweise geringere Komplikations- und auch Krankenhaus-Wiederaufnahme-Raten bei ambulanten im Vergleich zu stationären Lippenspaltenoperationen fest (Martin et al. 2023). Li et al. (2022) verglichen Komplikationsraten bei Patienten, die ambulant oder stationär eine roboterassistierte radikale Prostatektomie erhielten und fanden niedrigere Komplikationsraten bei den ambulant Behandelten. Puzzitiello et al. (2022) fassten Studien zusammen, die ambulante versus stationäre arthroskopische Eingriffe an der Schulter verglichen hatten, wobei keine Unterschiede bei den Komplikationen auffielen. Shahjouei et al. (2022) berichteten, dass das Risiko, nach einer transitorisch ischämischen Attacke innerhalb von bis zu 90 Tagen einen Schlaganfall zu erleiden, bei einer Abklärung in speziellen TIA-Ambulanzen nicht größer war als bei einer stationären neurologischen Abklärung.

Dagegen konstatierten sowohl Bordoni et al. (2020) und auch Mai et al. (2021) mehr Komplikationen bei ambulanter im Vergleich zu stationärer Kniegelenksendoprothetik. Mai et al. hatten dabei ein kombiniertes Outcome aus schweren unerwünschten Ereignissen wie Tod, Sepsis, Herzstillstand, Herzinfarkt, Hirninfarkt, Nierenversagen, Thrombosen, Wundinfektionen und ungeplanten Krankenhaus(wieder-)aufnahmen betrachtet.

Die benannten aktuellen Literaturzusammenstellungen konzentrieren sich vor allem auf ambulante Operationen – mit der Ausnahme der TIA-Studie. Allen Studien gemeinsam ist, dass die Autoren fast durchgehend ein großes Bias-Risiko und eine eher niedrige Evidenz konstatieren. Nur Mai et al. (2021) nutzten ein Propensity Matching, um die beiden Gruppen – ambulant versus stationär Behandelte – möglichst vergleichbar zu machen.

Wenn nun also vor diesem Hintergrund auch in Deutschland vermehrt Behandlungen ambulant durchgeführt werden – sei es vollständig im ambulanten Sektor oder aber in Ambulanzen an Kliniken mit einer ambulanten Nachsorge –, dann sollte durch ein kontinuierliches Monitoring der Qualität der Versorgung anhand vorab festgelegter Qualitätskriterien garantiert werden, dass Patienten vergleichbar gut, gewissenhaft indiziert behandelt und vor allem Patientengefährdungen so weit wie möglich vermieden werden. Dem Aufgabenspektrum des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) und der Maßgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses einer möglichst sektorübergreifenden Qualitätssicherung entsprechend, müsste diese Aufgabe beim IQTIG angesiedelt werden. Dazu könnte ein zusätzlicher Leistungsbereich „ambulantisierte Prozeduren“ eingerichtet werden, der sich zum Teil aus bereits eingeführten Leistungsbereichen speist (s. u.).

Um Qualitätskriterien für ein kontinuierliches Monitoring abzuleiten, wird im Folgenden zunächst der Rahmen für die Ableitung von Qualitätskriterien im Kontext einer Ambulantisierung skizziert. Anschließend werden eingeführte Qualitätsindikatoren/-systeme aus dem ambulanten Bereich benannt und darauf aufbauend Vorschläge für ein Monitoring der Versorgungsqualität einer ambulantisierten Versorgung in Deutschland gemacht.

3 Qualität der Gesundheitsversorgung

Die Ableitung von Qualitätskriterien muss in die Diskussion um die Qualität der Versorgung und deren Bewertung eingeordnet werden. Dabei wird hier der Begriff „Kriterium“ in Anlehnung an Avedis Donabedian sehr allgemein verstanden als „Komponente oder Aspekt der Struktur eines Gesundheitssystems oder der Prozesse oder Ergebnisse der Gesundheitsversorgung, die eine Bedeutung für die Qualität der Versorgung haben“ (Donabedian 1986). Was aber versteht man unter „Qualität der Versorgung“? Sens et al. definieren Qualität in Anlehnung an die entsprechende DIN-Norm als „Grad, in dem Qualitätsmerkmale einer Betrachtungseinheit die Qualitätsanforderungen erfüllen“ (Sens et al. 2018). Beispielsweise könnte für ein ambulantes Operationszentrum als Betrachtungseinheit die Rate ungeplanter stationärer Aufnahmen ein typisches Qualitätsmerkmal darstellen, wobei deren möglichst weitgehende Verhinderung als Qualitätsanforderung gelten könnte.

