Zusammenfassung
Klinisches/methodisches Problem
Muskuläre Verletzungen stellen eine der häufigsten Läsionen im Bereich des Bewegungsapparats dar. Insbesondere bei professionellen Sportlern ist eine bildgebende Abklärung des Traumas essenziell, um die genaue Lokalisation der Läsion, die beteiligten Muskeln, das Ausmaß sowie mögliche Komplikationen exakt zu definieren. Dadurch kann die bestmögliche Therapie eingeleitet und die notwendige „Ruhezeit“ für eine risikofreie Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität individuell bestimmt werden.
Radiologische Standardverfahren/methodische Innovationen
Bei der bildgebenden Evaluierung von Muskelverletzungen ist der Ultraschall aufgrund seiner raschen Verfügbarkeit, aber auch relativ günstigen Kosten sowie breiten Nutzbarkeit gegenüber der Magnetresonanztomographie heutzutage eine nicht mehr wegzudenkende Modalität.
Leistungsfähigkeit
Im Rahmen dieser Übersichtsarbeit werden generelle Voraussetzungen für die Muskelsonographie sowie ein standardisierter Untersuchungsalgorithmus vom Allgemeinen zum Speziellen bei Muskelverletzungen besprochen.
Bewertung/Empfehlung für Fazit für die Praxis
Der Ultraschall ermöglicht trotz Untersucherabhängigkeit eine zielsichere bildgebende Evaluierung muskulärer Verletzungen und sollte daher als primär zum Einsatz kommende diagnostische Bildgebungsmodalität bei jeglichen Muskelläsionen betrachtet werden.
Abstract
Clinical/methodical issue
Muscular injuries represent the most common musculoskeletal lesions. Especially in professional athletes an imaging clarification is essential in order to define the exact location of the lesion, the affected muscles, the extent and degree of the injury as well as to define possible concomitant complications. The best possible therapy can be initiated and a necessary rest period for a low risk resumption of sporting activity can be individually specified.
Standard radiological methods/methodical innovations
Due to technical improvements, for example mobile devices and thus increased rapid availability as well as relative cost-effectiveness compared to other modalities, the imaging evaluation of muscle injury would nowadays be unthinkable without ultrasound.
Performance
The article discusses general prerequisites for the performance of muscle ultrasound as well as a standardized examination algorithm of muscle injuries beginning with general and leading to special tips and tricks.
Achievements/practical recommendations
Despite the known investigator dependence, ultrasound enables a reliable and unerring imaging clarification of muscle injuries. For this reason, ultrasound should be considered as the first-line diagnostic imaging modality when dealing with muscle trauma.
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Hintergrund
Muskelverletzungen des Sportlers sind häufig und können sowohl während des Trainings als auch im Wettbewerb auftreten. Mit einer Inzidenz von 31 % sind sie z. B. die häufigsten Verletzungen bei professionellen Fußballspielern, wobei ein Drittel aller Muskelverletzungen in der ischiokruralen Muskulatur („hamstrings“) beobachtet wird, gefolgt von Verletzungen der Adduktoren (21 %), der Quadrizepsgruppe (14 %) und Verletzungen des M. triceps surae (12 % [1,2,3,4]).
Insbesondere bei professionellen Sportlern ist die Bildgebung nach Trauma essenziell, um die genaue Lokalisation der Läsion, das Ausmaß, die beteiligten Muskeln und mögliche Komplikationen zu definieren: dadurch kann einerseits die bestmögliche Therapie eingeleitet werden und andererseits die Zeit für eine risikofreie Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität bestimmt werden.
Die Sonographie hat sich in den letzten 2 Dekaden zu einer nicht mehr wegzudenkenden Modalität bei der Beurteilung von Muskelverletzungen etabliert: sie ist rasch verfügbar, kostengünstig und verglichen mit anderen Modalitäten gut zugänglich. Durch die Verfügbarkeit portabler Ultraschallgeräte, die in ihrer Leistung den großen Standgeräten in nichts nachstehen, ist inzwischen eine Ultraschalluntersuchung sogar bereits zeitnah am Wettkampfort möglich.
Untersuchungstechnik
Für die Untersuchung muskulärer Strukturen sind prinzipiell hochfrequente Schallsonden mit Frequenzen >12 MHz unerlässlich. Da Schallwellen jedoch auch vom oberflächlichen subkutanen Fettgewebe beeinflusst werden, sind insbesondere bei adipösen Patienten bzw. tiefer gelegenen Läsionen niedrigfrequente Konvexsonden empfehlenswert, welche eine erhöhte Gewebepenetration ermöglichen. Post-processing-Methoden wie z. B. „harmonic“- und „compound imaging“ können zusätzlich das Signal-Rausch-Verhältnis und den Gewebekontrast verbessern. Die Panoramafunktion, obwohl sie keinen zusätzlichen diagnostischen Wert hat, ermöglicht zudem die Darstellung der kompletten Ausdehnung einer Läsion in Relation zu den umgebenden Strukturen.
Nach einer gründlichen Anamnese, insbesondere des Unfallhergangs, sollte der entsprechende Muskel im gesamten Verlauf beurteilt werden: zu Beginn wird eine transversale Sondenorientierung empfohlen mit Untersuchung des Muskelursprungs, der intramuskulären Septen und des muskulotendinösen Übergangs. Dann wird die Sonde um 90º gedreht und der Muskel in seiner Längsachse verfolgt. Eine sanfte sonographische Palpation ist oft sehr hilfreich, um die genaue Schmerzlokalisation zu definieren. Die Farbdopplersonographie sollte bei jeder Beurteilung muskulärer Verletzungen eingesetzt werden, um die Vaskularisation zu eruieren.
Neben der statischen Untersuchung ist wenn möglich eine funktionelle Untersuchung empfehlenswert, um die Funktion bzw. die Stabilität zu überprüfen.
Normale Sonoanatomie der Muskeln
Jeder Muskel ist von einer elastischen bindegewebigen Faszie (Epimysium) ummantelt, die mehrere Muskelfaszikel umschließt, welche wiederum von lockeren fibroadipösen Septen umgeben sind (Perimysium). Diese Septen verbinden sich an den Enden des Muskels und bilden die Sehne bzw. das muskuläre Attachment. Sonomorphologisch stellen sich diese Septen in einer transversalen Sondenorientierung als punktförmige bzw. kleine strichförmige hyperechogene Reflexe dar, umgeben von den hypoechogenen Fleischfasern (Abb. 1a). In der longitudinalen Orientierung wird das Perimysium als eine hyperechogene längliche Struktur auf einem hypoechogenen Hintergrund dargestellt (Abb. 1b). Intramuskuläre Ausläufer der Sehnen stellen sich als dicke, fibrilläre, hyperechogene Strukturen dar.
Wenn die Schallwelle mit mehreren parallelen Strukturen interagiert, treten sogenannte Anisotropieartefakte auf, die eine Ruptur vortäuschen können: werden Muskel- oder Sehnenfasern nicht senkrecht vom Schall getroffen, trifft ein Teil der Schallwellen nicht auf den Sender und die betreffende Struktur erscheint hypoechogen. Eine strikt rechtwinklige Positionierung der Schallsonde ist somit obligatorisch.
Muskelverletzungen
Die primäre und wichtigste Aufgabe bildgebender Verfahren ist die Beurteilung, ob überhaupt eine Muskelruptur vorliegt oder nicht. Dies hat einen entscheidenden Einfluss bzgl. der Zeit zur Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität: liegt eine Muskelläsion vor, wird eine Pause von 4 bis 6 Wochen empfohlen, bei Fehlen einer Muskelruptur kann die sportliche Aktivität deutlich früher wieder aufgenommen werden [5, 6].
Das sonographische Erscheinungsbild einer muskulären Verletzung variiert mit dem Schweregrad und dem Alter der Verletzung, wobei eine einheitliche Klassifikation von Muskelverletzungen bis dato nicht existiert. Eine Graduierung der Ruptur wird jedoch von mehreren Autoren wie folgt empfohlen [5,6,7,8,9]:
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Grad 0 Kein sonographisches Korrelat.
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Grad 1 Muskelschwellung mit kleinen Muskelirregularitäten (<5 % der Muskelfläche), welche hypo- und/oder hyperechogen erscheinen können (Abb. 2a,b).
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Grad 2 Kontinuitätsunterbrechung von Muskelfibrillen unterschiedlicher Echogenität (>5 % der Muskelfläche, jedoch ohne Beteiligung des gesamten Muskels). Periläsionale Flüssigkeitsansammlung/Hämatom bzw. entlang der Muskelfaszie ist häufig nachweisbar (Abb. 3). Oft ist das sogenannte „Glockenschlägerzeichen“ nachweisbar, welches sich durch sanften Druck auslösen lässt und die rupturierten, sich im hypoechogenen Hämatom bewegenden Muskelfibrillen darstellt.