Qualitätsmerkmale in der Gesundheitsversorgung werden oftmals der Einteilung von Avedis Donabedian folgend in Merkmale der Qualitätsdimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterteilt (Donabedian 2005). Dabei zählen die für die Versorgung notwendigen Sachmittel und das Personal zu den Strukturen, die an den Patientinnen und Patienten erbrachten diagnostischen und therapeutischen Prozeduren sowie deren zeitliche Koordination zu den Prozessen und die an Patienten „ablesbaren“ oder von diesen berichteten positiven wie negativen Gesundheitsergebnisse zu den Ergebnissen. Konkret wird im Allgemeinen von Institutionen und den Behandelnden in der Gesundheitsversorgung erwartet, dass sie die Behandlung am Bedarf und den Präferenzen der Patienten ausrichten, also patientenorientiert und zudem effektiv und sicher behandeln. Um diese Qualitätsmerkmale zu erfüllen, müssen zunächst die für eine optimale Behandlung notwendigen Versorgungsstrukturen vorhanden sein – vor allem qualifiziertes und motiviertes Personal sowie Sachmittel unter anderem aus dem Bereich der Medizintechnik. Zur ambulantisierten operativen Behandlung von Patienten mit einer Leistenhernie sollte beispielsweise das Fachpersonal für die Operation, die Anästhesie und die Überwachung nach dem Eingriff vor Ort und das dazu notwendige Material vorhanden sein. Gerade bei ambulanten Eingriffen mit Vollnarkose wird es wichtig sein, ein eingespieltes Team vorzuhalten, das Narkosezwischenfälle fachgerecht behandeln kann und die erforderlichen Interventionsmöglichkeiten beherrscht.

Mit diesen Strukturen können dann potenziell effektive und sichere Versorgungsprozesse gestaltet werden, wobei sich der Stand des Wissens oftmals in evidenzbasierten fachspezifischen Leitlinien zusammengefasst findet, sodass eine leitlinienkonforme Behandlung ein typisches Qualitätsmerkmal darstellt. Darüber hinaus spielt als Merkmal der Patientenorientierung der Behandlung die gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Patienten („Shared Decision Making“) heute eine zunehmend anerkannte Rolle (Hahlweg et al. 2022).

Ob die eingesetzten Strukturen und Prozesse tatsächlich die Qualitätsmerkmale einer effektiven und sicheren Behandlung erzielt haben, wird mithilfe von Indikatoren gemessen, die die Versorgungsergebnisse fokussieren. Dazu zählen zum einen objektiv gemessene Parameter wie Komplikationsraten, das Überleben oder die Funktionalität im Alltag sowie einzelne Ergebnisse der Prozesseinhaltung (z. B. der fachgerechten Reinigung von Endoskopen). Zum anderen sind Parameter relevant, die nur von den Patienten selbst berichtet werden können: a) die von Patienten berichteten Ergebnisse (Patient Reported Outcomes, PRO) zum Beispiel aus dem Bereich der Lebensqualität oder aber b) die von Patienten berichteten Erfahrungen mit der Gesundheitsversorgung (Patient Reported Experiences, PRE) etwa aus dem Bereich der Kontinuität oder Koordination der Versorgung über Versorgungsgrenzen hinweg.

Zusammengefasst müssten für das Qualitätsmonitoring einer ambulantisierten medizinischen Versorgung also Qualitätskriterien formuliert werden, mit deren Hilfe bewertet werden kann, ob

  1. a)

    die zur Behandlung notwendigen Strukturen im Bereich des Personals und der Sachmittel in der ambulanten Versorgung vorhanden sind,

  2. b)

    die Behandlung selbst nach dem Stand des Wissens (wo vorhanden leitlinienkonform) erfolgt, an den Präferenzen der Patienten ausgerichtet ist und auch nur diejenigen Patienten behandelt werden, bei denen eine eindeutige Indikation besteht,

  3. c)

    die Behandlungsergebnisse positiv ausfallen – sowohl die klinisch gemessenen als auch die von Patienten berichteten Ergebnisse und Erfahrungen (PRO, PRE).