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Grad 3 Komplette Muskelruptur mit Darstellung der Muskelstümpfe und Hämatom in der „Muskellücke“ (Abb. 4).
„Delayed muscle onset soreness“ (DOMS)
DOMS stellt eine Sonderform einer muskulären Verletzung dar: durch meist exzentrische Belastungen, die mit der Intensität und Dauer der Übung korrelieren oder z. B. plötzliche Abbremsbewegungen entstehen winzige muskuläre Einrisse, welche muskelkaterartige Beschwerden hervorrufen. Die Beschwerden treten jedoch erst 24–48 h nach Belastung auf und verschwinden nach ca. 7 Tagen. Die Diagnose ist meist klinisch, wobei die Unterscheidung von einer Grad-1-Verletzung oft schwierig ist. Sonographisch kann sich der betroffene Muskel normal darstellen oder zeigt eine lokale Hyperechogenität.
Komplikationen
Muskelhernie
Defekte in der Muskelfaszie nach stumpfem oder penetrierendem Trauma können die Ursache für eine extraanatomische Herniation von Muskelgewebe sein (Abb. 5a,b). Muskelherniationen treten am häufigsten in der unteren Extremität auf [6, 8, 10] und hier v. a. im M. tibialis anterior. Die Patienten sind meistens symptomarm, verspüren jedoch oft eine Schwellung, welche nach Muskelaktivität schmerzhaft wird [10]. Um einen Weichteiltumor auszuschließen und die Muskelherniation zu bestätigen, wird die Sonographie als Methode der ersten Wahl eingesetzt: im Längsschnitt kann eine Faszienlücke dargestellt werden mit „prolabiertem“, jedoch sonst normal imponierendem Muskelgewebe, welches bei leichter Kompression oft reponibel ist. Oft ist die Muskelherniation beim liegenden, „ruhenden“ Patienten nicht sichtbar: eine dynamische Untersuchung ist in diesen Fällen hilfreich, da durch Muskelanspannung die Herniation des Muskelgewebes provoziert werden kann.
Kompartmentsyndrom
Grundsätzlich können 2 Formen des Kompartmentsyndroms unterschieden werden, das akute und das chronische. Beide Formen betreffen hauptsächlich den Unterschenkel, wobei in einzelnen Fällen auch ein Kompartmentsyndrom der Flexoren des Unterarms beschrieben worden ist [11,12,13]. Stumpfes oder penetrierendes Trauma, Ödeme, Hämatome nach Muskelverletzungen oder Frakturen sind die häufigsten Ursachen für eine Erhöhung des Drucks im entsprechenden Kompartment: der Muskel schwillt an, es resultiert eine Kompression der intramuskulären Kapillaren mit Folge eines verminderten Blutflusses, der letztendlich zu einer Gewebehypoxie und Muskelnekrose führen kann. Die klinische Präsentation mit starken Schmerzen und ggf. auch neurologischen Ausfällen ist in der Regel eindeutig – eine Fasziotomie sollte so rasch wie möglich durchgeführt werden. Die Sonographie ist oft nicht erforderlich, da das klinische Erscheinungsbild hinweisend ist, kann aber oft eine Muskelschwellung bzw. eine erhöhte Muskelechogenität darstellen bzw. andere mögliche Differenzialdiagnosen ausschließen. Die Dopplersonographie sowohl der Arterien als auch der Venen bleibt in den initialen Stadien normal. Erst in den späten Stadien ist eine venöse oder gar eine arterielle Kompression darstellbar.
Das chronische Kompartmentsyndrom, oder auch „chronic exertional compartment syndrome“ (CECS) genannt, ist ein sportbezogenes Krankheitsbild, das mit einer schmerzhaften muskulären Expansion bei erhöhtem Blutfluss während sportlicher Aktivität einhergeht und in Ruhe wieder verschwindet [14, 15]. Sonographisch ist der Muskel meist unauffällig – der Ausschluss einer peripheren Verschlusskrankheit (PAVK), die ein CECS vortäuschen kann, ist durch die Dopplersonographie sehr hilfreich.