Einem erweiterten Verständnis der Qualität der Versorgung zufolge sollten heute noch zusätzliche Qualitätskriterien berücksichtigt werden. Breit anerkannt sind die als triple aim einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung benannten Kriterien „population health, experiences of care, per capita cost“ (Berwick et al. 2008). Später kam als quadruple aim „care team well-being“ (Bodenheimer und Sinsky 2014) und zuletzt als quintuple aim „health equity“ hinzu (Nundy et al. 2022). Demnach sollte bei der Auswahl von Qualitätskriterien im Rahmen der Ambulantisierung diskutiert werden, inwieweit ein Qualitätsmonitoring auch eine regionale, populationsbezogene Perspektive einnehmen sollte und die Kosten der Versorgung, das Wohlbefinden der Behandelnden und Gerechtigkeitsfragen erfassen sollte, wie beispielsweise die im Zuge einer Ambulantisierung drohende Gefahr der Diskriminierung vulnerabler Gruppen beim Zugang zur individuell optimalen, entweder ambulanten oder stationären Behandlung.

Die Operationalisierung der Qualitätskriterien bzw. Merkmale erfolgt im Allgemeinen in Form von Qualitätsindikatoren, die vom IQTIG als „quantitative Größe, die Aussagen über die Erfüllung konkreter Qualitätsanforderungen mittels eines Messverfahrens und eines Bewertungskonzepts ermöglicht“ definiert werden (IQTIG 2022). Dabei wird bei der Formulierung von Qualitätsindikatoren (QI) typischerweise auf bereits vorliegende Indikatorensets rekurriert, auf die im Folgenden eingegangen wird.

4 Verfügbare Qualitätsindikatoren

In Deutschland zu nennen wären zunächst die Indikatoren des IQTIG, die in deren Qualitätsindikatorendatenbank (QIDB) jeweils aktualisiert vorgehalten werden (IQTIG 2023a). Für die Ambulantisierung besonders interessant sind sicher diejenigen Indikatoren, die für solche Prozeduren entwickelt wurden, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können und bereits heute einer sektorgleichen Qualitätssicherung unterliegen, beispielweise die Indikatoren zu Koronarangiographien. Darüber hinaus sind aber auch die für die stationäre Leistungserbringung vorgesehenen Indikatoren des IQTIG im Hinblick auf ihre Eignung bei ambulanter Leistungserbringung zu prüfen (IQTIG 2023a). Ein typisches Beispiel wären die Indikatoren zur ambulant erworbenen Pneumonie, die bei einer Ambulantisierung dieser Versorgung auch für das ambulante Qualitätsmonitoring geeignet sein könnten (IQTIG 2023a).

Indikatorbeispiel:

„Frühe erste Blutgasanalyse oder Pulsoxymetrie“ (QS-CAP; ID 2006; IQTIG 2023b)

Eine weitere wesentliche Quelle für Indikatoren stellen Leitlinien dar. Die AWMF fordert im Manual für Leitlinienautoren explizit dazu auf, aus den Empfehlungen jeweils Indikatoren abzuleiten, womit der Erfüllungsgrad der Empfehlungen in der Routineversorgung überprüft werden könnte (Geraedts 2023). Für die Ableitung von Qualitätsindikatoren aus Leitlinien liegt ein aufwändig entwickelter methodischer Standard vor, dessen Anwendung jedoch noch zu wünschen übrig lässt (Deckert et al. 2021; Geraedts 2023).

Beispiel einer Leitlinenempfehlung:

Patientinnen und Patienten mit akuten schweren depressiven Episoden soll eine Kombinationsbehandlung mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie empfohlen werden (NVL unipolare Depression)

Abgeleiteter Indikator:

„Anteil Patienten mit akuten schweren depressiven Episoden und sowohl medikamentöser antidepressiver Behandlung als auch Psychotherapie“

Unter den internationalen Datenbanken für Indikatoren, aus denen einzelne Indikatoren zur Qualitätsbewertung im Rahmen einer Ambulantisierung herangezogen werden könnten, sollen hier nur die Hauptbeispiele aus den USA und Großbritannien genannt werden. Die QI-Liste der Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS) umfasst aktuell 537 Indikatoren aus allen Bereichen der Versorgung (CMS 2023), wohingegen die Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) derzeit nur 33 Indikatoren aus den Bereich Prävention, Pädiatrie, Patientensicherheit und Krankenhausbehandlung auflistet (AHRQ 2023).

Indikatorbeispiel:

„Facility 7-Day Risk-Standardized Hospital Visit Rate after Outpatient Colonoscopy“ (https://cmit.cms.gov/cmit/#/MeasureView/?variantId=1352&sectionNumber=1; CMS, ID 00253-01-C-ASCQR)

Vormals betrieb die AHRQ seit 1998 das „National Quality Measures Clearinghouse (NQMC)“ mit einer umfassenden Liste aller vor allem in den USA genutzten Indikatoren. Dem NQMC wurde jedoch 2018 unter Donald Trump die Finanzierung entzogen. Als dritte Sammlung von Indikatoren ist das Healthcare Effectiveness Data and Information Set (HEDIS) sehr verbreitet, zu dem die Kostenträger von fast zwei Drittel aller US-Bürger Daten beitragen. HEDIS umfasst derzeit 90 Indikatoren vor allem aus den Bereichen Effektivität, Zugang und Inanspruchnahme (NCQA 2023).

Aus Großbritannien zu nennen wären die Indikatoren des NHS Outcomes Framework, die vor allem die Ergebnisse einzelner Leistungsbereiche in Regionen fokussieren, und hier insbesondere die Sterblichkeit an verschiedenen Krankheiten sowie die Patientenerfahrungen mit der Versorgung (NHS 2023).

Indikatorbeispiel:

„Unplanned hospitalisation for chronic ambulatory care sensitive conditions“ (NHS Outcomes Framework Indicators – March 2022 release)

Während die genannten internationalen Beispiele eher eine sektorübergreifende Perspektive einnehmen, herrscht in Deutschland noch eine sektorbezogene Formulierung von Indikatoren vor; eine Ausnahme bilden die genannten IQTIG-Indikatoren, aber auch die SEVer-Liste des Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (SEVer-Liste – Schwerwiegende Ereignisse, die wir sicher verhindern wollen; APS 2021), die ebenfalls sowohl im stationären als auch ambulanten Sektor zur Anwendung kommen kann.

Indikatorbeispiel:

„Überdosierung von Methotrexat für die nicht-onkologische Patientenversorgung (z. B. tägliche statt wöchentlicher Gabe)“ (APS SEVer-Liste)

Als Indikatorenquelle sind auch die bislang nur für den ambulanten Sektor formulierten Indikatoren zu betrachten, da diese auch Leistungen umfassen, die zum Teil stationär erbracht werden oder aber die Hospitalisierungsraten ambulant behandelbarer Krankheiten messen. Die verfügbaren QI-Sets aus dem ambulanten Sektor werden oder wurden zur Qualitätssicherung, Qualitätsforschung oder Qualitätsförderung eingesetzt, wobei die Daten typischerweise jedoch noch nicht bundesweit erfasst werden. Darunter befindet sich beispielsweise das QI-Set der Kassenärztlichen Bundesvereinigung „AQUIK“ (Ambulante Qualitätsindikatoren und Kennzahlen), das 48 fachgruppenspezifische und -übergreifende sowie patientenorientierte und qualitätsmanagementbezogene Qualitätsindikatoren umfasst, mit denen einzelne Praxen bewertet, nicht jedoch ein regionales Qualitätsmonitoring durchgeführt werden kann (Kleudgen et al. 2011). Zudem setzt die Berechnung vieler Indikatoren eine elektronische Patientenakte mit Analysefunktionen voraus, die laut AQUIK-Projekt der KBV in den meisten Praxen fehlen. Darüber hinaus schätzen Ärzte den Erhebungsaufwand für die AQUIK-QI als zu hoch ein (de Cruppé et al. 2015).