Muskuläre Umbauprozesse
Muskelatrophie
Neben neurogenen Ursachen entstehen Muskelatrophien nach einer unbehandelten Komplettruptur des Muskels. In frühen Stadien ist meist eine muskuläre Hypertrophie nachweisbar, die in den späten Stadien in das Vollbild einer Atrophie übergeht: Retraktion des Muskelbauchs bzw. der Muskelstümpfe, Volumenminderung und fettiger Umbau des Muskels [16]. Sonographisch sollte immer ein Seitenvergleich angestrebt werden um den hyperechogenen, atrophen Muskel mit der gesunden Gegenseite besser vergleichen zu können. Atrophien partiell rupturierter Muskeln lassen sich sonographisch nur schwer darstellen – ein hyperechogener Schwund rupturierter Muskelfibrillen kann jedoch beobachtet werden [5].
Myositis ossificans
Die Myositis ossificans oder auch Myositis ossificans circumscripta genannt, ist eine gutartige „nichtneoplastische“ heterotope Ossifikation, die häufig mit traumatischen Muskelverletzungen assoziiert ist („post-traumatic myositis ossificans“, PTMO [17,18,19]). Muskeln mit großflächigem Kontakt zu Knochen sind häufiger involviert wie z. B. die Mm. brachialis, vastus intermedius und soleus [5]. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist insbesondere in den initialen Stadien das Weichteilsarkom: neben dem deutlichen perifokalen Weichteilödem, das charakteristisch für die Myositis ossificans und eher atypisch für Weichteilsarkome ist, beginnt die Ossifikation in der Peripherie des traumatisch bedingten Hämatoms. Bei Weichteilsarkomen entstehen Verkalkungen innerhalb der zentralen Nekrose [20]. Sonographisch lässt sich in der Anfangsphase (1 bis 4 Wochen) eine hypoechogene „Raumforderung“ mit beginnenden, kleinen, peripheren Verkalkungen nachweisen, welche deutlich früher als im konventionellen Röntgen erscheinen. In der subakuten Phase (4 Wochen bis 6 Monate) zeigt sich eine periphere lamelläre Kalzifikation, die bei älteren Verläufen die typische dorsale Schallauslöschung präsentiert (Abb. 6a–c; [17]).
Muskelverletzungen der oberen Extremität am Beispiel M. triceps und M. biceps brachii
M. triceps brachii
Der M. triceps brachii besteht aus 3 Anteilen: dem Caput longum, welches am Tuberculum infraglenoidale der Skapula entspringt, dem Caput mediale sowie laterale, welche am medialen bzw. lateralen Humerus beginnen. Der gemeinsame Ansatz liegt am proximalen Olekranon der Ulna, wobei Anteile der Sehnenfasern in die Gelenkkapsel des Ellenbogens und die Unterarmfaszie einstrahlen. Funktionell adduziert und retrovertiert der M. triceps brachii das Schultergelenk und fungiert als Strecker am Ellbogen. Aufgrund der oberflächlich und folglich relativ ausgesetzten Lage kann der Trizeps bei direkten Traumata leicht verletzt werden, wenn auch im Vergleich zu anderen Muskeln äußerst selten [21].
Verletzungsmuster
Die Verletzung kann intramuskulär, am muskulotendinösen Übergang und am häufigsten an der knöchernen Insertion am Olekranon auftreten [22]. Der häufigste Verletzungsmechanismus besteht in einer plötzlichen Kraftabbremsung des Arms während einer Extension, z. B. ein Sturz auf die ausgestreckte Hand, oder in einer forcierten Beugung bei angespanntem Muskel [23, 24] – beispielsweise eine zu hohe Last beim Bankdrücken, welche beim Absenken nicht abgebremst werden kann. Letzteres begründet die Tatsache, dass v. a. Männer, und besonders Besucher von Fitnessstudios, von derartigen Verletzungen betroffen sind. Zusätzliche Risikofaktoren stellen der Gebrauch anabolischer Steroide, von Kortikosteroiden, eine Bursitis olecrani sowie entzündliche Arthritiden dar [25,26,27].