Das umfangreichste Indikatorenset QISA (Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung) hat das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (aQua-Institut) im Auftrag des AOK-Bundesverbandes entwickelt (AOK 2023). Dieses Indikatorenset fokussiert vor allem die hausärztliche Versorgung. Einige Indikatoren sind auf der Basis von Routinedaten berechenbar, andere benötigen Daten aus Praxismanagementsystemen. Viele der ursprünglich zwischen 2009 und 2012 publizierten Indikatoren wurden inzwischen aktualisiert. Das QI-Set bildet die Basis des Qualitätsmonitorings von Arztnetzen der AOK, das unter dem Namen QuATRo (Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten) fungiert. Arztnetze, die bei Indikatoren zur leitliniengerechten Versorgung, Prävention und Patientensicherheit besonders gut abschneiden, werden ausgezeichnet.

Ebenfalls zur Qualitätsbewertung von Arztnetzen hat die BARMER ein QI-Set unter dem Namen BrAVo (Benchmarking regionale Arztnetz-Versorgung) vorgelegt (Laag et al. 2013). Dieses QI-Set beruht ausschließlich auf Routinedaten und umfasst beispielsweise das für die Ambulantisierung wichtige Qualitätskriterium der Hospitalisierungsquoten.

Speziell zur Evaluation des integrierten Versorgungsmodells „Gesundes Kinzigtal“ wurde ein viele Bereiche der ambulanten Versorgung umfassendes QI-Set entwickelt, das zur Indikatorberechnung auch ausschließlich Routinedaten nutzt (Geraedts et al. 2020). Darüber hinaus liegen für verschiedenste Fachdisziplinen QI-Sets zum Qualitätsmonitoring der ambulanten Versorgung vor, die nicht schon Teil des QISA-Sets sind und deren Eignung im Rahmen einer Ambulantisierung zu prüfen wäre, so zum Beispiel QI-Sets in der Pädiatrie (Skrundz et al. 2015; Ewald et al. 2018) oder der ambulanten onkologischen Versorgung (Hermes et al. 2013).

5 Qualitätskriterien und -indikatoren einer ambulantisierten Versorgung

In Anbetracht der Fülle an Qualitätsindikatoren, die für das Monitoring einer ambulantisierten Versorgung zur Verfügung stehen, könnte ein pragmatisches Vorgehen so gestaltet sein, dass zunächst die grundsätzlich zu erfassenden Qualitätskriterien ausgewählt werden und anschließend die erwähnten Quellen im Hinblick auf validierte Indikatoren untersucht werden. Damit entfiele der aufwändige Weg einer De-novo-Entwicklung von Indikatoren. Sollten keine Indikatoren den Bedarf decken, müssen die folgenden zehn Prozessschritte der Indikatorenentwicklung durchlaufen werden (Geraedts 2023):

  1. 1.

    Kriterienbasierte Auswahl von Qualitätsaspekten

  2. 2.

    Prozessanalyse: Analyse des Versorgungspfads und der am Versorgungsprozess Beteiligten (Qualitäts-/Wirkmodell)

  3. 3.

    Reflektion bedeutsamer Qualitätsdimensionen

  4. 4.

    Evidenzsuche für Anforderungen an einzelne Prozessschritte/Qualitätsdimensionen

  5. 5.

    Ableitung von Qualitätszielen und Qualitätsmerkmalen

  6. 6.

    Formulierung von Qualitätsindikatoren und Referenzbereichen

  7. 7.

    Reflektion der nicht von Leistungserbringern zu beeinflussenden Einflussgrößen auf die Zielerreichung und Festlegung der zur Risikoadjustierung notwendigen Faktoren

  8. 8.

    Operationalisierung der Datenerhebung und -analyse (Datenquellen, Datenfelder, Berechnungsverfahren)

  9. 9.

    Machbarkeitstestung des Verfahrens

  10. 10.

    Methodische Gütetestung der Indikatoren

Unabhängig davon, ob Qualitätsindikatoren übernommen oder neu entwickelt werden müssen, lassen sich die grundsätzlichen Qualitätskriterien aus der oben genannten Operationalisierung des Konstrukts „Qualität der Gesundheitsversorgung“ ableiten. Demnach muss bewertet werden, ob die ambulantisierte Behandlung die bereits oben genannten Kriterien erfüllt:

a) Die zur Behandlung notwendigen Strukturen im Bereich des Personals und der Sachmittel sind vorhanden.