Klinik
Klinisch wird eine Weichteildelle proximal des Olekranons tastbar, umgebend ein Hämatom am distalen, dorsalen Oberarm. Es besteht ein aktives Extensionsdefizit. Mithilfe der Sonographie ist es einfach möglich, die Lokalisation sowie Ausdehnung der Muskelverletzung festzustellen. Kleine Fasereinrisse können von größeren Teilläsionen sowie vollständigen Rupturen differenziert werden [28]. Bei Totalrupturen können die zurückgezogenen bzw. noch stehenden Muskel/Sehnenstümpfe visualisiert werden. Eine große Rolle spielen dabei retrahierte Anteile. Hier sollte die entsprechende Dehiszenz beschrieben werden. Eine akute Ruptur bzw. ein Ausriss der distalen Trizepssehne mit Avulsion vom Olekranon kann klinisch u. U. übersehen bzw. bei anatomischen Varianten fehlgedeutet werden. Ein separat inserierender medialer Sehnenanteil (laut Athwal et al. [29] in 53 %) kann ausreißen und sich separat zur gemeinsamen Sehne des lateralen und langen Kopfs retrahieren [30]. Bei knöchernen Sehnenausrissen ist in der Röntgenlateralaufnahme ein nach kranial disloziertes Fragment auch als sogenanntes „flake sign“ zu erkennen [31]. Die ergänzende Sonographie kann in diesem Falle den entscheidenden Beweis für einen vollständigen oder aber auch nur inkompletten knöchernen Teilausriss der Sehne liefern (Abb. 7a,b; [32]). Bei Fehldiagnose mit Verzögerung einer notwendigen operativen Sanierung sind die Therapiealternativen und Rekonstruktionsmöglichkeiten bei beispielsweise bereits verkürzter Sehne eingeschränkt und manchmal komplex, was unweigerlich mit einer Invaliditätsverlängerung einhergeht [33, 34].
M. biceps brachii
Der M. biceps brachii besteht aus 2 Köpfen: dem Caput longum, welches am Tuberculum supraglenoidale oberhalb der Gelenkpfanne des Schultergelenks, und dem Caput breve, welches am Processus coracoideus der Skapula entspringt. Die 2 Anteile vereinigen sich zu einem Muskelbauch und inserieren gemeinsam an der Tuberositas radii. Ein weiterer Ansatz erfolgt über eine von der distalen Sehne ausgehenden fibrösen Membran, die Aponeurosis musculi bicipitis (sog. Lacertus fibrosus), welche in die tiefe Unterarmfaszie einstrahlt. Eine Kontraktion des Caput longum bewirkt im Schultergelenk eine Abduktion und Innenrotation des Arms, wohingegen eine Kontraktion des Caput breve zu einer Adduktion führt. Darüber hinaus kommt es zu einer Anteversion der oberen Extremität bei Kontraktion beider Köpfe. Im Ellbogengelenk bewirkt der M. biceps eine Flexion des Unterarms und fungiert als Supinator. Mithilfe der Aponeurosis musculi bicipitis wird die Unterarmfaszie angespannt.
Laut Literatur existieren verschiedene anatomische Varianten mit supranumerischen Köpfen [35, 36]. Als Beispiel sei ein Caput tertium genannt, welches sich vom Humerus entspringend dem Bizeps anschließt. Weiter sind separat inserierende distale Sehnenanteile sowie seltene kongenitale Agenesien der langen Bizepssehne bekannt, welche nicht mit einer Dislokation oder Teilläsion verwechselt werden sollten [37]. Solche „Normalbefunde“ können einfach mithilfe der Sonographie bestätigt bzw. ausgeschlossen werden [38].
Verletzungsmuster
Die v. a. bei jungen Patienten gesehenen akuten Verletzungen betreffen überwiegend die distale Sehne und entstehen durch eine exzentrische Belastung des flektierten Ellbogens. Degenerative Veränderungen mit konsekutiver Ruptur treten dagegen v. a. an der proximalen Sehne und häufig sekundär im Rahmen repetitiver Mikrotraumata und Überbeanspruchung auf [39]; nicht zu unterschätzen sind in diesen Fällen prädisponierende Begleiterkrankungen wie beispielsweise lokale Infektionen, ein Diabetes mellitus oder entzündlich rheumatische Erkrankungen.
Klinik
Die klinische Diagnose kann aufgrund unspezifischer Symptome und häufiger Assoziation mit anderen Schulterpathologien, allen voran Verletzungen der Rotatorenmanschette, eine ziemliche Herausforderung darstellen [40]. Typische Symptome einer rupturierten langen Bizepssehne bestehen aus anteriorem Schulterschmerz, Druckschmerz im Sulcus bicipitalis und einem ungewöhnlichen Ausbeulen des Muskels. Teilläsionen, Tendinosen sowie Entzündungen der bizipitoradialen Bursa können mithilfe der Sonographie meist einfach differenziert werden. Teilläsionen sind charakterisiert durch eine Strukturauftreibung, inhomogene Textur und Darstellung nicht kontinuierlicher Faseranteile. Komplette Rupturen zeigen eine vollständige Diskontinuität mit retrahiertem, sich vorwölbendem Muskelbauch [41]. Dies kann insbesondere an der distalen Insertion ein klinisch diagnostisches Dilemma darstellen, da es bei noch intaktem Lacertus fibrosus trotz vollständiger Läsion der an der Tuberositas radii inserierenden Sehne zu keiner Retraktion kommt.
Eine Luxation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus bicipitalis kann mithilfe der Sonographie mit einem Blick diagnostiziert werden [42]. Die Sonographie hat aufgrund ihrer hohen Sensitivität insbesondere in der Evaluierung von Läsionen der distalen Bizepssehne einen großen Stellenwert [39, 43]. Aufgrund der unterschiedlichen Einschallmöglichkeiten können anisotropiebedingte Artefakte ausgeschlossen werden [44], eine Totalruptur des an der Tuberositas radii inserierenden Anteils kann bei noch intaktem Lacertus fibrosus und daher fehlender Sehnenretraktion verlässlich diagnostiziert werden [45]. Zudem können mithilfe der dynamischen Untersuchung Teilläsionen von Komplettrupturen mit dazwischen gelegenem Hämatom sicher unterschieden werden [46]. Dies ist besonders bei chronischen und subakuten Rupturen von Vorteil, da in der statischen Sonographie ein bereits in Auflösung befindliches peritendinöses Hämatom mit reaktiver Narbenbildung mit einer Partialruptur verwechselt werden kann.
Die Sehne kann von anterior, posterior, medial und lateral eingeschallt werden. Bei der anterioren Einstellung lässt sich die Sehne v. a. longitudinal gut darstellen; hierbei kann die A. brachialis, welche medial der Sehne verläuft, als Leitstruktur herangezogen werden [47]. Beim medialen („pronator window“) und lateralen Fenster erfolgt die Untersuchung bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogengelenk und supiniertem Unterarm. Dabei können insbesondere insertionsnahe Faseranteile über eine parakoronale Ebene überlagerungsarm und unter Minimierung von Anisotropieartefakten eingesehen werden. Der von Giuffre und Lisle [48] beschriebene posteriore Zugang bei proniertem Unterarm ermöglicht durch die nach dorsal zeigende Tuberositas radii ebenfalls eine gute Darstellung der unmittelbar insertionsnahen Sehnenanteile.
Da eine rasche anatomische Korrektur zur Vermeidung von Folgeschäden sowie Komplikationen in vielen Fällen oberste Priorität hat [49], stellt die Sonographie trotz Untersucherabhängigkeit eine insgesamt kostengünstige und v. a. im Vergleich zur MRT häufig rasch sowie breit zur Verfügung stehende Modalität dar und sollte daher als First-line-Diagnostik zur Evaluierung von Bizepsläsionen angesehen werden [50].
Muskelverletzungen der unteren Extremität am Beispiel „hamstrings“, M. quadriceps femoris und Unterschenkelmuskulatur
Die Muskulatur der unteren Extremität ist im Vergleich zur oberen stärkeren Belastungen ausgesetzt: nicht nur beim Gehen oder Laufen muss sie das Körpergewicht bzw. beschleunigte Gesamtgewicht tragen und fortbewegen, sondern muss ggf. auch im Rahmen sportartspezifischer Belastungen – z. B. durch die Beschleunigung bei Hochgeschwindigkeitssportarten – teilweise ein Vielfaches davon kompensieren. Dabei kommt es zu typischen Verletzungsmustern, von denen hier einige exemplarisch dargestellt werden.
„Hamstrings“
Schmerzen am Sitzbeinhöcker begründen sich – neben dem häufigen Befund einer traumatisch aktivierten Bursitis/Tendinose – nicht selten durch eine Verletzung des gemeinsamen Ursprungs des M. semimembranosus (ventral), des M. semitendinosus (medial) und des langen Kopfs des M. biceps femoris (lateral); diese Muskeln bilden zusammen am Oberschenkel die funktionelle Gruppe der „hamstrings“ und werden durch spezifische akute Belastungen lädiert: die initiale Verletzung findet dabei typischerweise bei plötzlicher Laufbeschleunigung (o. ä. Kraftbewegungen) statt und mündet je nach Vorschaden bzw. Lastgröße in Teil- oder Komplettrupturen entweder der ineinander verwobenen Ursprungssehnen (Caput commune) bzw. bei Dominanz einer einzelnen Lastrichtung in Teil‑/Komplettrupturen einzelner tendinöser/muskulärer Anteile der „hamstrings“ [51]; hierbei ist im Speziellen ein Ein- oder Abriss (Abb. 8) am Sehnenursprung am Tuber ischiadicum wegen der ineinander verwobenen Sehnenfasern am „Caput commune“ nie spezifisch einer Einzelsehne zuordenbar.