Beispiele für die mindestens notwendigen strukturellen Voraussetzungen bei schon heute ambulantisierten Behandlungen finden sich in den Vereinbarungen von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V des GKV-Spitzenverbands und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, u. a. zum ambulanten Operieren oder zur invasiven Kardiologie, zur Schmerztherapie oder Koloskopien. Da aus Studien fast nie ableitbare Evidenz für bestimmte Strukturen vorliegen, müssten diese für alle ambulantisierbaren Behandlungen im Konsens der Beteiligten und Patientenvertreter abgestimmt werden. In diesen Bereich fallen auch Mindestmengen, die im Rahmen der Aus- und Weiterbildung nachgewiesen und/oder kontinuierlich erfüllt werden müssen.

b) Die Behandlung erfolgt auf der Basis der jeweils effektivsten Methoden.

Liegen Leitlinien vor, die diagnostische oder therapeutische Prozesse empfehlen, die mit den wahrscheinlich besten Versorgungsergebnissen einhergehen, dann sollte die Behandlung dementsprechend erfolgen, wenn nicht patientenindividuelle Gründe dagegen sprechen. Im Allgemeinen wird also der Anteil leitlinienkonform behandelter Patientinnen und Patienten berechnet.

c) Die Behandlung erfolgt patientenzentriert.

Die Präferenzen der Patientinnen und Patienten für oder gegen bestimmte diagnostische oder therapeutische Verfahren müssen in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess erörtert werden, sodass die Behandlung entsprechend erfolgen kann. Eventuell präferieren die Patienten auch trotz ambulanter Behandlungsoption eine stationäre Behandlung. Alle Patientengruppen sollten gleiche Zugangsmöglichkeiten zu beiden Behandlungsoptionen haben, womit ein Teilaspekt der Gerechtigkeit der gesundheitlichen Versorgung erfasst wird. Ist eine Überwachung nach einer ambulantisierten Behandlung nicht gesichert, muss stationär behandelt werden. Die Bewertung dieses Kriteriums erfolgt typischerweise anhand von Erfahrungsbefragungen. Beispielhaft sei hier die bereits etablierte IQTIG-Befragung von Patienten nach Koronarangiographien/perkutanen Koronarinterventionen erwähnt, die diese Aspekte berücksichtigt.

d) Nur eindeutig indizierte Prozeduren werden durchgeführt.

Wie bei jeder neuen Versorgungsform muss hinterfragt werden, ob Vergütungsanreize bei ambulantisierten Behandlungen dazu führen können, dass die Indikation breiter gestellt wird als unbedingt notwendig. Beispiele für eingeführte Indikatoren erfassen fehlende eindeutige Befunde in der Bildgebung oder (Funktions-/Labor-)Diagnostik, eine fehlende von Patienten berichtete eindeutige Symptomatik oder postoperativ fehlende histopathologische Korrelate.

e) Die Behandlungsergebnisse fallen positiv aus.

Hierunter sind zunächst sowohl die klinischen Ergebnisse (z. B. Heilung, Wiederherstellung) als auch die von den Patienten berichteten Ergebnisse (PRO) zu fassen. Gerade die typischerweise nicht über Routinedaten erfasste Funktionalität nach einer angemessenen post-prozeduralen Beobachtungszeit (z. B. Gehstrecke sechs Monate nach Gelenkersatz oder Stent-Implantation) spielt dabei eine wesentliche Rolle. Das International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM) hat inzwischen knapp 50 Sets für die Outcome-Bewertung verschiedener Erkrankungen zusammengestellt, auf die zurückgegriffen werden kann. Je nach Verwendungszweck der Ergebnismessung – zwischen der Initiierung interner Qualitätsverbesserungsaktivitäten über Benchmarking bis hin zur Steuerung z. B. über erfolgsabhängige Vergütungen – wird es notwendig sein, eine mehr oder weniger gute Risikoadjustierung zu implementieren, um Fehlinterpretationen der Indikatorausprägungen zu vermeiden. Dabei werden diejenigen Faktoren statistisch möglichst weitgehend eliminiert, die die Indikatorausprägung beeinflussen, jedoch nicht von den Leistungserbringenden kontrolliert werden können.