Wie auch an anderen Muskelgruppen kommt es aber ebenso zu Verletzungen in Höhe der jeweiligen Sehnen-Muskel-Übergänge (Locus minoris resistentiae), was dem Untersucher strategisch hilft: zeigt sich sonographisch keine wesentliche Veränderung am Caput commune, sollte im nächsten Schritt nach Hämatomen besonders am Übergang vom proximalen zum distalen Drittel der „hamstrings“ gesucht werden (Abb. 9). Neben lokalisierten Hämatomen zeigen sich dabei die entsprechenden Texturveränderungen der verletzten Muskulatur: Einrisse der Muskelfasern im Sinne von Stümpfen, retrahierte Fleischfasern bei Abscherung von Sehnenabschnitten bzw. echoreiche diffuse Unterblutungen der beteiligten Muskelabschnitte sowie Einrisse von Muskelfaszien. Die topographische Zuordnung erfolgt dann nicht nur am statischen Bild, sondern auch funktionell zusammen mit der Beurteilung des Verletzungsausmaßes (Einriss vs. Durchriss – reine Muskelverletzung vs. Sehnenbeteiligung). Letzteres ist zur Stratifikation der prognostisch günstigsten Therapie wichtig, wobei in diesem Zusammenhang eine höhere Sensitivität der MRT berichtet wird [52, 53]: ob in diesem Zusammenhang der Patient eher von einer substanziell höheren Sensitivität oder einer spezifischen funktionellen Beurteilung profitiert (aus der Spezifität einer Läsion resultiert letztlich die entsprechende therapeutische Relevanz), ist derzeit noch nicht geklärt [53]. Ferner kann insbesondere die funktionelle Sonographie in der Beurteilung des Heilungsverlaufs (z. B. beim Profisportler) wichtige Informationen zur aktuellen Belastbarkeit (z. B. hyperplastische, vaskularisierte „frische“ Narbe vs. zarte, rein echogene, raffende „reife“ Narbe) oder dem weiteren Prozedere geben.
M. quadriceps inklusive Insertionssehnen
Der Streckapparat des Oberschenkels besteht im Wesentlichen aus einem großen Muskelpaket, das aus 4 Anteilen besteht (M. vastus medialis, M. vastus intermedius und M. vastus lateralis sowie dem zentral am meisten ventral gelegenen M. rectus femoris), welche in teilweise gering unterschiedlichem Winkel zur Längsachse des Oberschenkels an der Patella bzw. über diese hinweg über das Lig. patellae an der Tibia inserieren. Ähnlich den „hamstrings“ wird der M. quadriceps femoris bei plötzlicher, belasteter Kniestreckung verletzt bzw. kann durch ein direktes Anpralltrauma bei bestehender Anspannung (z. B. bei Kontaktsportarten) lädiert werden [54]. Auch hier kann die Sonographie helfen, prompt und eindeutig zwischen Sehnen- und Muskelverletzung zu unterscheiden bzw. den Heilungsverlauf zu begleiten (s. oben): das sich bietende Bild unterscheidet sich nicht substanziell von dem an anderen Muskelgruppen, die Einzelmuskeln lassen sich durch ihre jeweiligen Faszien gut zuordnen; bei entsprechender Gewalteinwirkung reißen am Quadrizeps gewöhnlich auch die Muskelfaszien, weshalb nicht mit einer relevanten Restriktion des Kompartments im Sinne eines regionalen Kompartmentsyndroms zu rechnen ist.
Rein intramuskuläre Verletzungen werden daher in der Regel rein konservativ versorgt. Bei größeren Fleischfaserrissen mit ausgedehnter Hämatombildung kann es jedoch therapeutisch sinnvoll sein, diese Hämatome sonographisch gezielt zu entlasten: dadurch können dehiszente Muskelfasern wieder schneller adaptieren bzw. kann die Ausbildung intramuskulärer Hämatomverkalkungen (im Sinne einer Myositis ossificans) minimiert werden. Bei den extrem seltenen kompletten Abrissen einer der 4 Einzelmuskeln des M. quadriceps kann es notwendig sein, diesen Abriss primär chirurgisch zu versorgen, um den mechanisch wirksamen Gesamtfaserquerschnitt wiederherzustellen und somit die Gesamtkraft des Oberschenkelstreckers zu erhalten [55]: da sich Muskelstümpfe relativ prompt retrahieren und somit die chirurgisch zu versorgende Lücke technisch unüberbrückbar werden kann, ist auch hier die Sonographie in der Initialdiagnostik ggf. noch am Unfallort zumindest sehr hilfreich.
Muskeln des Unterschenkels
Im Gegensatz zur ventralen Streckmuskulatur des Unterschenkels (diese umgibt eine rigide, akut nicht expansible Faszie) ist die posteriore Beugemuskulatur am Unterschenkel (ähnlich der Muskulatur des Oberschenkels) jeweils mit zarten separaten Muskelfaszien ummantelt, welche eine Expansion im Kompartment erlauben bzw. zusammen mit erheblichen Muskelverletzungen reißen; bezüglich dieser Eigenschaften liegt das laterale Unterschenkelkompartment (Fibularmuskulatur) dazwischen: es kommt durch langstreckige Einrisse mit Unterblutungen der Umgebung (Abb. 10) zwar nicht so schnell zu einem Kompartmentsyndrom wie ventral, jedoch steigt der Druck heftiger als am posterioren Unterschenkel.
Die Topographie der Unterschenkelmuskulatur ist typisch, die der Sehnen ebenso, wobei diese an bestimmten Stellen „unübersichtlich“ sein können (z. B. der tiefen Beuger am Sprunggelenk): die „gewinkelten“ Verläufe der kraftschließenden Sehnen hin zum Fuß prädestinieren zu zusätzlichen Sehnenverletzungen an den knöchernen Umlenkpunkten, welche bei der Erstuntersuchung gerne übersehen werden, jedoch höherrangige Relevanz haben.
Die grundsätzlichen sonographischen Verletzungsbilder am Unterschenkel entsprechen denen in anderen Regionen; am posterioren und am lateralen Unterschenkel zeigt sich allerdings ein relativ häufig darstellbares für die Region recht spezifisches Muster: großflächige „Einrisszonen“ aufgrund hier typisch sehr großflächiger Muskel-Sehnen-Übergänge [56]. Diese findet man sehr häufig an den Mm. gastrocnemii (besonders medialer Kopf), am M. soleus, aber auch an den Fibularmuskeln. Trotz begleitender langstreckiger Hämatome heilen diese typischen Befunde (verursacht durch plötzliche Last bei ungünstigem Lasthebel) bei Ruhigstellung meist komplikationslos aus, können im lateralen Kompartment aber wegen der beschränkten Platzverhältnisse und somit druckaufbauend sekundäre Muskelschäden im Sinne eines Kompartmentsyndroms nach sich ziehen.
Abschließend hat die Sonographie auch ihren Platz bei der Beurteilung des Heilungsverlaufs: besonders bei Sehnenverletzungen mit konservativem Vorgehen kann durch die Sonographie nicht nur die funktionelle Reifung von Narbenersatzgewebe qualifiziert und funktionell beurteilt werden, sondern auch bei insuffizienter Heilung entsprechende Ursachen definiert werden. Ebenso kann bei entsprechendem klinischen Verdacht einer Muskelheilungsstörung (durch z. B. ungünstige, spontane Adaption) oder kompliziertem Verlauf einer Hämatomresorption (V. a. sekundäre bakteriämische Infektion) die Sonographie schnell Antworten liefern bzw. helfen, ein gewähltes Behandlungsschema zeitnah anzupassen.
Fazit für die Praxis
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Die Sonographie hat sich zu einer nicht mehr wegzudenkenden Modalität zur Evaluierung muskulärer Verletzungen etabliert und sollte als Bildgebungsmodalität der ersten Wahl betrachtet werden.
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Bei der Beurteilung von Muskeln sollten standarisierte Untersuchungsalgorithmen angewendet werden.
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Aufgabe der Sonographie ist es einerseits zu beurteilen, ob eine muskuläre Verletzung vorliegt, andererseits diese nach Schweregrad einzuteilen.
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Der Schweregrad einer muskulären Verletzung hat einen entscheidenden Einfluss bzgl. der Zeit zur Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität.
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Komplikationen von Muskelläsionen wie eine Muskelherniation können mithilfe der dynamisch-funktionellen Sonographie suffizient beurteilt werden.
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Open access funding provided by University of Innsbruck and Medical University of Innsbruck.
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Loizides, A., Gruber, H., Peer, S. et al. Muskelverletzungen des Sportlers. Radiologe 57, 1019–1028 (2017). https://doi.org/10.1007/s00117-017-0292-1
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