Des Weiteren sind im Bereich der Ergebnismessung auch die Patientenerfahrungen (PRE) zu bewerten. Das IQTIG hat für verschiedene Leistungsbereiche Befragungsinstrumente entwickelt, von denen jedoch bisher nur die Befragung nach perkutaner Koronarintervention im Regelbetrieb läuft. Zudem liegen generische Befragungsinstrumente sowohl für den stationären (PEQ = Patient Experience Questionnaire) als auch den ambulanten Sektor (ZAP = Zufriedenheit in der ambulanten Versorgung – Qualität aus Patientenperspektive, „Frag mich!“) vor. Deren Eignung für ambulantisierte Behandlungen müsste in jedem Einzelfall geprüft werden.

f) Die Patientensicherheit ist gewährleistet.

Beim Blick in die Literatur zu den Gefahren der Ambulantisierung spielt die Aufrechterhaltung einer der stationären Versorgung zumindest vergleichbaren Patientensicherheit eine Hauptrolle. Qualitätsindikatoren erfassen zu diesem Qualitätskriterium bzw. -merkmal die Komplikationsraten, Sterblichkeit, ungeplante Hospitalisierungen und vor allem auch das Versagen bei der Bewältigung von Notfallsituationen bzw. lebensbedrohlichen Komplikationen („failure to rescue“, Silber et al. 1992). Dabei sollten die in der Literatur berichteten, oftmals niedrigen Komplikationsraten bei ambulantisierten Behandlungen unbedingt auf ihre Übertragbarkeit auf die deutsche Versorgungssituation hinterfragt werden, da „ambulante Behandlung“ in den meisten Ländern eine Behandlung in Krankenhaus-Ambulanzen meint und nicht die bei der so genannten „doppelten Facharztschiene“ in Deutschland eher anzutreffende Behandlung in Arztpraxen. In den unter a) genannten Vereinbarungen der KBV mit dem GKV-Spitzenverband wird den Vorkehrungen für Notfallsituationen daher auch bereits eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Eine bedeutsame Quelle für Indikatoren aus diesem Bereich ist die 2021 publizierte SEVer-Liste der „schwerwiegenden Ereignisse, die wir sicher verhindern wollen“ des Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS 2021).

g) Kosteneffektivität und Bevölkerungsgesundheit

Neben diesen unter a) bis f) aufgeführten vordringlichen Qualitätskriterien einer ambulantisierten Versorgung wäre zu überlegen, inwieweit auch die Kriterien der Kosteneffektivität und der regionalen Bevölkerungsgesundheit in Zukunft bei einer Qualitätsbewertung aus der Systemperspektive einbezogen werden. Dafür spricht, dass die Auswirkungen einer Versorgung, die Patienten potenziell einer größeren Gefahr aussetzt, längerfristig und umfassender evaluiert und die dazu notwendigen Evaluationsparameter von vornherein miterfasst werden sollten.

6 Fazit

Die Ambulantisierung vormals stationär erbrachter Leistungen kann Vor-, aber auch Nachteile für die Patientinnen und Patienten bedeuten. Um etwaige Qualitätsminderungen oder Gefährdungen der Patientensicherheit erfassen zu können, müssen Qualitätsindikatoren auf der Basis der für die Ambulantisierung relevanten Qualitätskriterien konsentiert werden, die ein kontinuierliches Qualitätsmonitoring erlauben. Diese müssen nicht unbedingt neu entwickelt werden, sondern könnten größtenteils aus der Literatur abgeleitet werden. Das Monitoring, für das in Deutschland das IQTIG zuständig sein müsste, sollte gleichförmig für Arztpraxen, Ambulanzen an Kliniken, aber auch bei stationärer Behandlung ambulantisierbarer Prozeduren gelten und einen längerfristigen Zeitraum der Qualitätsbeobachtung nach der Behandlung aus Patienten-, Behandler- und regionaler Perspektive umfassen. So ließen sich Auswirkungen einer Ambulantisierung hinreichend evaluieren und eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig rückgängig machen.